TE Lvwg Erkenntnis 2024/7/17 VGW-152/005/1897/2024

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Veröffentlicht am 17.07.2024
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Entscheidungsdatum

17.07.2024

Index

41/02 Staatsbürgerschaft

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Sinai über die Beschwerde des mj. A. B., geboren am ...2022, vertreten durch seinen Vater C. D. als gesetzlicher Vertreter, dieser vertreten durch, Rechtsanwalt in Wien, E.-gasse, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21.12.2023, Zl. MA …, betreffend die Feststellung des Verlusts der österreichischen Staatsbürgerschaft nach § 27 Abs. 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 24.04.2024 und 23.05.2024,Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Sinai über die Beschwerde des mj. A. B., geboren am ...2022, vertreten durch seinen Vater C. D. als gesetzlicher Vertreter, dieser vertreten durch, Rechtsanwalt in Wien, E.-gasse, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21.12.2023, Zl. MA …, betreffend die Feststellung des Verlusts der österreichischen Staatsbürgerschaft nach Paragraph 27, Absatz 2, Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 24.04.2024 und 23.05.2024,

zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und gemäß § 42 Abs. 1 StbG festgestellt, dass A. B., geboren am ...2022 in Genf (Schweiz), gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 StbG mit dem Zeitpunkt seiner Geburt die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat.römisch eins. Der Beschwerde wird Folge gegeben und gemäß Paragraph 42, Absatz eins, StbG festgestellt, dass A. B., geboren am ...2022 in Genf (Schweiz), gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer 2, StbG mit dem Zeitpunkt seiner Geburt die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.römisch II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision nach Artikel 133, Absatz 4, B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1      Der Beschwerdeführer wurde am ...2022 in Genf (Schweiz) als Sohn der portugiesischen Staatsangehörigen F. G. und des österreichischen Staatsbürgers C. D. geboren. Die Geburt des Beschwerdeführers ließen die Eltern in der Folge (unter anderem) am 18.05.2022 in Portugal im Wege des portugiesischen Generalkonsulats in Genf registrieren.

2      Mit Schriftsatz vom 19.07.2023 beantragte der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Vater C. D., bei der belangten Behörde die bescheidmäßige Feststellung, dass er weiterhin österreichischer Staatsbürger sei.

3      Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21.12.2023 wurde gemäß §§ 39 und 42 Abs. 1 StbG festgestellt, der Beschwerdeführer habe die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 2 StbG mit Wirkung vom 18.05.2022 verloren und sei im Sinne dieser Bestimmung nicht österreichischer Staatsbürger.

4      Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, für im Ausland geborene Kinder eines portugiesischen Vaters bzw. einer portugiesischen Mutter sei für den Erwerb der portugiesischen Staatsangehörigkeit eine Registrierung notwendig. Beide Elternteile müssten für das Kind den Willen erklären, dass es die portugiesische Staatsangehörigkeit erhalte. In diesem Fall werde der Registrierungsprozess durch das Zentrale Standesamt in Lissabon abgeschlossen, welches den Geburtseintrag des Konsulats registriere und dem/der zu Registrierenden die portugiesische Staatsangehörigkeit zuweise. Erhebungen der österreichischen Botschaft in Lissabon bei den zuständigen portugiesischen Behörden hätten ferner ergeben, dass demzufolge ein Kind, welches von den Eltern nicht registriert worden sei, kein portugiesischer Staatsangehöriger sei (Schreiben der österreichischen Botschaft in Lissabon vom 07.08.2018).

5      Die belangte Behörde müsse aufgrund der Sachlage davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer die portugiesische Staatsangehörigkeit aufgrund des Art. 1 Abs. 1 lit. c des portugiesischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 03.10.1981 erworben habe und hierfür eine Registrierung durch das Zentrale Standesamt in Lissabon erforderlich gewesen sei. Die oben zitierten Erhebungen führten zwingend zu dem Schluss, dass erst eine Registrierung des Genannten zum Erwerb der portugiesischen Staatsangehörigkeit geführt habe und dessen Eltern den hierfür erforderlichen Antrag unter Abgabe einer Willenserklärung gemeinsam gestellt hätten.

