Entscheidungsdatum
15.07.2024Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W250 2287252-1/10E
Schriftliche Ausfertigung des am 03.06.2024 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.01.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des römisch 40 , geboren am römisch 40 , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.01.2024, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird XXXX gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins und 4 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Syriens, stellte am 06.07.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Am 07.07.2023 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, er habe Syrien wegen des Krieges verlassen. Zudem sei alles sehr teuer geworden und es gebe keine Arbeit. Er sei dann auch vom Militär gesucht worden, weil er das Alter für den Pflicht-Militärdienst erreicht habe. In der Türkei würden Syrer festgenommen und nach Syrien zurückgeschickt werden, deshalb sei er auch aus der Türkei geflüchtet. Bei einer Rückkehr habe er Angst vor dem Gefängnis und der Armut (AS 27).
3. Am 22.12.2023 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden bezeichnet als BFA) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er müsse in Syrien zum Militär und den Wehrdienst ableisten, weshalb er geflohen sei. Ihm sei ein Wehrdienstbuch ausgestellt worden und er habe einen Einberufungsbefehl erhalten. Keiner seiner Brüder habe den Militärdienst geleistet (AS 53ff.).
4. Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an Unterlagen vor (AS 55 sowie AS 69 – AS 95):
? Seinen syrischen Personalausweis im Original lautend auf den Beschwerdeführer, geboren in XXXX , ausgestellt am XXXX in XXXX . ? Seinen syrischen Personalausweis im Original lautend auf den Beschwerdeführer, geboren in römisch 40 , ausgestellt am römisch 40 in römisch 40 .
? Das syrische Militärbuch des Beschwerdeführers in Kopie, ausgestellt am XXXX , lautend auf den Beschwerdeführer.? Das syrische Militärbuch des Beschwerdeführers in Kopie, ausgestellt am römisch 40 , lautend auf den Beschwerdeführer.
? Den syrischen Einberufungsbefehl des Beschwerdeführers in Kopie, ausgestellt am XXXX von der Rekrutierungsstelle in Aleppo, entsprechend dem Schreiben sei der Beschwerdeführer in Aleppo aufhältig gewesen und informiert worden, dass er sich vor dem XXXX im Rekrutierungsbüro melden solle.? Den syrischen Einberufungsbefehl des Beschwerdeführers in Kopie, ausgestellt am römisch 40 von der Rekrutierungsstelle in Aleppo, entsprechend dem Schreiben sei der Beschwerdeführer in Aleppo aufhältig gewesen und informiert worden, dass er sich vor dem römisch 40 im Rekrutierungsbüro melden solle.
? Eine Seite des Familienbuchs in Kopie, mit den Personendaten des Beschwerdeführers.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.01.2024, zugestellt am 22.01.2024, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 06.07.2023 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.). Ihm wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). 5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.01.2024, zugestellt am 22.01.2024, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 06.07.2023 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.). Ihm wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung die Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien, Stand 17.07.2023, Version 9, zugrunde und führte begründend im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei im Herkunftsstaat zuletzt zweieinhalb Jahre in XXXX und nicht in XXXX aufhältig gewesen. Die syrische Regierung habe keinen Zugriff auf Wehrdienstpflichtige in XXXX , weshalb eine vermeintliche Verfolgung aufgrund der Weigerung des Beschwerdeführers, seinen Wehrdienst für die syrische Armee zu leisten, auszuschließen sei (vgl. Seite 14 des angefochtenen Bescheides vom 16.01.2024, AS 97ff.).Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung die Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien, Stand 17.07.2023, Version 9, zugrunde und führte begründend im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei im Herkunftsstaat zuletzt zweieinhalb Jahre in römisch 40 und nicht in römisch 40 aufhältig gewesen. Die syrische Regierung habe keinen Zugriff auf Wehrdienstpflichtige in römisch 40 , weshalb eine vermeintliche Verfolgung aufgrund der Weigerung des Beschwerdeführers, seinen Wehrdienst für die syrische Armee zu leisten, auszuschließen sei vergleiche Seite 14 des angefochtenen Bescheides vom 16.01.2024, AS 97ff.).
6. Mit Schreiben vom 08.02.2024, eingelangt am 13.02.2024, erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter, fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des obengenannten Bescheides. Darin beantragte er eine mündliche Verhandlung durchzuführen, Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, alle zu Lasten des Beschwerdeführers gehenden Rechtswidrigkeiten amtswegig aufzugreifen, in eventu den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des ersten Spruchpunktes zu beheben und an das Bundesamt zurückzuverweisen.6. Mit Schreiben vom 08.02.2024, eingelangt am 13.02.2024, erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter, fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des obengenannten Bescheides. Darin beantragte er eine mündliche Verhandlung durchzuführen, Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, alle zu Lasten des Beschwerdeführers gehenden Rechtswidrigkeiten amtswegig aufzugreifen, in eventu den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des ersten Spruchpunktes zu beheben und an das Bundesamt zurückzuverweisen.
In der Beschwerde brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, seine Heimatregion stehe unter Kontrolle des syrischen Regimes und er verweigere aus politischen und Gewissensgründen den Wehrdienst. Bei einem solchen müsse er sich an Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht beteiligen und bei Weigerung drohe ihm eine exzessive Bestrafung durch Inhaftierung unter unmenschlichen Bedingungen, Folter oder Hinrichtung. Dem Beschwerdeführer sei eine sichere Rückkehr ohne Kontakt zum syrischen Regime nicht möglich. Die Erreichbarkeit des Herkunftsortes, ohne dass der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Einberufung zum Militärdienst bzw. einer unverhältnismäßigen Bestrafung im Falle einer Weigerung ausgesetzt wäre, sei nicht gegeben (Seite 2 f. der Beschwerde vom 13.02.2024, AS 311 ff.).
