TE Bvwg Erkenntnis 2024/7/10 W154 2286484-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.07.2024
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.07.2024

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
B-VG Art133 Abs4
  1. AsylG 2005 § 34 heute
  2. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  3. AsylG 2005 § 34 gültig ab 01.11.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2014 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  5. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009
  6. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  7. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.04.2009 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2009
  8. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.07.2008 bis 31.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  9. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W154 2247543-1/29E

W154 2286484-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1) XXXX , geboren am XXXX , 2) XXXX , geboren am XXXX , beide StA. Syrien, beide vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1) 15.09.2021, Zl. XXXX , 2) 16.01.2024, Zl. XXXX , zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1) römisch 40 , geboren am römisch 40 , 2) römisch 40 , geboren am römisch 40 , beide StA. Syrien, beide vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1) 15.09.2021, Zl. römisch 40 , 2) 16.01.2024, Zl. römisch 40 , zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind syrische Staatsangehörige und Ehegatten.

Der Erstbeschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte am 09.02.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Zweitbeschwerdeführerin reiste ebenso unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte am 06.12.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 09.02.2021 fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die Erstbefragung des Erstbeschwerdeführers vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Erstbeschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen an, dass die syrische Armee ihn zum Reservedienst einziehen habe wollen. Auch habe er Angst vor den Kurden, welche ihn rekrutieren und an die Front schicken hätten wollen. Der Erstbeschwerdeführer sei einmal zu einem Ausbildungscamp mitgenommen worden, aus welchem er fliehen habe können.

Am 08.03.2021 erfolgte unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die niederschriftliche Einvernahme des Erstbeschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt oder belangte Behörde). Zu seinen Fluchtgründen führte der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass die Kurden beabsichtigen würden, alle Männer zu rekrutieren. Er sei zwangsweise zu einem Camp mitgenommen worden. Von dort sei er geflohen und direkt vom Camp aus in die Türkei geschleppt worden. Sein Jahrgang sei angefordert worden, er habe das Schriftstück jedoch nicht abgeholt. Unter einem legte der Erstbeschwerdeführer jeweils in Kopie eine Heiratsurkunde, eine Eheschließungsbestätigung, einen Auszug aus dem Personenstandsregister, einen Auszug aus dem Personenstandsregister seiner Ehegattin und ein Familienbuch vor. Dem Erstbeschwerdeführer wurde aufgetragen, binnen einer Frist von 14 Tagen die vorgelegten Dokumente im Original vorzulegen.

Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 15.09.2021 wies die belangte Behörde den Antrag des Erstbeschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 15.09.2021 wies die belangte Behörde den Antrag des Erstbeschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.).

Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Erstbeschwerdeführer während des gesamten Verfahrens übereinstimmend angegeben habe, Syrien Ende 2020 verlassen zu haben, um dem Militärdienst zu entgehen. Er habe zu keinem Zeitpunkt von einem anderen Fluchtgrund, der aus einer Verfolgung oder Bedrohung von privater oder staatlicher Seite ausgehen könnte, berichtet.

Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides erhob der Erstbeschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholte. Zudem monierte er, dass die Behörde sein Vorbringen, dass auch eine Gefahr der Entführung durch die „Demokratischen Kräfte Syriens“ bestehe, gänzlich ignoriert habe. Weiters gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er im Falle einer Rückkehr nach Syrien aufgrund der Tatsache, dass er in Europa gelebt und einen Asylantrag gestellt habe, gegenüber dem Regime als Oppositioneller gelte und Gefahr laufe, verfolgt zu werden.Gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides erhob der Erstbeschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholte. Zudem monierte er, dass die Behörde sein Vorbringen, dass auch eine Gefahr der Entführung durch die „Demokratischen Kräfte Syriens“ bestehe, gänzlich ignoriert habe. Weiters gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er im Falle einer Rückkehr nach Syrien aufgrund der Tatsache, dass er in Europa gelebt und einen Asylantrag gestellt habe, gegenüber dem Regime als Oppositioneller gelte und Gefahr laufe, verfolgt zu werden.

Mit Urkundenvorlage vom 24.08.2022 legte der Erstbeschwerdeführer Lichtbilder zum Beweis dafür vor, dass er in Wien an Demonstrationen gegen das syrische Regime teilgenommen habe.

