Entscheidungsdatum
06.03.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W205 2261019-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch RA Dr. Gregor KLAMMER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.09.2022, Zl. 1286299803/211470064, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.01.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Somalia, vertreten durch RA Dr. Gregor KLAMMER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.09.2022, Zl. 1286299803/211470064, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.01.2024, zu Recht:
A)
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. wird als unbegründet abgewiesen.
Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben, und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.Hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben, und römisch 40 gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigtem für die Dauer von einem Jahr erteilt.Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 wird römisch 40 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigtem für die Dauer von einem Jahr erteilt.
Die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 05.10.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei seiner Erstbefragung am 06.10.2021 gab der Beschwerdeführer an, er sei verheiratet, gehöre der Volksgruppe der Gabooye an, verfüge über keine Schul- oder Berufsausbildung und habe zuletzt als Verkäufer gearbeitet. Sein Vater, seine Mutter, seine Ehefrau, seine Tochter und sein Bruder würden in Somalia leben. Im März 2021 habe er den Entschluss zu seiner Ausreise gefasst. Er sei von Mogadischu mit dem Flugzeug unter Verwendung eines somalischen Reisepasses in die Türkei gereist und von dort über Griechenland und weitere Länder nach Österreich gelangt. Als Fluchtgrund gab er Folgendes zu Protokoll:
„Ich bin aus Angst vor der Familie meiner Frau geflüchtet. Nachdem sie ihre Schwangerschaft bemerkten. Ich wollte sie heiraten und ich habe ihre Familie um ihre Hand gefragt, was abgelehnt wurde, weil ich einer Minderheit angehöre. Ich habe sie heimlich geheiratet und 2 Jahre die Ehe heimlich mit ihr geführt. Sonst habe ich keine weiteren Fluchtgründe.“
Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst vor der Familie seiner Frau.
Mit Schriftsatz vom 06.07.2022 erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA) bislang nicht über seinen Antrag auf internationalen Schutz entschieden hat.
Am 29.07.2022 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Somali einvernommen. Hierbei gab er insbesondere an:
„[…]
F: Haben Sie irgendwelche Krankheiten und wenn ja, welche?
A: Ja, ich habe Herzprobleme. Ich nehme regelmäßig Medikamente.
F: Unter welcher Krankheit leiden Sie?
A: Ich hatte Herzschmerzen in Somalia. Dort bin ich zu einem türkischen Krankenhaus gegangen. Der dortige Arzt hat mir Medikamente verschrieben. Als ich nach Österreich kam, ging ich mit meinem Arztrezept ins Krankenhaus. Hier hat man mir ähnliche Medikamente verschrieben.
F: Was fehlt Ihnen genau?
A: Ich kann das nicht genau erklären. Ich kann dazu nur sagen, dass ich hin und wieder Schmerzen hatte.
F: Wurden Sie bereits im Heimatland diesbezüglich medizinisch behandelt? Wenn ja, wo, seit wann und in welcher Form? Welche Medikamente nehmen Sie ein?
A: Ja, ich lege heute eine Kopie des ärzlichen Rezeptes von Mogadischu.
Vermerk: Demeprazole 20 mg; Esram/Losiam 10mg;
Anmerkung: Der Antragsteller bringt vor, dass er zurzeit Escitalpram in Österreich einnimmt.
V: Herr XXXX , das von Ihnen vorgeschriebene Medikament Escitalpram ist ein Antidepressivum. Was sagen Sie dazu?V: Herr römisch 40 , das von Ihnen vorgeschriebene Medikament Escitalpram ist ein Antidepressivum. Was sagen Sie dazu?
A: Ok.
F: Seit wann haben Sie die erwähnten Beschwerden?
A: Seit Mitte März 2018. An diesem Tag habe ich ein Krankenhaus in Mogadischu besucht. Die Kopie der Artzbestätigung habe ich heute vorgelegt.
F: Sind Sie in Österreich in ärztlicher Behandlung? Wie lange wird die Behandlung noch dauern?
A: Nein, ich bin in keiner ärztlichen Behandlung in Österreich. Aber wenn ich Medikamente brauche, dann gehe ich zu einem Arzt.
F: Können Sie Unterlagen zu Ihrem Gesundheitszustand wie etwa ärztliche Schreiben, Befunde, Überweisungen, Rezepte, etc. vorlegen? Wenn nein, werden Sie aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen aktuelle ärztliche Bescheinigungen vorzulegen.
A: Ich bin in keiner ärztlichen Behandlung. Ich nehme nur Medikamente, weil ich Herzprobleme habe.
Aufforderung: Aufforderung: Sie werden weiter aufgefordert, im Fall eines (weiteren) Arztbesuches von Ihnen hier in Österreich, unaufgefordert, unverzüglich nach einer Behandlung dem BFA einen Kurzbericht bzw. Attest über die Behandlung oder weiters sonstige zweckdienliche, medizinische Auskunft gebende Schreiben vorzulegen. Haben Sie das verstanden?
