TE Bvwg Erkenntnis 2024/5/31 W187 2261127-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.05.2024
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Entscheidungsdatum

31.05.2024

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
Richtlinie 2011/95/EU Status-RL Art12 Abs1 lita Satz2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W187 2261127-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hubert REISNER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Staatenloser Palästinenser, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.9.2022, 1291954402-212000265, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 27.4.2023 und 22.5.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hubert REISNER über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 , StA. Staatenloser Palästinenser, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.9.2022, 1291954402-212000265, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 27.4.2023 und 22.5.2024 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß Art 12 Abs 1 lit a zweiter Satz RL 2011/95/EU der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Artikel 12, Absatz eins, Litera a, zweiter Satz RL 2011/95/EU der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang

1.1 Der Beschwerdeführer stellte am 22.12.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am 23.12.2021 wurde er vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab an, er sei am XXXX in Damaskus geboren, staatenlos, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und Moslem. Als Beweggrund für seine Ausreise gab der Beschwerdeführer an, in Syrien herrsche Bürgerkrieg. Der Beschwerdeführer habe seinen Herkunftstaat wegen des Kriegs und des drohenden Einzugs zum Militärdienst verlassen.1.1 Der Beschwerdeführer stellte am 22.12.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am 23.12.2021 wurde er vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab an, er sei am römisch 40 in Damaskus geboren, staatenlos, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und Moslem. Als Beweggrund für seine Ausreise gab der Beschwerdeführer an, in Syrien herrsche Bürgerkrieg. Der Beschwerdeführer habe seinen Herkunftstaat wegen des Kriegs und des drohenden Einzugs zum Militärdienst verlassen.

1.2 Am 10.8.2022 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er seinen Wehrdienst bei der syrischen Armee antreten müsse. Der Beschwerdeführer sei staatenloser Palästinenser. Der Beschwerdeführer sei außerdem bei UNRWA registriert.

1.3 Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.9.2022 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gem. § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien gem. § 8 Abs 1 zuerkannt (Spruchpunkt II.). Es wurde dem Beschwerdeführer gem. § 8 Abs 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsdauer von einem Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).1.3 Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.9.2022 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gem. Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.) und dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien gem. Paragraph 8, Absatz eins, zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Es wurde dem Beschwerdeführer gem. Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsdauer von einem Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

1.4 Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der im Wesentlichen dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit, die Verletzung von Verfahrensvorschriften, eine mangelhafte Beweiswürdigung sowie ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geltend gemacht wurden.1.4 Gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der im Wesentlichen dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit, die Verletzung von Verfahrensvorschriften, eine mangelhafte Beweiswürdigung sowie ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geltend gemacht wurden.

1.5 Am 7.9.2022 legte die belangte Behörde die Beschwerde einschließlich des mit ihr in Bezug stehende Verwaltungsakts dem Bundesverwaltungsgericht vor.

1.6 Am 28.2.2023 führte das BVwG eine mündliche Verhandlung durch. Sie hatte folgenden Verlauf:

„…

Richter: Geben Sie Ihr Geburtsdatum an. Wo sind Sie auf die Welt gekommen?

Beschwerdeführer: Ich wurde am XXXX in Damaskus, Syrien geboren.Beschwerdeführer: Ich wurde am römisch 40 in Damaskus, Syrien geboren.

Richter: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?

Beschwerdeführer: Arabisch, ich lerne Deutsch.

Richter: Geben Sie Ihre Volksgruppe, Religion und Ihren Familienstand an.

Beschwerdeführer: Ich bin sunnitischer Moslem, ich bin Araber, ich bin ledig.

Richter: Haben Sie Kinder?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Können Sie bitte soweit wie möglich chronologisch angeben, wann und wo Sie sich in Syrien und dem Libanon aufgehalten haben.

Beschwerdeführer: In Syrien habe ich in Damaskus, in Damaskus Umgebung Jdaidat Artuz gelebt. Im Libanon habe ich in der Stadt Baalbak gelebt.

Richter: Wie haben Sie in Syrien und dem Libanon gewohnt?

Beschwerdeführer: In Damaskus Umgebung habe ich in einer Wohnung bei meiner Familie gelebt. Im Libanon habe ich in einem Flüchtlingslager gelebt.

Richter: Was haben Sie in Syrien und dem Libanon gemacht, gearbeitet, gelernt oder etwas Anderes?

Beschwerdeführer: In Syrien habe ich als Schmied gearbeitet und im Libanon habe ich in einer Autowerkstatt gearbeitet.

Richter: Welche Schulbildung haben Sie erhalten?

Beschwerdeführer: Die 5. Schulklasse habe ich abgeschlossen, wegen des Krieges konnte ich die Schule nicht mehr weiter besuchen.

Richter: Wo und wie leben Ihre Verwandten?

Beschwerdeführer: Meine Familie lebt zurzeit in Syrien, mein Bruder arbeitet als Maler und Anstreicher, mein Vater ist Betonierer.

Richter: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Onkel)?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Haben Sie in Syrien und dem Libanon weitere Verwandte oder sonstige wichtige Kontaktpersonen wie zB Freunde und wie heißen sie? Wo leben sie? Haben Sie zu ihnen Kontakt?