Mit Verständigung vom XXXX und Protokollsvermerk sowie gekürzter Urteilsausfertigung vom XXXX teilte das Landesgericht für Strafsachen XXXX mit, dass der Erstbeschwerdeführer wegen der Verbrechen der Schlepperei nach §§ 114 Abs. 1, 114 Abs. 3 Z 2 FPG rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt wurde.Mit Verständigung vom römisch 40 und Protokollsvermerk sowie gekürzter Urteilsausfertigung vom römisch 40 teilte das Landesgericht für Strafsachen römisch 40 mit, dass der Erstbeschwerdeführer wegen der Verbrechen der Schlepperei nach Paragraphen 114, Absatz eins,, 114 Absatz 3, Ziffer 2, FPG rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt wurde.

Am 06.12.2022 fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die Erstbefragung der Zweitbeschwerdeführerin vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdientes statt. Dabei gab die Zweitbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen an, dass sie Syrien verlassen habe, zumal sie dort alleine gewesen sei und Krieg herrsche. Sie habe zu ihrem Mann nach Österreich wollen. Dies seien alle ihre Fluchgründe.

Am 21.06.2023 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Erstbeschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Lebensumständen in Syrien und seinen Fluchtgründen befragt wurde. Zudem gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er im Jahr 2012 an friedlichen Demonstrationen in Syrien teilgenommen habe und durch ein Geschoss am Bein verletzt worden sei. Im Jahr 2014 sei es zu Bombardierungen gekommen und sei der Erstbeschwerdeführer danach nach Beirut geflüchtet, wo er bis 2020 gelebt habe. Nachdem er im Jahr 2020 nach XXXX zurückgekehrt sei, sei er von der kurdischen Miliz rekrutiert und in ein Militärlager gebracht worden. Von dort sei er sodann geflohen und illegal in die Türkei eingereist. Unter einem legte der Erstbeschwerdeführer im Original und in Kopie einen „Einberufungsbefehl“ und eine Kopie der Heiratsurkunde mit beglaubigter Übersetzung vor.Am 21.06.2023 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Erstbeschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Lebensumständen in Syrien und seinen Fluchtgründen befragt wurde. Zudem gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er im Jahr 2012 an friedlichen Demonstrationen in Syrien teilgenommen habe und durch ein Geschoss am Bein verletzt worden sei. Im Jahr 2014 sei es zu Bombardierungen gekommen und sei der Erstbeschwerdeführer danach nach Beirut geflüchtet, wo er bis 2020 gelebt habe. Nachdem er im Jahr 2020 nach römisch 40 zurückgekehrt sei, sei er von der kurdischen Miliz rekrutiert und in ein Militärlager gebracht worden. Von dort sei er sodann geflohen und illegal in die Türkei eingereist. Unter einem legte der Erstbeschwerdeführer im Original und in Kopie einen „Einberufungsbefehl“ und eine Kopie der Heiratsurkunde mit beglaubigter Übersetzung vor.

Mit Verfahrensanordnung vom 28.06.2023 richtete das Bundesverwaltungsgericht das Ersuchen an das BMI, Bundeskriminalamt, Abteilung 6, Kriminaltechnik, Referat 6.2.3. Urkunden- und Handschriftenuntersuchung, um Prüfung des „Einberufungsbefehls“.

Am 19.07.2023 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch und der Rechtsvertreterin des Erstbeschwerdeführers eine ergänzende öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Erstbeschwerdeführer angab, dass seine Frau mit ihrem Bruder Syrien verlassen habe und nunmehr in Österreich sei. Auch legte der Erstbeschwerdeführer eine Kopie seines Wehrdienstbuches vor, welches durch die anwesende Dolmetscherin übersetzt wurde. Weiters gab der Erstbeschwerdeführer an, dass ihm nach einer einmonatigen Ausbildung im Camp der kurdischen Miliz 48 Stunden gewährt worden seien, um seine Familie zu besuchen. Diesen Zeitraum habe er genutzt und sei schlepperunterstützt in die Türkei geflüchtet. Zudem gab er im Hinblick auf die Teilnahme an Demonstrationen in Wien an, dass er an sämtlichen Demonstrationen gegen das syrische Regime teilgenommen habe; die letzte Demonstration habe am 15.03.2023 stattgefunden. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde dem Erstbeschwerdeführer zudem eine zweiwöchige Frist zur Erstattung einer Stellungnahme zu den Länderberichten vom 17.07.2023 gewährt.

