TE Bvwg Erkenntnis 2024/7/9 W260 2280372-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.07.2024
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Entscheidungsdatum

09.07.2024

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W260 2280372-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehöriger von Syrien, gesetzlich vertreten durch die BH Mattersburg, diese vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Traiskirchen, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.04.2024 zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , Staatsangehöriger von Syrien, gesetzlich vertreten durch die BH Mattersburg, diese vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Traiskirchen, vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.04.2024 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein minderjähriger syrischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. 1. Der Beschwerdeführer, ein minderjähriger syrischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am römisch 40 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab er zusammengefasst an, dass er am XXXX in Aleppo geboren sei und syrischer Staatsangehöriger sowie Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und Muslim sei. Er habe Syrien bereits im Jahr 2017 gemeinsam mit seiner Familie in die Türkei verlassen, wo er sich fünf Jahre legal aufgehalten habe. Im September 2022 sei der Beschwerdeführer schlepperunterstützt aus der Türkei ausgereist. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er Syrien wegen des Krieges und aufgrund der Diskriminierung der Kurden, verlassen habe. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien sei „alles möglich“. 2. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am römisch 40 gab er zusammengefasst an, dass er am römisch 40 in Aleppo geboren sei und syrischer Staatsangehöriger sowie Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und Muslim sei. Er habe Syrien bereits im Jahr 2017 gemeinsam mit seiner Familie in die Türkei verlassen, wo er sich fünf Jahre legal aufgehalten habe. Im September 2022 sei der Beschwerdeführer schlepperunterstützt aus der Türkei ausgereist. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er Syrien wegen des Krieges und aufgrund der Diskriminierung der Kurden, verlassen habe. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien sei „alles möglich“.

3. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA oder belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer führte im Beisein seiner rechtlichen Vertretung und unter Beiziehung eines Dolmetschers für Kurdisch aus, dass er den Dolmetscher für Arabisch in der Erstbefragung nicht gut verstanden habe und korrigierte die protokollierten Angaben wie folgt: Er sei fünf Jahre alt gewesen, als er in die Türkei ausgereist sei und habe sich dort insgesamt neun Jahre lang aufgehalten. Seine gesamte Familie lebe weiterhin in der Türkei. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er sich aufgrund seines jungen Alters bei der Flucht nicht mehr gut erinnern könne, aber dass in seinem Heimatort viele Kurden gelebt hätten und als der Krieg begann viele Menschen getötet worden seien. Daher habe sein Vater die Familie in die Türkei gebracht. Er könne nicht nach Syrien zurück, weil dort Chaos und Krieg herrsche. Sie seien Kurden und es würden Menschen getötet werden. Im Falle einer Rückkehr fürchte er, dass er zum Militär geschickt werde und eine Waffe tragen müsse. Er wolle keine unschuldigen Menschen töten. 3. Am römisch 40 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA oder belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer führte im Beisein seiner rechtlichen Vertretung und unter Beiziehung eines Dolmetschers für Kurdisch aus, dass er den Dolmetscher für Arabisch in der Erstbefragung nicht gut verstanden habe und korrigierte die protokollierten Angaben wie folgt: Er sei fünf Jahre alt gewesen, als er in die Türkei ausgereist sei und habe sich dort insgesamt neun Jahre lang aufgehalten. Seine gesamte Familie lebe weiterhin in der Türkei. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er sich aufgrund seines jungen Alters bei der Flucht nicht mehr gut erinnern könne, aber dass in seinem Heimatort viele Kurden gelebt hätten und als der Krieg begann viele Menschen getötet worden seien. Daher habe sein Vater die Familie in die Türkei gebracht. Er könne nicht nach Syrien zurück, weil dort Chaos und Krieg herrsche. Sie seien Kurden und es würden Menschen getötet werden. Im Falle einer Rückkehr fürchte er, dass er zum Militär geschickt werde und eine Waffe tragen müsse. Er wolle keine unschuldigen Menschen töten.

Im Zuge der Einvernahme vor dem BFA legte der Beschwerdeführer folgende Unterlagen im Original vor: Zivilregisterauszug (ausgestellt am 13.11.2022), Geburtsurkunde (ausgestellt am 16.11.2022), Familienregisterauszug (ausgestellt am 13.11.2022).

4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte diesem den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte (Spruchpunkt III.). 4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom römisch 40 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte diesem den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend führte die Behörde zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen aus, dass im Rahmen der Ermittlungen kein Sachverhalt hervorgekommen sei, wonach schlüssig die Voraussetzung der Flüchtlingseigenschaft entnommen werden können. Der Beschwerdeführer habe keine Anhaltspunkte aus seinen Schilderungen erkennen lassen, wonach ihm bislang jemals in Syrien etwas zugestoßen wäre, dass seine Situation in den Bereich asylrechtlicher Relevanz rücken würde, noch sei er in Syrien schon einmal persönlich seitens der Regierung oder von sonstigen Akteuren bedroht oder verfolgt worden. Das BFA hält fest, dass nur aufgrund der Ausreise vor Wehrdienstantritt und der neun Jahre Auslandsaufenthalt in der Türkei der Vorwurf einer oppositionellen Gesinnung nicht denkbar sei und weder der Staat noch andere Kräfte ihn wegen der etwa neun Jahre im Ausland als politischen Gegner qualifizieren würden. Aufgrund seines kindlichen Alters beim Verlassen Syriens sei der Beschwerdeführer nicht als Wehrdienstverweigerer anzusehen, der sich etwa durch seine Ausreise einer konkreten, ihn tatsächlichen betreffenden, Einberufung entzogen habe. Weder seine Abstammung aus dem Gebiet der Opposition noch die illegale Grenzüberschreitung, oder die Asylantragstellung seien hinreichend für die Annahme einer hinreichend wahrscheinlichen Verfolgung durch die syrische Regierung. Auch aufgrund seiner ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sei keine Bedrohung in seinem Heimatland feststellbar. Begründend führte die Behörde zu Spruchpunkt römisch eins. im Wesentlichen aus, dass im Rahmen der Ermittlungen kein Sachverhalt hervorgekommen sei, wonach schlüssig die Voraussetzung der Flüchtlingseigenschaft entnommen werden können. Der Beschwerdeführer habe keine Anhaltspunkte aus seinen Schilderungen erkennen lassen, wonach ihm bislang jemals in Syrien etwas zugestoßen wäre, dass seine Situation in den Bereich asylrechtlicher Relevanz rücken würde, noch sei er in Syrien schon einmal persönlich seitens der Regierung oder von sonstigen Akteuren bedroht oder verfolgt worden. Das BFA hält fest, dass nur aufgrund der Ausreise vor Wehrdienstantritt und der neun Jahre Auslandsaufenthalt in der Türkei der Vorwurf einer oppositionellen Gesinnung nicht denkbar sei und weder der Staat noch andere Kräfte ihn wegen der etwa neun Jahre im Ausland als politischen Gegner qualifizieren würden. Aufgrund seines kindlichen Alters beim Verlassen Syriens sei der Beschwerdeführer nicht als Wehrdienstverweigerer anzusehen, der sich etwa durch seine Ausreise einer konkreten, ihn tatsächlichen betreffenden, Einberufung entzogen habe. Weder seine Abstammung aus dem Gebiet der Opposition noch die illegale Grenzüberschreitung, oder die Asylantragstellung seien hinreichend für die Annahme einer hinreichend wahrscheinlichen Verfolgung durch die syrische Regierung. Auch aufgrund seiner ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sei keine Bedrohung in seinem Heimatland feststellbar.