Beschwerdeführer: Ja, ich habe viele Verwandte väterlicherseits und mütterlicherseits mit denen ich Kontakt habe, Onkel und Tanten.

Richter: Wollen Ihre Eltern und Geschwister auch nach Österreich kommen?

Beschwerdeführer: Wenn es möglich ist, ja.

Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder dem Libanon politisch betätigt?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Waren Sie oder ein Familienmitglied in Syrien oder dem Libanon Mitglied einer politischen Partei?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder dem Libanon religiös betätigt?

Beschwerdeführer: Wie meinen Sie das? Was meinen Sie mit religiös betätigt?

Richter erläutert.

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder dem Libanon an Demonstrationen beteiligt?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Sind Sie in Syrien oder dem Libanon vorbestraft?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Waren Sie in Syrien oder dem Libanon in Haft?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder dem Libanon Probleme mit Behörden?

Beschwerdeführer: Ich bin aus Syrien wegen des Militärdienstes ausgereist.

Richter: Bestehen gegen Sie in Syrien oder dem Libanon Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief oder Ähnliches?

Beschwerdeführer: Nein, ein Haftbefehl nicht, aber ich werde gesucht wegen des Militärdienstes.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder dem Libanon Probleme wegen Ihrer Religion?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder dem Libanon Probleme wegen Ihrer Volkszugehörigkeit?

Beschwerdeführer: Es wurde mir in der Vergangenheit gesagt, dass ich als Palästinenser in meine Heimat zurückgehen soll.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder dem Libanon Probleme wie Blutfehden, Sippenhaftung, Racheakten oder Ähnliches mit Privatpersonen?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Haben Sie in Syrien oder dem Libanon an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teilgenommen?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Wie ist Ihr Leben derzeit in Österreich? Was machen Sie in Österreich?

Beschwerdeführer: Zurzeit lerne ich die Sprache.

Richter: Haben Sie Freunde in Österreich?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Haben Sie auch österreichische Freunde?

Beschwerdeführer: Ich habe noch keine Österreicher kennengelernt. Ich muss zuerst die Sprache lernen.

Richter: Sind Sie Mitglied in einem Verein?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Hatten Sie in Österreich oder anderswo Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Schildern Sie den Vorfall, der zu Ihrer Flucht geführt hat!

Beschwerdeführer: Als ich aus Syrien ausgereist bin, war ich noch minderjährig, ich war 16, ich bin ausgereist, damit man mich nicht zum Militär einzieht. Wir Palästinenser müssen 5 Jahre dienen und werden an der Front eingesetzt. Ich bin ausgereist, weil ich nicht kämpfen will und nicht am Bürgerkrieg teilnehmen wollte. Ich bin ausgereist, weil ich nicht kämpfen will. Ich will nicht kämpfen, ich will nicht sterben, ich will am Leben bleiben.

Richter: Sind Sie in Syrien oder dem Libanon oder an einem anderen Ort jemals persönlich bedroht oder angegriffen worden?

Beschwerdeführer: Von mir unbekannten maskierten Personen, in Baalbak. Das war vor meiner Ausreise im Jahr 2021. Ich wurde auf der Straße von maskierten Personen angegriffen, weil ich Palästinenser bin, nach dem Vorfall wollte ich nicht länger dortbleiben.

Richter: Können Sie sich erinnern wann genau das geschehen ist? Was haben diese Personen mit Ihnen gemacht?

Beschwerdeführer: Es war im fünften Monat 2021, ich wurde von diesen maskierten Personen geschlagen. Nach dem Vorfall habe ich beschlossen das Land zu verlassen.

Richter: Haben Sie jemals einen Einberufungsbefehl bekommen?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Woher wissen Sie, dass Sie den Wehrdienst ableisten müssten?

Beschwerdeführer: Als ich im Libanon war, war die Armee bei meiner Familie und hat nach mir gefragt.

Richter: Welche Armee hat nach Ihnen gefragt?

Beschwerdeführer: Die palästinensische Befreiungsarmee.

Richter: Wer würde Sie in Syrien rekrutieren?

Beschwerdeführer: Die syrische Armee oder die palästinensische Befreiungsarmee.

Richter: Woher wüsste die palästinensische Befreiungsarmee, dass Sie in Syrien sind, um Sie zur Wehrdienstleistung aufzufordern?

Beschwerdeführer: Ich bin dort als Palästinenser eingetragen und sie wissen wo wir wohnen.

Richter: Wodurch sind Sie in Syrien oder dem Libanon bedroht?

Beschwerdeführer: Ich bin aus Syrien wegen des Militärdienstes ausgereist. Den Libanon habe ich verlassen, weil ich Palästinenser bin.

Richter: Wie sind Sie nach Österreich gekommen?

Beschwerdeführer: Illegal, schlepperunterstützt.

Richter: Wie haben Sie die Reise bezahlt?

Beschwerdeführer: Ich habe das Geld bei Büros hinterlegt und die Büros haben das Geld an die Schlepper weitergeleitet.

Richter: Schildern Sie bitte nochmals die Gründe Ihrer Beschwerde!

Beschwerdeführer: Ich habe Asyl beantragt und nicht subsidiären Schutz.

Richter: Was würde passieren, wenn Sie jetzt nach Syrien oder dem Libanon zurückkehren müssten?

