Entscheidungsdatum
11.03.2024Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W285 2272310-2/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Syrien, vertreten durch RA XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.08.2023, Zahl: XXXX , betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.03.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 , Staatsangehörigkeit: Syrien, vertreten durch RA römisch 40 , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.08.2023, Zahl: römisch 40 , betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.03.2024, zu Recht:
A) I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX , geboren am XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.A) römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 , geboren am römisch 40 , gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX , geboren am XXXX , damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 , geboren am römisch 40 , damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nichtzulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nichtzulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 28.06.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 29.06.2022 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers zu seinem Antrag auf internationalen Schutz statt.
Mit Schriftsatz vom 26.02.2023 erhob der Beschwerdeführer durch seine damalige bevollmächtigte Rechtsvertretung den Rechtsbehelf der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde).
Am 03.05.2023 langten beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Kopien und Übersetzungen einer Geburtsurkunde und eines Auszuges aus dem Personenregister betreffend den Beschwerdeführer ein.
Die Säumnisbeschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.07.2023, Zahl: XXXX als unbegründet abgewiesen, da kein überwiegendes Verschulden der Behörde festgestellt wurde.Die Säumnisbeschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.07.2023, Zahl: römisch 40 als unbegründet abgewiesen, da kein überwiegendes Verschulden der Behörde festgestellt wurde.
Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, wurde der Beschwerdeführer am 20.07.2023 niederschriftlich einvernommen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.08.2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe – eine Einberufung bzw. Zwangsrekrutierung zum Wehrdienst durch die syrische Regierung, eine damit in Zusammenhang stehende, drohende Inhaftierung und eine Bedrohung durch die Al-Nusra – nicht glaubhaft seien. Aufgrund der allgemein prekären Sicherheitslage sei dem Beschwerdeführer jedoch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen. Der Bescheid wurde am 24.08.2023 rechtswirksam zugestellt.Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.08.2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.). Zugleich wurde ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe – eine Einberufung bzw. Zwangsrekrutierung zum Wehrdienst durch die syrische Regierung, eine damit in Zusammenhang stehende, drohende Inhaftierung und eine Bedrohung durch die Al-Nusra – nicht glaubhaft seien. Aufgrund der allgemein prekären Sicherheitslage sei dem Beschwerdeführer jedoch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen. Der Bescheid wurde am 24.08.2023 rechtswirksam zugestellt.
Mit dem am 19.09.2023 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebrachten Schriftsatz vom selben Tag erhob der Beschwerdeführer durch seine zum damaligen Zeitpunkt bevollmächtigte Rechtsvertretung gegen Spruchpunkt I. des dargestellten Bescheides das Rechtsmittel der Beschwerde. Es wurde beantragt, die Rechtsmittelbehörde möge den hier angefochtenen Bescheid der Erstbehörde dahingehend abändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde; in eventu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides beheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückverweisen; eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumen, damit der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe noch einmal vor unabhängigen Richter*innen persönlich und unmittelbar schildern und glaubhaft machen könne. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die belangte Behörde habe es unterlassen, ihrer Entscheidung konkrete Berichte hinsichtlich der Fluchtgründe des Beschwerdeführers zugrunde zu legen. Der Beschwerdeführer habe zu Beginn der Revolution ein Militärbuch ausgestellt bekommen, seinen verpflichtenden Wehrdienst aber nicht abgeleistet. Eine Kopie des Militärbuches werde beiliegend übermittelt. Der Beschwerdeführer habe sich dem Wehrdienst durch seine Ausreise entzogen und sei er daher als Wehrdienstverweigerer einer Verfolgung ausgesetzt, wie auch den Länderberichten und den aktuellen UNHCR-Richtlinien zu entnehmen sei. Der Beschwerdeführer würde im Falle einer Rückkehr nach Syrien als junger Mann im wehrfähigen Alter jedenfalls die Aufmerksamkeit des Personals bei der Einreisekontrolle auf sich ziehen und habe er aufgrund der Wehrdienstentziehung und Wehrdienstverweigerung mit Inhaftierung, Folter, sofortiger Einziehung zum Wehrdienst oder sogar Tötung zu rechnen. Zudem sei der Beschwerdeführer Versuchen einer Zwangsrekrutierung durch die Al-Nusra ausgesetzt gewesen, als er sich im Gouvernement Idlib aufgehalten habe. Dem Beschwerdeführer drohe im Falle einer Rückkehr auch aufgrund seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung, sowie aufgrund einer deshalb und in Zusammenhang mit der Wehrdienstentziehung zumindest unterstellten oppositionellen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung im Herkunftsstaat.Mit dem am 19.09.2023 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebrachten Schriftsatz vom selben Tag erhob der Beschwerdeführer durch seine zum damaligen Zeitpunkt bevollmächtigte Rechtsvertretung gegen Spruchpunkt römisch eins. des dargestellten Bescheides das Rechtsmittel der Beschwerde. Es wurde beantragt, die Rechtsmittelbehörde möge den hier angefochtenen Bescheid der Erstbehörde dahingehend abändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde; in eventu Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides beheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückverweisen; eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumen, damit der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe noch einmal vor unabhängigen Richter*innen persönlich und unmittelbar schildern und glaubhaft machen könne. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die belangte Behörde habe es unterlassen, ihrer Entscheidung konkrete Berichte hinsichtlich der Fluchtgründe des Beschwerdeführers zugrunde zu legen. Der Beschwerdeführer habe zu Beginn der Revolution ein Militärbuch ausgestellt bekommen, seinen verpflichtenden Wehrdienst aber nicht abgeleistet. Eine Kopie des Militärbuches werde beiliegend übermittelt. Der Beschwerdeführer habe sich dem Wehrdienst durch seine Ausreise entzogen und sei er daher als Wehrdienstverweigerer einer Verfolgung ausgesetzt, wie auch den Länderberichten und den aktuellen UNHCR-Richtlinien zu entnehmen sei. Der Beschwerdeführer würde im Falle einer Rückkehr nach Syrien als junger Mann im wehrfähigen Alter jedenfalls die Aufmerksamkeit des Personals bei der Einreisekontrolle auf sich ziehen und habe er aufgrund der Wehrdienstentziehung und Wehrdienstverweigerung mit Inhaftierung, Folter, sofortiger Einziehung zum Wehrdienst oder sogar Tötung zu rechnen. Zudem sei der Beschwerdeführer Versuchen einer Zwangsrekrutierung durch die Al-Nusra ausgesetzt gewesen, als er sich im Gouvernement Idlib aufgehalten habe. Dem Beschwerdeführer drohe im Falle einer Rückkehr auch aufgrund seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung, sowie aufgrund einer deshalb und in Zusammenhang mit der Wehrdienstentziehung zumindest unterstellten oppositionellen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung im Herkunftsstaat.
Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 12.10.2023 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
Am 19.02.2024 langte die Vollmachtsbekanntgabe der nunmehrigen Rechtsvertretung des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein, die Zurücklegung der Vollmacht der bisherigen rechtlichen Vertretung am 21.02.2024.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 06.03.