A: Ja, ich habe alles verstanden.
Aufforderung: Sie werden aufgefordert innerhalb von drei Wochen (Frist bis 19.08.2022) aktuelle ärztliche Bescheinigungen vorzulegen. Haben Sie das verstanden?
A: Ja, ich habe alles verstanden.
[…]
F: Wann und wo haben Sie geheiratet?
A: Meine Frau und ich haben im Februar 2019 habe ich meine Frau heimlich geheiratet. Sie wurde nach drei Monaten schwanger. Ich habe meine Frau in XXXX geheiratet.A: Meine Frau und ich haben im Februar 2019 habe ich meine Frau heimlich geheiratet. Sie wurde nach drei Monaten schwanger. Ich habe meine Frau in römisch 40 geheiratet.
F: Bitte erzählen Sie genau, wie Sie Ihre Frau heimlich geheiratet haben?
A: Ich habe meine Frau am XXXX Februar 2019 geheiratet. Das war ca. 16:00 Uhr. Ich ging in die Koranschule. Dort waren zwei Zeugen anwesend. Ich habe meine Frau angerufen. Dann gab ich den Kopfhörer dem Koranlehrer. Der Koranlehrer hat uns über Handy vermählt. Der Koranlehrer fragte meine Frau, ob sie damit einverstanden wäre, meine Frau zu werden. Die Zeugen haben diese Ehe auch bestätigt. So wurden wir zu Mann und Frau. Danach ging ich wieder arbeiten. Ich arbeitete bis 17 Uhr. Nach der Arbeit ging ich nach Hause. Nach einigen Tagen rief ich meine Frau an und wir trafen und heimlich. Zwischen 19:30 – 20:00 Uhr haben wir uns in der Wohnung meines Freundes, die 10 Häuser von meinem Arbeitsplatz entfernt war, getroffen.A: Ich habe meine Frau am römisch 40 Februar 2019 geheiratet. Das war ca. 16:00 Uhr. Ich ging in die Koranschule. Dort waren zwei Zeugen anwesend. Ich habe meine Frau angerufen. Dann gab ich den Kopfhörer dem Koranlehrer. Der Koranlehrer hat uns über Handy vermählt. Der Koranlehrer fragte meine Frau, ob sie damit einverstanden wäre, meine Frau zu werden. Die Zeugen haben diese Ehe auch bestätigt. So wurden wir zu Mann und Frau. Danach ging ich wieder arbeiten. Ich arbeitete bis 17 Uhr. Nach der Arbeit ging ich nach Hause. Nach einigen Tagen rief ich meine Frau an und wir trafen und heimlich. Zwischen 19:30 – 20:00 Uhr haben wir uns in der Wohnung meines Freundes, die 10 Häuser von meinem Arbeitsplatz entfernt war, getroffen.
V: Herr XXXX , nach dem Koran bzw. somalischer Tradition, darf die Frau gegen Willen der männlichen Familienmitglieder erst heiraten, wenn die Eheschließung ca. 100 km von diesen Familienmitgliedern stattfindet. Ihre Erklärung, dass der Koranlehrer, der nach dem Koran handelt, Sie und Ihre Frau am selben Ort ohne männliche Zeugen (Familienmitglieder Ihrer Frau) heimlich vermählt hätte, ist nicht nachvollziehbar. Bitte nehmen Sie dazu Stellung.V: Herr römisch 40 , nach dem Koran bzw. somalischer Tradition, darf die Frau gegen Willen der männlichen Familienmitglieder erst heiraten, wenn die Eheschließung ca. 100 km von diesen Familienmitgliedern stattfindet. Ihre Erklärung, dass der Koranlehrer, der nach dem Koran handelt, Sie und Ihre Frau am selben Ort ohne männliche Zeugen (Familienmitglieder Ihrer Frau) heimlich vermählt hätte, ist nicht nachvollziehbar. Bitte nehmen Sie dazu Stellung.
A: Mein Schwiegervater war LKW-Fahrer und war zu diesem Zeitpunkt in XXXX . Unter diesen Umständen konnte ich meine Frau heimlich heiraten.A: Mein Schwiegervater war LKW-Fahrer und war zu diesem Zeitpunkt in römisch 40 . Unter diesen Umständen konnte ich meine Frau heimlich heiraten.
V: Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Koran-Lehrer Sie beide heimlich vermählt hätte, ohne zu wissen, ob der Vater Ihrer Frau rechtszeitig oder frühzeitig nach Hause zurückkehrt oder nicht.
A: Meine Frau hat davor ihren Vater angerufen, um sicherzugehen, wo er sich befindet.
V: Zudem ist Ihre Erklärung, dass ein Koranlehrer in einer kleinen Ortschaft, den jeder kennt, dieser Risiko eingegangen ist und keine Angst hatte, von Ihrem Schwiegervater zur Rechenschaft gezogen zu werden. Was sagen Sie dazu?