Beschwerdeführer: In Syrien würde ich sofort zum Militärdienst eingezogen werden. Ich müsste an der Front kämpfen, deshalb bin ich aus Syrien ausgereist. Im Libanon wurde ich von unbekannten Personen angegriffen, ich glaube nicht, dass sie für den Staat arbeiteten.

Die Rechtsvertreterin legt eine Kopie des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vor, mit dem dem Bruder des Beschwerdeführers Asyl gewährt wurde. Dieser wird in Kopie zum Akt genommen.

Rechtsvertreterin: Hat Ihr in Syrien lebender Bruder den Militärdienst abgeleistet?

Beschwerdeführer: Ja, er wurde bereits aus der Armee entlassen.

Rechtsvertreterin: Welche Leistungen haben Sie von UNRWA erhalten?

Beschwerdeführer: Als ich in Syrien war, war ich noch klein, da kenne ich mich nicht aus, aber ich weiß, dass die UNRWA uns im Libanon gleichgestellt hat. Im Libanon haben wir 125 EURO von der UNRWA bekommen, EURO 100,- fürs Wohnen und EURO 25,- für die Verpflegung.

Rechtsvertreterin: War Ihre Arbeit im Libanon legal?

Beschwerdeführer: Ja, ich hatte eine Arbeitsgenehmigung.

Rechtsvertreterin: Warum wollen Sie nicht für die syrische Armee kämpfen?

Beschwerdeführer: Weil ich unschuldige nicht töten will, ich will keine Kinder oder Zivilisten töten.

Rechtsvertreterin: Wer hat das Reisedokument in Syrien ausgestellt, das Sie 2020 ausgestellt bekommen haben?

Beschwerdeführer: Meine Familie.

Rechtsvertreterin: Keine weiteren Fragen mehr, aber ich möchte eine Stellungnahme abgeben.

Rechtsvertreterin: In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren bis zum Alter von 42 Jahren. Diese gilt auch für palästinensische Flüchtlinge in Syrien. Insgesamt herrscht eine erhebliche Willkür im Zusammenhang mit Einberufungen zum Wehrdienst des syrischen Regimes.

Der Beschwerdeführer war im Ausreisezeitpunkt noch nicht im wehrpflichtigen Alter. Mittlerweile befindet er sich mit 25 Jahren im wehrpflichtigen Alter. Der BF hat seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet und ist von diesem nicht befreit. Der BF würde als staatenloser Flüchtling aus Palästina zur Palästinensischen Befreiungsarmee oder der syrischen Armee einberufen werden. Die Palästinensische Befreiungsarmee ist laut den Länderberichten ein Teil der syrischen Armee. Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers in der Nähe von Damaskus ist unter syrischer Kontrolle.

Im Falle einer Rückkehr besteht für den Beschwerdeführer daher die Gefahr, am Grenzkontrollposten verhaftet und zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden, was er ablehnt. Im Falle einer Weigerung würde er mit einer Gefängnisstrafe bestraft werden, die mit der Anwendung von Folter verbunden wäre. Die syrische Regierung betrachtet Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und oppositioneller Gesinnung. Auch die Ausreise des Beschwerdeführers und die dadurch bewirkte Entziehung von der Ableistung des Wehrdienstes wird vom syrischen Regime als Ausdruck einer oppositionellen Gesinnung gesehen.

Dem BF ist daher der Status des Asylberechtigten gem. § 3 AsylG zu gewähren. Dem BF ist daher der Status des Asylberechtigten gem. Paragraph 3, AsylG zu gewähren.

Im Übrigen wird auf das Vorbringen in der Beschwerde verwiesen.

Der Beschwerdeführer bringt nichts mehr vor.

…“

1.7 Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 15.7.2023, W187 2261127-1/6E, ab.

1.8 Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser gab der Revision statt und führte aus, die Begründung zum Wegfall des Schutzes durch UNRWA sei nicht durch entsprechende Feststellungen insbesondere zur Lage staatenloser palästinensischer Herkunft im Libanon gedeckt (vgl VwGH 1.2.2024, Ra 2023/18/0286-11).1.8 Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser gab der Revision statt und führte aus, die Begründung zum Wegfall des Schutzes durch UNRWA sei nicht durch entsprechende Feststellungen insbesondere zur Lage staatenloser palästinensischer Herkunft im Libanon gedeckt vergleiche VwGH 1.2.2024, Ra 2023/18/0286-11).

1.9 Am 22.5.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht eine ergänzende Verhandlung durch und führte Länderinformationen zum Libanon ein. Die Verhandlung hatte folgenden Verlauf:

„…

Richter: Geben Sie Ihr Geburtsdatum an. Wo sind Sie auf die Welt gekommen?

Beschwerdeführer: Am XXXX in Damaskus.Beschwerdeführer: Am römisch 40 in Damaskus.

Richter: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?

Beschwerdeführer (auf Deutsch und Arabisch): Arabisch und ein bisschen Deutsch, beides in Wort und Schrift.

Richter: Geben Sie Ihre Volksgruppe, Religion und Ihren Familienstand an.

Beschwerdeführer: Ich bin Moslem-Sunnit. Ich bin ledig. Ich bin Araber.

Richter: Haben Sie Kinder?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Können Sie bitte soweit wie möglich chronologisch angeben, wann und wo Sie sich in Syrien und dem Libanon aufgehalten haben.