6      Aufgrund des dargestellten Sachverhalts stelle die Behörde fest, dass der Beschwerdeführer am 18.05.2022 durch den Erwerb der portugiesischen Staatsangehörigkeit die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 2 StbG ex lege verloren habe und daher auf dieser Grundlage nicht österreichischer Staatsbürger sei. Ein Antrag auf Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei zuvor nicht gestellt worden.

7      Da der Beschwerdeführer im Besitz der portugiesischen Staatangehörigkeit sei, bleibe er weiterhin Unionsbürger. Eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Verlustes im Sinne des Urteils des EuGH vom 12. März 2019, C-221/17, Tjebbes ua, sei daher nicht erforderlich.

8      Dagegen wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 31.01.2024 Beschwerde erhoben.

9      Darin brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, Art. 1 Abs. 1 lit. c des portugiesischen Staatsangehörigkeitsgesetzes erwähne ausdrücklich zwei Möglichkeiten, wie man als Kind eines portugiesischen Staatsbürgers bei Geburt im Ausland portugiesischer Staatsbürger sein könne: Entweder, indem (1) die Geburt im portugiesischen Standesamt eingetragen werde, oder (2) man erkläre, portugiesischer Staatsangehöriger sein zu wollen. Vorliegend liege nur Fall (1) vor. Diese Eintragung sei aber für die generelle Teilhabe am öffentlichen Leben in Portugal jedenfalls notwendig. Sie bewirke ex lege den Erwerb der Staatsangehörigkeit mit Wirkung zur Geburt (ex tunc Wirkung). Es liege offenbar kein Fall (2) vor, welcher zum Verlust der österreichischen Staatsangehörigkeit geführt habe. Aus diesem Grund könne die österreichische Staatsangehörigkeit nicht verloren gegangen sein.

10     Mit Schreiben vom 05.02.2024 legte die belangte Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde vor und erteilte diesem die Leseberechtigung für den elektronischen Akt.

11     Das Verwaltungsgericht führte über die Beschwerde am 24.04.2024 und 23.05.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Beim Verhandlungstermin am 24.04.2024 erschienen der Vater des Beschwerdeführers, C. D., und sein Rechtsvertreter. Beim Termin am 23.05.2024 nahm nur der Vertreter des Vaters des Beschwerdeführers teil. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an beiden Verhandlungstagen. Im Anschluss an die Verhandlung am 23.05.2024 wurde das Erkenntnis samt Spruch und den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet.

12     Dem Rechtsvertreter des Vaters des Beschwerdeführers wurde eine Abschrift des Verhandlungsprotokolls sogleich ausgehändigt. Weitere Abschriften des Verhandlungsprotokolls wurden am 27.05.2024 an die belangte Behörde und den Bundesminister für Inneres übermittelt. Der Bundesminister für Inneres erhielt seine Abschrift des Protokolls nachweislich am 29.05.2024 zugestellt. Ein Rückschein über die Zustellung an die belangte Behörde langte beim Verwaltungsgericht in der Folge nicht ein. Daher veranlasste dieses die neuerliche Zustellung einer Abschrift des Verhandlungsprotokolls an die belangte Behörde am 28.06.2024, die dieser schließlich nachweislich am 02.07.2024 zugestellt wurde.

13     Mit Schreiben vom 04.07.2024 beantragte die belangte Behörde die schriftliche Ausfertigung des am 23.05.2024 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

Feststellungen

14     Der Beschwerdeführer wurde am ...2022 in Genf (Schweiz) als ehelicher Sohn der F. G., eine portugiesische Staatsangehörige, und des C. D., ein österreichischer Staatsbürger, geboren (vgl. ELAK-Zahlen 925732-2023-14, 17 und 22).

