TE Bvwg Erkenntnis 2024/1/22 W168 2254949-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.01.2024
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Entscheidungsdatum

22.01.2024

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W168 2254949-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag.Dr. Bernhard MACALKA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.04.2022, Zl. 1289742104/211784328, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag.Dr. Bernhard MACALKA über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.04.2022, Zl. 1289742104/211784328, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs.1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Der Beschwerde wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz , AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, Bundes-Verfassungsgesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 1 aus 1930, (B-VG), nicht zulässig


Text


Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang:

1. Der damals 36-jährige Beschwerdeführer (BF), ein syrischer Staatsangehöriger aus Afrin, bzw. Aleppo, gehört der kurdischen Volksgruppe an, ist sunnitisch-moslemischen Glaubens, reiste nach seiner letztmaligen Ausreise aus Syrien im Jahr 2018 in den Irak, wo er sich bis Anfang August 2021 aufgehalten hat. Von dort kommend reiste der BF schlepperunterstützt über den Iran, die Türkei und Griechenland, dies unter Umgehung der Grenzkontrollen, bzw. mit einer gefälschten griechischen ID-Karte per Flugzeug am 19.11.2021 nach Österreich ein und stellte am 22.11.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

Am 22.11.2021 fand die Erstbefragung des BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Arabisch statt. Dabei gab der BF zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass er den Entschluss Syrien zu verlassen 2012 gefasst hätte. Er hätte daraufhin illegal mittels PKW Syrien wegen des Krieges in Richtung des Irak verlassen habe. Den Irak habe er im August 2021 verlassen, weil er jetzt Kinder habe und seine Eltern schon alt seien. Er wolle hier arbeiten und seine Familie unterstützen und sie auch (hierher) nachkommen lassen. Er befürchte im Falle einer Rückkehr als Reservist zum syrischen Militär eingezogen zu werden, obwohl er seinen Wehrdienst bereits abgeleistet habe. In Griechenland hätte er nicht bleiben wollen, weil das Leben, insbesondere für seine Kinder, in Österreich besser sei. Die Reise von insbesondere Griechenland nach Österreich wäre durch einen Schlepper organisiert worden, wofür der BF USD 6000 aufgewendet habe. Am Flughafen Athen hätte man ihm einen gefälschten ID Ausweis gegeben mit dem er nach Österreich geflogen wäre. Ein im Damas-Center ausgestellter Reisepass wurde durch den BF in Vorlage gebracht. Seine Familie (Eltern, ein Bruder, zwei Schwestern, seine Ehefrau und drei Söhne sowie eine Tochter) seien im Irak, ein Bruder sei in Deutschland aufhältig.

Am 01.04.2022 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) auf Arabisch. Auf Befragen brachte der BF vor, im Herkunftsstaat bis zur Ausreise mit seinen Eltern in der Stadt Aleppo gelebt zu haben. Nach der Heirat im August 2012 seien diese in den Irak ausgereist. Seine Schwester lebe in der Stadt Afrin. Nach 7 Jahren Schulbesuch habe er als Bäcker gearbeitet. Er habe Kontakt mit seiner Schwester im Herkunftsstaat und seiner Familie im Irak. Den Reisepass habe er sich im Irak ausstellen lassen, da ihm bewusst gewesen sei, dass er einen brauche. Probleme bei der Ausstellung habe es nicht gegeben. Zu seinen Fluchtgründen bracht er vor, Syrien wegen des Krieges verlassen zu haben, da es besonders in der Stadt Aleppo Chaos gegeben habe. Kriegsbedingt habe es keine Arbeit gegeben, viele Menschen seien auf der Straße gewesen. Es habe viele Streitkräfte gegeben und die Zivilisten hätten nicht gewusst, zu wem sie gehören sollten. Der BF habe seinen Militärdienst bereits von 2005 bis 2009 geleistet. Er sei einfacher Soldat gewesen, in der Stadt Damaskus bei den Privattruppen. Dabei habe er sich mit den Soldaten auf Kurdisch unterhalten und jemand habe sich beschwert, worauf er ein Jahr lang inhaftiert worden sei. An Kampfhandlungen habe er nicht teilgenommen. Den Irak habe er wegen seiner Kinder verlassen. Diese könnten dort nicht in die Schule gehen. Es würde dort nur Privatschulen geben und diese würden sehr viel Geld kosten. Deswegen sei er ausgereist, damit sie wie normale Kinder in die Schule gehen könnten. Ein Haftbefehl gegen ihn bestehe im Herkunftsstaat nicht. Im Fall der Rückkehr habe er Angst vor dem Regime und vor den Türken, dass er bei seiner Ankunft sofort zum Reservedienst einberufen würde. Dies glaube er, weil er Verwandte in Damaskus habe, welche zum Reservedienst rekrutiert worden seien. Konkrete Hinweise darauf habe er nicht.

2. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 01.04.2022 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.). Das BFA ging im Wesentlichen davon aus, dass der BF das Herkunftsland wegen den allgemeinen Folgen des Bürgerkrieges verlassen habe. Er sei in Syrien keiner Bedrohung oder Verfolgung aus asylrelevanten oder sonstigen Gründen ausgesetzt gewesen. Das Vorbingen des BF, wonach dieser im Fall der Rückkehr den Reservedienst befürchte, ohne bisher dazu aufgefordert worden zu sein, beinhalte keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK. Auf Grund der aktuell allgemein instabilen Sicherheitslage in Syrien werde ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.2. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 01.04.2022 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.). Das BFA ging im Wesentlichen davon aus, dass der BF das Herkunftsland wegen den allgemeinen Folgen des Bürgerkrieges verlassen habe. Er sei in Syrien keiner Bedrohung oder Verfolgung aus asylrelevanten oder sonstigen Gründen ausgesetzt gewesen. Das Vorbingen des BF, wonach dieser im Fall der Rückkehr den Reservedienst befürchte, ohne bisher dazu aufgefordert worden zu sein, beinhalte keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK. Auf Grund der aktuell allgemein instabilen Sicherheitslage in Syrien werde ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

3. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der vertretene BF fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dazu wurde das Vorbringen des BF wiederholt. Insbesondere wurde auch hierin ausgeführt, dass der BF aus der Stadt Aleppo stamme, bzw. seine Familie aus Afrin. Ergänzend führte der BF hierzu aus, seinen Militärdienst bei syrischen Spezialeinheiten in Damaskus geleistet zu haben und als Mörser-Artillerist ausgebildet zu sein. Dabei sei er wegen Verwendung der damals verbotenen kurdischen Sprache- also aus politischen Gründen- zu einer Haftstrafe verurteilt worden und sein Militärdienst bis 2009 verlängert worden. Seither gelte er als Reservist. Auf Grund des Konflikts in seiner Heimatstadt Aleppo und der Angst, zum Reservedienst eingezogen zu werden, sei er im September 2012 in den Irak geflüchtet. Der BF befürchte, wegen Wehrdienstentziehung, seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung bei einer Rückkehr wegen (unterstellter) politischer Gesinnung verfolgt zu werden. Im Fall der Rückkehr drohe dem BF die Einziehung zum Militär und die Teilnahme an zumindest Kriegsverbrechen. Zudem befürchte er Übergriffe und Zwangsrekrutierung durch die sogenannte „Freie Syrische Armee“ und andere Gruppen sowie Übergriffe türkischer Truppen, welche die Region Aleppo sowie Afrin besetzt halten würden. Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft gewesen bzw. seien die Länderberichten nicht entsprechend gewürdigt worden, aus denen bereits hervorgehe, dass der BF zum Reservedienst verpflichtet sei. Seine Stellung ergebe sich bereits aus dem vorgelegten Militärbuch. Auch EASO/EUAA beschreibe in der Country Guidance Syria 2021, dass eine Einberufung als Reservist bis zum 42. Lebensjahr möglich sei. Hinzuweisen sei auf die Ausbildung des BF als Mörserschütze. Es sei anzunehmen, dass die syrische Armee gerade Reservisten aus besetzten Gebieten zum Dienst einziehe. In Gebieten unter Kontrolle der Regierung liefen Wehrdienstentzieher nach den Länderberichten Gefahr, jederzeit von der Militärpolizei verhaftet und eingezogen zu werden. Das LIB betone, dass große Willkür herrsche und Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung vom Einzelfall abhingen. Nach den UNHCR-Richtlinien fielen tatsächliche oder vermeintliche Gegner der Regierung sowie Wehrdienstentzieher und Deserteure der Streitkräfte unter das Risikoprofil. Wehrdienstentziehern drohe eine über die regulären Sanktionen hinausgehende strengere Behandlung während der Festnahme, beim Verhör und in Haft sowie im Militärdienst. Sowohl UNHCR als auch die EASO/EUAA gingen davon aus, dass Wehrdienstentzieher aus Gewissensgründen im Regelfall Verfolgung auf Grund politischer Gesinnung drohe. Weiters sei es nach den UNCHR-Richtlinien bereits ausreichend, dass der verpflichtende Militärdienst Aktivitäten beinhalte, welche einen Verstoß gegen humanitäres Völkerrecht, internationales Strafrecht oder internationale Menschennrechtsnormen darstellten. Nach der näher bezeichneten Judikatur des EuGH spreche es nicht gegen die Zuerkennung von internationalem Schutz, wenn – wie in Syrien – die Situation eines allgemeinen Bürgerkriegs gegeben sei, der durch die wiederholte systematische Begehung von Kriegsverbrechen durch die Armee unter Einsatz von Wehrpflichtigen gekennzeichnet sei. Auf Grund der Ausbildung des BF sei ohnehin vom unmittelbaren Fronteinsatz auszugehen. Da sich die Stadt Aleppo unter der Kontrolle der Regierung befinde, wäre der BF bei einer Rückkehr dorthin jedenfalls einer Einberufung zum Reservedienst ausgesetzt. 3. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der vertretene BF fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dazu wurde das Vorbringen des BF wiederholt. Insbesondere wurde auch hierin ausgeführt, dass der BF aus der Stadt Aleppo stamme, bzw. seine Familie aus Afrin. Ergänzend führte der BF hierzu aus, seinen Militärdienst bei syrischen Spezialeinheiten in Damaskus geleistet zu haben und als Mörser-Artillerist ausgebildet zu sein. Dabei sei er wegen Verwendung der damals verbotenen kurdischen Sprache- also aus politischen Gründen- zu einer Haftstrafe verurteilt worden und sein Militärdienst bis 2009 verlängert worden. Seither gelte er als Reservist. Auf Grund des Konflikts in seiner Heimatstadt Aleppo und der Angst, zum Reservedienst eingezogen zu werden, sei er im September 2012 in den Irak geflüchtet. Der BF befürchte, wegen Wehrdienstentziehung, seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung bei einer Rückkehr wegen (unterstellter) politischer Gesinnung verfolgt zu werden. Im Fall der Rückkehr drohe dem BF die Einziehung zum Militär und die Teilnahme an zumindest Kriegsverbrechen. Zudem befürchte er Übergriffe und Zwangsrekrutierung durch die sogenannte „Freie Syrische Armee“ und andere Gruppen sowie Übergriffe türkischer Truppen, welche die Region Aleppo sowie Afrin besetzt halten würden. Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft gewesen bzw. seien die Länderberichten nicht entsprechend gewürdigt worden, aus denen bereits hervorgehe, dass der BF zum Reservedienst verpflichtet sei. Seine Stellung ergebe sich bereits aus dem vorgelegten Militärbuch. Auch EASO/EUAA beschreibe in der Country Guidance Syria 2021, dass eine Einberufung als Reservist bis zum 42. Lebensjahr möglich sei. Hinzuweisen sei auf die Ausbildung des BF als Mörserschütze. Es sei anzunehmen, dass die syrische Armee gerade Reservisten aus besetzten Gebieten zum Dienst einziehe. In Gebieten unter Kontrolle der Regierung liefen Wehrdienstentzieher nach den Länderberichten Gefahr, jederzeit von der Militärpolizei verhaftet und eingezogen zu werden. Das LIB betone, dass große Willkür herrsche und Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung vom Einzelfall abhingen. Nach den UNHCR-Richtlinien fielen tatsächliche oder vermeintliche Gegner der Regierung sowie Wehrdienstentzieher und Deserteure der Streitkräfte unter das Risikoprofil. Wehrdienstentziehern drohe eine über die regulären Sanktionen hinausgehende strengere Behandlung während der Festnahme, beim Verhör und in Haft sowie im Militärdienst. Sowohl UNHCR als auch die EASO/EUAA gingen davon aus, dass Wehrdienstentzieher aus Gewissensgründen im Regelfall Verfolgung auf Grund politischer Gesinnung drohe. Weiters sei es nach den UNCHR-Richtlinien bereits ausreichend, dass der verpflichtende Militärdienst Aktivitäten beinhalte, welche einen Verstoß gegen humanitäres Völkerrecht, internationales Strafrecht oder internationale Menschennrechtsnormen darstellten. Nach der näher bezeichneten Judikatur des EuGH spreche es nicht gegen die Zuerkennung von internationalem Schutz, wenn – wie in Syrien – die Situation eines allgemeinen Bürgerkriegs gegeben sei, der durch die wiederholte systematische Begehung von Kriegsverbrechen durch die Armee unter Einsatz von Wehrpflichtigen gekennzeichnet sei. Auf Grund der Ausbildung des BF sei ohnehin vom unmittelbaren Fronteinsatz auszugehen. Da sich die Stadt Aleppo unter der Kontrolle der Regierung befinde, wäre der BF bei einer Rückkehr dorthin jedenfalls einer Einberufung zum Reservedienst ausgesetzt.