7. Am 26.02.2024 langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein (OZ/1).
8. Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom 22.03.2024 wurde die gegenständliche Rechtssache neu zugewiesen (OZ/2).
9. Am 03.06.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch und der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers statt, bei welcher der Beschwerdeführer einvernommen wurde. Ein Vertreter der belangten Behörde ist mit Schreiben vom 12.04.2024 (OZ/5) entschuldigt nicht erschienen. Im Rahmen der Verhandlung wurde der Beschwerdeführer insbesondere ausführlich zu seiner Identität, seiner Herkunft, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seinen Familienverhältnissen und seinem Leben in Syrien sowie seinen Fluchtgründen befragt. Das erkennende Gericht brachte neben dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 11 vom 27.03.2024, weitere Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers in das Verfahren ein: die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen 6. aktualisierte Fassung vom März 2021, die EUAA Country Guidance (ehemals EASO Leitlinien) zu Syrien vom April 2024, eine kurze Zusammenstellung zum Wehrdienst in Syrien von ACCORD vom 20.03.2024. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben, in diese herkunftsstaatsbezogenen Berichte Einsicht zu nehmen sowie zu den dargelegten Feststellungen eine Stellungnahme abzugeben.
In Ergänzung der bereits vorgelegten Unterlagen wurde vom Beschwerdeführer sein Einberufungsbefehl im Original vorgelegt (Seite 4 in OZ/6).
10. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.06.2024 erfolgte eine mündliche Verkündung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG. Im Anschluss übermittelte das Bundesverwaltungsgericht die Niederschrift der Verhandlung samt der mündlichen Verkündung und den wesentlichen Gründen der Entscheidung sowie der Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG an die belangte Behörde (vgl. Schreiben vom 03.06.2024 in OZ/7).10. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.06.2024 erfolgte eine mündliche Verkündung des Erkenntnisses gemäß Paragraph 29, Absatz 2, VwGVG. Im Anschluss übermittelte das Bundesverwaltungsgericht die Niederschrift der Verhandlung samt der mündlichen Verkündung und den wesentlichen Gründen der Entscheidung sowie der Belehrung gemäß Paragraph 29, Absatz 2 a, VwGVG an die belangte Behörde vergleiche Schreiben vom 03.06.2024 in OZ/7).
11. Am 11.06.2024 stellte das BFA einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses (OZ/8).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer heißt XXXX , geboren am XXXX . Er ist syrischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Araber, seine Muttersprache ist Arabisch. Der Beschwerdeführer bekennt sich zum sunnitisch muslimischen Glauben (vgl. AS 17f., AS 53ff., Seite 6 in OZ/6 = Verhandlungsprotokoll vom 03.06.2024).Der Beschwerdeführer heißt römisch 40 , geboren am römisch 40 . Er ist syrischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Araber, seine Muttersprache ist Arabisch. Der Beschwerdeführer bekennt sich zum sunnitisch muslimischen Glauben vergleiche AS 17f., AS 53ff., Seite 6 in OZ/6 = Verhandlungsprotokoll vom 03.06.2024).
Der Beschwerdeführer wurde in Aleppo im Ort XXXX (auch XXXX ) geboren. Er hat dort 6 Jahre die Schule besucht, in der Landwirtschaft gearbeitet und bis zum Jahr 2018 dort gelebt. Er erlernte keinen Beruf. Im Jahr 2018 übersiedelte er nach XXXX in der Provinz Idlib, wo er sich bis zu seiner Ausreise im Sommer 2020 aufgehalten hat (AS 17f., AS 57, AS 60, Seite 6 in OZ/6).Der Beschwerdeführer wurde in Aleppo im Ort römisch 40 (auch römisch 40 ) geboren. Er hat dort 6 Jahre die Schule besucht, in der Landwirtschaft gearbeitet und bis zum Jahr 2018 dort gelebt. Er erlernte keinen Beruf. Im Jahr 2018 übersiedelte er nach römisch 40 in der Provinz Idlib, wo er sich bis zu seiner Ausreise im Sommer 2020 aufgehalten hat (AS 17f., AS 57, AS 60, Seite 6 in OZ/6).
Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet und hat keine Kinder (AS 17ff., AS 58f., Seite 7 in OZ/6).
Der Beschwerdeführer ist gesund (AS 56, Seite 7 in OZ/6).
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. Der Beschwerdeführer befindet sich im wehrpflichtigen Alter, ist gesund und hat den Wehrdienst noch nicht abgeleistet. Er ist wehdienstfähig, ein Befreiungsgrund liegt in seinem Fall nicht vor. Einen Aufschub des Militärdienstes für die syrische Armee hat er nicht erwirkt und es liegt keine Befreiung vom Militärdienst durch Freikauf vor.