15     Nach Art. 1 Abs. 1 lit. c, der unter Titel I, Kapitel I („Zuerkennung der Staatsangehörigkeit“) des portugiesischen Gesetzes über die Staatsangehörigkeit Nr. 37/81 vom 03.10.1981 (idF vom 10.11.2020) zu finden ist, sind Portugiesen mit originärer Staatsangehörigkeit die im Ausland geborenen Kinder (unter anderem) einer portugiesischen Mutter, wenn sie die Erklärung abgeben, Portugiesen sein zu wollen, oder die Geburt in das portugiesische Personenstandsregister eintragen lassen. Nach Art. 11 leg. cit., der sich unter Kapitel V („Wirkungen der Zuerkennung“) des genannten Titels befindet, wirkt die Zuerkennung der portugiesischen Staatsangehörigkeit von der Geburt an, unbeschadet der Gültigkeit der vorher aufgrund einer anderen Staatsangehörigkeit begründeten Rechtsverhältnisse (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Portugal, S. 8 f und 12).

16     Nach Art. 1 Abs. 1 lit. a des portugiesischen Zivilregistergesetzbuches vom 06.06.1995 (idF vom 14.02.2018) ist die zivile Registrierung zwingend und hat die Geburt zum Gegenstand. Nach Art. 1 Abs. 2 leg. cit. müssen die Tatsachen, die sich auf Ausländer beziehen, nur dann im Zivilregister eingetragen werden, wenn sie sich auf portugiesischem Gebiet ereignet haben. Nach Art. 2 leg. cit. können vorbehaltlich gegenteiliger Bestimmungen solche Tatsachen, deren Registrierung zwingend vorgeschrieben ist, erst nach der entsprechenden Registrierung geltend gemacht werden (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Portugal, S. 148 f)

17     Der Vater und die Mutter des Beschwerdeführers ließen am 18.05.2022 im Wege des portugiesischen Generalkonsulats in Genf die am ...2022 erfolgte Geburt des Beschwerdeführers im portugiesischen Zivilregister (in der Folge „Personenstandsregister“) eintragen. Der entsprechende Antrag wurde von einem Mitarbeiter des Generalkonsulats anhand der von den Eltern vorgelegten Unterlagen elektronisch erfasst. Die Eintragung der Geburt des Beschwerdeführers erfolgte noch am selben Tag, worüber das Generalkonsulat die Geburtsurkunde Nr. 554/2022 des Jahres 2022 ausstellte. Den Eltern war nicht bekannt, dass dem Beschwerdeführer mit der Registrierung der Geburt auch die portugiesische Staatsangehörigkeit zuerkannt wird. Vielmehr gingen sie davon aus, dass er aufgrund der Abstammung von seiner portugiesischen Mutter bereits die portugiesische Staatsangehörigkeit mit dem Zeitpunkt seiner Geburt erworben hatte. Die Eltern des Beschwerdeführers haben am 18.05.2022 keine Erklärung abgegeben, dass er Portugiese sein soll.

Beweiswürdigung

18     Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den elektronischen Akt der belangten Behörde, Würdigung des Beschwerdevorbringens, Ermittlung des portugiesischen Staatsbürgerschafts- und Personenstandsrechts sowie Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 24.04.2024 und 23.05.2024.

19     Die Feststellungen ergeben sich zunächst aus den in Klammer angeführten Beweismitteln des unbedenklichen Akteninhalts und aus den angeführten Fundstellen. Dass die Eltern des Beschwerdeführers am 18.05.2022 im Wege des portugiesischen Generalkonsulats in Genf die Geburt des Beschwerdeführers im portugiesischen Personenstandsregister eintragen ließen, ist unstrittig.

20     Da der Vater des Beschwerdeführers in der Verhandlung am 23.04.2024 aussagte, sowohl er als auch seine Frau hätten die Registrierung beim portugiesischen Standesamt „unterschrieben“, wurde er mit Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 21.05.2024 aufgefordert, spätestens in der mündlichen Verhandlung am 23.05.2024 das unterfertigte Antragsformular des portugiesischen Generalkonsulats in Genf über die Registrierung der Geburt des Beschwerdeführers vorzulegen.