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, seine Rechtsvertretung sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Arabisch teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte im Vorfeld schriftlich mitgeteilt, auf die Teilnahme an der Verhandlung zu verzichten. Im Zuge der Verhandlung wurden dem Beschwerdeführer die im Verfahren herangezogenen Berichte zur Beurteilung der Lage in seinem Herkunftsstaat (Länderinformationen der Staatendokumentation, Stand 29.12.2022; EUAA, Country Guidance Syria, Februar 2023 EUAA, Syria: Security Situation, September 2022; UNHCR-Erwägungen, März 2021; die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Strafregisterbescheinigung und Sicherheitsfreigabe vom 03.10.2022; die Anfragebeantwortung Staatendokumentation zu Syrien: Beglaubigungsstempel und QR-Code vom 29.12.2022; die ACCORD-Anfragebeantwortung [a-12196] zu Syrien: Gefälschte Dokumente bzw. echte Dokumente mit wahrheitswidrigem Inhalt (insb. Militär- u. Personalausweise, Strafregister-, Personenstands- und Familienbuchauszüge); Häufigkeit, Erlangung, Vorgehensweise, Preis, Bezahlung, Aushändigung durch Schlepper vom 03.08.2023; die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Fragen des BVwG zur Bestrafung von Wehrdienstverweigerern und Desertion vom 16.09.2022; Danish Immigration Service: Brief Report Syria, Military Service vom Juli 2023; die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Zwangsrekrutierung und Kontrolle in Idlib vom 17.03.2022; sowie der Themenbericht der Staatendokumentation: Syrien – Grenzübergänge, Version 1 vom 25.10.2023, zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer legte eine Aufenthaltsurkunde (wörtliche Übersetzung) zum Nachweis seiner Herkunft aus XXXX vor. Die am Ende der Verhandlung aufgrund des Vorbringens ins Verfahren eingebrachte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Website zamanalwals.net vom 17.12.2018 wurde dem Beschwerdeführer mit Parteiengehör vom 12.03.2024 zur Kenntnis übermittelt.Das Bundesverwaltungsgericht führte am 06.03.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, seine Rechtsvertretung sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Arabisch teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte im Vorfeld schriftlich mitgeteilt, auf die Teilnahme an der Verhandlung zu verzichten. Im Zuge der Verhandlung wurden dem Beschwerdeführer die im Verfahren herangezogenen Berichte zur Beurteilung der Lage in seinem Herkunftsstaat (Länderinformationen der Staatendokumentation, Stand 29.12.2022; EUAA, Country Guidance Syria, Februar 2023 EUAA, Syria: Security Situation, September 2022; UNHCR-Erwägungen, März 2021; die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Strafregisterbescheinigung und Sicherheitsfreigabe vom 03.10.2022; die Anfragebeantwortung Staatendokumentation zu Syrien: Beglaubigungsstempel und QR-Code vom 29.12.2022; die ACCORD-Anfragebeantwortung [a-12196] zu Syrien: Gefälschte Dokumente bzw. echte Dokumente mit wahrheitswidrigem Inhalt (insb. Militär- u. Personalausweise, Strafregister-, Personenstands- und Familienbuchauszüge); Häufigkeit, Erlangung, Vorgehensweise, Preis, Bezahlung, Aushändigung durch Schlepper vom 03.08.2023; die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Fragen des BVwG zur Bestrafung von Wehrdienstverweigerern und Desertion vom 16.09.2022; Danish Immigration Service: Brief Report Syria, Military Service vom Juli 2023; die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Zwangsrekrutierung und Kontrolle in Idlib vom 17.03.2022; sowie der Themenbericht der Staatendokumentation: Syrien – Grenzübergänge, Version 1 vom 25.10.2023, zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer legte eine Aufenthaltsurkunde (wörtliche Übersetzung) zum Nachweis seiner Herkunft aus römisch 40 vor. Die am Ende der Verhandlung aufgrund des Vorbringens ins Verfahren eingebrachte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Website zamanalwals.net vom 17.12.2018 wurde dem Beschwerdeführer mit Parteiengehör vom 12.03.2024 zur Kenntnis übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Das Bundesverwaltungsgericht geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der im Jahr 1994 geborene Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Syriens, gehört der Volksgruppe der Araber an, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und beherrscht die arabische Sprache in Wort und Schrift und etwas Deutsch. (vgl. Erstbefragung 29.06.2022, AS 1 f; Einvernahme BFA 20.07.2023, AS 92 und 96; Kopie und Übersetzung Geburtsurkunde, AS 39 und 41; Verhandlungsprotokoll 06.03.2024, S 4 f)Der im Jahr 1994 geborene Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Syriens, gehört der Volksgruppe der Araber an, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und beherrscht die arabische Sprache in Wort und Schrift und etwas Deutsch. vergleiche Erstbefragung 29.06.2022, AS 1 f; Einvernahme BFA 20.07.2023, AS 92 und 96; Kopie und Übersetzung Geburtsurkunde, AS 39 und 41; Verhandlungsprotokoll 06.03.2024, S 4 f)