Weiters wurde ausgeführt, dass die Familie des BF ursprünglich aus der Region Afrin stamme, welche durch die von der Türkei unterstützte SNA besetzt sei. In seinen vorgelegten Dokumenten scheine diese Region auch als Herkunftsregion des BF auf. Nach den EASO Country Guidances Syria vom November 2021 hätten Kurden aus einem von der SNA besetzten Gebiet generell begründete Furcht vor Verfolgung. Die Beweiswürdigung sei insbesondere diesbezüglich mangelhaft gewesen, zumal der BF bereits in der Vergangenheit aus politischen Gründen von der Regierung verfolgt worden sei. Nach der Status-RL sei dies ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet sei, außer wenn stichhaltige Gründe gegen eine erneute Verfolgung sprächen. Gegengründe habe die Behörde nicht vorgebracht. Eine mündliche Verhandlung werde beantragt.

4. Die Beschwerde langte mitsamt den Verwaltungsakten am 13.05.2022 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein.

5. Am 06.10.2023 richtete der BF einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Fristsetzungsantrages an den VwGH.

6. Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 23.11.2023, der ein Vertreter des BFA entschuldigt fernblieb, wurde Beweis aufgenommen durch Befragung des BF in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch sowie seiner Rechtsvertretung. Hierbei wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt sämtliche Gründe für die Antragstellung in Österreich, als auch der Erhebung der gegenständlichen Beschwerde umfassend und konkret darzulegen und diese glaubhaft zu machen. Hierbei führte der BF, bzw. dessen Vertretung in einer Stellungnahme insbesondere auch aus, dass der BF vor seiner Ausreise seinen konkreten Lebensmittelunkt nicht in Aleppo, sondern in Afrin gehabt hätte. Dort wäre er niedergelassen gewesen, dort hätte er gearbeitet und gelebt, bzw. hätte der BF dort auch Verwandte. Dem BF würde in Afrin eine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit als Kurde drohen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2. Feststellungen:

2.1. Zur Person des BF:

Der 38-jährige BF ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der kurdischen Volksgruppe an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Identität des BF steht aufgrund der Vorlage eines syrischen Reisepasses fest.

Der BF hat in Syrien vor seiner letztmaligen Ausreise Ende 2018 in den Irak in Afrin, im Government Aleppo, gelebt und war dort niedergelassen. Dort ist er vor seiner Ausreise einer Arbeit als Bäcker nachgegangen. Der BF auch angegeben, dass dieser bzw. seine Familie in Afrin Häuser und Grundstücke besitzen, bzw. besessen haben.

Die Stadt Afrin in der Provinz Aleppo ist der verfahrensgegenständlich relevante Herkunftsort des BF.

Die Kontrolle über die Provinz Aleppo ist unter dem syrischen Regime, kurdischen Machthabern sowie türkischen Truppen und mit diesen verbündeten Milizen aufgeteilt. Über Afrin, einen Teil der Provinz Aleppo, in der der BF zuletzt lebte und von dort aus Syrien verlassen hat, üben derzeit die Türkei und mit dieser verbündete Milizen, darunter die Syrische Nationalarmee (in der Folge: SNA, vormals „Freie Syrische Armee“), die Kontrolle aus.