21     Der Vater des Beschwerdeführers teilte sodann im Wege seines Rechtsvertreters noch am 21.05.2022 sowie auch in der Verhandlung am 23.05.2024 mit, dass seine Frau und er bei der „Botschaft“ doch kein „Antragsformular“ ausgefüllt hätten, sondern der Antrag von einem Konsularmitarbeiter (elektronisch) erfasst worden sei. Dies erweist sich letztlich als nachvollziehbar, weil die Registrierung einer Geburt (auch im Wege von Vertretungsbehörden) in der Regel anhand von vorgelegten Unterlagen (wie etwa der Geburtsbestätigung des betroffenen Kindes und der Heiratsurkunde seiner Eltern) erfolgt, wobei nicht auch noch zusätzlich ein Antragsformular ausgefüllt wird, sondern die Daten der vorgelegten Unterlagen erfasst und an das zuständige Standesamt weitergeleitet werden. Danach erfolgt eine Bestätigung über den Registrierungsprozess bzw. die Ausstellung der nationalen Geburtsurkunde. Die nunmehrigen Angaben des Vaters des Beschwerdeführers, wonach der Antrag auf Registrierung der Geburt des Beschwerdeführers von einem Mitarbeiter des portugiesischen Generalkonsulats in Genf anhand der von den Eltern vorgelegten Unterlagen elektronisch erfasst worden sei, erweist sich in Zusammenschau mit der danach ausgestellten portugiesischen Geburtsurkunde Nr. 554/2022 des Jahres 2022 und deren Echtheitsbestätigung (vgl. ELAK-Zahl 925732-2023-14) somit als glaubhaft, weshalb die oben dargestellte Wortwahl des Vaters in der Verhandlung am 23.04.2024 als ein Vergreifen im Ausdruck zu werten ist.

22     Davon, dass für den Beschwerdeführer beim konsularischen Termin am 18.05.2022 keine Erklärung, dass er Portugiese sein soll, abgegeben wurde, ist die belangte Behörde erkennbar nicht ausgegangen. Aus den Angaben des Vaters des Beschwerdeführers in der Verhandlung am 24.04.2024 geht auch hervor, dass Gegenstand des Termins beim Generalkonsulat lediglich die Registrierung der Geburt des Beschwerdeführers war und ansonsten keine weiteren Erklärungen abgegeben wurde. Auch der Akteninhalt enthält keine gegenteiligen Anhaltspunkte. Aus den nachvollziehbaren Angaben des Vaters lassen sich auch die weiteren Feststellungen ableiten, wonach den Eltern nicht bekannt war, dass dem Beschwerdeführer durch die Registrierung der Geburt auch die portugiesische Staatsangehörigkeit zuerkannt wird, sondern sie davon ausgingen, dass dieser diese Staatsangehörigkeit bereits mit der Geburt erworben hat.

Rechtliche Beurteilung

23     Nach § 7 Abs. 1 Z 2 StbG (idF BGBl. I Nr. 136/2013) erwerben Kinder die Staatsbürgerschaft mit dem Zeitpunkt der Geburt, wenn in diesem Zeitpunkt der Vater gemäß § 144 Abs. 1 Z 1 ABGB Staatsbürger ist. Ist ein Kind im Ausland geboren und ein Elternteil im Zeitpunkt der Geburt nach dem StbG österreichischer Staatsbürger, so ist § 7 Abs. 1 StbG anwendbar (vgl. Kind in Ecker/Kind/Kvasina/Peyrl, StbG 1985 [2017] § 7 Rn 37).

24     Der Beschwerdeführer wurde als ehelicher Sohn eines österreichischen Staatsbürgers am ...2022 in Genf (Schweiz) geboren und hatte damit gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 StbG mit dem Zeitpunkt seiner Geburt die österreichische Staatsbürgerschaft ex lege erworben.

25     Nach § 27 Abs. 1 StbG verliert die Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.

26     Nach § 27 Abs. 2 StbG verliert ein nicht voll handlungsfähiger Staatsbürger die Staatsbürgerschaft nur dann, wenn die auf den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtete Willenserklärung (Abs. 1) für ihn entweder von seinem gesetzlichen Vertreter oder mit dessen ausdrücklicher Zustimmung von ihm selbst oder einer dritten Person abgegeben wird.