Mit Untersuchungsbericht vom 19.07.2023 teilte das BMI, Bundeskriminalamt, Abteilung 6, Kriminaltechnik, Referat 6.2.3. Urkunden- und Handschriftenuntersuchung mit, dass bei der Untersuchung des Formularvordruckes keine Aussage über die Echtheit des Formulars, der Stempelabdrucke und der Unterschriften und somit über die Echtheit bzw. die autorisierte Ausstellung des Dokumentes gemacht werden könne. Zu den aufgebrachten Nassstempelabdrucken und den Unterschriften fehle es an entsprechendem authentischem Vergleichsmaterial.

Mit Stellungnahme vom 27.07.2023 äußerte sich der Erstbeschwerdeführer zu den Länderberichten vom 17.07.2023 und gab an, dass das aktuelle LIB dokumentiere, dass der Personalbedarf des syrischen Militärs nach wie vor hoch sei und das Regime Wehrpflichtige an Checkpoints festnehme. Auch gehe aus zwei ACCORD-Anfragebeantwortungen hervor, dass Reservisten nach wie vor eingezogen werden würden. Der Erstbeschwerdeführer befürchte im Falle einer Rückkehr nach Syrien die Einziehung zum Reservedienst durch das syrische Regime und eine asylrelevante Verfolgung aufgrund unterstellter oppositioneller Gesinnung. Auch könne einer jüngst ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung entnommen werden, dass eine Verfolgung beim Grenzübertritt sehr wohl asylrelevant sein könne und sich das Bundesverwaltungsgericht nicht darauf zu beschränken habe, dass die Verfolgungsgefahr isoliert auf die Herkunftsregion zu prüfen sei.

Am 16.10.2023 erfolgte unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch die niederschriftliche Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt. Zu ihren Fluchtgründen führte sie im Wesentlichen aus, dass sie dieselben Gründe wie ihr Ehemann habe. Zudem gab sie an, dass die Kurden in ihrem Heimatort die Macht hätten. Sie würden zum Ziel haben, dass auch Frauen beim Militär mitkämpfen. Dies sei zwar nicht offiziell, könne aber in Zukunft offiziell werden. Gegen eine Rückkehr nach Syrien spreche, dass die Zweitbeschwerdeführerin zur Armee einrücken müsse.

Mit Parteiengehör vom 24.10.2023 wurde dem Erstbeschwerdeführer aufgetragen, zu den Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation „Grenzübergänge XXXX und XXXX “ vom 22.11.2022 und „Gebietskontrolle Ort XXXX , Stadt XXXX , Gouvernement Raqqa“ vom 07.08.2023 binnen einer hiefür vorgesehenen Frist Stellung zu nehmen.Mit Parteiengehör vom 24.10.2023 wurde dem Erstbeschwerdeführer aufgetragen, zu den Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation „Grenzübergänge römisch 40 und römisch 40 “ vom 22.11.2022 und „Gebietskontrolle Ort römisch 40 , Stadt römisch 40 , Gouvernement Raqqa“ vom 07.08.2023 binnen einer hiefür vorgesehenen Frist Stellung zu nehmen.

Eine Stellungnahme des Erstbeschwerdeführers langte nicht ein.

Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 16.01.2024 wies die belangte Behörde den Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihr den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 16.01.2024 wies die belangte Behörde den Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihr den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.).

Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten wurde im Wesentlichen damit begründet, dass dem Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin im Hinblick auf eine persönliche lebensbedrohliche Gefährdung als wehrpflichtige syrische Staatsangehörige oder einer Verfolgung aufgrund einer unterstellten oppositionellen Gesinnung die Glaubhaftigkeit abzusprechen gewesen sei, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden könne.