Der Beschwerdeführer hat seinen Heimatort im Jahr 2018 verlassen, da er einer Rekrutierung zum syrischen Militär entgehen wollte. Er ist vor dem syrischen Militär im Juli 2018 ins oppositionelle Gebiet geflohen und hat sich vor seiner endgültigen Ausreise aus Syrien im August 2020, zwei Jahre im oppositionellen HTS Gebiet im Ort XXXX , westlich der Stadt Idlib aufgehalten. Der Beschwerdeführer hat seinen Heimatort im Jahr 2018 verlassen, da er einer Rekrutierung zum syrischen Militär entgehen wollte. Er ist vor dem syrischen Militär im Juli 2018 ins oppositionelle Gebiet geflohen und hat sich vor seiner endgültigen Ausreise aus Syrien im August 2020, zwei Jahre im oppositionellen HTS Gebiet im Ort römisch 40 , westlich der Stadt Idlib aufgehalten.
Der Beschwerdeführer hatte bereits im Jahr 2018 keinerlei Bindungen zum Ort XXXX im Raum Idlib und sich lediglich deshalb dort angesiedelt, um Syrien in Richtung Türkei verlassen zu können. Er lebte in XXXX in einem Mietzimmer bis es ihm nicht mehr möglich war, die Miete zu zahlen, dann verbrachte er die restliche Zeit in einem Zelt. Der Beschwerdeführer hat derzeit weder Familienangehörige noch die Möglichkeit der Unterkunftnahme bei Verwandten oder Bekannten in XXXX . Die Eltern und die in Syrien aufhältigen Geschwister des Beschwerdeführers leben in XXXX . Die Familie des Beschwerdeführers bewohnt ein Haus, das im Eigentum der Familie steht und bewirtschaftet landwirtschaftliche Flächen. XXXX ist der Herkunftsort des Beschwerdeführers da er zu diesem die größte Bindung hat. Der Beschwerdeführer hatte bereits im Jahr 2018 keinerlei Bindungen zum Ort römisch 40 im Raum Idlib und sich lediglich deshalb dort angesiedelt, um Syrien in Richtung Türkei verlassen zu können. Er lebte in römisch 40 in einem Mietzimmer bis es ihm nicht mehr möglich war, die Miete zu zahlen, dann verbrachte er die restliche Zeit in einem Zelt. Der Beschwerdeführer hat derzeit weder Familienangehörige noch die Möglichkeit der Unterkunftnahme bei Verwandten oder Bekannten in römisch 40 . Die Eltern und die in Syrien aufhältigen Geschwister des Beschwerdeführers leben in römisch 40 . Die Familie des Beschwerdeführers bewohnt ein Haus, das im Eigentum der Familie steht und bewirtschaftet landwirtschaftliche Flächen. römisch 40 ist der Herkunftsort des Beschwerdeführers da er zu diesem die größte Bindung hat.
Der Herkunftsort des Beschwerdeführers XXXX wird vom syrischen Regime kontrolliert, er befindet sich im Gouvernement Aleppo, östlich der Stadt Aleppo. Der Herkunftsort des Beschwerdeführers römisch 40 wird vom syrischen Regime kontrolliert, er befindet sich im Gouvernement Aleppo, östlich der Stadt Aleppo.
Für männliche syrische Staatsangehörige zwischen 18 und 42 Jahren ist die Ableistung des Wehrdienstes in Syrien gesetzlich verpflichtend. Der Beschwerdeführer hat durch seine endgültige Ausreise aus Syrien die Ableistung des Militärdienstes verweigert.
Der Beschwerdeführer wurde mit Einberufungsbefehl vom XXXX von der Rekrutierungsstelle in Aleppo, im Alter von 18 Jahren einberufen. Am selben Tag wurde ihm von der Rekrutierungsstelle ein Militärbuch ausgestellt. Am Einberufungsbefehl ist vermerkt, dass sich der Beschwerdeführer vor dem XXXX melden solle. Er ist bisher nicht zum verpflichtenden Wehrdienst angetreten, zu welchem er 2018 einberufen wurde, sondern hat nach der Einberufung seinen Heimatort im Alter von 18 Jahren verlassen, da er einer Rekrutierung zum syrischen Militär entgehen wollte und ist ins oppositionelle Gebiet geflohen. Der Beschwerdeführer gilt daher als Wehrdienstverweigerer. Er ist dem syrischen Regime bereits als Wehrdienstverweigerer bekannt und wird gesucht.Der Beschwerdeführer wurde mit Einberufungsbefehl vom römisch 40 von der Rekrutierungsstelle in Aleppo, im Alter von 18 Jahren einberufen. Am selben Tag wurde ihm von der Rekrutierungsstelle ein Militärbuch ausgestellt. Am Einberufungsbefehl ist vermerkt, dass sich der Beschwerdeführer vor dem römisch 40 melden solle. Er ist bisher nicht zum verpflichtenden Wehrdienst angetreten, zu welchem er 2018 einberufen wurde, sondern hat nach der Einberufung seinen Heimatort im Alter von 18 Jahren verlassen, da er einer Rekrutierung zum syrischen Militär entgehen wollte und ist ins oppositionelle Gebiet geflohen. Der Beschwerdeführer gilt daher als Wehrdienstverweigerer. Er ist dem syrischen Regime bereits als Wehrdienstverweigerer bekannt und wird gesucht.
Der Beschwerdeführer lehnt einen Militärdienst bei der syrischen Armee klar ab. Er vertritt eine politische Gesinnung die in Opposition zum derzeitigen syrischen Machthaber steht und würde sich im Fall der Rückkehr nach Syrien weigern den Wehrdienst abzuleisten.