5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer am 23.10.2023 binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde. Darin brachte er zusammengefasst vor, dass er aus XXXX , einer Ortschaft in der Region Afrin (Gouvernement Aleppo) stamme, Kurde und sunnitischer Muslim sei. Afrin stehe derzeit immer noch unter türkischer Kontrolle und ihm drohe aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit dort nicht nur Diskriminierung, sondern auch asylrelevante Verfolgung. Zudem fürchte er bei einer Rückkehr nach Syrien als Minderjähriger vom syrischen Militär, einer oppositionellen Miliz, wie der SNA (Syrian National Army), der FSA (Free Syrian Army) bzw. der türkischen Armee zwangsrekrutiert und zum Kämpfen gezwungen zu werden. Er lehne es ab für jegliche Streitkräfte zu kämpfen und am Krieg teilzunehmen. Mit Hinweis auf die Länderberichte befürchte er trotz seiner Minderjährigkeit zwangsrekrutiert zu werden. Er befürchte auch Verfolgung aufgrund seiner illegalen Ausreise aus Syrien und Asylantragstellung in Österreich, da ihm dadurch vom Regime eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde. Zudem sei ihm eine legale Einreise nach Syrien nur über von der Regierung kontrollierte Flughäfen möglich und es bestehe daher für ihn persönlich die reale Gefahr bei der Rückkehr nach XXXX durch das syrische Regime aufgegriffen und folglich zwangsrekrutiert oder im Falle einer Weigerung, allenfalls mit Exekution, jedenfalls mit einer Gefängnisstrafe unter unmenschlichen Bedingungen, bestraft zu werden.5. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer am 23.10.2023 binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde. Darin brachte er zusammengefasst vor, dass er aus römisch 40 , einer Ortschaft in der Region Afrin (Gouvernement Aleppo) stamme, Kurde und sunnitischer Muslim sei. Afrin stehe derzeit immer noch unter türkischer Kontrolle und ihm drohe aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit dort nicht nur Diskriminierung, sondern auch asylrelevante Verfolgung. Zudem fürchte er bei einer Rückkehr nach Syrien als Minderjähriger vom syrischen Militär, einer oppositionellen Miliz, wie der SNA (Syrian National Army), der FSA (Free Syrian Army) bzw. der türkischen Armee zwangsrekrutiert und zum Kämpfen gezwungen zu werden. Er lehne es ab für jegliche Streitkräfte zu kämpfen und am Krieg teilzunehmen. Mit Hinweis auf die Länderberichte befürchte er trotz seiner Minderjährigkeit zwangsrekrutiert zu werden. Er befürchte auch Verfolgung aufgrund seiner illegalen Ausreise aus Syrien und Asylantragstellung in Österreich, da ihm dadurch vom Regime eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde. Zudem sei ihm eine legale Einreise nach Syrien nur über von der Regierung kontrollierte Flughäfen möglich und es bestehe daher für ihn persönlich die reale Gefahr bei der Rückkehr nach römisch 40 durch das syrische Regime aufgegriffen und folglich zwangsrekrutiert oder im Falle einer Weigerung, allenfalls mit Exekution, jedenfalls mit einer Gefängnisstrafe unter unmenschlichen Bedingungen, bestraft zu werden.

6. Mit Schreiben vom 18.03.2024 wurden dem Beschwerdeführer sowie dem BFA das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Version 10 vom 14.03.2024 zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme übermittelt ergänzende Entscheidungsgrundlagen im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt.

7. Mit Schriftsatz vom 24.04.2024 brachte der Vertreter des Beschwerdeführers eine schriftliche Stellungnahme zu den Länderberichten in Bezug auf die Erreichbarkeit der Herkunftsregion des Beschwerdeführers, eine drohende Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime sowie den Freikauf vom Wehrdienst ein. Zusätzlich wurde eine Kopie der türkischen „Kimlik“ des Beschwerdeführers beigelegt.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 25.04.2024 eine mündliche Verhandlung durch in welcher der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung und unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch zu seinen persönlichen Umständen, seinen Fluchtgründen und der Situation im Falle einer Rückkehr befragt wurde. Der Beschwerdeführer legte eine Farbkopie seines türkischen „Kimlik“ vor, die zum Akt genommen wurde. Das Bundesverwaltungsgericht brachte die aktualisierte Version 11 des Länderinformationsblatt der Staateninformation vom 27.03.2024 sowie die EUAA Country Guidance: Syria vom April 2024 in das Verfahren ein und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu eine Stellungnahme abzugeben. Die belangte Behörde nahm entschuldigt nicht an der Verhandlung teil.

9. Mit Schriftsatz vom 16.05.2024 gab der Vertreter des Beschwerdeführers eine schriftliche Stellungnahme zu den Länderinformationen in Bezug auf den Freikauf von der Wehrpflicht ab.

10. Das Verhandlungsprotokoll samt Stellungnahme wurde er belangten Behörde zur etwaigen Stellungnahme übermittelt. Die belangte Behörde nahm davon keinen Gebrauch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und wurde am XXXX in XXXX , im Distrikt Afrin im Gouvernement Aleppo geboren und ist im nahegelegenen Dorf XXXX , ebenfalls im Gouvernement Aleppo, aufgewachsen. Er ist syrischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Kurden. Seine Muttersprache ist Kumanji/Kurdisch und er spricht auch Arabisch und Türkisch. Er bekennt sich zum muslimischen Glauben. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Der Beschwerdeführer führt den Namen römisch 40 und wurde am römisch 40 in römisch 40 , im Distrikt Afrin im Gouvernement Aleppo geboren und ist im nahegelegenen Dorf römisch 40 , ebenfalls im Gouvernement Aleppo, aufgewachsen. Er ist syrischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Kurden. Seine Muttersprache ist Kumanji/Kurdisch und er spricht auch Arabisch und Türkisch. Er bekennt sich zum muslimischen Glauben. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.