27     Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt § 27 Abs. 1 StbG voraus, dass der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichtete „positive“ Willenserklärung abgibt und der Staatsbürger die fremde Staatsbürgerschaft infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt. Da das Gesetz verschiedene Arten von Willenserklärungen („Antrag“, „Erklärung“, „ausdrückliche Zustimmung“) anführt, bewirkt jede Willenserklärung, die auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtet ist, im Falle deren Erwerbs den Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Auf eine förmliche Verleihung der fremden Staatsangehörigkeit kommt es nicht an; der Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft tritt auch ein, wenn der Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit auf Grund des fremden Rechts ex lege eintritt. Diese Grundsätze gelten auch im Anwendungsbereich des § 27 Abs. 2 StbG (vgl. VwGH 16.2.2012, 2010/01/0035; 10.2.2022, Ra 2021/01/0356, jeweils mwN).

28     Ein minderjähriger Staatsbürger, der das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, muss sich nach § 27 Abs. 2 StbG die auf den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtete Willenserklärung seines gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen bzw. kann diese den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft bewirken (vgl. VwGH 10.2.2022, Ra 2021/01/0356; 7.9.2022, Ra 2022/01/0243, jeweils mwN).

29     Da jedoch (wie bereits ausgeführt) der Verlust der Staatsbürgerschaft nur eintritt, wenn der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichtete „positive“ Willenserklärung abgibt, bewirkt eine primär auf ein anderes Ziel gerichtete Willenserklärung (z.B. Antritt eines Lehramtes an einer ausländischen Hochschule, Eheschließung) nicht den Verlust der Staatsbürgerschaft, auch wenn dem Betroffenen bekannt ist, dass damit der Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft verbunden ist. Ebenso wenig tritt der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft in dem Fall ein, dass jemand eine fremde Staatsbürgerschaft ohne „Erwerbswillen“ infolge eines einseitigen Aktes des fremden Staates erlangt (vgl. VwGH 21.2.2022, Ra 2022/01/0041, mwN).

30     Unter Titel I des portugiesischen Gesetzes über die Staatsangehörigkeit Nr. 37/81 vom 03.10.1981 (idF vom 10.11.2020) wird die Zuerkennung, der Erwerb und der Verlust der Staatsangehörigkeit geregelt. Kapitel I dieses Titels normiert die „Zuerkennung der Staatsangehörigkeit“. Unter diesem Kapitel findet sich der gegenständliche Art. 1 leg. cit. mit der Überschrift „Originäre Staatsangehörigkeit“. Der „Erwerb der Staatsangehörigkeit“ wird in Kapitel II, der Verlust in Kapitel III des genannten Titels geregelt.

31     Wie der Beschwerdeführer zutreffend vorbringt, sieht der gegenständlich relevante Art. 1 Abs. 1 lit. c leg. cit. zwei Möglichkeiten der Zuerkennung der originären portugiesischen Staatsangehörigkeit an im Ausland geborene Kinder (unter anderem) einer portugiesischen Mutter vor: Zum einen kann die Zuerkennung durch eine Erklärung des Kindes, Portugiese sein zu wollen, zum anderen (arg.: „oder“) durch die Eintragung der Geburt des Kindes in das portugiesische Personenstandsregister erfolgen. Nach Art. 11 leg. cit., welcher unter Kapitel V („Wirkungen der Zuerkennung, des Erwerbs und des Verlusts der Staatsangehörigkeit“) zu finden ist, wirkt die Zuerkennung der portugiesischen Staatsangehörigkeit jedenfalls von der Geburt an, unbeschadet der Gültigkeit der vorher aufgrund einer anderen Staatsangehörigkeit begründeten Rechtsverhältnisse.

32     Vor diesem Hintergrund ist zunächst zu sagen, dass im Falle einer Erklärung, Portugiese sein zu wollen, oder der Registrierung der Geburt, nicht von einem „Erwerb“ der portugiesischen Staatsangehörigkeit gesprochen werden kann, weil nach einer solchen Vorgehensweise einem im Ausland geborenen Kind portugiesischer Abstammung die „originäre“ (also ursprüngliche) portugiesische Staatsangehörigkeit ex lege zuerkannt wird.