Die Flucht des Beschwerdeführers aus dem Herkunftsort XXXX im Regimegebiet nach XXXX in das Gebiet der oppositionellen HTS in Idlib, wird als Ausdruck einer oppositionellen Gesinnung gesehen. Im Falle einer Rückkehr besteht für den Beschwerdeführer daher die Gefahr, am Grenzkontrollposten verhaftet und wegen der Ausreise und damit einhergehenden Wehrdienstverweigerung verhaftet zu werden und zumindest mit einer Gefängnisstrafe bestraft zu werden, die mit der Anwendung von Folter verbunden wäre. Die Flucht des Beschwerdeführers aus dem Herkunftsort römisch 40 im Regimegebiet nach römisch 40 in das Gebiet der oppositionellen HTS in Idlib, wird als Ausdruck einer oppositionellen Gesinnung gesehen. Im Falle einer Rückkehr besteht für den Beschwerdeführer daher die Gefahr, am Grenzkontrollposten verhaftet und wegen der Ausreise und damit einhergehenden Wehrdienstverweigerung verhaftet zu werden und zumindest mit einer Gefängnisstrafe bestraft zu werden, die mit der Anwendung von Folter verbunden wäre.
Wehrdienstverweigerung kann Konsequenzen bis hin zu Folter oder Tod haben, auch eine sofortige Einziehung ist möglich. Die Regierung wird zudem beschuldigt, völkerrechtswidrige Militäraktionen, wie etwa willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten, durchzuführen. Wenn syrische Armeeangehörige Befehle nicht befolgen, werden sie erschossen, gefoltert, geschlagen und inhaftiert.
Sichere legale Einreisemöglichkeiten abseits von durch die syrische Regierung kontrollierten Flughäfen sind nicht verfügbar. Der Beschwerdeführer müsste über die Grenzübergänge, die in der Hand des syrischen Regimes sind (insbesondere über die Flughäfen von Aleppo, Latakia oder Damaskus) nach Syrien zurückkehren. Würde der Beschwerdeführer über sonstige Grenzübergänge ohne Kontakt zum syrischen Regime in seine Herkunftsprovinz zurückkehren, droht ihm trotzdem Verfolgung durch das syrische Regime, da dieses in seinem Herkunftsort an der Macht ist.
Es besteht das reale Risiko, dass der Beschwerdeführer am Grenzübergang bzw. an den Flughäfen oder einem der Checkpoints oder in seinem Herkunftsort verhaftet und aufgrund seiner oppositionellen Gesinnung bestraft wird. Im Falle einer Rückkehr besteht für den Beschwerdeführer die reale Gefahr, durch das syrische Regime wegen seiner Wehrdienstverweigerung trotz Einberufung und seiner Flucht ins oppositionelle Gebiet sowie wegen seiner oppositionellen Gesinnung verhaftet zu werden und zumindest mit einer Gefängnisstrafe bestraft zu werden, die mit der Anwendung von Folter verbunden wäre.
Zwei Brüder des Beschwerdeführers haben Syrien verlassen, ohne den Wehrdienst in Syrien abgeleistet zu haben, sie flohen in die Türkei. Ein Bruder wurde nach Syrien abgeschoben und nach sechs Monaten Wehrdienst aufgrund einer Sehbeeinträchtigung entlassen. Ein weiterer Bruder hält sich noch in Syrien auf, hat aber auch aufgrund einer Sehbeeinträchtigung den Wehrdienst nicht abgeleistet.
Die Wehrdienstverweigerung des Beschwerdeführers würde in einer Zusammenschau mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer nach Erhalt des Einberufungsbefehls mit 18 Jahren das Regimegebiet verlassen hat und ins Oppositionsgebiet in Idlib geflüchtet ist und sich auch seine Brüder dem Wehrdienst durch Flucht in die Türkei entzogen haben, von der syrischen Regierung als Ausdruck einer oppositionellen Gesinnung und als illoyal angesehen werden.
1.2.2. Es besteht zudem die Gefahr, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen wird, was er ablehnt.
Der Beschwerdeführer kann sich nicht vom Militärdienst freikaufen, da er dadurch das syrische Regime unterstützen müsste, was er ablehnt. Der Beschwerdeführer weigert sich aus Gewissensgründen, den Wehrdienst für die syrische Armee abzuleisten. Er besitzt keine ausreichenden finanziellen Mittel, um die Wehrdienstersatzgebühr zu leisten.
Die Bedrohung geht vom syrischen Regime, somit vom Staat selbst, aus.
Bei einer Rückkehr nach Syrien läuft der Beschwerdeführer Gefahr, Gewalthandlungen, erheblichen Eingriffen in seine Unversehrtheit und/oder gravierenden Bedrohungen durch das syrische Regime ausgesetzt zu sein.
Die Bedrohung des Beschwerdeführers ist aktuell.
Dem Beschwerdeführer steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative nicht zur Verfügung.