Die Familie des BF (Mutter, Geschwister, Ehefrau und Kinder) leben im Irak. Eine Schwester des BF lebt noch in Afrin, ein Bruder lebt in Deutschland. Weitere Verwandte des BF leben in Damaskus. Der Vater des BF ist kürzlich verstorben.

Der BF hat von 2005 bis 2009 seinen Wehrdienst in der Syrisch Arabischen Armee (SAA) abgeleistet, wobei er als einfacher Soldat (Mörserschütze) in Damaskus eingesetzt wurde. Eine „Spezialausbildung“ im Rahmen des Militärdienstes konnte nicht festgestellt werden.

Der BF ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Im Zuge der türkischen Militäroperation „Friedensquelle“ im Nordosten von Syrien Anfang Oktober 2019 kam und kommt es Berichten zufolge zu willkürlichen Tötungen von Kurden durch Kämpfer der – mit den türkischen Truppen affiliierten – Milizen der SNA sowie zu Plünderungen und Vertreibungen von Kurden, Jesiden und Christen.

Bei der Eroberung Afrins im März 2018 durch türkische Truppen und ihre Verbündeten der Freien Syrischen Armee wurden viele Kurden und Kurdinnen aus dem Distrikt Afrin vertrieben. Ihre Häuser wurden geplündert und beschlagnahmt. Quellen berichten auch von der Beschlagnahmung von Geschäften und Grundstücken. Syrische Araber zogen in die Häuser der geflohenen Kurden ein. Vielen Kurden wurde eine Rückkehr nach Afrin nicht erlaubt. Die Kurden stellen nicht mehr die Mehrheit in den von der Türkei besetzten Gebieten dar; die Mehrheit der kurdischen Bevölkerung ist aus Angst vor Unterdrückung geflohen. Diejenigen, die geblieben sind, erlebten Plünderungen und Unterdrückung, etwa die systematische Zerstörung der Lebensgrundlagen, wie das Abbrennen von Olivenhainen, Bauernhöfen oder Lederfabriken.

Es ist zumindest nachvollziehbar, dass Kurden aus Afrin befürchten, dass die Türkei versucht, Kurden in ehemals kurdischen Mehrheitsstädten wie u.a. Afrin zu marginalisieren, die kurdische Sprache wird aus dem Lehrplan gestrichen und aus den lokalen Regierungsinstitutionen entfernt. Es kommt zu Hunderten von Vorfällen von Misshandlungen durch von der Türkei unterstützte Gruppierungen, darunter unrechtmäßige Verhaftungen, Folter und Verschwindenlassen. Die UN-Untersuchungskommission für Syrien stellte fest, dass willkürliche Verhaftungen, Inhaftierungen und Plünderungen in ganz Afrin weit verbreitet sind.

Seit den türkischen Offensiven im Nordosten Syriens ab 2018 werden von Menschenrechtsverletzungen z.B. Morde, Plünderungen, Vergewaltigungen und Enteignungen durch mit der Türkei verbündeten Gruppen vor allem gegen Kurden berichtet. Menschenrechte existieren in der besagten Region nur in der Theorie.

Der BF hat insgesamt glaubhaft, nachvollziehbar und sich deckend mit den aktuellen Länderinformationen zu seiner Herkunftsregion angegeben als kurdisch stämmiger Mann 2018 aus Afrin durch Milizen der FSA vertrieben worden zu sein, bzw. deswegen Syrien verlassen zu haben.

Im Übrigen werden die Ausführungen im Verfahrensgang den Feststellungen zugrunde gelegt.

2.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat: (gekürzt durch das BVwG)

Im Folgenden werden die fallgegenständlich wesentlichen Feststellungen aus den vom BVwG herangezogenen Länderinformationen der Staatendokumentation des BFA wiedergegeben:

„[…] Sicherheitslage

Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Es ist zu beachten, dass die durch die türkischen Offensiven im Nordosten ausgelöste Dynamik verlässliche grundsätzliche Aussagen und Trendeinschätzungen schwierig macht. Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB 1.10.2021).

Die folgenden Karten zeigen Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien [Anm.: zu den verbleibenden Rückzugsgebieten des Islamischen Staates (IS) siehe Abschnitte zu den Regionen]:

Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018b). Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung nur ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt (Reuters 13.4.2016). Militärisch kontrolliert das syrische Regime den Großteil des Landes mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens. Ein wesentlicher Grund hierfür ist die andauernde und massive militärische Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans bzw. durch von Iran unterstützte Milizen einschließlich Hizbollah, der bewaffnete oppositionelle Kräfte wenig entgegensetzen können. Die Streitkräfte des Regimes selbst sind mit Ausnahme einiger Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 29.11.2021). Das Wiederaufflammen der Kämpfe und die Rückkehr der Gewalt geben laut UNHRC (UN Human Rights Council) Anlass zur Sorge. Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs für Syrien Geir O. Pedersen hat am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat vor den besorgniserregenden und gefährlichen Entwicklungen in Syrien gewarnt. Dabei wies er insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022).

Die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen für die Arabische Republik Syrien stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den Vereinten Nationen benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien, die sie als "Operation Claw-Sword" bezeichnet und die nach türkischen Angaben auf Stellungen der Syrischen Demokratischen Kräfte und der syrischen Streitkräfte abzielt, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße getroffen hat (HRW 7.12.2022). Die Türkei hat seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien gestartet (France24 20.11.2022). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022) [Zur von Präsident Erdogan ankündigten Militäroffensive siehe das Unterkapitel "Türkische Militäroperationen in Nordsyrien" im Kapitel "Sicherheitslage"].