Beschwerdeführer: In Syrien lebte ich bis 2013 in Damaskus. Am 6.2.2013 bin ich mit meinem Bruder (anwesende Person) in den Libanon gegangen. Im Libanon lebte ich in Baalbek. Am 30.8.2021 bin ich dann von dort nach Erbil in den Irak gegangen. Von dort bin ich weiter in den Iran, von dort in die Türkei und dann weiter nach Griechenland gegangen. Von Griechenland über Mazedonien nach Serbien und dann nach Österreich.

Richter: Wie haben Sie in Syrien und dem Libanon gewohnt?

Beschwerdeführer: In Syrien in einem Haus und im Libanon auch. In Syrien mit meiner Familie und im Libanon lebte ich mit meinem Bruder.

Richter: Was haben Sie in Syrien und dem Libanon gemacht, gearbeitet, gelernt oder etwas Anderes?

Beschwerdeführer: In Syrien habe ich als Schweißer vier Jahre gearbeitet und im Libanon habe ich acht Jahre in einer Autowäscherei gearbeitet.

Richter: Welche Schulbildung haben Sie erhalten?

Beschwerdeführer: Sechs Jahre Grundschule.

Richter: Wo und wie leben Ihre Verwandten?

Beschwerdeführer: Meine Familie lebt in Syrien. Meine sonstigen Verwandte sind alle verreist, meine Onkel ms. (mütterlicherseits). Nachgefragt, die Geschwister sind in Syrien, nur mein Bruder ist hier in Österreich.

Richter: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Onkel)?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Haben Sie in Syrien und dem Libanon weitere Verwandte oder sonstige wichtige Kontaktpersonen wie zB Freunde und wie heißen sie? Wo leben sie? Haben Sie zu ihnen Kontakt?

Beschwerdeführer: Wichtig? Nein, das ist nur meine Familie.

Richter: Wollen Ihre Eltern und Geschwister auch nach Österreich kommen?

Beschwerdeführer: So Gott will. Wenn ich morgen eine Arbeit habe, dann würde ich einen Besuch für sie organisieren.

Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder dem Libanon politisch betätigt?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Waren Sie oder ein Familienmitglied in Syrien oder dem Libanon Mitglied einer politischen Partei?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder dem Libanon religiös betätigt?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Haben Sie oder ein Familienmitglied sich in Syrien oder dem Libanon an Demonstrationen beteiligt?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Sind Sie in Syrien oder dem Libanon vorbestraft?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Waren Sie in Syrien oder dem Libanon in Haft?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder dem Libanon Probleme mit Behörden?

Beschwerdeführer: Mit den Behörden allgemein habe ich kein Problem. Ich habe Syrien wegen der Lage verlassen, wegen dem Krieg.

Richter: Bestehen gegen Sie in Syrien oder dem Libanon Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief oder Ähnliches?

Beschwerdeführer: Eine bestimmte Anordnung gibt es nicht. Ich bin geflohen, um nicht den Militärdienst zu leisten und um kein Unrecht zu begehen.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder dem Libanon Probleme wegen Ihrer Religion?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder dem Libanon Probleme wegen Ihrer Volkszugehörigkeit?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Hatten Sie in Syrien oder dem Libanon Probleme wie Blutfehden, Sippenhaftung, Racheakten oder Ähnliches mit Privatpersonen?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Haben Sie in Syrien oder dem Libanon an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aktiv teilgenommen?

Beschwerdeführer: Ich bin geflohen um das nicht zu müssen.

Richter: Wie ist Ihr Leben derzeit in Österreich? Was machen Sie in Österreich?

Beschwerdeführer: Aktuell mache ich einen Deutschkurs und ich bin auf A2-Niveau. Danach möchte ich eine Ausbildung zum Schmied machen und arbeiten.

Richter: Haben Sie Freunde in Österreich?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Haben Sie auch österreichische Freunde?

Beschwerdeführer: Gibt es.

Richter: Sind Sie Mitglied in einem Verein?

Beschwerdeführer: Inwiefern? Nachgefragt, nein.

Richter: Hatten Sie in Österreich oder anderswo Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Schildern Sie noch den Vorfall, der zu Ihrer Flucht geführt hat!

Beschwerdeführer: Ich bin ein Flüchtling in der vierten Generation. Syrien ist nicht meine wahre Heimat und ich sehe mich nicht dort verpflichtet dort zu kämpfen, es ist ungerecht.

Wenn man die Gewissheit hat, dass eine Person ungerecht ist, dann kämpft man nicht für sie. Ich habe zwei Onkel vs. (väterlicherseits), die vom Militär in Syrien festgenommen und getötet wurden. Ich wollte nicht, dass mir das Gleiche passiert, deshalb bin ich geflohen.

Richter: Sind Sie in Syrien oder dem Libanon oder an einem anderen Ort jemals persönlich bedroht oder angegriffen worden?

Beschwerdeführer: Nein, direkt angegriffen wurde ich nicht. Im Libanon kam es aber zu Rassismus und ich wurde gefragt, was ich hier mache und ich soll zurück in meine Heimat.

Richter: Haben Sie jemals einen Einberufungsbefehl bekommen?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Woher wissen Sie, dass Sie den Wehrdienst ableisten müssten?

