Entscheidungsdatum
19.07.2024Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W291 2266322-1/34E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. RIEDLER über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2022, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. RIEDLER über die Beschwerde von römisch 40 alias römisch 40 , geb. römisch 40 , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2022, römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 AsylG als unbegründet abgewiesen.römisch eins. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. gemäß Paragraph 3, AsylG als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. bis VI. wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:römisch II. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte römisch II. bis römisch VI. wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:
„Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wird XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt.„Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG wird römisch 40 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt.
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr erteilt.“Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG wird römisch 40 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr erteilt.“
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 09.12.2021 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 10.12.2022 fand die Erstbefragung statt. Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er seine Heimat verlassen habe, da er in Syrien erneut zum Militär müsste. Außerdem sei er zu Unrecht beschuldigt worden, für die Opposition gekämpft zu haben. Sonst habe er keine weiteren Fluchtgründe. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor der Regierung bzw. davor in das Gefängnis zu müssen.
3. Am 03.06.2022 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA).
Im Zuge der Einvernahme wurde ein Reisepass, ein Führerschein sowie ein Familienregisterauszug vorgelegt.
4. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass eine Abschiebung nach Syrien zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für eine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt VI.). 4. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.), gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.), ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt römisch IV.), festgestellt, dass eine Abschiebung nach Syrien zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.) und die Frist für eine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt römisch VI.).
5. Gegen den oben genannten Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG).
6. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des BVwG wurde die gegenständliche Rechtssache der vormals zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und nunmehr der zuständigen Gerichtsabteilung am 05.09.2023 neu zugewiesen.
7. Mit Schreiben vom 17.10.2023 reichte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ein. Die Kopien einer Bestätigung über die Ableistung seines Militärdienstes sowie eines Führungszeugnisses wurden der Stellungnahme beigefügt.
8. Mit Schreiben vom 19.10.2023 legte der Beschwerdeführer ein PET/MR Zuweisungsformular vom 13.10.2023 sowie ein Zuweisungsformular für die Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin vom 19.10.2023 vor.
9. Mit Schreiben vom 08.11.2023 legte der Beschwerdeführer einen ambulanten Patientenbrief vor.
10. Am 19.12.2023 fand vor dem BVwG in Anwesenheit des Beschwerdeführers, eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch und der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen persönlichen Lebensumständen in Syrien und zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.
Im Zuge der Verhandlung wurden von der Rechtsvertretung Zeitungsartikel mit Übersetzung vorgelegt. Die Links zu den in der Verhandlung vorgelegten Zeitungsartikeln wurden nachgereicht.
11. Am 08.05.2024 fand vor dem BVwG in Anwesenheit des Beschwerdeführers, eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch und der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Gegen Ende der Verhandlung wurde durch die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine Stellungnahme abgegeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch.1.1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen römisch 40 alias römisch 40 , geboren am römisch 40 , ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch.
1.1.2. Der Beschwerdeführer wurde im XXXX (alternative Schreibweise: XXXX ), Bezirk Al Kiswah, Gouvernement Rif-Damaskus, geboren und ist dort aufgewachsen. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat drei Kinder. In Syrien hat er die Schule mit Matura abgeschlossen. Einen Beruf hat der Beschwerdeführer nicht erlernt. Der Beschwerdeführer hat in Syrien hauptsächlich als Fahrer Baumittel geliefert. In Österreich arbeitet der Beschwerdeführer geringfügig in der Gastronomie, sein monatliches Einkommen beträgt etwa 450 €.1.1.2. Der Beschwerdeführer wurde im römisch 40 (alternative Schreibweise: römisch 40 ), Bezirk Al Kiswah, Gouvernement Rif-Damaskus, geboren und ist dort aufgewachsen. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat drei Kinder. In Syrien hat er die Schule mit Matura abgeschlossen. Einen Beruf hat der Beschwerdeführer nicht erlernt. Der Beschwerdeführer hat in Syrien hauptsächlich als Fahrer Baumittel geliefert. In Österreich arbeitet der Beschwerdeführer geringfügig in der Gastronomie, sein monatliches Einkommen beträgt etwa 450 €.
