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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über den Antrag des M in Ö, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in B, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zu Zl. 94/02/0179 eingebrachten Beschwerde, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
Begründung
Am 16. August 1994 wurde der Vertreter des Antragstellers fernmündlich aufgefordert, die vom Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetretene Beschwerde zu ergänzen und eine weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde beizubringen.
Unter Bezugnahme auf dieses Telefonat kam der Vertreter des Antragstellers dem Verbesserungsauftrag in der Form nach, daß er eine Kopie der ursprünglichen Beschwerde vorlegte, die nicht mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen war.
Da der telefonische Verbesserungsauftrag ohne Fristsetzung erfolgt war, wurde dem Beschwerdeführer mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. September 1994 gemäß § 34 Abs. 2 VwGG eine Frist von einer Woche mit dem Mängelbehebungsauftrag erteilt, daß er eine weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde sowie der Beschwerdeergänzung für den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten beizubringen habe (§§ 24 Abs. 1 und 29 VwGG). Vom Vertreter des Antragstellers wurde sodann innerhalb offener Frist eine Kopie der ursprünglichen Beschwerde vorgelegt, die wieder keine Anwaltsunterschrift aufwies.
Mit Beschluß vom 14. Oktober 1994 stellte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren über die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 in Verbindung mit § 33 Abs. 1 VwGG ein.
Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist zur Mängelbehebung mit folgender Begründung:
Die Fristversäumung rühre daher, daß die ansonsten überaus zuverlässige Kanzleiangestellte die vom Beschwerdevertreter unterfertigte dritte Ausfertigung des Beschwerdeschriftsatzes irrtümlich zum Nachweis der erfolgten Verbesserung im Akt gelassen und in das rechte obere Eck sowohl des Schriftsatzes der Verbesserung als auf der dritten Ausfertigung des Beschwerdeschriftsatzes vermerkt habe "eingebracht am 4.10.1994", entgegen der ausdrücklichen Anordnung des Beschwerdevertreters jedoch eine nicht unterfertige Abschrift der dritten Ausfertigung des Beschwerdeschriftsatzes dem Verbesserungsschriftsatz beigelegt habe. Bei der Kanzleiangestellten handle es sich um eine verläßliche Mitarbeiterin im Sekretariat, die üblicherweise für die Postabfertigung zuständig sei und der ein diesbezüglicher Fehler zuvor noch niemals unterlaufen sei. Zur Bescheinigung dieses Vorbringens wurde eine eidesstättige Erklärung der Mitarbeiterin angeschlossen und gleichzeitig die versäumte Handlung durch Übersendung einer Ausfertigung und eine Beschwerdeergänzung nachgeholt.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. den hg. Beschluß vom 7. April 1992, Zl. 92/08/0059) ist das Verschulden des Vertreters der Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzurechnen ist, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht jenen Bediensteten gegenüber unterlassen hat. Die anwaltliche Sorgfaltspflicht umfaßt im Falle eines Mängelbehebungsauftrages auch die geeignete Überwachung der Vorbereitung der Postsendung zur Abgabe und die Überprüfung der Vollständigkeit der an den Verwaltungsgerichtshof in Befolgung des Mängelbehebungsauftrages zu übermittelnden Aktenstücke.
Bei Anlegung des bei beruflichen rechtskundigen Parteienvertretern gebotenen strengeren Maßstabes hat es die dem Vertreter des Antragstellers obliegende Sorgfaltspflicht erfordert, sich bei der Unterfertigung des ergänzenden Schriftsatzes zu vergewissern, daß diesem eine unterfertigte Ausfertigung der Beschwerde angeschlossen war. In der Folge hat er darauf vertraut, daß die Kanzleiangestellte seinen Anordnungen entsprechen und die unterfertigte Ausfertigung des ursprünglichen Beschwerdeschriftsatzes dem Verbesserungsschriftsatz beilegen werde. Von einem minderen Grad des Versehens kann aber jedenfalls dann nicht gesprochen werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - bereits beim ersten Verbesserungsversuch (nur) eine Kopie der ursprünglichen Beschwerde ohne Anwaltsunterschift vorgelegt wurde und - obwohl der Vertreter des Antragstellers dadurch zu besonderer Aufmerksamkeit und Überwachungspflicht gehalten war - dem (schriftlichen) zweiten Verbesserungsauftrag mit demselben mangelhaften Ergebnis nachgekommen wurde.
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher nicht stattzugeben.
Schlagworte
MängelbehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994020498.X00Im RIS seit
20.11.2000