Beschwerdeführer: Auf Grund meines Alters, deswegen.

Richter: Wer würde Sie in Syrien rekrutieren? Für welche Armee müssten Sie den Wehrdienst ableisten?

Beschwerdeführer: Die Armee des Regimes.

Richter: Woher wüsste die palästinensische Armee, dass Sie in Syrien sind, um Sie zur Wehr-dienstleistung aufzufordern?

Beschwerdeführer: Das stimmt, die unterstehen aber dem syrischen Militär. Nachgefragt, ich bin ja dort eingetragen im Geburtenregister.

Richter: Wie waren Ihre Lebensumstände im Libanon?

Beschwerdeführer: Nicht schlecht, es ging. Die Hilfsunterstützungen reichten zwar nicht fürs Leben nicht aus, aber ich und mein Bruder arbeiteten und wir kümmerten um einander.

Richter: Befanden Sie sich in Syrien und/oder im Libanon unter dem Schutz des UNRWA?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Haben Sie sich im Libanon legal aufgehalten? Hatten Sie eine Arbeitserlaubnis?

Beschwerdeführer: Ich war legal aufhältig, aber eine Arbeitserlaubnis hatte ich nicht.

Richter: Haben Sie im Libanon daher illegal gearbeitet?

Beschwerdeführer: Ich denke nicht, dass es illegal war. Es gab keinen direkten Arbeitsvertrag, aber der Staat wusste schon, dass ich arbeite.

Richter: Haben Sie in Syrien legal oder illegal gearbeitet?

Beschwerdeführer: Legal.

Richter: Habe Sie in Syrien und/oder im Libanon Leistungen des UNRWA erhalten?

Beschwerdeführer: Ja, im Libanon bekam ich 100 Dollar Unterstützung für die Miete und 25 Dollar für Lebensmittel und Kleidung. Unsere Miete allein betrug 250 Dollar und deshalb mussten wir auch noch arbeiten.

Richter: Beziehen sich die angegebenen Beträge auf monatliche Leistungen?

Beschwerdeführer: Ja, monatlich.

Richter: Haben Sie in Syrien Leistungen des UNRWA erhalten?

Beschwerdeführer: Daran kann ich mich nicht erinnern, ich war noch sehr jung. Einen Punkt wollte ich noch erwähnen. Diese 100 Dollar waren pro Familie und nicht pro Person.

Richter: Kann der UNRWA im Libanon noch immer Schutz für Sie gewährleisten?

Beschwerdeführer: Nein. Nachgefragt, auf welcher Basis wollen sie mich dort beschützen? Als ich damals rassistisch behandelt wurde, konnte man mich auch nicht davor beschützen.

Richter: Können Sie in ein anderes Land reisen, in dem der UNRWA Ihnen Schutz gewährleistet?

Beschwerdeführer: Wenn ich das gewollt hätte, dann hätte ich es versucht. Ich wollte zu meinem Bruder und so können wir gegenseitig auf einander Acht geben.

Richter: Haben sich die Verhältnisse im Libanon während Ihres Aufenthalts dort geändert?

Beschwerdeführer: Aus welcher Hinsicht meinen Sie?

Richter: Sie sind freiwillig in den Libanon gegangen, um einem möglichen Militärdienst in Syrien zu entkommen. Da müssten Sie jedoch den Eindruck gehabt haben, dass der Libanon zu-minderst zum Zeitpunkt, als Sie dorthin gegangen sind, ein sicheres Land sei. Dann haben Sie den Libanon wiederum verlassen. Deshalb die Frage, ob sich die Verhältnisse dort während Ihres Aufenthalts dort geändert haben?

Beschwerdeführer: Ja, es kamen nämlich Anweisungen, die besagten, dass die Syrer abgeschoben werden müssten. Aktuell, jetzt gibt es auch Abschiebungen.

Richter: Sie sind kein syrischer Staatsangehöriger. Wären Sie von Abschiebungen aus dem Libanon daher überhaupt betroffen?

Beschwerdeführer: Es stimmt, ich habe nicht die syrische Staatsbürgerschaft, aber ich in Syrien geboren. Man würde mich als palästinensischen Syrer ansehen und trotzdem abschieben.

Richter: Würde Sie der syrische Staat im Falle einer Abschiebung überhaupt annehmen?

Beschwerdeführer: Man würde mich mit der Haft empfangen.

Richter: Warum würde man Sie mit Haft empfangen?

Beschwerdeführer: Weil ich damals aus Syrien geflohen bin und man mich fragen würde, wo diese ganze Zeit war und was ich getan habe. Als palästinensischer Syrer wurde man mich entweder rekrutieren oder inhaftieren.

Richter: Wäre es möglich, dass Sie eine Seite im Libanon zu einer Armee einziehen wollte?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Wurden Sie im Libanon diskriminiert oder angegriffen, weil Sie Palästinenser sind?

Beschwerdeführer: Ja, das war Rassismus.

Richter: Stehen Sie noch immer unter dem Schutz des UNRWA?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Könnten Sie in den Libanon zurückkehren?

Beschwerdeführer: Nein. Bei einer Rückkehr würde ich von dort nach Syrien gebracht werden.

Richter: Könnten Sie in ein anderes Land mit Unterstützung des UNRWA zurückkehren?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Wodurch sind Sie in Syrien oder dem Libanon bedroht?