Der Beschwerdeführer wurde in XXXX (alternative Schreibweise im Akt: XXXX ), einer Stadt im östlichen Gebiet des Gouvernements Idlib geboren, aufgewachsen ist er jedoch im Dorf XXXX (alternative Schreibweise im Akt: XXXX ), das im Gouvernement Aleppo an der Grenze zum Gouvernement Idlib liegt. Dort lebte er bis 2019 mit seiner Frau und den Kindern sowie seiner Familie. Danach ging er mit seiner Frau und den Kindern nach XXXX im Gouvernement Idlib, wo sie in einem Zelt lebten. Von dort reiste der Beschwerdeführer schließlich im Jahr 2022 in die Türkei aus, seine Familie kehrte zu seiner Stammfamilie in den Herkunftsort zurück. (vgl. Einvernahme BFA 20.07.2023 AS 92 ff; Verhandlungsprotokoll 06.03.2024, S 4 f, 7 f und 10)Der Beschwerdeführer wurde in römisch 40 (alternative Schreibweise im Akt: römisch 40 ), einer Stadt im östlichen Gebiet des Gouvernements Idlib geboren, aufgewachsen ist er jedoch im Dorf römisch 40 (alternative Schreibweise im Akt: römisch 40 ), das im Gouvernement Aleppo an der Grenze zum Gouvernement Idlib liegt. Dort lebte er bis 2019 mit seiner Frau und den Kindern sowie seiner Familie. Danach ging er mit seiner Frau und den Kindern nach römisch 40 im Gouvernement Idlib, wo sie in einem Zelt lebten. Von dort reiste der Beschwerdeführer schließlich im Jahr 2022 in die Türkei aus, seine Familie kehrte zu seiner Stammfamilie in den Herkunftsort zurück. vergleiche Einvernahme BFA 20.07.2023 AS 92 ff; Verhandlungsprotokoll 06.03.2024, S 4 f, 7 f und 10)
Der Beschwerdeführer hat in Syrien die Schule bis zur neunten Schulstufe besucht und danach in der Landwirtschaft der Familie sowie während der Zeit in Idlib auch als Automechaniker gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat noch keinen Grundwehrdienst geleistet. 2019 verließ der Beschwerdeführer seinen Herkunftsort gemeinsam mit seiner Frau und den Kindern und lebte mit diesen noch etwa drei Jahre im Gouvernement Idlib. Von dort reiste er in der Folge über die Türkei, Serbien und Ungarn schließlich unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein. Die Reise erfolgte schlepperunterstützt und wurde vom Beschwerdeführer selbst organisiert. (vgl. Erstbefragung 29.06.2022, AS 3 und 9 f; Einvernahme BFA 20.07.2023 AS 94 f; Verhandlungsprotokoll 06.03.2024, S 5, 7 f, 10)Der Beschwerdeführer hat in Syrien die Schule bis zur neunten Schulstufe besucht und danach in der Landwirtschaft der Familie sowie während der Zeit in Idlib auch als Automechaniker gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat noch keinen Grundwehrdienst geleistet. 2019 verließ der Beschwerdeführer seinen Herkunftsort gemeinsam mit seiner Frau und den Kindern und lebte mit diesen noch etwa drei Jahre im Gouvernement Idlib. Von dort reiste er in der Folge über die Türkei, Serbien und Ungarn schließlich unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein. Die Reise erfolgte schlepperunterstützt und wurde vom Beschwerdeführer selbst organisiert. vergleiche Erstbefragung 29.06.2022, AS 3 und 9 f; Einvernahme BFA 20.07.2023 AS 94 f; Verhandlungsprotokoll 06.03.2024, S 5, 7 f, 10)
Als der Beschwerdeführer seinen Herkunftsort verlassen hat, stand dieser noch unter Kontrolle der Freien Syrischen Armee (FSA), der Kontrollbereich des syrischen Regimes war jedoch nicht mehr weit entfernt. Nach der historischen Karte von CarterCenter stand der Ort seit Beginn der Aufzeichnung im Jänner 2014 unter der alleinigen Kontrolle der Opposition und war erst ab März 2020 wieder unter der Kontrolle des syrischen Regimes. Zum Entscheidungszeitpunkt steht die Herkunftsregion des Beschwerdeführers unter der Kontrolle des syrischen Regimes, ebenso der Geburtsort XXXX im Gouvernement Idlib. In der tagesaktuellen Karte von SyriaLivemap sind aktuell auch Kampfhandlungen in der Herkunftsregion verzeichnet. (vgl. https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria.html; abgerufen am 08.03.2024; https://syria.liveuamap.com/; abgerufen am 08.03.2024)Als der Beschwerdeführer seinen Herkunftsort verlassen