Zum Entscheidungszeitpunkt ist der Beschwerdeführer 16 Jahre alt, ledig und hat keine Kinder.

Die Heimatregion des Beschwerdeführers ist konkret die Ortschaft XXXX , im Distrikt Afrin, im Gouvernement Aleppo. Diese steht seit April 2018 unter Kontrolle protürkischer Kräfte, insbesondere der SNA (Syrian National Army; vormals bekannt als Freie Syrische Armee/FSA), davor wurde sie von kurdischen Kräften kontrolliert.Die Heimatregion des Beschwerdeführers ist konkret die Ortschaft römisch 40 , im Distrikt Afrin, im Gouvernement Aleppo. Diese steht seit April 2018 unter Kontrolle protürkischer Kräfte, insbesondere der SNA (Syrian National Army; vormals bekannt als Freie Syrische Armee/FSA), davor wurde sie von kurdischen Kräften kontrolliert.

Im Alter von fünf Jahren reiste der Beschwerdeführer im Familienverband illegal aus Syrien in die Türkei aus, wo er sich neun Jahre legal aufhielt und sieben Jahre die Schule besuchte. Im September 2022 verließ der damals 14-Jährige Beschwerdeführer gemeinsam mit seinem erwachsenen Cousin, XXXX , die Türkei und reiste in weiterer Folge in Österreich ein, wo er am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Im Alter von fünf Jahren reiste der Beschwerdeführer im Familienverband illegal aus Syrien in die Türkei aus, wo er sich neun Jahre legal aufhielt und sieben Jahre die Schule besuchte. Im September 2022 verließ der damals 14-Jährige Beschwerdeführer gemeinsam mit seinem erwachsenen Cousin, römisch 40 , die Türkei und reiste in weiterer Folge in Österreich ein, wo er am römisch 40 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Er möchte nicht, dass seine Verwandten in Österreich die Obsorge für ihn übernehmen.

Der Beschwerdeführer ist gesund, arbeitsfähig und in Österreich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

1.2.1. Die Herkunftsregion steht seit der türkischen Militäroperation „Olive Branch“ im April 2018 unter der Kontrolle protürkischer Milizen, insbesondere der Syrian National Army/SNA (vormals als Freie Syrische Armee – FSA bezeichnet).

Bei der Rückkehr in sein Herkunftsgebiet in Syrien besteht für den Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr von türkischen Sicherheitskräften bzw. mit ihr verbündeten Milizen, insbesondere der SNA aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden verfolgt zu werden.

1.2.2 Zur Situation von Kurden in Afrin:

Im März 2018 nahmen Einheiten der türkischen Armee und der mit ihnen verbündeten Freien Syrischen Armee (FSA) im Rahmen der „Operation Olive Branch“ (OOB) den zuvor von der YPG kontrollierten Distrikt Afrin ein. Bis dahin hatte die türkische Offensive Berichten zufolge den Tod Dutzender Zivilisten und laut den Vereinten Nationen die Vertreibung Zehntausender zur Folge. Von der Türkei unterstützte bewaffnete Gruppierungen, die mit der FSA in Zusammenhang stehen, beschlagnahmten, zerstörten und plünderten das Eigentum kurdischer Zivilisten in Afrin. Laut UN ist die Menschenrechtssituation u.a. in Afrin weiterhin schlecht; Gewalt und Kriminalität seien weit verbreitet (LIB, Sicherheitslage: Türkische Militäroperationen in Nordsyrien). Vor der „Operation Olive Branch“ waren 92-96% der Bevölkerung von Afrin kurdisch, während es im Mai 2021 nur noch 25% waren. Mehr als die Hälfte der kurdischen Bevölkerung verließ Afrin, während mit Hilfe der Türkei Vertriebene arabischer und turkmenischer Zugehörigkeit dort angesiedelt wurden (EUAA Targeting 10.2).

Die Gebiete im Norden um die Städte Afrin und Jarabulus im Norden des Gouvernements Aleppo stehen weiterhin unter der Kontrolle der Türkei und Türkei-naher Milizen, darunter die Syrische Nationalarmee (SNA), Nachfolgeorganisation der FSA. Nachdem Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) im Oktober 2022 verstärkt Einheiten nach Afrin entsandt hatte, berichtete die türkische Regierung im November 2022, dass die HTS den Großteil ihrer Streitkräfte wieder aus Afrin abgezogen hat. Seit 2018, als die türkischen Streitkräfte in den kurdischen Kanton Afrin einmarschierten, werden die Stadt und ihre Umgebung von der Türkei in Zusammenarbeit mit der SNA kontrolliert. Nach Spaltungstendenzen innerhalb der HTS 2023 und einer Verhaftungswelle, die eine Führungspersönlichkeit in die Türkei trieben, reagierte HTS mit einer Militäroffensive in Afrin. (LIB, Sicherheitslage: Nordwest-Syrien; Liveuamaps; vgl. LIB, Rechtsschutz/Justizwesen: Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes unter HTS- oder SNA-Dominanz).Die Gebiete im Norden um die Städte Afrin und Jarabulus im Norden des Gouvernements Aleppo stehen weiterhin unter der Kontrolle der Türkei und Türkei-naher Milizen, darunter die Syrische Nationalarmee (SNA), Nachfolgeorganisation der FSA. Nachdem Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) im Oktober 2022 verstärkt Einheiten nach Afrin entsandt hatte, berichtete die türkische Regierung im November 2022, dass die HTS den Großteil ihrer Streitkräfte wieder aus Afrin abgezogen hat. Seit 2018, als die türkischen Streitkräfte in den kurdischen Kanton Afrin einmarschierten, werden die Stadt und ihre Umgebung von der Türkei in Zusammenarbeit mit der SNA kontrolliert. Nach Spaltungstendenzen innerhalb der HTS 2023 und einer Verhaftungswelle, die eine Führungspersönlichkeit in die Türkei trieben, reagierte HTS mit einer Militäroffensive in Afrin. (LIB, Sicherheitslage: Nordwest-Syrien; Liveuamaps; vergleiche LIB, Rechtsschutz/Justizwesen: Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes unter HTS- oder SNA-Dominanz).