Beschwerdeführer: Im Libanon bin ich nicht bedroht. In Syrien nur wegen den Militärdienst. Im Libanon leide ich nur unter Rassismus und mir wird gesagt, dass ich in meine Heimat zurück soll.

Richter: Könnten Sie legal in Ihre Herkunftsregion in Syrien zurückkehren, ohne syrische Grenzposten oder Kontrollen passieren zu müssen?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Schildern Sie bitte nochmals die Gründe Ihrer Beschwerde!

Beschwerdeführer: Ich habe Beschwerde eingereicht, weil mir vorgehalten wurde in Jordanien gewesen zu sein, das stimmt nicht. Ich denke, dass ich auch ein Anrecht auf Asyl habe und deshalb habe ich Beschwerde eingereicht. Sollte der Dolmetscher einen Fehler gemacht habe, dann finde ich es nicht richtig, dass ich dafür zahlen muss.

Rechtsvertreterin: Wissen Sie, ob Sie überhaupt wieder in den Libanon einreisen könnten?

Beschwerdeführer: Nein. Ich weiß nicht, ob man mich dort empfangen würde, aber man würde mich gleich nach Syrien abschieben.

Rechtsvertreterin: Als Sie aus dem Libanon ausgereist sind, haben Sie sich damit beschäftigt, ob eine Einreise wieder möglich wäre?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Haben Sie bei Ihrer Ausreise aus dem Libanon überhaupt daran gedacht, jemals in den Libanon zurückzukehren?

Beschwerdeführer: Nein, ist mir nicht bewusst gewesen.

Rechtsvertreterin: Wissen Sie, ob sich die wirtschaftliche Lage im Libanon verändert hat, seit Sie den Libanon verlassen haben?

Beschwerdeführer: Die wirtschaftliche Lage ist schwächer geworden und es gibt weniger Arbeit. Auch werden die Syrer abgeschoben.

Rechtsvertreterin: Haben Sie Kontakt zu Leuten, die im Libanon bei UNRWA registriert sind?

Beschwerdeführer: Nein.

Rechtsvertreterin: Kann UNRWA bei Abschiebungen Schutz bieten?

Beschwerdeführer: Nein.

Rechtsvertreterin: Keine Fragen an den Beschwerdeführer.

In der Entscheidung EuGH 3.3.2022, Rs C-349/20, NB und AB, Rz 57 wird klargestellt, dass es bei der Beurteilung der Frage, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung relevant ist, ob sich der*die Antragsteller*in freiwillig dem Schutz entzogen hat oder nicht, nicht nur auf den Zeitpunkt ankommt, in dem die Person ausgereist ist, sondern auch auf den Entscheidungszeit-punkt.

Zudem befasst sich der VfGH in der Entscheidung E 1416/2023 vom 18.9.2023 mit der Verletzung des Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz betreffend einen staatenlosen palästinensischen Flüchtling aus dem Libanon bzw Syrien. Der VfGH stellt zudem in der Entscheidung die mangelnde Auseinandersetzung mit dem Parteivorbringen und mit aktuellen Länderfeststellungen, insbesondere zur UNRWA, fest. Auch in dieser Entscheidung befasst sich der VfGH damit, dass es notwendig ist, Ermittlungen durchzuführen (etwa durch eine Anfrage an die Staatendokumentation), ob dem Beschwerdeführer tatsächlich eine Möglichkeit zur legalen Einreise offensteht. In dieser Entscheidung werden auch folgende Länderberichte zitiert:

„Laut Bericht des Danish Immigration Service (DIS) sträuben sich die libanesischen Behörden seit Mai 2018 den staatenlosen palästinensischen Flüchtlingen aus dem Libanon (PRLs), die sich im Ausland aufhalten, die Rückkehr in den Libanon zu gestatten, wenn sie keine Aufenthaltsgenehmigung in dem Land haben, in dem sie sich derzeit aufhalten. Dies gilt unabhängig davon, ob die Rückkehr freiwillig oder zwangsweise erfolgen soll. Die Zahl der erfolgreichen Rückführungen innerhalb dieses Zeitraums ist sehr begrenzt. Anträge für neue oder zu verlängernde palästinensische Reisedokumente sowie die Ausstellung von Laissez-passer für PRLs werden vom libanesischen Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und Emigranten auf Eis gelegt. Es begründet dies damit, dass der Libanon bereits genug Flüchtlinge beherbergt und von der internationalen Gemeinschaft angesichts der großen Anzahl von Flüchtlingen im Libanon keine ausreichende Unterstützung erhält. Laut einer weiteren diplomatischen Quelle des DIS ist es unwahrscheinlich, dass sich die strikte Politik der libanesischen Regierung gegenüber den Flüchtlingen im Libanon, angesichts des derzeitigen politischen Klimas und der finanzpolitischen Herausforderungen, mit denen der Libanon derzeit konfrontiert ist, in absehbarer Zeit ändern wird (DIS 9.3.2020). Z.B. ist laut libanesischer Botschaft Berlin für die Ausstellung eines Reisedokuments sowohl ein Aufenthaltstitel in Deutschland (oder eine Zusicherung der deutschen Ausländerbehörde) als auch im Libanon nötig (BL 2021).“