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob die Zweitbeschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde, in der sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholte. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien fürchte sie von der kurdischen Armee (YPG) zwangskrekrutiert zu werden. Sie sei XXXX geboren und falle genau in die Zielgruppe der kurdischen Rekrutierungskräfte. Auch wäre die Zweitbeschwerdeführerin aufgrund ihrer Eigenschaft als Angehörige eines Reservisten (ihr Ehemann sei illegal aus Syrien ausgereist, um dem Reservedienst zu entgehen) und eines Wehrdienstverweigerers (sie sei gemeinsam mit ihrem Bruder ausgereist) bei einer Rückkehr nach Syrien der Gefahr einer Verhaftung und Misshandlung ausgesetzt. Die Gefährdung werde durch die illegale Ausreise der Zweitbeschwerdeführerin, ihre Asylantragstellung in Österreich und auch durch ihre Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen noch weiter verschärft.Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob die Zweitbeschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde, in der sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholte. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien fürchte sie von der kurdischen Armee (YPG) zwangskrekrutiert zu werden. Sie sei römisch 40 geboren und falle genau in die Zielgruppe der kurdischen Rekrutierungskräfte. Auch wäre die Zweitbeschwerdeführerin aufgrund ihrer Eigenschaft als Angehörige eines Reservisten (ihr Ehemann sei illegal aus Syrien ausgereist, um dem Reservedienst zu entgehen) und eines Wehrdienstverweigerers (sie sei gemeinsam mit ihrem Bruder ausgereist) bei einer Rückkehr nach Syrien der Gefahr einer Verhaftung und Misshandlung ausgesetzt. Die Gefährdung werde durch die illegale Ausreise der Zweitbeschwerdeführerin, ihre Asylantragstellung in Österreich und auch durch ihre Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen noch weiter verschärft.

Mit Parteiengehör vom 13.05.2024 wurde dem Erstbeschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, binnen einer hiefür bestimmten Frist eine Stellungnahme zu den Länderberichten vom 27.03.2024, Version 11 und zum Themenbericht der Staatendokumentation, Syrien-Grenzübergänge vom 25.10.2023, zu erstatten.

Eine Stellungnahme des Erstbeschwerdeführers langte nicht ein.

Am 14.05.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch und der Rechtsvertreterin der Zweitbeschwerdeführerin eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher die Zweitbeschwerdeführerin angab, dass sie persönlich keiner Zwangsrekrutierung durch die kurdische Miliz ausgesetzt gewesen sei, es sich jedoch herumgesprochen habe, dass die Kurden auch Frauen rekrutieren würden. Die Zweitbeschwerdeführerin sei deshalb aus Syrien ausgereist, weil die Kurden zu ihnen gekommen seien und von ihr und ihrem Bruder verlangt hätten, den Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin zurückzuholen, ansonsten eine Rekrutierung ihres Bruders erfolgen würde. Im Falle einer Rückkehr würde die Zweitbeschwerdeführerin vom Regime verhaftet werden, zumal sie in einem fremden Land einen Asylantrag gestellt habe. Eine größere Gefahr würde ihren Mann erwarten, zumal dieser vom Regime und auch von den Kurden aufgrund des Wehrdienstes gesucht werde. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde auch der Zweitbeschwerdeführerin eine zweiwöchige Frist zur Erstattung einer Stellungnahme zu den Länderberichten vom 27.03.2024 und zu dem Themenbericht der Staatendokumentation, Syrien-Grenzübergänge vom 25.10.2023, gewährt.

Mit Stellungnahme vom 27.05.2024 führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass ihr als junge alleinstehende Frau in ihrer Heimatprovinz die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung drohe und auch die Gefahr einer Zwangsrekrutiertung durch die kurdische Miliz hoch sei. Aufgrund ihrer Herkunft aus einem Rebellengebiet, ihrer illegalen Ausreise und ihrer Asylantragstellung im Ausland würde der Zweitbeschwerdeführerin die Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung drohen. Die Zweitbeschwerdeführerin habe keine männlichen Verwandten bei denen sie unterkommen könne und sei faktisch eine alleinstehende Frau ohne Schutz. Zudem habe die Zweitbeschwerdeführerin keine Möglichkeit legal nach Syrien einzureisen ohne Kontakt mit den syrischen Behörden zu haben. Sie würde bereits bei ihrer Einreise verhört und gefoltert werden bzw. würde ihr als alleinstehende Frau, die zudem Araberin ist, sexuelle Gewalt drohen.

2. Feststellungen:

2.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer führen die im Spruch genannten Namen und Geburtsdaten. Ihre Identitäten stehen nicht fest. Sie sind syrische Staatsangehörige, gehören der Volksgruppe der Araber an und bekennen sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Ihre Muttersprache ist Arabisch.