hat, stand dieser noch unter Kontrolle der Freien Syrischen Armee (FSA), der Kontrollbereich des syrischen Regimes war jedoch nicht mehr weit entfernt. Nach der historischen Karte von CarterCenter stand der Ort seit Beginn der Aufzeichnung im Jänner 2014 unter der alleinigen Kontrolle der Opposition und war erst ab März 2020 wieder unter der Kontrolle des syrischen Regimes. Zum Entscheidungszeitpunkt steht die Herkunftsregion des Beschwerdeführers unter der Kontrolle des syrischen Regimes, ebenso der Geburtsort römisch 40 im Gouvernement Idlib. In der tagesaktuellen Karte von SyriaLivemap sind aktuell auch Kampfhandlungen in der Herkunftsregion verzeichnet. vergleiche https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria.html; abgerufen am 08.03.2024; https://syria.liveuamap.com/; abgerufen am 08.03.2024)
Die Ehefrau und die vier Kinder des Beschwerdeführers, seine Eltern und zwei Schwestern leben noch im Herkunftsort, ein Bruder lebt in Belgien, ein Bruder ist in der Türkei aufhältig, ein weiterer im Libanon. Die Familie bewirtschaftet noch die Landwirtschaft, der Bruder im Libanon unterstützt die Familie. Der Beschwerdeführer hat ca. alle sieben bis zehn Tage Kontakt zu seiner Familie in Syrien. (vgl. Einvernahme BFA 20.07.2023, AS 4 ff; Verhandlungsprotokoll 06.03.2024, S 4 f und 10)Die Ehefrau und die vier Kinder des Beschwerdeführers, seine Eltern und zwei Schwestern leben noch im Herkunftsort, ein Bruder lebt in Belgien, ein Bruder ist in der Türkei aufhältig, ein weiterer im Libanon. Die Familie bewirtschaftet noch die Landwirtschaft, der Bruder im Libanon unterstützt die Familie. Der Beschwerdeführer hat ca. alle sieben bis zehn Tage Kontakt zu seiner Familie in Syrien. vergleiche Einvernahme BFA 20.07.2023, AS 4 ff; Verhandlungsprotokoll 06.03.2024, S 4 f und 10)
In Österreich leben zwei Onkel väterlicherseits mit ihren Familien, denen der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde. Der Beschwerdeführer hat bereits den Deutschkurs Niveau A1 mit Prüfung abgeschlossen und besucht derzeit den Kurs Niveau A2 (vgl. Verhandlungsprotokoll 06.03.2024, S 5 und 11)In Österreich leben zwei Onkel väterlicherseits mit ihren Familien, denen der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde. Der Beschwerdeführer hat bereits den Deutschkurs Niveau A1 mit Prüfung abgeschlossen und besucht derzeit den Kurs Niveau A2 vergleiche Verhandlungsprotokoll 06.03.2024, S 5 und 11)
Der Beschwerdeführer ist gesund und benötigt keine Medikamente. (vgl. Einvernahme BFA 20.07.2023, AS 91)Der Beschwerdeführer ist gesund und benötigt keine Medikamente. vergleiche Einvernahme BFA 20.07.2023, AS 91)
Der unbescholtene Beschwerdeführer ist in Österreich subsidiär schutzberechtigt und wurde ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. (vgl. Auszüge Strafregister und Zentrales Fremdenregister jeweils vom 06.03.2024; angefochtener Bescheid vom 18.08.2023, AS 117 ff).Der unbescholtene Beschwerdeführer ist in Österreich subsidiär schutzberechtigt und wurde ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. vergleiche Auszüge Strafregister und Zentrales Fremdenregister jeweils vom 06.03.2024; angefochtener Bescheid vom 18.08.2023, AS 117 ff).
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren zum Wehrdienst eingezogen werden.
Der wehrdienstpflichtige Beschwerdeführer hat seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet und ist von diesem nicht befreit. Im Falle einer Rückkehr besteht für den XXXX -jährigen Beschwerdeführer die Gefahr, an Grenzkontrollposten oder Checkpoints verhaftet und zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden. Der Beschwerdeführer lehnt den Dienst an der Waffe ab. Im Falle einer Weigerung würde er zumindest mit einer Gefängnisstrafe bestraft werden, die mit der Anwendung von Folter verbunden wäre.Der wehrdienstpflichtige Beschwerdeführer hat seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet und ist von diesem nicht befreit. Im Falle einer Rückkehr besteht für den römisch 40 -jährigen Beschwerdeführer die Gefahr, an Grenzkontrollposten oder Checkpoints verhaftet und zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden. Der Beschwerdeführer lehnt den Dienst an der Waffe ab. Im Falle einer Weigerung würde er zumindest mit einer Gefängnisstrafe bestraft werden, die mit der Anwendung von Folter verbunden wäre.
Die syrische Regierung betrachtet Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen „terroristische“ Bedrohungen zu schützen. Durch seine Ausreise und den Auslandaufenthalt hat sich der Beschwerdeführer der Ableistung des Wehrdienstes entzogen und wird ihm daher in diesem Zusammenhang vom syrischen Regime auch eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
Es besteht für den Beschwerdeführer daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die reale Gefahr, im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion vom syrischen Regime wegen Wehrdienstentziehung verfolgt und zum verpflichtenden Grundwehrdienst zwangsrekrutiert zu werden.
Der Beschwerdeführer war und ist in Syrien keiner konkreten individuellen Bedrohung oder Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt.
1.3. Zur für den gegenständlichen Fall maßgeblichen Situation in Syrien:
1.3.1. Auszug aus den Länderinformationen der Staatendokumentation (Stand 17.07.2023):
[…]
3 Politische Lage
Letzte Änderung: 10.07.2023
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 % des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023).
Interne Akteure haben das Kernmerkmal eines Staates - sein Gewaltmonopol - infrage gestellt und ausgehöhlt. Externe Akteure, die Gebiete besetzen, wie die Türkei in den kurdischen Gebieten, oder sich in innere Angelegenheiten einmischen, wie Russland und Iran, sorgen für Unzufriedenheit bei den Bürgern vor Ort (BS 23.2.2022). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus. In anderen Gebieten ist die zivile Politik im Allgemeinen den lokal dominierenden bewaffneten Gruppen untergeordnet, darunter die militante islamistische Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) und mit dem türkischen Militär verbündete Kräfte (FH 9.3.2023). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg, der nun in sein zwölftes Jahr geht, hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert (AA 29.3.2023). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Der Machtanspruch des syrischen Regimes wurde in den Gebieten unter seiner Kontrolle nicht grundlegend angefochten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden substanziellen militärischen Unterstützung Russlands bzw. Irans und Iran-naher Kräfte. Allerdings gelang es dem Regime nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol in diesen Gebieten durchzusetzen. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht (AA 29.3.2023). Der von den Vereinten Nationen geleitete Friedensprozess, einschließlich des Verfassungsausschusses, hat 2022 keine Fortschritte gemacht (HRW 12.1.2023; vgl. AA 29.3.2023). Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert (AA 29.3.2023). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell und sorgen dafür, dass diese nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden (HRW 12.1.2023).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert (AA 29.3.2023). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Der Machtanspruch des syrischen Regimes wurde in den Gebieten unter seiner Kontrolle nicht grundlegend angefochten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden substanziellen militärischen Unterstützung Russlands bzw. Irans und Iran-naher Kräfte. Allerdings gelang es dem Regime nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol in diesen Gebieten durchzusetzen. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht (AA 29.3.2023). Der von den Vereinten Nationen geleitete Friedensprozess, einschließlich des Verfassungsausschusses, hat 2022 keine Fortschritte gemacht (HRW 12.1.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert (AA 29.3.2023). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell und sorgen dafür, dass diese nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden (HRW 12.1.2023).
Im Äußeren gewannen die Bemühungen des Regimes und seiner Verbündeten, insbesondere Russlands, zur Beendigung der internationalen Isolation [mit Stand März 2023] unabhängig von der im Raum stehenden Annäherung der Türkei trotz fehlender politischer und humanitärer Fortschritte weiter an Momentum. Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon - (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen, wenngleich sich die Bewahrung der EU-Einheit in dieser Sache zunehmend herausfordernd gestaltet (AA 29.3.2023).Im Äußeren gewannen die Bemühungen des Regimes und seiner Verbündeten, insbesondere Russlands, zur Beendigung der internationalen Isolation [mit Stand März 2023] unabhängig von der im Raum stehenden Annäherung der Türkei trotz fehlender politischer und humanitärer Fortschritte weiter an Momentum. Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon - (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen, wenngleich sich die Bewahrung der EU-Einheit in dieser Sache zunehmend herausfordernd gestaltet (AA 29.3.2023).