Zudem stellt der VwGH (2023/18/0286-11, 01.02.24) in dem gegenständlichen Anlassfall auch darauf ab, ob es dem BF zum Zeitpunkt der Ausreise bewusst war, dass er nicht mehr in den Libanon zurückkehren können wird. Da der BF bereits in der VH bestätigte, dass es ihm keinesfalls bewusst war, dass er nicht mehr zurück in den Libanon kann, hat er den „Schutz“ auch nicht freiwillig ausgeschlagen. Die wirtschaftliche Situation für UNRWA Flüchtlinge im Libanon ist prekär, insbesondere nachdem mehrere Länder die Finanzierung ausgesetzt haben. Die palästinensischen Flüchtlinge im Libanon leben in starker Armut, sie haben erhebliche Schwierigkeiten, lebenswichtige Güter und Dienstleistungen zu bezahlen, darunter Lebensmittel, Strom, Gesundheitsversorgung und Miete und hohe Schwierigkeiten medizinische Versorgung zu erreichen. (USDOS – US Department of State: 2023 Country Report on Human Rights Practices: Lebanon, 23. April 2024, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107754.html). Auch weitere Berichte, wie der Bericht von UK Home Office: Country Policy and Information Note Lebanon: Palestinians [Version 2.0], März 2024, https://www.ecoi.net/en/file/lo-cal/2105510/LBN CPIN Palestinians.pdf, berichtet über die schlechte wirtschaftliche Lage im Libanon für Flüchtlinge. Asylos berichtet, dass die staatenlosen Palästinenser von der staatlichen Gesundheitsversor-gung ausgeschlossen sind. Das Welternährungsprogramm berichtete im Juni 2020, dass die Mehrheit der palästinensischen Flüchtlinge im Libanon keinen Zugang zu einer Krankenversicherung haben. Zudem seien palästinensische Flüchtlinge von 39 anerkannten Berufen ausgeschlossen (Jura, Medizin und Ingenieurwesen). Aufgrund der Regelungen im Libanon ist es für palästinensische Flüchtlinge praktisch unmöglich einen angemessenen formellen Arbeitsplatz zu finden, und zwingt sie zu schlecht bezahlter, gering qualifizierter Arbeit im informellen Sektor ohne sozialen Schutz. Obwohl sie 23,5 Prozent ihres Gehalts in den Nationalen Sozialversicherungsfonds einzahlen müssen, erhalten sie keinen Sozialschutz. Zudem berichtet Asylos, dass palästinensische Flüchtlinge aus Syrien (PRS), nach wie vor nicht in der Lage sind, eine libanesische Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, darum erhalten sie Ausreisebefehle, was sie zwingt, ihre Bewegungsfreiheit einzuschränken. Zudem wird immer wieder über Diskriminierungen und mögliche Abschiebungen berichtet (Asylos: Lebanon: Stateless Palestinians, März 2023 https://www.ecoi.net/en/file/local/2087953/palestinian-statelessnessreportfinal(6).pdf).

Zudem würde eine Abschiebung dem Prinzip des Non-Refoulement verstoßen, da im Libanon vermehrt von Abschiebungen nach Syrien ohne rechtsstaatliches Verfahren berichtet. (https://www.ecoi.net/en/file/local/2105779/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Be-richt_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Liba-non%2C_13.03.2024.pdf, https://www.amnesty.at/%C3%BCber-amnesty/aktivist-innen/netz-werk-flucht-migration/news-events/libanon-massenabschiebungen-nach-syrien-stoppen/).

Der Beschwerdeführer bringt nichts mehr vor.

…“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogenrömisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers

1.1.1 Der Beschwerdeführer ist staatenloser Palästinenser, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und Moslem. Seine Muttersprache ist Arabisch. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in Syrien in Damaskus geboren und ist dort aufgewachsen. Im Jahr 2013 ist der Beschwerdeführer, vor einer potenziellen Zwangsrekrutierung, in den Libanon in ein Flüchtlingslager im Verwaltungssprengel der Stadt Baalbek geflüchtet. Im Jahr 2021 verließ der Beschwerdeführer Jordanien und reiste anschließend nach Österreich, wo er am 22.12.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.1.2 Mit rechtskräftigem Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.9.2022, 1291954402-212000265, wurde dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz gewährt. Begründend führte die belangte Behörde aus, im Herkunftsstaat Syrien herrsche eine prekäre Sicherheits- und Versorgungslage. Eine Rückkehr würde eine ernsthafte Bedrohung und reale Gefahr für die körperliche Unversehrtheit des Beschwerdeführers begründen.
1.1.1 Der Beschwerdeführer ist staatenloser Palästinenser, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und Moslem. Seine Muttersprache ist Arabisch. Der Beschwerdeführer wurde am römisch 40 in Syrien in Damaskus geboren und ist dort aufgewachsen. Im Jahr 2013 ist der Beschwerdeführer, vor einer potenziellen Zwangsrekrutierung, in den Libanon in ein Flüchtlingslager im Verwaltungssprengel der Stadt Baalbek geflüchtet. Im Jahr 2021 verließ der Beschwerdeführer Jordanien und reiste anschließend nach Österreich, wo er am 22.12.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.1.2 Mit rechtskräftigem Spruchpunkt römisch II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.9.2022, 1291954402-212000265, wurde dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz gewährt. Begründend führte die belangte Behörde aus, im Herkunftsstaat Syrien herrsche eine prekäre Sicherheits- und Versorgungslage. Eine Rückkehr würde eine ernsthafte Bedrohung und reale Gefahr für die körperliche Unversehrtheit des Beschwerdeführers begründen.

1.2 Zu den Beweggründen der Einreise nach Österreich

1.2.1 Der Beschwerdeführer ist bei United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) als palästinensischer Flüchtling in Syrien registriert worden. Der Beschwerdeführer ist 2013 in den Libanon wegen des syrischen Militärdiensts in den Libanon geflüchtet. Der Beschwerdeführer hat im Libanon tatsächliche Leistungen von UNRWA erhalten.

1.2.2 Im Jahr 2021 wurde der Beschwerdeführer einmal wegen seiner Herkunft von unbekannten maskierten Männern angegriffen und geschlagen. Der Beschwerdeführer wurde öfters mit Rassismus gegen seine Person konfrontiert. Seine Lage erweist sich (wirtschaftlich) als persönlich sehr unsicher.

1.3 Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Zur Lage in Syrien werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 8 vom 29.12.2022 (LIB), den UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, vom März 2021 (UNHCR), der EASO Country Guidance Syrien, vom November 2021 (EASO), der EUAA Syria Security Situation, vom September 2022 (EUAA 1) und der EUAA Country Guidance Syrien, vom Feburar 2023 (EUAA 2) enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.3.1 Politische Lage – Letzte Änderung: 29.12.2022

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte. Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position. Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba’athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten. Obwohl das Regime oft als alawitisch und als Beschützer anderer religiöser Minderheiten bezeichnet wird, stellt die Regierung kein wirkliches Instrument für die politischen Interessen der Minderheiten dar (LIB).

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba?ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen („Shabiha“). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt. Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen. Ein Ende der Kampfhandlungen in Syrien ist nicht in Sicht. Der Konflikt ist eingefroren, das Land ist geteilt. Dank russischer Unterstützung hat Machthaber Bashar al-Assad seine Macht wieder gefestigt, auch wenn seine Truppen nur einen Teil des Landes – die Rede ist von rund zwei Dritteln – kontrollieren (LIB).

Gebietskontrolle

Durch massive syrische und russische Luftangriffe und das Eingreifen Irans bzw. durch Iran unterstützter Milizen hat das syrische Regime mittlerweile alle Landesteile außer Teile des Nordwestens, Nordens und Nordostens von der bewaffneten Opposition zurückerobert. Die Anzahl der Kampfhandlungen ist nach Rückeroberung weiter Landesteile zurückgegangen, jedoch besteht die Absicht des syrischen Regimes, das gesamte Staatsgebiet zurückerobern und „terroristische“ Kräfte vernichten zu wollen, unverändert fort. Trotz der großen Gebietsgewinne durch das Regime besteht die Fragmentierung des Landes in Gebiete, in denen die territoriale Kontrolle von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt wird, fort. Dies gilt insbesondere für den Nordwesten und Nordosten des Landes (LIB).

Am Syrienkonflikt ist eine Vielzahl von Akteuren beteiligt. Die Präsenz ausländischer Streitkräfte, die ihren politischen Willen geltend machen, untergräbt weiterhin die staatliche Souveränität, und Zusammenstöße zwischen bewaffneten regimefreundlichen Gruppen deuten darauf hin, dass die Regierung nicht in der Lage ist, die Akteure vor Ort zu kontrollieren. Darüber hinaus hat eine aufstrebende Klasse wohlhabender Kriegsprofiteure begonnen, ihren wirtschaftlichen Einfluss und den Einfluss von ihnen finanzierter Milizen zu nutzen, und innerhalb der staatlichen Strukturen nach legitimen Positionen zu streben. Das Regime hat zwei Lehren aus dem Konflikt gezogen: Widerspruch mit allen Mitteln niederzuschlagen und verschiedene Akteure gegeneinander auszuspielen, um an der Macht zu bleiben. Aber diese Taktik bringt nicht wirkliche Stabilität oder Sicherheit. Ein permanenter Kampf um ein Minimum an Kontrolle inmitten eines sich verschlechternden sozioökonomischen Umfelds, in dem seine Souveränität von internen und externen Akteuren infrage gestellt wird, ist die Folge (LIB).

Extremistische Rebellengruppierungen, darunter vor allem Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS), haben die Vorherrschaft in Idlib. Die dortigen Lokalräte werden von bewaffneten Gruppen beherrscht oder von diesen umgangen (LIB).

Der sogenannte Islamische Staat (IS) wurde im März 2019 aus seinem Gebiet in Syrien zurückgedrängt, nachdem kurdische Kräfte seine letzte Hochburg erobert hatten. Im Nordosten, aber auch in anderen Teilen des Landes, verlegt sich der IS verstärkt auf Methoden der asymmetrischen Kriegsführung. Hauptziele sind Einrichtungen und Kader der SDF sowie der syrischen Armee (LIB).

1.3.2 Sicherheitslage – Letzte Änderung: 29.12.2022

Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Dynamiken, wie durch die letzte türkischen Offensive im Nordosten ausgelöst, verlässliche grundsätzliche Aussagen respektive die Einschätzung von Trends schwierig machen. Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von all

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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