A: Meine Frau gehört zu einem großen Clan. Auch der Koranlehrer gehört zu einem großen Clan. Das was der Koranlehrer sagt muss mein Schwiegervater akzeptieren, denn der Koranlehrer geht nach dem Koran vor. Aber man kann alles in Somalia machen. Es gibt immer eine Lösung für solche Fälle.
F: War Ihre Frau zuvor schon jemals verheiratet und gibt es Kinder aus dieser Beziehung?
A: Nein.
F: Gibt es bezüglich Ihrer Heirat eine Urkunde, Fotos oder andere Unterlagen?
A: Nein.
F: Wer waren die Zeugen bei Ihrer Hochzeit (Namen, Geburtsdatum, Verwandtschaftsgrad...)?
A: Wir hatten zwei Zeugen. Einer von Ihnen hieß XXXX und der andere XXXX . Der Koranlehrer hieß XXXX . Sie sind fremde Leute und ich kenne die Zeugen einfach so.A: Wir hatten zwei Zeugen. Einer von Ihnen hieß römisch 40 und der andere römisch 40 . Der Koranlehrer hieß römisch 40 . Sie sind fremde Leute und ich kenne die Zeugen einfach so.
F: Haben Sie jemals versucht um die Hand Ihrer Frau bei Ihrer Familie anzuhalten?
A: Ja, ich habe einmal versucht bei der Familie meiner Frau um ihre Hand anzuhalten. Der Schwiegervater hat aber alles abgelehnt. Das war am XXXX 02.2019. Der Schwiegervater behauptete, dass ich zu einem kleinen Clan gehöre und deshalb gegen diese Ehe sei. Ich habe meine Frau aber einige Tage später gegen Willen ihrer Familie geheiratet.A: Ja, ich habe einmal versucht bei der Familie meiner Frau um ihre Hand anzuhalten. Der Schwiegervater hat aber alles abgelehnt. Das war am römisch 40 02.2019. Der Schwiegervater behauptete, dass ich zu einem kleinen Clan gehöre und deshalb gegen diese Ehe sei. Ich habe meine Frau aber einige Tage später gegen Willen ihrer Familie geheiratet.
F: Wo und wann haben Sie Ihre Frau immer wieder getroffen?
A: Mein Kollege war LKW-Fahrer. Er hatte eine Wohnung. Er hinterließ seinen Schlüssel bei mir. Ich konnte meine Frau, wann wir wollten, in seiner Wohnung treffen. Meine Frau wurde einige Monate nach unserer heimlichen Eheschließung schwanger.
F: Was haben Sie gemach, als Sie erfuhren, dass Ihre Frau ein Kind von Ihnen erwartet?
A: Im Mai 2019 wurde meine Frau von mir schwanger. Die Schwiegereltern bemerkten, dass der Bauch meiner Frau groß geworden ist. Sie schlugen meine Frau. Sie gab zu, dass ich der Vater ihres ungeborenen Kindes bin. Drei Brüder und eine Schwester von meiner Frau kamen zu mir und haben mich geschlagen, weil ich Schande über Ihre Familie gebracht habe. Ich habe Ihnen immer wieder gesagt, dass der Koranlehrer uns vermählt hat. Aber sie haben nicht auf mich gehört und weiter auf mich geschlagen. Ich wurde am Hoden verletzt und meine Eltern haben mich zum Krankenhaus XXXX in Mogadischu gebracht. Meine Eltern waren zu diesem Zeitpunkt in Somalia. Ich wurde am Hoden operiert und war eine Woche im Krankenhaus. Danach verkauften meine Eltern einen Grundstück und wir sind alle nach Saudi-Arabien gezogen.A: Im Mai 2019 wurde meine Frau von mir schwanger. Die Schwiegereltern bemerkten, dass der Bauch meiner Frau groß geworden ist. Sie schlugen meine Frau. Sie gab zu, dass ich der Vater ihres ungeborenen Kindes bin. Drei Brüder und eine Schwester von meiner Frau kamen zu mir und haben mich geschlagen, weil ich Schande über Ihre Familie gebracht habe. Ich habe Ihnen immer wieder gesagt, dass der Koranlehrer uns vermählt hat. Aber sie haben nicht auf mich gehört und weiter auf mich geschlagen. Ich wurde am Hoden verletzt und meine Eltern haben mich zum Krankenhaus römisch 40 in Mogadischu gebracht. Meine Eltern waren zu diesem Zeitpunkt in Somalia. Ich wurde am Hoden operiert und war eine Woche im Krankenhaus. Danach verkauften meine Eltern einen Grundstück und wir sind alle nach Saudi-Arabien gezogen.
F: Sie und Ihre Frau haben keinen Nachweis für Ihre Eheschließung. Ihre Frau stammt aus einem großen Clan. Aus dem Sicht