TE Vwgh Beschluss 1995/6/9 95/02/0229

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Veröffentlicht am 09.06.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über den Antrag des H in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 19. Mai 1994, Zl. UVS-01/25/00093/94, betreffend Schubhaft, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit hg. Beschluß vom 7. April 1995, Zl. 95/02/0035, wurde das Verfahren über die gegen den oben genannten Bescheid erhobene Beschwerde gemäß § 33 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 VwGG eingestellt, weil der Antragsteller dem seiner Vertreterin am 6. Februar 1995 erteilten Mängelbehebungsauftrag zur Vorlage von zwei weiteren Ausfertigungen der Beschwerde innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen war.

Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist. Zur Fristversäumung sei es deshalb gekommen, weil sich seine Rechtsvertreterin am 14. März 1995 - dem letzten Tag der Mängelbehebungsfrist - in Budapest befunden habe, weil sie dort eine Rede zu halten gehabt habe. Die Eingabe sei schon vor der Abreise, sohin vor dem 14. März 1995 geschrieben und unterschrieben, aber aus Zeitmangel erst am 14. März 1995 abgefertigt worden. Vor der Abfertigung sei von der Sekretärin mit der Rechtsvertreterin des Antragstellers noch telefoniert worden und die Sekretärin habe die Anweisung erhalten, die Ausfertigung genau im Sinne des Mängelbehebungsauftrages zu beachten und die Anzahl der Ausfertigungen genau einzuhalten. Die Sekretärin habe jedoch nur den letzten Absatz auf der ersten Seite gelesen, wo vermerkt sei, daß außer dem ergänzenden Schriftsatz eine weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde beizubringen sei. Da in diesem Absatz der Ausdruck "außer dem ergänzenden Schriftsatz" den Schluß zulasse, daß der Schriftsatz in nur einer Ausfertigung zu überreichen sei, habe sie die zweite Seite der Verfügung nicht mehr gelesen und durch dieses Versehen den ergänzenden Schriftsatz nur in einer Ausfertigung weggeschickt. Dies obwohl sie den ausdrücklichen Auftrag erhalten habe, die in der Verfügung enthaltene Anweisung genau einzuhalten. Da auf der ersten Seite der Verfügung die Anzahl der Ausfertigungen der ursprünglichen Beschwerde genannt sei, sei sie der Meinung gewesen, daß in diesem Absatz auch der ergänzende Schriftsatz bereits erschöpfend erwähnt sei. Die Sekretärin sei nicht mehr in der Kanzlei der Rechtsvertreterin des Antragstellers beschäftigt, das Versehen sei ein leichtes und wäre jedenfalls nicht passiert, wenn die Rechtsvertreterin des Antragstellers nicht durch eine berufsbedingte Abwesenheit daran gehindert gewesen wäre, die Abfertigung auch persönlich zu kontrollieren.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei (siehe den hg. Beschluß vom 19. Mai 1994, Zl. 94/18/0226). Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen.

Wendet man diese Grundsätze auf dem vorliegenden Sachverhalt an, so ergibt sich, daß das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht geeignet ist, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Bei Anlegung des bei beruflichen rechtskundigen Parteienvertretern gebotenen strengeren Maßstabes hätte es die der Vertreterin des Antragstellers obliegende Sorgfaltspflicht erfordert, sich von der ordnungsgemäßen (vollständigen) Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages zu vergewissern. Mit dem telefonischen Auftrag an die Sekretärin, daß "die Ausfertigung genau im Sinne des Mängelbehebungsauftrages zu beachten und die Anzahl der Ausfertigungen genau einzuhalten" seien, wurde dieser Sorgfaltspflicht nicht entsprochen (vgl. den hg. Beschluß vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0771 mit weiteren Judikaturhinweisen). Da sich die von der Sekretärin vorzunehmende Tätigkeit nicht bloß auf den rein technischen Vorgang beim Abfertigen von Schriftstücken beschränkte, hätte sie auch einer verläßlichen Kanzleikraft nicht ohne nähere Beaufsichtigung überlassen werden dürfen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 658, angeführte Judikatur).

Das Außerachtlassen der im gegebenen Fall erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt - welches sich im übrigen auch dadurch dokumentiert, daß im Ergänzungsschriftsatz im Rubrum das Wort "zweifach" aufscheint, obwohl er dreifach einzubringen gewesen wäre - ist als ein dem Grad minderen Versehens überschreitendes Verschulden der Vertreterin des Antragstellers zu werten, sodaß dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattzugeben war.

Schlagworte

Mängelbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995020229.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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