Gründe, nach denen ein Ausschluss des Beschwerdeführers hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat, liegen im Verfahren nicht vor.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Im Verfahren wurden folgende Quellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers herangezogen:
? Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, aus dem Country of Origin - Content Management System (COI-CMS) - Syrien, Version 11 vom 27.03.2024
? Die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen 6. aktualisierte Fassung, März 2021
? EUAA Country Guidance (ehemals EASO Leitlinien) zu Syrien vom April 2024
? ACCORD – Kurze Zusammenstellung zum Wehrdienst in Syrien vom 20.03.2024
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, Version 11 vom 27.03.2024, wiedergegeben:
1.3.1. Politische Lage
„Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. (…) […]“
1.3.2. Sicherheitslage
„Letzte Änderung 2024-03-08 11:17
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). (…)“
1.3.2.1. Nordwest-Syrien
Letzte Änderung 2024-03-08 11:28
Während das Assad-Regime etwa 60 Prozent des Landes kontrolliert, was einer Bevölkerung von rund neun Millionen Menschen entspricht, gibt es derzeit [im Nordwesten Syriens] zwei Gebiete, die sich noch außerhalb der Kontrolle des Regimes befinden: Nord-Aleppo und andere Gebiete an der Grenze zur Türkei, die von der von Ankara unterstützten Syrischen Nationalarmee (Syrian National Army, SNA) kontrolliert werden, und das Gebiet von Idlib, das von der militanten islamistischen Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrolliert wird. Zusammen kontrollieren sie 10 Prozent des Landes mit einer Bevölkerung von etwa 4,4 Millionen Menschen, wobei die Daten zur Bevölkerungsanzahl je nach zitierter Institution etwas variieren (ISPI 27.6.2023).
Auf diesem Kartenausschnitt sind die Machtverhältnisse in Nordwest-Syrien eingezeichnet:
Zenith 11.2022
(…)
Konfliktverlauf im Gebiet
Im Jahr 2015 verlor die syrische Regierung die Kontrolle über Idlib und diverse rivalisierende oppositionelle Gruppierungen übernahmen die Macht (BBC 18.2.2020), wobei die Freie Syrische Armee (FSA) manche Teile der Provinz schon 2012 erobert hatte (KAS 4.2020). Während die syrische Regierung die gesamte Provinz zurückerobern will, versucht Ankara zu verhindern, dass Idlib an Damaskus fällt, und daraufhin noch mehr Syrer in die Türkei flüchten (ORF 14.3.2021; vgl. Alaraby 25.1.2023). Die Türkei hat HTS als terroristische Organisation eingestuft, doch hat sie die Rebellengruppe in den letzten Jahren nicht aktiv daran gehindert, die Verwaltungsmacht in Idlib zu übernehmen (USCIRF 11.2022). Im Mai 2017 einigten sich Russland, Iran und die Türkei im Rahmen der Astana-Verhandlungen auf die Errichtung vier sogenannter Deeskalationszonen (DEZ) in Syrien (KAS 6.2020), wobei Idlib Teil einer DEZ wurde, die sich von den nordöstlichen Bergen Lattakias bis zu den nordwestlichen Vororten von Aleppo erstreckt und sowohl durch Hama als auch durch Idlib verläuft (SOHR 2.12.2022). Gemeint waren damit kampffreie Räume, in denen Zivilisten vor Angriffen geschützt sein sollten (KAS 6.2020; vgl. SD 18.8.2019). Gemäß der Übereinkunft von Astana rückte die türkische Armee im Oktober 2017 in die DEZ Idlib ein und errichtete Beobachtungsposten zur Überwachung der Waffenruhe. Ankara hatte sich in Astana verpflichtet, die Rebellen zu entwaffnen und den freien Verkehr auf den Fernstraßen M4 und M5 zu gewährleisten. Im Gegenzug hatten Moskau und Damaskus zugesichert, die Provinz nicht anzugreifen. Zusagen, die letztlich keine Seite einhielt. Die syrische Regierung führte im Zeitraum 2018-2020 Offensiven in Idlib durch, die zur Flucht von rund einer Million Menschen führten (KAS 6.2020).Im Jahr 2015 verlor die syrische Regierung die Kontrolle über Idlib und diverse rivalisierende oppositionelle Gruppierungen übernahmen die Macht (BBC 18.2.2020), wobei die Freie Syrische Armee (FSA) manche Teile der Provinz schon 2012 erobert hatte (KAS 4.2020). Während die syrische Regierung die gesamte Provinz zurückerobern will, versucht Ankara zu verhindern, dass Idlib an Damaskus fällt, und daraufhin noch mehr Syrer in die Türkei flüchten (ORF 14.3.2021; vergleiche Alaraby 25.1.2023). Die Türkei hat HTS als terroristische Organisation eingestuft, doch hat sie die Rebellengruppe in den letzten Jahren nicht aktiv daran gehindert, die Verwaltungsmacht in Idlib zu übernehmen (USCIRF 11.2022). Im Mai 2017 einigten sich Russland, Iran und die Türkei im Rahmen der Astana-Verhandlungen auf die Errichtung vier sogenannter Deeskalationszonen (DEZ) in Syrien (KAS 6.2020), wobei Idlib Teil einer DEZ wurde, die sich von den nordöstlichen Bergen Lattakias bis zu den nordwestlichen Vororten von Aleppo erstreckt und sowohl durch Hama als auch durch Idlib verläuft (SOHR 2.12.2022). Gemeint waren damit kampffreie Räume, in denen Zivilisten vor Angriffen geschützt sein sollten (KAS 6.2020; vergleiche SD 18.8.2019). Gemäß der Übereinkunft von Astana rückte die türkische Armee im Oktober 2017 in die DEZ Idlib ein und errichtete Beobachtungsposten zur Überwachung der Waffenruhe. Ankara hatte sich in Astana verpflichtet, die Rebellen zu entwaffnen und den freien Verkehr auf den Fernstraßen M4 und M5 zu gewährleisten. Im Gegenzug hatten Moskau und Damaskus zugesichert, die Provinz nicht anzugreifen. Zusagen, die letztlich keine Seite einhielt. Die syrische Regierung führte im Zeitraum 2018-2020 Offensiven in Idlib durch, die zur Flucht von rund einer Million Menschen führten (KAS 6.2020).
Das syrische Regime hat den Wunsch geäußert, die Provinz zurückzuerobern, doch seit einer Offensive im März 2020, die mit einer für die syrische Regierung katastrophalen Niederlage gegen die Türkei endete, hat das Gebiet den Besitzer nicht mehr gewechselt (Alaraby 5.6.2023). Im März 2020 vermittelten Russland und die Türkei einen Waffenstillstand, um einen Vorstoß der Regierung zur Rückeroberung von Idlib zu stoppen (BBC 26.6.2023). Die vereinbarte Waffenruhe in der DEZ Idlib wurde weitestgehend eingehalten (AA 2.2.2024), sie führte zu einer längeren Pause in der Gewalt, aber sporadische Zusammenstöße, Luftangriffe und Beschuss gehen weiter (BBC 26.6.2023). Der Konflikt ist derzeit weitgehend eingefroren, auch wenn es immer wieder zu Kämpfen kommt (AJ 15.3.2023). Durch den türkisch-russischen Waffenstillstand kam es an der Frontlinie zwischen den Regime-Truppen und HTS zu einem kleinen Rückgang der Gewalt. 2022 änderte sich die Intensität und Art der Vorfälle allerdings. Einerseits erhöhte HTS die Anzahl ihrer direkten Angriffe auf die syrische Regierung und andererseits kam es zu einem Anstieg an direkten bewaffneten Zusammenstößen, wobei Beschuss noch immer die häufigste Kampfart blieb (ACLED 26.7.2023).
Insbesondere im Süden der DEZ kommt es unverändert regelmäßig zu Kampfhandlungen zwischen Einheiten des Regimes und seiner Verbündeten und regimefeindlichen bewaffneten Oppositionsgruppen (AA 2.2.2024; vgl. UNSC 20.4.2023), inklusive schwerer Artillerieangriffe durch das syrische Regime und Luftschläge der russischen Luftwaffe (AA 2.2.2024; vgl. USDOS 20.3.2023). In der Region ist es beispielsweise im November (SOHR 2.12.2022) und Dezember 2022 (CC 1.5.2023) sowie Juni 2023 (Reuters 25.6.2023) zu einer spürbaren Eskalation der Militäroperationen durch russische und regimetreue Kräfte und den ihnen nahestehenden Milizen gekommen (CC 1.5.2023, SOHR 2.12.2022, Reuters 25.6.2023), einschließlich des täglichen Bombardements mit Dutzenden von Raketen und Artilleriegranaten und russischen Luftangriffen, die alle zu erheblichen menschlichen Verlusten und Sachschäden geführt haben (SOHR 2.12.2022). Die syrischen Weißhelme meldeten Ende 2022, dass sie im Laufe des Jahres auf mehr als 800 Angriffe des Assad-Regimes, russischer Streitkräfte und verbündeter Milizen im Nordwesten Syriens reagiert haben. Dabei wurden 165 Personen, darunter 55 Kinder und 14 Frauen, bei Luftangriffen sowie Artillerie- und Raketenangriffen auf mehr als 200 öffentliche Einrichtungen, darunter Wohnhäuser, landwirtschaftliche Felder, öffentliche Gebäude, Märkte, Schulen und ein Krankenhaus, getötet (USDOS 20.3.2023). Die HTS-Kämpfer greifen die Regierungskräfte dagegen vor allem mit Flugabwehrgeschossen an und sind hauptsächlich mit Maschinengewehren und Panzerfäusten ausgerüstet. Die Miliz hat jedoch auch improvisierte Sprengsätze gegen Assads Streitkräfte gelegt (Wilson 13.7.2022) und Selbstmordattentäter eingesetzt (Wilson 13.7.2022; vgl. CC 1.5.2023).Insbesondere im Süden der DEZ kommt es unverändert regelmäßig zu Kampfhandlungen zwischen Einheiten des Regimes und seiner Verbündeten und regimefeindlichen bewaffneten Oppositionsgruppen (AA 2.2.2024; vergleiche UNSC 20.4.2023), inklusive schwerer Artillerieangriffe durch das syrische Regime und Luftschläge der russischen Luftwaffe (AA 2.2.2024; vergleiche USDOS 20.3.2023). In der Region ist es beispielsweise im November (SOHR 2.12.2022) und Dezember 2022 (CC 1.5.2023) sowie Juni 2023 (Reuters 25.6.2023) zu einer spürbaren Eskalation der Militäroperationen durch russische und regimetreue Kräfte und den ihnen nahestehenden Milizen gekommen (CC 1.5.2023, SOHR 2.12.2022, Reuters 25.6.2023), einschließlich des täglichen Bombardements mit Dutzenden von Raketen und Artilleriegranaten und russischen Luftangriffen, die alle zu erheblichen menschlichen Verlusten und Sachschäden geführt haben (SOHR 2.12.2022). Die syrischen Weißhelme meldeten Ende 2022, dass sie im Laufe des Jahres auf mehr als 800 Angriffe des Assad-Regimes, russischer Streitkräfte und verbündeter Milizen im Nordwesten Syriens reagiert haben. Dabei wurden 165 Personen, darunter 55 Kinder und 14 Frauen, bei Luftangriffen sowie Artillerie- und Raketenangriffen auf mehr als 200 öffentliche Einrichtungen, darunter Wohnhäuser, landwirtschaftliche Felder, öffentliche Gebäude, Märkte, Schulen und ein Krankenhaus, getötet (USDOS 20.3.2023). Die HTS-Kämpfer greifen die Regierungskräfte dagegen vor allem mit Flugabwehrgeschossen an und sind hauptsächlich mit Maschinengewehren und Panzerfäusten ausgerüstet. Die Miliz hat jedoch auch improvisierte Sprengsätze gegen Assads Streitkräfte gelegt (Wilson 13.7.2022) und Selbstmordattentäter eingesetzt (Wilson 13.7.2022; vergleiche CC 1.5.2023).
Zwar rechtfertigt insbesondere das syrische Regime sein militärisches Vorgehen als Einsatz gegen terroristische Akteure. Ziele der Angriffe des Regimes und seiner Verbündeten bleiben jedoch neben Stellungen der bewaffneten Opposition (AA 2.2.2024) nicht zuletzt die zivile Infrastruktur in den Zielgebieten, darunter auch für die humanitäre Versorgung kritische Einrichtungen (AA 2.2.2024; vgl. HRW 12.1.2023). Diese wurden teilweise mit Präzisionsraketen und zielgenauen Waffensystemen von Kampfflugzeugen unter Beschuss genommen. In ihrem Bericht vom September 2022 dokumentiert die vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UNHRC) eingerichtete internationale unabhängige Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Syrien (CoI=Commission of Inquiry) acht Angriffe, u.a. auf eine Wasserstation, mit insgesamt 39 getöteten oder verletzten Zivilpersonen (AA 2.2.2024). Im November 2022 dokumentierte die CoI den Einsatz von Streumunition durch die Regierungskräfte in einem dicht besiedelten Flüchtlingslager in Idlib, wodurch mindestens sieben Zivilisten getötet wurden (UNHRC 7.2.2023; vgl. AA 2.2.2024). Die CoI sieht zudem begründeten Anlass zu der Annahme, dass HTS-Mitglieder Menschen weiterhin willkürlich ihrer Freiheit beraubten und einige von ihnen in Isolationshaft und andere in einer Weise festhielten, die einem erzwungenen Verschwinden gleichkam. Darüber hinaus haben HTS-Mitglieder möglicherweise die Kriegsverbrechen der Folter und grausamen Behandlung sowie der Verhängung von Strafen ohne vorheriges Urteil eines regulär konstituierten Gerichts begangen (UNHRC 7.2.2023).Zwar rechtfertigt insbesondere das syrische Regime sein militärisches Vorgehen als Einsatz gegen terroristische Akteure. Ziele der Angriffe des Regimes und seiner Verbündeten bleiben jedoch neben Stellungen der bewaffneten Opposition (AA 2.2.2024) nicht zuletzt die zivile Infrastruktur in den Zielgebieten, darunter auch für die humanitäre Versorgung kritische Einrichtungen (AA 2.2.2024; vergleiche HRW 12.1.2023). Diese wurden teilweise mit Präzisionsraketen und zielgenauen Waffensystemen von Kampfflugzeugen unter Beschuss genommen. In ihrem Bericht vom September 2022 dokumentiert die vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UNHRC) eingerichtete internationale unabhängige Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Syrien (CoI=Commission of Inquiry) acht Angriffe, u.a. auf eine Wasserstation, mit insgesamt 39 getöteten oder verletzten Zivilpersonen (AA 2.2.2024). Im November 2022 dokumentierte die CoI den Einsatz von Streumunition durch die Regierungskräfte in einem dicht besiedelten Flüchtlingslager in Idlib, wodurch mindestens sieben Zivilisten getötet wurden (UNHRC 7.2.2023; vergleiche AA 2.2.2024). Die CoI sieht zudem begründeten Anlass zu der Annahme, dass HTS-Mitglieder Menschen weiterhin willkürlich ihrer Freiheit beraubten und einige von ihnen in Isolationshaft und andere in einer Weise festhielten, die einem erzwungenen Verschwinden gleichkam. Darüber hinaus haben HTS-Mitglieder möglicherweise die Kriegsverbrechen der Folter und grausamen Behandlung sowie der Verhängung von Strafen ohne vorheriges Urteil eines regulär konstituierten Gerichts begangen (UNHRC 7.2.2023).
Im Oktober 2023 kam es zu einer erneuten Eskalation, die vom Vorsitzenden der CoI als größte Eskalation von Kampfhandlungen in Syrien in vier Jahren bezeichnet (UNHRC 24.10.2023). Angefangen hat die Gewaltperiode am 5.10.2023 durch einen Drohnenangriff auf die Ausmusterungsveranstaltung der Militärakademie in Homs, bei dem 89 Personen getötet und 270 verletzt wurden. Die Hay'at Tahrir ash-Sham wird verdächtigt, hinter dem Anschlag zu stehen. Noch am selben Tag reagierten die syrische Regierung gemeinsam mit russischen Streitkräften vor Ort mit intensivem Beschuss der Provinzen Idlib und Aleppo. Weitere Drohnenangriffe folgten zwischen 7.10.2023 auf einen russisch geführten Militärflughafen in der Provinz Lattakia und 18.10. in der Stadt Aleppo. Die russischen Streitkräfte intensivierten ihre Luftangriffe und die Syrische Armee den Beschuss. Die HTS und ihre Verbündeten reagierten wiederum mit Artilleriebeschuss, Scharfschützen, Lenkflugkörpern und mutmaßlich auch weiteren Drohnenangriffen. Die Situation in Nordwestsyrien beruhigte sich im November wieder und die Kampfhandlungen gingen auf das Niveau vor der Eskalation im Oktober 2023 zurück, waren aber auch im Dezember 2023 noch unverändert evident (ICG 10.2023).
Im Februar 2023 wurde die Region von verheerenden Erdbeben heimgesucht, bei denen Tausende von Menschen ums Leben kamen [Anm.: s. Karte des betroffenen Gebiets samt Gebietskontrolle unten] (AJ 15.3.2023). Daraufhin wurde in Nordsyrien ein signifikanter, wenn auch zeitlich begrenzter, Rückgang der Kampfhandlungen verzeichnet (CC 12.6.2023; vgl. UNSC 20.4.2023). Der gegenseitige Beschuss und begrenzte Zusammenstöße zwischen nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, der syrischen Regierung und regierungsnahen Kräften über die Front hinweg im Nordwesten der Arabischen Republik Syrien hielten jedoch an, wobei es in einigen Fällen zu Opfern unter der Zivilbevölkerung kam (UNSC 20.4.2023). Auch im Juni 2023 wurde ein Wiederaufflammen der Kampfhandlungen zwischen Regierungskräften und Rebellengruppen in den Provinzen Aleppo und Idlib vermeldet (NPA 2.7.2023; vgl. AN 28.6.2023).Im Februar 2023 wurde die Region von verheerenden Erdbeben heimgesucht, bei denen Tausende von Menschen ums Leben kamen [Anm.: s. Karte des betroffenen Gebiets samt Gebietskontrolle unten] (AJ 15.3.2023). Daraufhin wurde in Nordsyrien ein signifikanter, wenn auch zeitlich begrenzter, Rückgang der Kampfhandlungen verzeichnet (CC 12.6.2023; vergleiche UNSC 20.4.2023). Der gegenseitige Beschuss und begrenzte Zusammenstöße zwischen nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, der syrischen Regierung und regierungsnahen Kräften über die Front hinweg im Nordwesten der Arabischen Republik Syrien hielten jedoch an, wobei es in einigen Fällen zu Opfern unter der Zivilbevölkerung kam (UNSC 20.4.2023). Auch im Juni 2023 wurde ein Wiederaufflammen der Kampfhandlungen zwischen Regierungskräften und Rebellengruppen in den Provinzen Aleppo und Idlib vermeldet (NPA 2.7.2023; vergleiche AN 28.6.2023).
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1.3.2.2. Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien
Letzte Änderung 2024-03-08 19:46
Mittlerweile hat das Assad-Regime, unterstützt von Russland und Iran, unterschiedlichen Quellen zu Folge zwischen 60 Prozent (INSS 24.4.2022; vgl. GIS 23.5.2022) und 70 Prozent des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle gebracht (USCIRF 11.2022; EUAA 9.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; vgl. SWP 3.2020, FP 15.3.2021, EUI 13.3.2020) (Anm.: siehe dazu auch das Überkapitel Sicherheitslage). Folgende Karte mit Stand 23.5.2023 veranschaulicht diese territoriale nominelle Dominanz der syrischen Regierung und ihrer Verbündeten und das komplexe Verhältnis zum selbsternannten Autonomiegebiet im Nordosten, das hier als "halbautonome kurdische Zone" bezeichnet wird: (…)Mittlerweile hat das Assad-Regime, unterstützt von Russland und Iran, unterschiedlichen Quellen zu Folge zwischen 60 Prozent (INSS 24.4.2022; vergleiche GIS 23.5.2022) und 70 Prozent des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle gebracht (USCIRF 11.2022; EUAA 9.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; vergleiche SWP 3.2020, FP 15.3.2021, EUI 13.3.2020) Anmerkung, siehe dazu auch das Überkapitel Sicherheitslage). Folgende Karte mit Stand 23.5.2023 veranschaulicht diese territoriale nominelle Dominanz der syrischen Regierung und ihrer Verbündeten und das komplexe Verhältnis zum selbsternannten Autonomiegebiet im Nordosten, das hier als "halbautonome kurdische Zone" bezeichnet wird: (…)
Die zivilen Behörden haben nur begrenzten Einfluss auf ausländische militärische oder paramilitärische Organisationen, die in Syrien operieren, darunter russische Streitkräfte, die libanesische Hizbollah, die iranischen Revolutionswächter (IRGC) und regierungsnahe Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defence Forces - NDF), deren Mitglieder zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen haben (USDOS 20.3.2023). Für alle Regionen Syriens gilt dabei, dass eine pauschale ebenso wie eine abschließende Lagebeurteilung nicht möglich ist. Auch innerhalb der verschiedenen Einflussgebiete unterscheidet sich die Lage teilweise von Region zu Region und von Ort zu Ort (AA 2.2.2024).
Die Sicherheitslage zwischen militärischen Entwicklungen und Menschenrechtslage
Ungeachtet der obigen Ausführungen bleibt Syrien bis hin zur subregionalen Ebene territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Die Regierung ist nicht in der Lage, alle von ihr kontrollierten Gebiete zu verwalten und bedient sich verschiedener Milizen, um einige Gebiete und Kontrollpunkte in Aleppo, Lattakia, Tartus, Hama, Homs und Deir ez-Zor zu kontrollieren (DIS/DRC 2.2019). Die Hizbollah und andere von Iran unterstützte schiitische Milizen kontrollieren derzeit rund 2