33     Die Eltern des Beschwerdeführers haben keine Erklärung abgegeben, dass der Beschwerdeführer Portugiese sein soll.

34     Sie haben allerdings im Wege des portugiesischen Generalkonsulats in Genf am 18.05.2022 die Geburt des Beschwerdeführers im portugiesischen Personenstandsregister eintragen lassen. Nach Art. 1 Abs. 1 lit. a iVm. Abs. 2 des portugiesischen Zivilregistergesetzbuches vom 06.06.1995 (idF vom 14.02.2018) war die zivile Registrierung der Geburt für die Mutter des Beschwerdeführers auch verpflichtend.

35     Dadurch wurde dem in der Schweiz geborenen Beschwerdeführer nach dem zweiten Fall des Art. 1 Abs. 1 lit. c iVm. Art. 11 des portugiesischen Gesetzes über die Staatsangehörigkeit Nr. 37/81 vom 03.10.1981 (idF vom 10.11.2020) rückwirkend mit dem Zeitpunkt seiner Geburt am ...2022 die originäre portugiesische Staatsbürgerschaft kraft Abstammung von seiner Mutter zuerkannt.

36     Ungeachtet des bereits dargelegten Umstands, dass damit nicht von einem „Erwerb“ dieser Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers die Rede sein kann, war die Erklärung der Eltern des Beschwerdeführers vom 18.05.2022 primär auf ein anderes Ziel, nämlich auf die (für die Mutter des Beschwerdeführers verpflichtende) zivile Registrierung der Geburt des Beschwerdeführers, gerichtet. Das Mitwirken der Eltern des Beschwerdeführers an der Registrierung stellte jedenfalls keine positive Erklärung, die auf den „Erwerb“ der portugiesischen Staatsangehörigkeit durch den Beschwerdeführer abzielte, dar. Diese Erklärung konnte somit nicht den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft nach § 27 Abs. 1 iVm. Abs. 2 StbG bewirken, selbst wenn den Eltern des Beschwerdeführers bekannt gewesen wäre, dass damit die Zuerkennung der originären portugiesischen Staatsbürgerschaft verbunden ist.

37     Die von der belangten Behörde herangezogene Auskunft der Österreichischen Botschaft Lissabon vom 07.08.2018, die ein anderes Verfahren betraf, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Darin wird festgehalten, dass Kinder eines portugiesischen Vaters bzw. einer portugiesischen Mutter, welche im Ausland geboren würden, per Gesetz portugiesische Staatsbürger seien, sofern die Eltern in dem für sie zuständigen Konsulat eine standesamtliche Registrierung der Geburt des Kindes beantragten, und dass sie in diesem Antrag den Wunsch erklärten, dass das Kind portugiesische/r StaatsbürgerIn werde. Wie bereits dargelegt, sieht der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 lit. c des portugiesischen Gesetzes über die Staatsangehörigkeit Nr. 37/81 vom 03.10.1981 (idF vom 10.11.2020) aber beide Möglichkeiten (Erklärung, Portugiese sein zu wollen, oder die Registrierung der Geburt) vor, die in der Auskunft vermengt werden. Dass, wie am Ende der Auskunft festgehalten ist, ein Kind, welches von den Eltern nicht registriert werde, kein portugiesischer Staatsangehöriger sei, führt ebenso zu keinem anderen Ergebnis, weil dies lediglich bedeutet, dass der portugiesische Staat bis zur Eintragung der Geburt (womöglich) keine Kenntnis von der Existenz eines portugiesischen Staatsangehörigen hat.

38     Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 StbG mit dem Zeitpunkt seiner Geburt die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat.

39     Die Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Verwaltungsgericht konnte den vorliegenden Beschwerdefall anhand der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beurteilen.

Schlagworte

Staatsbürgerschaft, Erwerb kraft Abstammung, Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft, Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit, positive Willenserklärung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2024:VGW.152.005.1897.2024

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2024
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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