1.1.3. Im Dorf XXXX leben nach wie vor die Eltern, die Ehefrau und Kinder, eine Schwester und die Brüder ( XXXX ) des Beschwerdeführers. Zwei Schwestern leben im Nachbardorf XXXX . Seiner Familie geht es finanziell gut. Die Familie unterstützte den Beschwerdeführer dabei das Geld für die Ausreise aufzubringen. Die Familie besitzt ein Unternehmen im Bau- und Immobilienbereich. Das Unternehmen wird vom Vater des Beschwerdeführers und seinen Brüdern geführt.1.1.3. Im Dorf römisch 40 leben nach wie vor die Eltern, die Ehefrau und Kinder, eine Schwester und die Brüder ( römisch 40 ) des Beschwerdeführers. Zwei Schwestern leben im Nachbardorf römisch 40 . Seiner Familie geht es finanziell gut. Die Familie unterstützte den Beschwerdeführer dabei das Geld für die Ausreise aufzubringen. Die Familie besitzt ein Unternehmen im Bau- und Immobilienbereich. Das Unternehmen wird vom Vater des Beschwerdeführers und seinen Brüdern geführt.
Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seiner Familie in Syrien.
1.1.4. Der Beschwerdeführer stellte am 09.12.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.1.5. Der Beschwerdeführer ist physisch gesund, leidet aber an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Er ist voll und allseits orientiert, sein Langzeitgedächtnis ist im Wesentlichen erhalten. Er befindet sich nicht in psychotherapeutischer oder sonst ärztlicher Behandlung. Die Einvernahmefähigkeit war bei beiden Beschwerdeverhandlungen gegeben. Ferner ist er Arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer hat eine, zwei Finger des Beschwerdeführers breite, abgeflachte Narbe über dem linken Knöchel. Weiters hat er rechts unterhalb des linken Knies eine Narbe um 3 x 3 cm. Eine weitere Narbe hat er auf der rechten Seite des linken Knies. Eine längliche Narbe befindet sich auf der Stirn oberhalb der rechten Augenbraue. Am Hinterkopf befindet sich ebenso eine Narbe.
1.1.6. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. Das XXXX , Bezirk Al Kiswah, Gouvernement Rif-Damaskus, steht seit Mai 2015 im Einfluss- und Kontrollgebiet des syrischen Regimes. Davor war es von Jänner bis April 2015 unter oppositioneller Kontrolle.1.2.1. Das römisch 40 , Bezirk Al Kiswah, Gouvernement Rif-Damaskus, steht seit Mai 2015 im Einfluss- und Kontrollgebiet des syrischen Regimes. Davor war es von Jänner bis April 2015 unter oppositioneller Kontrolle.
1.2.2. Der Beschwerdeführer hat in Syrien ab 2004 zwei Jahre den Militärdienst geleistet. Er war im Bereich der Luftraumüberwachung tätig. An Kampfhandlungen nahm der Beschwerdeführer nie teil.
Der Beschwerdeführer hat nie einen Einberufungsbefehl zum Reservedienst erhalten, er wird nicht vom syrischen Regime wegen Wehrdienstentziehung gesucht. Er hat sich durch seine Ausreise aus Syrien nicht dem Reservedienst entzogen.
Ihm wurde am 07.08.2012 ein für sechs Jahre gültiger syrischer Reisepass ausgestellt.
1.2.3. Der Beschwerdeführer hat in Syrien nicht an Demonstrationen gegen das syrische Regime teilgenommen. Ihm wird daher aus diesem Grund auch keine oppositionelle Gesinnung durch das syrische Regime unterstellt. Er wurde nicht wegen der Teilnahme an solchen Demonstrationen inhaftiert und gefoltert. Nach dem Beschwerdeführer wurde auch nicht im Wege einer Razzia gesucht.
Der Beschwerdeführer hat auch sonst keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gesetzt oder oppositionelle Ansichten geäußert, die ihn glaubhaft ins Blickfeld des syrischen Regimes gebracht haben.
Der Beschwerdeführer möchte nicht gegen seine Landsleute kämpfen.
1.2.4. Die FSA hatte kein Interesse an einer Rekrutierung des Beschwerdeführers.
1.2.5. Auch sonst war der Beschwerdeführer aufgrund seiner Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zur arabischen Volksgruppe oder einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien keiner Gefahr ausgesetzt.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsland:
Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11, vom 27.03.2024:
„[…]
1.3.1.1. Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
[…]
Syrische Arabische Republik
Letzte Änderung 2024-03-08 11:06
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regie