Der Erstbeschwerdeführer wurde im Dorf XXXX in der Nähe der Stadt XXXX , Gouvernement Ar-Raqqa, geboren. Er lebte von seiner Geburt bis 2014 in seinem Herkunftsort und ging im Jahr 2014 in den Libanon, wo er bis 2020 lebte. Er kehrte Ende September 2020 nach XXXX zurück und lebte dort bis Anfang Dezember 2020, ehe er Syrien endgültig verließ. Der Erstbeschwerdeführer besuchte 12 Jahre lang die Schule und schloss diese mit Matura ab. Danach ging er 1 Jahr lang einem Studium nach. Er arbeitete in Syrien in der Landwirtschaft, erledigte Gelegenheitsjobs und war auf Baustellen als Maler und Maurer tätig.Der Erstbeschwerdeführer wurde im Dorf römisch 40 in der Nähe der Stadt römisch 40 , Gouvernement Ar-Raqqa, geboren. Er lebte von seiner Geburt bis 2014 in seinem Herkunftsort und ging im Jahr 2014 in den Libanon, wo er bis 2020 lebte. Er kehrte Ende September 2020 nach römisch 40 zurück und lebte dort bis Anfang Dezember 2020, ehe er Syrien endgültig verließ. Der Erstbeschwerdeführer besuchte 12 Jahre lang die Schule und schloss diese mit Matura ab. Danach ging er 1 Jahr lang einem Studium nach. Er arbeitete in Syrien in der Landwirtschaft, erledigte Gelegenheitsjobs und war auf Baustellen als Maler und Maurer tätig.

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde im Dorf XXXX , Gouvernement Ar-Raqqa, geboren und lebte von ihrer Geburt bis 2018 in ihrem Herkunftsort. Nach der Eheschließung lebte die Zweitbeschwerdeführerin mit ihrem Ehemann bis 2020 im Libanon. Im Jahr 2020 kehrte sie wieder mit ihrem Ehemann nach Syrien zurück und lebte dort in XXXX und in XXXX . Nach Ausreise ihres Ehemannes aus Syrien Ende November/Anfang Dezember 2020 lebte die Zweitbeschwerdeführerin bis zu ihrer Ausreise im September 2022 mit ihrem Bruder im Haus ihrer Familie in der Stadt XXXX . Die Zweitbeschwerdeführerin ging 12 Jahre lang in die Grundschule und besuchte 2 Jahre eine Universität, welche sie nicht abschloss. Einer beruflichen Tätigkeit ging die Zweitbeschwerdeführerin nicht nach.Die Zweitbeschwerdeführerin wurde im Dorf römisch 40 , Gouvernement Ar-Raqqa, geboren und lebte von ihrer Geburt bis 2018 in ihrem Herkunftsort. Nach der Eheschließung lebte die Zweitbeschwerdeführerin mit ihrem Ehemann bis 2020 im Libanon. Im Jahr 2020 kehrte sie wieder mit ihrem Ehemann nach Syrien zurück und lebte dort in römisch 40 und in römisch 40 . Nach Ausreise ihres Ehemannes aus Syrien Ende November/Anfang Dezember 2020 lebte die Zweitbeschwerdeführerin bis zu ihrer Ausreise im September 2022 mit ihrem Bruder im Haus ihrer Familie in der Stadt römisch 40 . Die Zweitbeschwerdeführerin ging 12 Jahre lang in die Grundschule und besuchte 2 Jahre eine Universität, welche sie nicht abschloss. Einer beruflichen Tätigkeit ging die Zweitbeschwerdeführerin nicht nach.

Das Gouvernement Ar-Raqqa sowie die Orte XXXX stehen unter der Kontrolle der kurdisch geführten SDF (Syrian Democratic Forces – Syrische Demokratische Kräfte der selbsternannten Selbstverwaltungsregion, auch Autonomous Administration of North and East Syria – AANES).Das Gouvernement Ar-Raqqa sowie die Orte römisch 40 stehen unter der Kontrolle der kurdisch geführten SDF (Syrian Democratic Forces – Syrische Demokratische Kräfte der selbsternannten Selbstverwaltungsregion, auch Autonomous Administration of North and East Syria – AANES).

Die Beschwerdeführer sind seit 2018 miteinander verheiratet und haben keine Kinder.

Der Erstbeschwerdeführer verließ Syrien Ende 2020 endgültig und reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen über verschiedene Länder nach Österreich und stellte am 09.02.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Zweitbeschwerdeführerin verließ Syrien im September 2022 und reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen über verschiedene Länder nach Österreich und stellte am 06.12.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Vater des Erstbeschwerdeführers ist verstorben, die Mutter, der älteste Bruder und zwei Schwestern leben nach wie vor in Syrien. Ein Bruder lebt in der Türkei, einer in Saudi-Arabien und zwei Brüder leben in Deutschland. Ein Onkel des Erstbeschwerdeführers lebt in Österreich.