Quellen: […]
3.1 Syrische Arabische Republik
Letzte Änderung: 10.07.2023
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v.a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Bashar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 29.3.2023).
Institutionen und Wahlen
Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Art. 113 der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Artikel 113, der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).
Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Bashar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Art. 85 vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 % der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 % und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 % und 3,3 % der Stimmen (Standard 28.5.2021; vgl. Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Bashar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Artikel 85, vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 % der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 % und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 % und 3,3 % der Stimmen (Standard 28.5.2021; vergleiche Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).
Das Parlament hat nicht viel Macht. Dekrete werden meist von Ministern und Ministerinnen vorgelegt, um ohne Änderungen vom Parlament genehmigt zu werden. Sitze im Parlament oder im Kabinett dienen nicht dazu, einzelne Machtgruppen in die Entscheidungsfindung einzubinden, sondern dazu, sie durch die Vorteile, die ihnen ihre Positionen verschaffen, zu kooptieren (BS 23.2.2022). Im Juli 2020 fanden die Wahlen für das "Volksrat" genannte syrische Parlament mit 250 Sitzen statt, allerdings nur in Gebieten, in denen das Regime präsent ist. Auch diese Wahlen wurden durch die weitverbreitete Vertreibung der Bevölkerung beeinträchtigt. Bei den Wahlen gab es keinen nennenswerten Wettbewerb, da die im Exil lebenden Oppositionsgruppen nicht teilnahmen und die Behörden keine unabhängigen politischen Aktivitäten in dem von ihnen kontrollierten Gebiet dulden. Die regierende Ba'ath-Partei und ihre Koalition der Nationalen Progressiven Front erhielten 183 Sitze. Die restlichen 67 Sitze gingen an unabhängige Kandidaten, die jedoch alle als regierungstreu galten (FH 9.3.2023). Die Wahlbeteiligung lag bei 33,7 % (BS 23.2.2022). Es gab Vorwürfe des Betrugs, der Wahlfälschung und der politischen Einflussnahme. Kandidaten wurden in letzter Minute von den Wahllisten gestrichen und durch vom Regime bevorzugte Kandidaten ersetzt, darunter Kriegsprofiteure, Warlords und Schmuggler, welche das Regime im Zuge des Konflikts unterstützten (WP 22.7.2020).
Der Wahlprozess soll so strukturiert sein, dass eine Manipulation des Regimes möglich ist. Syrische Bürger können überall innerhalb der vom Regime kontrollierten Gebiete wählen, und es gibt keine Liste der registrierten Wähler in den Wahllokalen und somit keinen Mechanismus zur Überprüfung, ob Personen an verschiedenen Wahllokalen mehrfach gewählt haben. Aufgrund der Vorschriften bei Reihungen auf Wahllisten sind alternative Kandidaten standardmäßig nur ein Zusatz zu den Kandidaten der Ba'ath-Partei (MEI 24.7.2020). Die vom Regime und den Nachrichtendiensten vorgenommene Reihung auf der Liste ist damit wichtiger als die Unterstützung durch die Bevölkerung oder Stimmen. Wahlen in Syrien dienen nicht dem Finden von Entscheidungsträgern, sondern der Aufrechterhaltung der Fassade von demokratischen Prozessen durch den Staat nach außen. Sie fungieren als Möglichkeit, relevante Personen in Syrien quasi zu managen und Loyalisten dazu zu zwingen, ihre Hingabe zum Regime zu demonstrieren (BS 23.2.2022). Zudem gilt der Verkauf öffentlicher Ämter an reiche Personen, im Verbund mit entsprechend gefälschten Wahlergebnissen, als zunehmend wichtige Devisenquelle für das syrische Regime (AA 29.3.2023). Entscheidungen werden von den Sicherheitsdiensten oder dem Präsidenten auf Basis ihrer Notwendigkeiten getroffen - nicht durch gewählte Personen (BS 23.2.2022).
Im September 2022 fanden in allen [unter Kontrolle des syrischen Regimes stehenden] Provinzen Wahlen für die Lokalräte statt. Nichtregierungsorganisationen bezeichneten sie ebenfalls als weder frei noch fair (USDOS 20.3.2023).
Quellen: […]
[…]
4 Sicherheitslage
Letzte Änderung: 11.07.2023
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 70 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 29.