Im Nordwesten Syriens führte das Vordringen der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen. Russland verstärkte seine Luftangriffe in Idlib, und die Türkei griff kurdische und Regimekräfte an. Russland setzte die Bombardierungen in der Provinz Idlib am 7., 11. und 17.10.2022 fort und belastete damit den Waffenstillstand vom März 2020 (ICG 10.2022).

Die folgende Karte zeigt die verschiedenen internationalen Akteure und deren militärische Interessenschwerpunkte in Syrien:

Mittlerweile leben 66 % der Bevölkerung wieder in den von der Regierung kontrollierten Territorien (ÖB 1.10.2021). Mehr als zwei Drittel der im Land verbliebenen Bevölkerung leben in Gebieten unter Kontrolle des syrischen Regimes. Auch wenn die militärische Rückeroberung des gesamten Staatsgebietes erklärtes Ziel des Regimes bleibt, zeichnet sich eine Rückeroberung weiterer Landesteile durch das Regime derzeit nicht ab. Im Nordwesten des Landes werden Teile der Gouvernements Lattakia, Idlib und Aleppo durch die von den Vereinten Nationen als Terrororganisation eingestufte HTS sowie Türkei-nahe bewaffnete Gruppierungen kontrolliert. Die Gebiete im Norden und Nordosten entlang der Grenze zur Türkei stehen in Teilen unter Kontrolle der Türkei und ihr nahestehender bewaffneter Gruppierungen in Teilen unter Kontrolle der kurdisch dominierten SDF und in einigen Fällen auch des syrischen Regimes. Auch in formal vom Regime kontrollierten Gebieten sind die Machtverhältnisse mitunter komplex, die tatsächliche Kontrolle liegt häufig bei lokalen bewaffneten Akteuren (AA 29.11.2021).

Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“ (BMLV 12.10.2022). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. In Idlib mit seinen über drei Millionen Zivilbevölkerung kommt es trotz eines wackeligen Waffenstillstandes demnach weiterhin zu verbotenen Angriffen durch das Bündnis. Auch die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) verletzte internationales Recht durch unterschiedslose Luftschläge in Nordostsyrien, welche zivile Todesopfer und Zerstörung verursachten (HRW 13.1.2022). Auch in Landesteilen, in denen Kampfhandlungen mittlerweile abgenommen haben, besteht weiterhin ein hohes Risiko, Opfer von Gewalt und Übergriffen zu werden (AA 29.11.2021).

In weiten Teilen des Landes besteht eine dauerhafte und anhaltende Bedrohung durch Kampfmittel. Laut der COI gab es in Afrin und Ra's al-'Ayn zwischen Juli 2020 und Juni 2021 zahlreiche Sicherheitsvorfälle durch Sprengkörper und Sprengfallen (u.a. IEDs), die häufig an belebten Orten detonierten und bei denen mindestens 243 Zivilisten ums Leben kamen. Laut dem UN Humanitarian Needs Overview von 2020 sind in Syrien 11,5 Mio. Menschen der Gefahr durch Minen und Fundmunition ausgesetzt. 43 % der besiedelten Gebiete Syriens gelten als kontaminiert. Ca. 25 % der dokumentierten Opfer durch Minenexplosionen waren Kinder. UNMAS (United Nations Mine Action Service) hat insgesamt bislang mehr als 12.000 Opfer erfasst. Die Großstädte Aleppo, Raqqa, Homs, Dara‘a und Deir ez-Zor sowie zahlreiche Vororte von Damaskus sind hiervon nach wie vor besonders stark betroffen. Erhebliche Teile dieser Städte sind auch mittel- bis langfristig nicht bewohnbar. Bei einem Drittel der besonders betroffenen Gebiete handelt es sich um landwirtschaftliche Flächen. Dies hat auch gravierende Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion, die nicht nur die Nahrungs-, sondern auch die Lebensgrundlage für die in den ländlichen Teilen Syriens lebenden Menschen darstellt. Trotz eines "Memorandum of Understanding" zwischen der zuständigen UNMAS und Syrien behindert das Regime durch Restriktionen, Nicht-Erteilung notwendiger Visa und Vorgaben weiterhin die Arbeit von UNMAS sowie zahlreicher, auf Minenaufklärung und -Räumung spezialisierter internationaler NGOs in unter seiner Kontrolle befindlichen Gebieten (AA 29.11.2021).

Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vgl. DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vgl. CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022; vgl WP 30.11.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vgl. BAMF 6.12.2022). Nach dem Verlust der territorialen Kontrolle verlagerte der IS seine Strategie hin zu aufständischen Methoden, wie gezielte Angriffe, u.a. Autobomben, Überfälle, und Attentate (DIS 29.6.2020). Generell nimmt die Präsenz des IS in Syrien wieder zu, auch in Landesteilen unter Regimekontrolle. IS-Anschläge blieben im Jahr 2021 auf konstant hohem Niveau. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt weiterhin im Nordosten des Landes. Seit Anfang 2020 hat der IS Anschläge in fast allen Landesteilen durchgeführt und ist weiterhin grundsätzlich in der Lage, dies landesweit zu tun. Es sind zudem Berichte über zunehmende Anschläge in Regimegebieten, insbesondere der zentralsyrischen Wüsten- und Bergregion, in Hama und Homs, bekannt geworden. Mehrere Tausend IS-Kämpfer sowie deren Angehörige befinden sich in Gefängnissen und Lagern in Nordostsyrien in Gewahrsam der SDF. Der IS verfügt weiter über Rückzugsgebiete im syrisch-irakischen Grenzgebiet sowie in Zentralsyrien, bleibt damit als asymmetrischer Akteur präsent, baut Untergrundstrukturen aus und erreicht damit sogar erneut temporäre und punktuelle Gebietskontrolle (AA 29.11.2021). Trotz der starken Präsenz syrischer und russischer Streitkräfte in Südsyrien sind mit dem IS verbundene Kämpfer in der Region aktiv und das syrische Regime ist derzeit nicht in der Lage, IS-Aktivisten in Gebieten zurückzudrängen, die vollständig unter der Kontrolle der Regierung stehen (VOA 24.10.2022). Nach Angaben der International Crisis Group verübten IS-Zellen Ende 2021 durchschnittlich 10 bis 15 Angriffe auf die Streitkräfte der Regierung von Syrien pro Monat, die meisten davon im Osten von Homs und im ländlichen westlichen Deir Ez-Zour. Dieser Trend setzte sich auch im Jahr 2022 fort (EUAA 9.2022). Der IS ist im Regimegebiet stärker, weil die syrische Armee weniger kompetent bei Anti-Terror-Operationen auftritt als die SDF (Zenith 11.2.2022). Der UN-Sicherheitsrat schätzt die Stärke der Gruppe auf 6.000 bis 10.000 Kämpfer in ganz Syrien und im Irak, wobei die operativen Führer der Gruppe hauptsächlich in Syrien stationiert sind (EUAA 9.2022). Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vergleiche DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vergleiche CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022; vergleiche WP 30.11.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vergleiche BAMF 6.12.2022). Nach dem Verlust der territorialen Kontrolle verlagerte der IS seine Strategie hin zu aufständischen Methoden, wie gezielte Angriffe, u.a. Autobomben, Überfälle, und Attentate (DIS 29.6.2020). Generell nimmt die Präsenz des IS in Syrien wieder zu, auch in Landesteilen unter Regimekontrolle. IS-Anschläge blieben im Jahr 2021 auf konstant hohem Niveau. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt weiterhin im Nordosten des Landes. Seit Anfang 2020 hat der IS Anschläge in fast allen Landesteilen durchgeführt und ist weiterhin grundsätzlich in der Lage, dies landesweit zu tun. Es sind zudem Berichte über zunehmende Anschläge in Regimegebieten, insbesondere der zentralsyrischen Wüsten- und Bergregion, in Hama und Homs, bekannt geworden. Mehrere Tausend IS-Kämpfer sowie deren Angehörige befinden sich in Gefängnissen und Lagern in Nordostsyrien in Gewahrsam der SDF. Der IS verfügt weiter über Rückzugsgebiete im syrisch-irakischen Grenzgebiet sowie in Zentralsyrien, bleibt damit als asymmetrischer Akteur präsent, baut Untergrundstrukturen aus und erreicht damit sogar erneut temporäre und punktuelle Gebietskontrolle (AA 29.11.2021). Trotz der starken Präsenz syrischer und russischer Streitkräfte in Südsyrien sind mit dem IS verbundene Kämpfer in der Region aktiv und das syrische Regime ist derzeit nicht in der Lage, IS-Aktivisten in Gebieten zurückzudrängen, die vollständig unter der Kontrolle der Regierung stehen (VOA 24.10.2022). Nach Angaben der International Crisis Group verübten IS-Zellen Ende 2021 durchschnittlich 10 bis 15 Angriffe auf die Streitkräfte der Regierung von Syrien pro Monat, die meisten davon im Osten von Homs und im ländlichen westlichen Deir Ez-Zour. Dieser Trend setzte sich auch im Jahr 2022 fort (EUAA 9.2022). Der IS ist im Regimegebiet stärker, weil die syrische Armee weniger kompetent bei Anti-Terror-Operationen auftritt als die SDF (Zenith 11.2.2022). Der UN-Sicherheitsrat schätzt die Stärke der Gruppe auf 6.000 bis 10.000 Kämpfer in ganz Syrien und im Irak, wobei die operativen Führer der Gruppe hauptsächlich in Syrien stationiert sind (EUAA 9.2022).

Mitte 2020 gehörten zu den Zielpersonen des IS vor allem lokale Behörden und Personen, die mit den Behörden, Kräften und Gruppen, die gegen den IS kämpfen, zusammenarbeiten oder als mit ihnen kooperierend wahrgenommen werden (DIS 29.6.2020). Der IS profitierte auch von einem Sicherheitsvakuum, das dadurch entstand, dass die verschiedenen militärischen Kräfte ihre Aktivitäten aufgrund der COVID-19-Pandemie reduzierten (USDOS 30.3.2021).

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Die NGO Syrian Network for Human Rights (SNHR) versucht die Zahlen ziviler Todesopfer zu erfassen. Getötete Kämpfer werden in dem Bericht nicht berücksichtigt, außer in der Zahl der aufgrund von Folter getöteten Personen, welche sowohl Zivilisten als auch Kämpfer berücksichtigt. Betont wird außerdem, dass die Organisation in vielen Fällen Vorkommnisse nicht dokumentieren konnte, besonders im Fall von "Massakern", bei denen Städte und Dörfer komplett abgeriegelt wurden. Die hohe Zahl solcher Berichte lässt darauf schließen, dass die eigentlichen Zahlen ziviler Opfer weit höher als die unten angegebenen sind. Zudem sind die Möglichkeiten zur Dokumentation von zivilen Opfern auch von der jeweiligen Konfliktpartei, die ein Gebiet kontrolliert, abhängig (SNHR 1.1.2020; vgl. SNHR 1.1.2021).Die NGO Syrian Network for Human Rights (SNHR) versucht die Zahlen ziviler Todesopfer zu erfassen. Getötete Kämpfer werden in dem Bericht nicht berücksichtigt, außer in der Zahl der aufgrund von Folter getöteten Personen, welche sowohl Zivilisten als auch Kämpfer berücksichtigt. Betont wird außerdem, dass die Organisation in vielen Fällen Vorkommnisse nicht dokumentieren konnte, besonders im Fall von "Massakern", bei denen Städte und Dörfer komplett abgeriegelt wurden. Die hohe Zahl solcher Berichte lässt darauf schließen, dass die eigentlichen Zahlen ziviler Opfer weit höher als die unten angegebenen sind. Zudem sind die Möglichkeiten zur Dokumentation von zivilen Opfern auch von der jeweiligen Konfliktpartei, die ein Gebiet kontrolliert, abhängig (SNHR 1.1.2020; vergleiche SNHR 1.1.2021).

SNHR berichtet von 64 getöteten Zivilisten im November 2022, darunter 14 Kinder, zwei Frauen und sechs Personen, die an den Folgen von Folterungen starben. Dabei wurde festgestellt, dass das syrische Regime erneut Streumunition gegen Lager für Binnenvertriebene eingesetzt hat, was ein Kriegsverbrechen darstellt (SNHR 1.12.2022).

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Informationen zur Untersuchung von Chemiewaffeneinsätzen in Syrien

Seit der im November 2017 an russischen Vetos im VN-Sicherheitsrat gescheiterten Verlängerung des Mandats des „Joint Investigative Mechanism“ (JIM) fehlte ein Mechanismus, der die Urheberschaft von Chemiewaffeneinsätzen feststellt. Ein, gegen heftigen Widerstand Russlands im Juni 2018 angenommener Beschluss erlaubt nun der Organisation für das Verbot von Chemischen Waffen (OPCW), die Verantwortlichen der Chemiewaffenangriffe in Syrien im Rahmen eines hierfür neu gebildeten „Investigation and Identification Team“ (IIT) zu ermitteln. Dies gilt auch für vergangene, von der Fact Finding Mission (FFM) bestätigte Einsätze, die der 2016/17 tätige JIM nicht abschließend behandelt hat. Im April 2021 legte das IIT seinen zweiten Ermittlungsbericht vor, demzufolge hinreichende Belege vorliegen, dass der Chemiewaffeneinsatz in der Stadt Saraqib im Februar 2018 auf Kräfte des syrischen Regimes zurückzuführen ist. Ein erster Bericht des IIT wurde am 8.4.2020 vorgelegt. Die Untersuchung dreier Angriffe im März 2017 kam zu dem Ergebnis, dass hinreichende Belege vorliegen, dass die syrischen Luftstreitkräfte für den Einsatz von Sarin am 24. und 30.3.2017 sowie Chlorgas am 25.3.2017 in Latamenah verantwortlich sind. Die unabhängigen internationalen Experten der FFM gehen, davon unabhängig, weiter Meldungen zu mutmaßlichen Chemiewaffeneinsätzen nach. So kommt der FFM-Bericht vom 1.3.2019 zu dem Ergebnis, dass bei der massiven Bombardierung von Duma am 7.4.2018 erneut Chemiewaffen (Chlor) eingesetzt wurden („reasonable grounds“). Auch eine Untersuchungskommission des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen kam zu diesem Ergebnis. Pressemeldungen zufolge soll das Assad-Regime am 19.5.2019 wiederholt Chlorgas in Kabana/Jabal al-Akrad im Gouvernement Lattakia eingesetzt haben. Die US-Regierung hat hierzu erklärt, dass auch sie über entsprechende Hinweise verfüge, um den Chlorgaseinsatz entsprechend zuzuordnen. Untersuchungen durch FFM bzw. IIT stehen noch aus. Am 1.10.2020 veröffentlichte die FFM zwei weitere Untersuchungsberichte zu vermuteten Chemiewaffeneinsätzen in Saraqib (1.8.2016) und Aleppo (24.11.2018). In beiden Fällen konnte die OPCW angesichts der vorliegenden Informationslage nicht sicher feststellen, ob chemische Waffen zum Einsatz gekommen sind (AA 29.11.2021). Am 26.1.2022 veröffentlichte die Untersuchungskommission der OPCW einen Bericht, in dem sie zu dem Schluss kommt, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass am 1.9.2015 in Marea, Syrien, ein chemischer Blisterstoff als Waffe eingesetzt wurde (OPCW 26.1.2022). In einem weiteren Bericht vom 1.2.2022, kommt die OPCW zu dem Schluss, dass es außerdem hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass am 1.10.2016 in Kafr Zeita, Syrien, eine industrielle Chlorflasche als chemische Waffe eingesetzt wurde (OPCW 1.2.2022).

Eine umfangreiche Analyse des Global Public Policy Institute (GPPi) von 2019 konnte auf Basis der analysierten Daten im Zeitraum 2012 bis 2018 mindestens 336 Einsätze von Chemiewaffen im Syrien-Konflikt bestätigen und geht bei 98 % der Fälle von der Urheberschaft des syrischen Regimes aus (AA 29.11.2021)

Das Regime zeigt sich weiterhin nicht willens, die noch offenen Fragen zu seinem Chemiewaffenprogramm aufzuklären. Daher hat die Vertragsstaatenkonferenz des Chemiewaffenübereinkommens (CWÜ) Syrien im April 2021 mit dem Entzug der Stimmrechte sanktioniert. Diese Entscheidung gilt bis zur Erfüllung verschiedener Auflagen, insbesondere der vollständigen Offenlegung von Chemiewaffenbeständen (AA 29.1.2021).

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Nordwest-Syrien

Auf diesem Kartenausschnitt sind die Machtverhältnisse in Nordwest-Syrien eingezeichnet:

Während die Assad-Regierung die Kontrolle über etwa 70 % Syriens wiedererlangt oder aufrechterhalten hat, stellt die nordwestliche Region, insbesondere das Gouvernement Idlib, ein bedeutendes Widerstandsgebiet der Rebellen dar (USCIRF 11.2022). In der nordwestlichen Provinz Idlib und den angrenzenden Teilen der Provinzen Nord-Hama und West-Aleppo befindet sich die letzte verbleibende Hochburg der Opposition. Die Region wird von der dschihadistischen Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) beherrscht, beherbergt aber auch etablierte Rebellengruppen (BBC 15.3.2022). Während die syrische Regierung die gesamte Provinz zurückerobern will, versucht Ankara zu verhindern, dass Idlib an Damaskus fällt, und daraufhin noch mehr Syrer in die Türkei flüchten (ORF 14.3.2021). Die Türkei hat die HTS als terroristische Organisation eingestuft, doch hat sie die Rebellengruppe in den letzten Jahren nicht aktiv daran gehindert, die Verwaltungsmacht in Idlib zu übernehmen (USCIRF 11.2022). Idlib ist bereits seit den Anfängen des Konfliktes eine Oppositionshochburg. Im März 2015 übernahmen oppositionelle Gruppierungen die Kontrolle über die Provinz (CRS 2.1.2019). Im Mai 2017 wurden durch eine Vereinbarung in Astana (Kasachstan) zwischen Russland und Iran (als Verbündete des syrischen Regimes) einerseits, und der Türkei (als Unterstützer der Rebellen) andererseits, vier Deeskalationszonen eingerichtet, die unter anderem ganz Idlib sowie auch Teile der Provinzen Lattakia, Aleppo und Hama umfassten. Einheiten der syrischen Regierung führen jedoch trotz dieser Vereinbarung militärische Operationen in diesem Gebiet durch und eroberten bis Mitte 2018 etwa die Hälfte der Deeskalationszone im Nordwesten zurück (CRS 2.1.2019; vgl. KAS 6.2020). Im März 2020 wurde ein Waffenstillstand zwischen Russland und der Türkei geschlossen, der eine von Russland unterstützte Offensive der Regierung auf die Provinz Idlib beendete. Der Waffenstillstand wurde in den letzten zwei Jahren wiederholt verletzt, wobei zahlreiche Menschen getötet und verletzt wurden (VOA 6.11.2022).Während die Assad-Regierung die Kontrolle über etwa 70 % Syriens wiedererlangt oder aufrechterhalten hat, stellt die nordwestliche Region, insbesondere das Gouvernement Idlib, ein bedeutendes Widerstandsgebiet der Rebellen dar (USCIRF 11.2022). In der nordwestlichen Provinz Idlib und den angrenzenden Teilen der Provinzen Nord-Hama und West-Aleppo befindet sich die letzte verbleibende Hochburg der Opposition. Die Region wird von der dschihadistischen Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) beherrscht, beherbergt aber auch etablierte Rebellengruppen (BBC 15.3.2022). Während die syrische Regierung die gesamte Provinz zurückerobern will, versucht Ankara zu verhindern, dass Idlib an Damaskus fällt, und daraufhin noch mehr Syrer in die Türkei flüchten (ORF 14.3.2021). Die Türkei hat die HTS als terroristische Organisation eingestuft, doch hat sie die Rebellengruppe in den letzten Jahren nicht aktiv daran gehindert, die Verwaltungsmacht in Idlib zu übernehmen (USCIRF 11.2022). Idlib ist bereits seit den Anfängen des Konfliktes eine Oppositionshochburg. Im März 2015 übernahmen oppositionelle Gruppierungen die Kontrolle über die Provinz (CRS 2.1.2019). Im Mai 2017 wurden durch eine Vereinbarung in Astana (Kasachstan) zwischen Russland und Iran (als Verbündete des syrischen Regimes) einerseits, und der Türkei (als Unterstützer der Rebellen) andererseits, vier Deeskalationszonen eingerichtet, die unter anderem ganz Idlib sowie auch Teile der Provinzen Lattakia, Aleppo und Hama umfassten. Einheiten der syrischen Regierung führen jedoch trotz dieser Vereinbarung militärische Operationen in diesem Gebiet durch und eroberten bis Mitte 2018 etwa die Hälfte der Deeskalationszone im Nordwesten zurück (CRS 2.1.2019; vergleiche KAS 6.2020). Im März 2020 wurde ein Waffenstillstand zwischen Russland und der Türkei geschlossen, der eine von Russland unterstützte Offensive der Regierung auf die Provinz Idlib beendete. Der Waffenstillstand wurde in den letzten zwei Jahren wiederholt verletzt, wobei zahlreiche Menschen getötet und verletzt wurden (VOA 6.11.2022).

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Aus dem Nordwesten Syriens wurde eine deutliche Zunahme der konfliktbezogenen Aktivitäten gemeldet: Die Streitkräfte der Regierung setzten verstärkt Artilleriebeschuss ein. Im 3. Quartal 2022 verzeichnete ACLED 1.412 Konfliktfälle zwischen den Streitkräften der Regierung und ihren Verbündeten und den bewaffneten Oppositionsgruppen. Dies ist ein deutlicher Anstieg (+225 %) gegenüber den 434 Konflikten, die im zweiten Quartal verzeichnet wurden. Die Streitkräfte der syrischen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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