Einem Untersuchungsbericht zu Vorgängen im ersten Halbjahr 2020 zufolge hat die SNA in Afrin und Umgebung möglicherweise Kriegsverbrechen, wie Geiselnahme, grausame Behandlung, Folter und Vergewaltigung begangen. In der gleichen Region wurden zahlreiche Zivilisten durch improvisierte Sprengsätze sowie bei Granaten- und Raketenangriffen getötet und verstümmelt. Plünderungen und die Aneignung von Privatland durch die SNA waren weit verbreitet, insbesondere in den kurdischen Gebieten (LIB, Sicherheitslage: Nordwest-Syrien).

Im Zuge der türkischen Militäroperation „Friedensquelle“ im Nordosten Syriens Anfang Oktober 2019 kam und kommt es Berichten zufolge zu willkürlichen Tötungen von Kurden durch Kämpfer der – mit den türkischen Truppen verbündeten – Milizen der SNA sowie zu Plünderungen und Vertreibungen von Kurden, Jesiden und Christen.

Wie den Länderberichten zu entnehmen ist, sind Kurden seit Jahrzehnten offizieller und gesellschaftlicher Diskriminierung, Repressionen sowie vom Regime geförderter Gewalt ausgesetzt. Das Regime, die Pro-Regime-Einheiten, der Islamische Staat (IS) und bewaffnete Oppositionsgruppen, wie die von der Türkei unterstützte Syrian National Army (SNA), verhaften, foltern, töten oder misshandeln in sonstiger Weise zahlreiche kurdische AktivistInnen und Einzelpersonen (USDOS 20.3.2023). Laut UN-Kommission kommt es in den pro-türkischen Gebieten weiterhin zu Entführungen und [Lösegeld-]Erpressungen.

Nach Angaben der NGO Syrians for Truth and Justice (STJ) begehen SNA-Fraktionen ungestraft und unbehelligt vom türkischen Militär, das sie unterstützt und eine effektive Kontrolle in der Region ausübt, wiederholt und systematisch Verstöße gegen Menschenrechte. Seit 2018 haben mehrere unabhängige lokale und internationale Organisationen sowie die zuständigen UN-Gremien massive Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, darunter Tötungen, willkürliche Verhaftungen, gewaltsames Verschwindenlassen, Misshandlungen, Folter, Plünderungen und Beschlagnahmungen von Eigentum sowie die Nötigung kurdischer Einwohner, ihre Häuser zu verlassen, und die Behinderung der Rückkehr von Einheimischen an ihre ursprünglichen Wohnorte nach Feindseligkeiten, demografischen Veränderungen und Versuche der Türkisierung (STJ 16.5.2023). Während des Jahres 2022 führten mit der Türkei verbundene Oppositionsgruppierungen angeblich außergerichtliche Tötungen durch (USDOS 20.3.2023).

Bei einer Rückkehr nach Syrien drohen dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden individuell und konkret Eingriffe in seine körperliche Integrität und Freiheit seitens der seinen Heimatort kontrollierende SNA (Syrian National Army) und anderen protürkischen Milizen.

1.2.3. Zu dem weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer Zwangsrekrutierung durch die syrische Armee oder andere oppositionelle Gruppierungen sowie zu einer Verfolgung aufgrund einer illegalen Ausreise sowie Asylantragsstellung in Österreich, sind keine weiteren Feststellungen notwendig, da die soeben dargelegte Gefährdung für sich alleine ausreicht, die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zu begründen.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

1.3.1. Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, Version 11 vom 27.03.2024, wiedergegeben:

4. Sicherheitslage

(Letzte Änderung 2024-03-08 11:17)

Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).

Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse

Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).

Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023).

4.2. Nordwest-Syrien

(Letzte Änderung 2024-03-08 11:28)

Während das Assad-Regime etwa 60 Prozent des Landes kontrolliert, was einer Bevölkerung von rund neun Millionen Menschen entspricht, gibt es derzeit [im Nordwesten Syriens] zwei Gebiete, die sich noch außerhalb der Kontrolle des Regimes befinden: Nord-Aleppo und andere Gebiete an der Grenze zur Türkei, die von der von Ankara unterstützten Syrischen Nationalarmee (Syrian National Army, SNA) kontrolliert werden, und das Gebiet von Idlib, das von der militanten islamistischen Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrolliert wird. Zusammen kontrollieren sie 10 Prozent des Landes mit einer Bevölkerung von etwa 4,4 Millionen Menschen, wobei die Daten zur Bevölkerungsanzahl je nach zitierter Institution etwas variieren (ISPI 27.6.2023).

Auf diesem Kartenausschnitt sind die Machtverhältnisse in Nordwest-Syrien eingezeichnet:

Das Gebiet unter Kontrolle von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS)

In der nordwestlichen Provinz Idlib und den angrenzenden Teilen der Provinzen Nord-Hama und West-Aleppo befindet sich die letzte Hochburg der Opposition in Syrien (BBC 2.5.2023). Das Gebiet wird von dem ehemaligen al-Qaida-Ableger Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) [Anm.: übersetzt soviel wie: Komitee zur Befreiung der Levante] beherrscht, der nach Ansicht von Analysten einen Wandel durchläuft, um seine Herrschaft in der Provinz zu festigen (Alaraby 5.6.2023). Das Gebiet beherbergt aber auch andere etablierte Rebellengruppen, die von der Türkei unterstützt werden (BBC 2.5.2023). HTS hat die stillschweigende Unterstützung der Türkei, die die Gruppe als Quelle der Stabilität in der Provinz und als mäßigenden Einfluss auf die radikaleren, transnationalen dschihadistischen Gruppen in der Region betrachtet. Durch eine Kombination aus militärischen Konfrontationen, Razzien und Festnahmen hat die HTS alle ihre früheren Rivalen wie Hurras ad-Din und Ahrar ash-Sham effektiv neutralisiert. Durch diese Machtkonsolidierung unterscheidet sich das heutige Idlib deutlich von der Situation vor fünf Jahren, als dort eine große Anzahl an dschihadistischen Gruppen um die Macht konkurrierte. HTS hat derzeit keine nennenswerten Rivalen. Die Gruppe hat Institutionen aufgebaut und andere Gruppen davon abgehalten, Angriffe im Nordwesten zu verüben. Diese Tendenz hat sich nach Ansicht von Experten seit dem verheerenden Erdbeben vom 6.2.2023, das Syrien und die Türkei erschütterte, noch beschleunigt (Alaraby 5.6.2023).

Aufgrund des militärischen Vorrückens der Regime-Kräfte und nach Deportationen von Rebellen aus zuvor vom Regime zurückeroberten Gebieten, ist Idlib in Nordwestsyrien seit Jahren Rückzugsgebiet vieler moderater, aber auch radikaler, teils terroristischer Gruppen der bewaffneten Opposition geworden (AA 29.11.2021). Zehntausende radikal-militanter Kämpfer, insb. der HTS, sind in Idlib präsent. Unter diesen befinden sich auch zahlreiche Foreign Fighters (Uiguren, Tschetschenen, Usbeken) (ÖB Damaskus 12.2022). Unter dem Kommando der HTS stehen zwischen 7.000 und 12.000 Kämpfer, darunter ca. 1.000 sogenannte Foreign Terrorist Fighters (UNSC 25.7.2023). Viele IS-Kämpfer übersiedelten nach dem Fall von Raqqa 2017 nach Idlib - großteils Ausländer, die für den Dschihad nach Syrien gekommen waren und sich nun anderen islamistischen Gruppen wie der Nusra-Front [Jabhat al-Nusra], heute als HTS bekannt, angeschlossen haben. Meistens geschah das über persönliche Kontakte, aber ihre Lage ist nicht abgesichert. Ausreichend Geld und die richtigen Kontaktleute ermöglichen derartige Transfers über die Frontlinie (Zenith 11.2.2022). Der IS sieht den Nordwesten als potenzielles Einfallstor in die Türkei und als sicheren Rückzugsort, wo seine Anhänger sich unter die Bevölkerung mischen (UNSC 25.7.2023). Laut einem Bericht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom Februar 2023 sind neben HTS und Hurras ad-Din unter anderem auch die zentralasiatischen Gruppierungen Khatiba at-Tawhid wal-Jihad (KTJ) - im März 2022 in Liwa Abu Ubayda umbenannt - und das Eastern Turkistan Islamic Movement (ETIM) - auch bekannt als Turkistan Islamic Party (TIP) - in Nordwestsyrien präsent (UNSC 13.2.2023).

Im Jahr 2012 stufte Washington Jabhat an-Nusra [Anm.: nach Umorganisationen und Umbenennungen nun HTS] als Terrororganisation ein (Alaraby 8.5.2023). Auch die Vereinten Nationen führen HTS als terroristische Vereinigung (AA 2.2.2024). Die Organisation versuchte, dieser Einstufung zu entgehen, indem sie 2016 ihre Loslösung von al-Qaida ankündigte und ihren Namen mehrmals änderte, aber ihre Bemühungen waren nicht erfolgreich und die US-Regierung führt sie weiterhin als "terroristische Vereinigung" (Alaraby 8.5.2023; vgl. CTC Sentinel 2.2023). HTS geht gegen den IS und al-Qaida vor (COAR 28.2.2022; vgl. CTC Sentinel 2.2023) und reguliert nun die Anwesenheit ausländischer Dschihadisten mittels Ausgabe von Identitätsausweisen für die Einwohner von Idlib, ohne welche z.B. das Passieren von HTS-Checkpoints verunmöglicht wird. Die HTS versucht so, dem Verdacht entgegenzutreten, dass sie das Verstecken von IS-Führern in ihren Gebieten unterstützt, und signalisiert so ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft bei der Terrorismusbekämpfung (COAR 28.2.2022). Im Mai 2023 startete die HTS in den Provinzen Idlib und Aleppo beispielsweise eine Verhaftungskampagne gegen Hizb ut-Tahrir (HuT) als Teil der langfristigen Strategie, andere islamistische Gruppen in den von ihr kontrollierten Gebieten zu unterwerfen und die Streichung der HTS von internationalen Terroristenlisten zu erwirken (ACLED 8.6.2023; vgl. Alaraby 8.5.2023). Das Vorgehen gegen radikalere, konkurrierende Gruppierungen und die Versuche der Führung, der HTS ein gemäßigteres Image zu verpassen, führten allerdings zu Spaltungstendenzen innerhalb der verschiedenen HTS-Fraktionen (AM 22.12.2021). Im Dezember 2023 wurden diese Spaltungstendenzen evident. Nach einer Verhaftungswelle, die sich über ein Jahr hinzog, floh eine Führungspersönlichkeit in die Türkei, um eine eigene rivalisierende Gruppierung zu gründen. Die HTS reagierte mit einer Militäroperation in Afrin (Etana 12.2023). HTS verfolgt eine Expansionsstrategie und führt eine Offensive gegen regierungsnahe Milizen im raum Aleppo durch (UNSC 25.7.2023).Im Jahr 2012 stufte Washington Jabhat an-Nusra [Anm.: nach Umorganisationen und Umbenennungen nun HTS] als Terrororganisation ein (Alaraby 8.5.2023). Auch die Vereinten Nationen führen HTS als terroristische Vereinigung (AA 2.2.2024). Die Organisation versuchte, dieser Einstufung zu entgehen, indem sie 2016 ihre Loslösung von al-Qaida ankündigte und ihren Namen mehrmals änderte, aber ihre Bemühungen waren nicht erfolgreich und die US-Regierung führt sie weiterhin als "terroristische Vereinigung" (Alaraby 8.5.2023; vergleiche CTC Sentinel 2.2023). HTS geht gegen den IS und al-Qaida vor (COAR 28.2.2022; vergleiche CTC Sentinel 2.2023) und reguliert nun die Anwesenheit ausländischer Dschihadisten mittels Ausgabe von Identitätsausweisen für die Einwohner von Idlib, ohne welche z.B. das Passieren von HTS-Checkpoints verunmöglicht wird. Die HTS versucht so, dem Verdacht entgegenzutreten, dass sie das Verstecken von IS-Führern in ihren Gebieten unterstützt, und signalisiert so ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft bei der Terrorismusbekämpfung (COAR 28.2.2022). Im Mai 2023 startete die HTS in den Provinzen Idlib und Aleppo beispielsweise eine Verhaftungskampagne gegen Hizb ut-Tahrir (HuT) als Teil der langfristigen Strategie, andere islamistische Gruppen in den von ihr kontrollierten Gebieten zu unterwerfen und die Streichung der HTS von internationalen Terroristenlisten zu erwirken (ACLED 8.6.2023; vergleiche Alaraby 8.5.2023). Das Vorgehen gegen radikalere, konkurrierende Gruppierungen und die Versuche der Führung, der HTS ein gemäßigteres Image zu verpassen, führten allerdings zu Spaltungstendenzen innerhalb der verschiedenen HTS-Fraktionen (AM 22.12.2021). Im Dezember 2023 wurden diese Spaltungstendenzen evident. Nach einer Verhaftungswelle, die sich über ein Jahr hinzog, floh eine Führungspersönlichkeit in die Türkei, um eine eigene rivalisierende Gruppierung zu gründen. Die HTS reagierte mit einer Militäroperation in Afrin (Etana 12.2023). HTS verfolgt eine Expansionsstrategie und führt eine Offensive gegen regierungsnahe Milizen im raum Aleppo durch (UNSC 25.7.2023).