Die Eltern der Zweitbeschwerdeführerin sind verstorben, ein Bruder und vier Schwestern leben noch in Syrien. Ein Bruder lebt in den Vereinigten Arabischen Emiraten, ein weiterer Bruder der Zweitbeschwerdeführerin lebt in Deutschland. Eine weitere Schwester lebt in Saudi-Arabien.

Die Beschwerdeführer leiden an keinen schweren oder lebensbedrohlichen Krankheiten.

Der Erstbeschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX wegen des Verbrechens der Schlepperei nach §§ 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 2 FPG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.Der Erstbeschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen römisch 40 vom römisch 40 wegen des Verbrechens der Schlepperei nach Paragraphen 114, Absatz eins,, Absatz 3, Ziffer 2, FPG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten.

2.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Der Erstbeschwerdeführer hat im Zeitraum 26.10.2008 bis 01.08.2010 seinen verpflichtenden Wehrdienst bei der syrischen Armee abgeleistet und verließ den Militärdienst im Rang eines „Arif“. Eine konkrete Ausbildung als Panzerfahrer hat der Erstbeschwerdeführer im Rahmen seines Wehrdienstes nicht absolviert.

Dem Erstbeschwerdeführer droht nicht die Gefahr, zum Reservedienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden. Der Erstbeschwerdeführer läuft bei einer Rückkehr nach Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr, aufgrund einer Verweigerung der Ableistung des Reservedienstes in der syrischen Armee relevanten Repressalien ausgesetzt zu sein.

Die Zweitbeschwerdeführerin läuft bei einer Rückkehr nach Syrien nicht mit maßgeblicher Gefahr, aufgrund einer Verweigerung der Ableistung des Reservedienstes durch ihren Ehemann bzw. aufgrund einer Verweigerung der Ableistung des Wehrdienstes durch ihren Bruder einer Reflexverfolgung durch die syrische Regierung ausgesetzt zu sein.

Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass die Zweitbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Syrien Bedrohungen als alleinstehende Frau ohne familiären bzw. männlichen Schutz ausgeliefert wäre.

Auch drohen dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin keine Zwangsrekrutierung durch die kurdischen SDF oder relevante Repressalien aufgrund einer Desertation des Erstbeschwerdeführers vom Wehrdienst bei der kurdischen Miliz.

Zudem droht dem Erstbeschwerdeführer aufgrund der Teilnahme an Demonstrationen gegen die syrische Regierung keine Verfolgung durch das syrische Regime.

Den Beschwerdeführern droht auch aufgrund ihrer illegalen Ausreise keine Gefahr, mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden. Den Beschwerdeführern droht in Syrien keine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Araber.

Auch sonst sind die Beschwerdeführer nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

2.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationen der Staatendokumentation, Version 11 vom 27.03.2024, wiedergegeben:

„[…]

Politische Lage

Letzte Änderung 2024-03-08 10:59

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).

Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).

Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).

Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).

Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).

Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).

Sicherheitslage

Letzte Änderung 2024-03-08 11:17

Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).

Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse

Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).

Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):

UNGeo 1.7.2023 (Stand: 6.2023)

Die folgende Karte zeigt Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, wobei auch Konvoi- und Patrouille-Routen eingezeichnet sind, die von syrischen, russischen und amerikanischen Kräften befahren werden. Im Nordosten kommt es dabei zu gemeinsam genutzten Straßen [Anm.: zu den Gebieten mit IS-Präsenz siehe Unterkapitel zu den Regionen]:

Kontrollgebiete der einzelnen Akteure farbig dargestellt auf einer Karte von Syrien

CC 13.12.2023 (Stand: 30.9.2023)

Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten

Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).

Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).

Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 2.2.2024). Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Erdbeben 2023 in der Türkei und Nordsyrien machte die tatsächliche Regierung fast unmöglich, weil die Opposition Schwierigkeiten hatte, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (CFR 24.1.2024).

Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien]. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Iran unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah (AA 2.2.2024). Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).

Die folgende Karte zeigt die verschiedenen internationalen Akteure und deren militärische Interessenschwerpunkte in Syrien:

html>

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten