Entscheidungsdatum
05.07.2024Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W185 2259731-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX , gebXXXX XXXX XXXX StA. Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.04.2024, Zl. 1312459909-240259227, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 römisch 40 römisch 40 römisch 40 römisch 40 , gebXXXX römisch 40 römisch 40 StA. Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.04.2024, Zl. 1312459909-240259227, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 5, AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 21 Abs 5 erster Satz BFA-Verfahrensgesetz idgF (BFA-VG) wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.Gemäß Paragraph 21, Absatz 5, erster Satz BFA-Verfahrensgesetz idgF (BFA-VG) wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Vorverfahren:
Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste am 22.06.2022 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 23.06.2022 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) vom 02.09.2022 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) vom 02.09.2022 ohne in die Sache einzutreten gemäß Paragraph 5, Absatz eins, AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt römisch eins.). Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß Paragraph 61, Absatz eins, Ziffer eins, FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Deutschland gemäß Paragraph 61, Absatz 2, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch II.).
Gegen den Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 07.11.2022 als unbegründet ab.
Die geplante Überstellung des BF am 16.12.2022 musste storniert werden, weil der BF untergetaucht war.
Am 13.01.2023 stellte der BF erneut einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Die Zuständigkeit Deutschlands ergab sich aufgrund des nach wie vor aufrechten Zustimmungsschreibens vom 09.08.2022 gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Dublin III-VO). Mit Aktenvermerk vom 17.01.2023 wurde festgestellt, dass dem BF der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 1 AsylG nicht zukommt. Am 23.01.2023 wurde dem BF die beabsichtigte Vorgehensweise des Bundesamtes zur Kenntnis gebracht, den Antrag des BF auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Deutschland vorliege. Am 31.01.2023 kehrte der BF freiwillig nach Deutschland zurück.Die Zuständigkeit Deutschlands ergab sich aufgrund des nach wie vor aufrechten Zustimmungsschreibens vom 09.08.2022 gemäß Artikel 18, Absatz eins, Litera d, der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Dublin III-VO). Mit Aktenvermerk vom 17.01.2023 wurde festgestellt, dass dem BF der faktische Abschiebeschutz gemäß Paragraph 12 a, Absatz eins, AsylG nicht zukommt. Am 23.01.2023 wurde dem BF die beabsichtigte Vorgehensweise des Bundesamtes zur Kenntnis gebracht, den Antrag des BF auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Deutschland vorliege. Am 31.01.2023 kehrte der BF freiwillig nach Deutschland zurück.
Der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 13.01.2023 wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.02.2023 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Zudem wurde festgestellt, dass gemäß § 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO Deutschland zuständig sei. Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet. Die Entscheidung wurde durch Hinterlegung im Akt rechtskräftig. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 13.01.2023 wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.02.2023 gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Zudem wurde festgestellt, dass gemäß Paragraph 18, Absatz eins, Litera d, Dublin III-VO Deutschland zuständig sei. Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß Paragraph 61, Absatz eins, Ziffer eins, FPG die Außerlandesbringung angeordnet. Die Entscheidung wurde durch Hinterlegung im Akt rechtskräftig.
Gegenständliches Verfahren:
Am 13.02.2024 reiste der BF erneut nach Österreich ein und stellte am selben Tag den vorliegenden (Folge)Antrag auf internationalen Schutz.
Im Akt einliegenden EURODAC-Treffermeldungen zufolge suchte der BF am 26.10.2015, am 07.12.2015 und am 31.01.2023 in Deutschland sowie am 22.06.2022 und am 13.01.2023 in Österreich um Asyl an.
Im Rahmen der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13.02.2024 gab der BF zusammengefasst an, der Einvernahme ohne gesundheitliche Probleme folgen zu können und keine Medikamente zu benötigen. Seine (namentlich angeführte) Mutter, seine (namentlich genannte) Schwester und sein (namentlich angeführter) Bruder würden in Österreich leben. Nach der Entscheidung über seinen letzten Asylantrag in Österreich habe der BF das Bundesgebiet verlassen und sich von Jänner 2023 bis 13.02.2024 in Deutschland aufgehalten. Dort habe er einen Asylantrag eingebracht; er sei nicht abgeschoben worden. Nach Deutschland zurückkehren wolle der BF nicht, da seine Familie in Österreich lebe und er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern zusammenleben wolle. Er könne nicht alleine in Deutschland leben, weil es sehr schwer für ihn sei, alleine und ohne seine Familie zu leben.