4.3. Türkische Militäroperationen in Nordsyrien

(Letzte Änderung 2024-03-08 12:27)

"Operation Schutzschild Euphrat" (türk. "F?rat Kalkan? Harekât?")

Am 24.8.2016 hat die Türkei die "Operation Euphrates Shield" (OES) in Syrien gestartet (MFATR o.D.; vgl. CE 19.1.2017). Die OES war die erste große Militäroperation der Türkei in Syrien (OR o.D.). In einer Pressemitteilung des Nationalen Sicherheitsrats (vom 30.11.2016) hieß es, die Ziele der Operation seien die Aufrechterhaltung der Grenzsicherheit und die Bekämpfung des Islamischen Staates (IS) im Rahmen der UN-Charta. Außerdem wurde betont, dass die Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) sowie die mit ihr verbundene PYD (Partiya Yekîtiya Demokrat) und YPG (Yekîneyên Parastina Gel) keinen "Korridor des Terrors" vor den Toren der Türkei errichten dürfen (CE 19.1.2017). Obwohl die türkischen Behörden offiziell erklärten, dass die oberste Priorität der Kampf gegen den IS sei, betonen viele Kommentatoren und Analysten, dass das Ziel darin bestand, die Schaffung eines einzigen von den Kurden kontrollierten Gebiets in Nordsyrien zu verhindern (OR o.D.; vgl. TWI 26.3.2019, SWP 30.5.2022). Die Türkei betrachtet die kurdische Volksverteidigungseinheit (YPG) und ihren politischen Arm, die Partei der Demokratischen Union (PYD), als den syrischen Zweig der PKK und damit als direkte Bedrohung für die Sicherheit der Türkei (SWP 30.5.2022).Am 24.8.2016 hat die Türkei die "Operation Euphrates Shield" (OES) in Syrien gestartet (MFATR o.D.; vergleiche CE 19.1.2017). Die OES war die erste große Militäroperation der Türkei in Syrien (OR o.D.). In einer Pressemitteilung des Nationalen Sicherheitsrats (vom 30.11.2016) hieß es, die Ziele der Operation seien die Aufrechterhaltung der Grenzsicherheit und die Bekämpfung des Islamischen Staates (IS) im Rahmen der UN-Charta. Außerdem wurde betont, dass die Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) sowie die mit ihr verbundene PYD (Partiya Yekîtiya Demokrat) und YPG (Yekîneyên Parastina Gel) keinen "Korridor des Terrors" vor den Toren der Türkei errichten dürfen (CE 19.1.2017). Obwohl die türkischen Behörden offiziell erklärten, dass die oberste Priorität der Kampf gegen den IS sei, betonen viele Kommentatoren und Analysten, dass das Ziel darin bestand, die Schaffung eines einzigen von den Kurden kontrollierten Gebiets in Nordsyrien zu verhindern (OR o.D.; vergleiche TWI 26.3.2019, SWP 30.5.2022). Die Türkei betrachtet die kurdische Volksverteidigungseinheit (YPG) und ihren politischen Arm, die Partei der Demokratischen Union (PYD), als den syrischen Zweig der PKK und damit als direkte Bedrohung für die Sicherheit der Türkei (SWP 30.5.2022).

"Operation Olivenzweig" (türk. "Zeytin Dal? Harekât?")

Im März 2018 nahmen Einheiten der türkischen Armee und der mit ihnen verbündeten Freien Syrischen Armee (FSA) im Rahmen der "Operation Olive Branch" (OOB) den zuvor von der YPG kontrollierten Distrikt Afrin ein (Bellingcat 1.3.2019). Laut türkischem Außenministerium waren die Ziele der OOB die Gewährleistung der türkischen Grenzsicherheit, die Entmachtung der "Terroristen" in Afrin und die Befreiung der lokalen Bevölkerung von der Unterdrückung der "Terroristen". Das türkische Außenministerium berichtete weiter, dass das Gebiet in weniger als zwei Monaten von PKK/YPG- und IS-Einheiten befreit wurde (MFATR o.D.). Diese Aussage impliziert, dass Ankara bei der Verfolgung der Grenzsicherheit und der regionalen Stabilität keinen Unterschied zwischen IS und YPG macht (TWI 26.3.2019). Bis März 2018 hatte die türkische Offensive Berichten zufolge den Tod Dutzender Zivilisten und laut den Vereinten Nationen (UN) die Vertreibung Zehntausender zur Folge. Von der Türkei unterstützte bewaffnete Gruppierungen, die mit der FSA in Zusammenhang stehen, beschlagnahmten, zerstörten und plünderten das Eigentum kurdischer Zivilisten in Afrin (HRW 17.1.2019).

"Operation Friedensquelle" (türk. "Bar?? P?nar? Harekât?")

Nachdem der ehemalige US-Präsident Donald Trump Anfang Oktober 2019 ankündigte, die US-amerikanischen Truppen aus der syrisch-türkischen Grenzregion abzuziehen, startete die Türkei am 9.10.2019 eine Luft- und Bodenoffensive im Nordosten Syriens. Im Zuge dessen riefen die kurdischen Behörden eine Generalmobilisierung aus. Einerseits wollte die Türkei mithilfe der Offensive die YPG und die von der YPG geführten Syrian Democratic Forces (SDF) aus der Grenzregion zur Türkei vertreiben, andererseits war das Ziel der Offensive, einen Gebietsstreifen entlang der Grenze auf syrischer Seite zu kontrollieren, in dem rund zwei der ungefähr 3,6 Millionen syrischen Flüchtlinge, die in der Türkei leben, angesiedelt werden sollen (CNN 10.10.2019). Der UN zufolge wurden innerhalb einer Woche bis zu 160.000 Menschen durch die Offensive vertrieben und es kam zu vielen zivilen Todesopfern (UN News 14.10.2019). Im Hinterland begannen IS-Zellen, Anschläge zu organisieren (GEG 3.4.2023). Medienberichten zufolge sind in dem Gefangenenlager ?Ayn Issa 785 ausländische IS-Sympathisanten auf das Wachpersonal losgegangen und geflohen (Standard 13.10.2019). Nach dem Beginn der Operation kam es außerdem zu einem Angriff durch IS-Schläferzellen auf die Stadt Raqqa. Die geplante Eroberung des Hauptquartiers der syrisch-kurdischen Sicherheitskräfte gelang den Islamisten jedoch nicht (Zeit 10.10.2019). Auch im Zuge der türkischen Militäroperation "Friedensquelle" kam es zu Plünderungen und gewaltsamen Enteignungen von Häusern und Betrieben von Kurden, Jesiden und Christen durch Türkei-nahe Milizen (ÖB Damaskus 12.2022).

Die syrische Armee von Präsident Bashar al-Assad ist nach einer Einigung mit den SDF am 14.10.2019 in mehrere Grenzstädte eingerückt, um sich der "türkischen Aggression" entgegenzustellen, wie Staatsmedien berichteten (Standard 15.10.2019). Laut der Vereinbarung übernahmen die Einheiten der syrischen Regierung in einigen Grenzstädten die Sicherheitsfunktionen, die Administration soll aber weiterhin in kurdischer Hand sein (WP 14.10.2019). Seitdem verblieben die Machtverhältnisse [mit Stand April 2023] weitgehend unverändert (GEG 3.4.2023). Die syrischen Regierungstruppen üben im Gebiet punktuell Macht aus, etwa mit Übergängen zwischen einzelnen Stadtvierteln (z. B. Stadt Qamischli im Gouvernement Al-Hassakah) (AA 29.3.2023). Nach Vereinbarungen zwischen der Türkei, den USA und Russland richtete die Türkei eine "Sicherheitszone" in dem Gebiet zwischen Tall Abyad und Ra's al-?Ayn ein (SWP 1.1.2020), die 120 Kilometer lang und bis zu 14 Kilometer breit ist (AA 19.5.2020).

"Operation Frühlingsschild" (türk. "Bahar Kalkan? Harekât?")

Nachdem die syrische Regierung im Dezember 2019 eine bewaffnete Offensive gestartet hatte, gerieten ihre Streitkräfte im Februar 2020 mit den türkischen Streitkräften in einen direkten Konflikt (CC 17.2.2021). Während des gesamten Februars führten die syrische Regierung und regierungsnahe Kräfte im Nordwesten Syriens Luftangriffe durch, und zwar in einem Ausmaß, das laut den Vereinten Nationen zu den höchsten seit Beginn des Konflikts gehörte. Auch führten die syrischen Regierungskräfte Vorstöße am Boden durch. Zu den täglichen Zusammenstößen mit nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen gehörten gegenseitiger Artilleriebeschuss und Bodenkämpfe mit einer hohen Zahl von Opfern (UNSC 23.4.2020). Nach Angriffen syrischer Streitkräfte auf Stellungen der türkischen Armee, bei denen 34 türkische Soldaten getötet wurden, leitete Ankara die Operation "Frühlingsschild" in der Enklave Idlib (INSS 4.9.2022) am 27.2.2020 ein (UNSC 23.4.2020). Die Türkei versuchte damit ein Übergreifen des syrischen Konflikts auf die Türkei als Folge der neuen Regimeoffensive - insbesondere in Form eines Zustroms von Extremisten und Flüchtlingen in die Türkei - zu verhindern. Ein tieferer Beweggrund für die Operation war der Wunsch Ankaras, eine Grenze gegen weitere Vorstöße des Regimes zu ziehen, welche die türkischen Gebietsgewinne in Nordsyrien gefährden könnten. Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) war ein - wenn auch unintendierter - wichtiger Profiteur der Operation (Clingendael 9.2021). Im März 2020 wurde ein Waffenstillstandsabkommen zwischen der Türkei und Russland in Idlib unterzeichnet, das die Schaffung eines sicheren Korridors um die Autobahn M4 und gemeinsame Patrouillen der russischen und türkischen Streitkräfte vorsah (INSS 4.9.2022). Der zwischen den Präsidenten Erdo?an und Putin vereinbarte Waffenstillstand sorgte für eine Deeskalation. Es kommt aber immer wieder zu lokal begrenzten militärischen Gefechten zwischen den erwähnten Konfliktparteien (ÖB Damaskus 12.2022). Rund 8.000 Soldaten des türkischen Militärs verbleiben in der Region und unterstützen militärisch und logistisch die dort operierenden Organisationen, vor allem die Syrian National Army (SNA, ehemals Free Syrian Army, FSA) und die HTS (INSS 4.9.2022).

"Operation Klauenschwert" (türk. "Pençe K?l?ç Hava Harekât?") und von Präsident Erdo?an ankündigte Bodenoffensiven der Türkei

Ein Hauptziel der Türkei besteht darin, eine Pufferzone zu den Kräften des syrischen Regimes aufrechtzuerhalten, deren Vorrücken - ohne vorherige Absprache oder Vereinbarung - die Sicherheit der türkischen Grenze gefährden würde. Das vorrangige Ziel Russlands und des syrischen Regimes ist es, den Druck auf HTS aufrechtzuerhalten (EPC 17.2.2022). Es kommt in den türkisch-besetzten Gebieten zu internen Kämpfen zwischen von der Türkei unterstützten bewaffneten Gruppen (AC 1.12.2022; vgl. SO 26.5.2022) und vor allem im nördlichen Teil der Provinz Aleppo, auch vermehrt zu Anschlägen seitens der kurdischen YPG. Die sehr komplexe Gemengelage an (bewaffneten) Akteuren, u. a. YPG und Türkei-nahe Rebellengruppen, die sich auch untereinander bekämpfen, führt zu einer sehr konfliktgeladenen Situation in der Provinz Aleppo und vor allem in deren nördlichem Teil (ÖB Damaskus 12.2022). Erdo?an hat wiederholt angekündigt, einen 30 Kilometer breiten Streifen an der syrischen Grenze vollständig einzunehmen, um eine sogenannte Sicherheitszone auf der syrischen Seite der Grenze zu errichten (MI 21.11.2022; vgl. IT 30.5.2023), unter anderem, um dort syrische Flüchtlinge und Vertriebene, sowohl sunnitische Araber als auch Turkmenen, anzusiedeln. Dieser Prozess ist in Afrîn, al-Bab und Ra's al-'Ayn bereits im Gange (GEG 3.4.2023; vgl. NPA 5.6.2023, VOA 12.1.2023). Zuletzt konzentrierte die türkische Regierung ihre Drohungen auf die Region um Kobanê und Manbij - also die westlichen Selbstverwaltungsgebiete (MI 21.11.2022). Damit kann eine Verbindung zwischen dem Gebiet al-Bab-Jarablus und dem Gebiet Tel Abyad-Ra's al-'Ayn hergestellt werden (GEG 3.4.2023), außerdem ist Kobanê ein Symbol des kurdischen Widerstands gegen den IS (GEG 3.4.2023; vgl. ANF 29.11.2022).Ein Hauptziel der Türkei besteht darin, eine Pufferzone zu den Kräften des syrischen Regimes aufrechtzuerhalten, deren Vorrücken - ohne vorherige Absprache oder Vereinbarung - die Sicherheit der türkischen Grenze gefährden würde. Das vorrangige Ziel Russlands und des syrischen Regimes ist es, den Druck auf HTS aufrechtzuerhalten (EPC 17.2.2022). Es kommt in den türkisch-besetzten Gebieten zu internen Kämpfen zwischen von der Türkei unterstützten bewaffneten Gruppen (AC 1.12.2022; vergleiche SO 26.5.2022) und vor allem im nördlichen Teil der Provinz Aleppo, auch vermehrt zu Anschlägen seitens der kurdischen YPG. Die sehr komplexe Gemengelage an (bewaffneten) Akteuren, u. a. YPG und Türkei-nahe Rebellengruppen, die sich auch untereinander bekämpfen, führt zu einer sehr konfliktgeladenen Situation in der Provinz Aleppo und vor allem in deren nördlichem Teil (ÖB Damaskus 12.2022). Erdo?an hat wiederholt angekündigt, einen 30 Kilometer breiten Streifen an der syrischen Grenze vollständig einzunehmen, um eine sogenannte Sicherheitszone auf der syrischen Seite der Grenze zu errichten (MI 21.11.2022; vergleiche IT 30.5.2023), unter anderem, um dort syrische Flüchtlinge und Vertriebene, sowohl sunnitische Araber als auch Turkmenen, anzusiedeln. Dieser Prozess ist in Afrîn, al-Bab und Ra's al-'Ayn bereits im Gange (GEG 3.4.2023; vergleiche NPA 5.6.2023, VOA 12.1.2023). Zuletzt konzentrierte die türkische Regierung ihre Drohungen auf die Region um Kobanê und Manbij - also die westlichen Selbstverwaltungsgebiete (MI 21.11.2022). Damit kann eine Verbindung zwischen dem Gebiet al-Bab-Jarablus und dem Gebiet Tel Abyad-Ra's al-'Ayn hergestellt werden (GEG 3.4.2023), außerdem ist Kobanê ein Symbol des kurdischen Widerstands gegen den IS (GEG 3.4.2023; vergleiche ANF 29.11.2022).

Am 13.11.2022 wurde in Istanbul ein Bombenanschlag verübt, bei dem sechs Menschen starben und rund 80 verletzt wurden (AJ 22.11.2022). Die Türkei machte die YPG und PKK für den Anschlag verantwortlich, was beide Gruppierungen bestritten (AJ 24.11.2022; vgl. REU 14.11.2022). Die Türkei hat ihre militärischen Aktivitäten im Norden und Nordosten als Antwort auf den Vorfall verstärkt (ÖB Damaskus 12.2022; vgl. AJ 24.11.2022). Eine Woche nach dem Anschlag startete das türkische Militär die Operation "Klauenschwert" (AJ 22.11.2022) und führte als Vergeltungsmaßnahme eine Reihe von Luftangriffen auf mutmaßliche militante Ziele in Nordsyrien und im Irak durch (BBC 20.11.2022). Nach Angaben der SDF wurden bei den Luftschlägen auch zivile Ziele getroffen, während es sich bei den zerstörten Zielen laut türkischen Angaben um Bunker, Tunnel und Munitionsdepots handelte (Zeit 20.11.2022). Am 23.11.2022 richteten sich die türkischen Angriffe auch gegen einen SDF-Posten im Gefangenenlager al-Hol, in dem mehr als 53.000 IS-Verdächtige und ihre Familienangehörigen festgehalten werden, die meisten von ihnen Frauen und Kinder aus etwa 60 Ländern (HRW 7.12.2022). Am 13.11.2022 wurde in Istanbul ein Bombenanschlag verübt, bei dem sechs Menschen starben und rund 80 verletzt wurden (AJ 22.11.2022). Die Türkei machte die YPG und PKK für den Anschlag verantwortlich, was beide Gruppierungen bestritten (AJ 24.11.2022; vergleiche REU 14.11.2022). Die Türkei hat ihre militärischen Aktivitäten im Norden und Nordosten als Antwort auf den Vorfall verstärkt (ÖB Damaskus 12.2022; vergleiche AJ 24.11.2022). Eine Woche nach dem Anschlag startete das türkische Militär die Operation "Klauenschwert" (AJ 22.11.2022) und führte als Vergeltungsmaßnahme eine Reihe von Luftangriffen auf mutmaßliche militante Ziele in Nordsyrien und im Irak durch (BBC 20.11.2022). Nach Angaben der SDF wurden bei den Luftschlägen auch zivile Ziele getroffen, während es sich bei den zerstörten Zielen laut türkischen Angaben um Bunker, Tunnel und Munitionsdepots handelte (Zeit 20.11.2022). Am 23.11.2022 richteten sich die türkischen Angriffe auch gegen einen SDF-Posten im Gefangenenlager al-Hol, in dem mehr als 53.000 IS-Verdächtige und ihre Familienangehörigen festgehalten werden, die meisten von ihnen Frauen und Kinder aus etwa 60 Ländern (HRW 7.12.2022).

Türkische Regierungsvertreter signalisierten wiederholt, dass eine Bodenoffensive folgen könnte (AJ 22.11.2022, FR24 14.1.2023), wovor Russland, der Iran (AJ 22.11.2022) und die USA warnten (NPA 18.1.2023). Die USA haben zur "sofortigen Deeskalation" aufgerufen. Größte Sorge in Washington ist, dass eine türkische Offensive im Nordirak der Terrormiliz IS in die Hände spielt (RND 27.11.2022; vgl. USDOS 23.11.2022). Zellen des IS sind in Syrien immer noch aktiv. Die YPG ist ein wichtiger Verbündeter der USA im Kampf gegen den IS. Tausende ehemalige IS-Kämpfer sitzen in Gefängnissen, die von der Kurdenmiliz kontrolliert werden. Eine Schlüsselrolle für die türkische Syrien-Strategie spielt Russland. Präsident Wladimir Putin i

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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