Am 19.02.2024 richtete das Bundesamt ein auf Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Deutschland. Dies unter Hinweis auf den neuerlichen Asylantrag in Österreich, das vorherige Dublin-Verfahren und die Angabe des BF, dass er sich seit seiner Überstellung in Deutschland aufgehalten habe (AS 45 ff).Am 19.02.2024 richtete das Bundesamt ein auf Artikel 18, Absatz eins, Litera b, Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Deutschland. Dies unter Hinweis auf den neuerlichen Asylantrag in Österreich, das vorherige Dublin-Verfahren und die Angabe des BF, dass er sich seit seiner Überstellung in Deutschland aufgehalten habe (AS 45 ff).
Die deutsche Dublin-Behörde stimmte der Wiederaufnahme des BF gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO mit Schreiben vom 21.02.2024 ausdrücklich zu und gab die o.a. Aliasdaten des BF bekannt (AS 57 f).Die deutsche Dublin-Behörde stimmte der Wiederaufnahme des BF gemäß Artikel 18, Absatz eins, Litera d, Dublin III-VO mit Schreiben vom 21.02.2024 ausdrücklich zu und gab die o.a. Aliasdaten des BF bekannt (AS 57 f).
Im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt am 09.04.2024 gab der BF zusammengefasst an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, die Befragung zu absolvieren. Er sei gesund und derzeit nicht in ärztlicher Behandlung oder Therapie. Seine Mutter, seine Schwester und sein Bruder würden gemeinsam in Wien leben. Die genannten Angehörigen würden sich seit dem Jahr 2015 in Österreich aufhalten und hätten alle einen Konventionsreisepass. Im Iran habe der BF mit seinen Familienangehörigen zusammengelebt. Bevor der BF nach Österreich gekommen sei, habe er seine Familienmitglieder zuletzt im Iran gesehen. Seit er in Österreich sei, besuche er seine Familie regelmäßig und seine Familienmitglieder würden ihn ab und zu in der Betreuungsstelle besuchen. Von seinen Familienmitgliedern sei er sowohl finanziell als auch emotional abhängig. Seine Mutter und seine Schwester würden ihn finanziell unterstützen. Als sich der BF in Deutschland aufgehalten habe, habe er jeden Tag telefonischen Kontakt mit den genannten Familienangehörigen gehabt und diese hätten ihn auch ein oder zwei Mal in Deutschland besucht. Seine Mutter sei pensioniert, seine Schwester arbeite und sein Bruder mache eine Ausbildung als Elektriker. Der BF gab an, weder verheiratet zu sein noch Kinder zu haben. In Deutschland sei er immer untergebracht gewesen, zuletzt in einer Asylunterkunft; er sei auch versorgt worden. Er habe dort in einer Autozubehörfirma gearbeitet. In Deutschland sei er aber nicht asylberechtigt und habe von den deutschen Behörden keine Dokumente erhalten. Er sei nach Österreich gekommen, weil er in Deutschland keine Dokumente bekommen habe und er dort „alleine“ gewesen sei. Er wolle bei seiner Familie in Österreich leben und hier auch arbeiten. Über Vorhalt der Absicht des Bundesamtes, den Antrag des BF auf internationalen Schutz zurückzuweisen und ihn aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Deutschland auszuweisen, erklärte der Genannte, nicht zu verstehen, warum er in Deutschland keine Dokumente bekommen habe, wenn dieser Staat doch angeblich für ihn zuständig sei. Er habe acht Jahre lang in Deutschland gelebt und dann einen Aufenthaltstitel bekommen, der für sechs Monate gültig gewesen sei; es sei jedoch schwierig gewesen, mit diesem Dokument Arbeit zu finden. Der Aufenthaltstitel sei inzwischen abgelaufen. Das Leben sei für ihn in Deutschland „nicht gut“ gewesen, weil man dort ohne die richtigen Dokumente keine Arbeit finden könne. Er wolle nicht nach Deutschland zurückkehren, sondern bei seiner Familie in Österreich bleiben.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 25.04.2024 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).Mit Bescheid des Bundesamtes vom 25.04.2024 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß Paragraph 5, Absatz eins, AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland gemäß Artikel 18, Absatz eins, Litera d, Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt römisch eins.). Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß Paragraph 61, Absatz eins, Ziffer eins, FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Deutschland gemäß Paragraph 61, Absatz 2, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch II.).
Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Deutschland wurden im angefochtenen Bescheid folgendermaßen zusammengefasst (Stand: 07.03.2024; ungekürzt):
Länderspezifische Anmerkungen
Hinweis:
Ukrainer:
Ukrainischen Staatsangehörigen und ihren Familienangehörigen wird vorübergehender Schutz gewährt. Vorübergehender Schutz kann auch Drittstaatsangehörigen gewährt werden, die über eine Aufenthaltserlaubnis in der Ukraine verfügen, auch wenn es sich nicht um eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis handelt, allerdings nur, wenn sie nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können. Im März 2023 besaßen 778.799 Personen eine Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz (AIDA 4.2023).
Im April 2023 lebten 1,1 Millionen Ukrainer in Deutschland, die größte Gruppe ausländischer Staatsangehöriger im Land. Nach Angaben des Innenministeriums haben bis Juli 2023 243.000 Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, Deutschland verlassen und sind entweder in die Ukraine zurückgekehrt oder in andere Länder gezogen. Nach der Verlängerung der EU-Richtlinie über den vorübergehenden Schutz verlängerte die Regierung ihre Ausnahmeregelung, die es Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, erlaubt, sich in Deutschland aufzuhalten, zu arbeiten und sozialen Schutz zu erhalten, bis zum 4. März 2025 (HRW 11.1.2024).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (4.2023): Hoffmeyer-Zlotnik/Stiller (Autoren) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE) (Veröffentlicher); Country Report Germany 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/04/AIDA-DE_2022update.pdf, Zugriff 27.2.2024
- HRW – Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103213.html, Zugriff 1.3.2024
Allgemeines zum Asylverfahren
In Deutschland existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Für das erstinstanzliche Asylverfahren zuständig ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Beschwerden können an die zuständigen Verwaltungsgerichte oder weiter an übergeordnete Gerichte (Gerichtshöfe) gerichtet werden (AIDA 4.2023; vgl. BAMF 10.2023, für ausführliche Informationen siehe dieselben Quellen).In Deutschland existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Für das erstinstanzliche Asylverfahren zuständig ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Beschwerden können an die zuständigen Verwaltungsgerichte oder weiter an übergeordnete Gerichte (Gerichtshöfe) gerichtet werden (AIDA 4.2023; vergleiche BAMF 10.2023, für ausführliche Informationen siehe dieselben Quellen).
Überblick über das deutsche Asylverfahren:
(Quelle: AIDA 4.2023)
Nach Angaben der Bundesregierung haben in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 188.967 Menschen in Deutschland einen Asylantrag gestellt, was einem Anstieg von 78,1% gegenüber 2022 entspricht. Die meisten Antragsteller kamen aus Syrien, Afghanistan, Türkei, Iran und Irak (HRW 11.1.2024).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (4.2023): Hoffmeyer-Zlotnik/Stiller (Autoren) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE) (Veröffentlicher); Country Report Germany 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/04/AIDA-DE_2022update.pdf, Zugriff 27.2.2024
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2023): Ablauf des deutschen Asylverfahrens, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=31, Zugriff 27.2.2024
- HRW – Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103213.html, Zugriff 1.3.2024
Dublin-Rückkehrer
Im Jahr 2022 wurden 3.700 Überstellungen nach Deutschland durchgeführt, verglichen mit 4.274 im Jahr 2021, 4.369 im Jahr 2020 und 6.087 im Jahr 2019. Im Jahr 2022 kamen die meisten Überstellungsersuchen an Deutschland aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Es gibt keine Berichte darüber, dass Dublin-Überstellte nach der Überstellung nach Deutschland Schwierigkeiten beim Zugang zum Asylverfahren oder andere Probleme hatten. Es gibt kein einheitliches Verfahren für die Aufnahme und Weiterbehandlung von Dublin-Überstellten. Wenn sie bereits in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, sind sie in der Regel verpflichtet, in die Region zurückzukehren, der sie während ihres früheren Asylverfahrens in Deutschland zugewiesen wurden. Wurde ihr Antrag bereits rechtskräftig abgelehnt, ist es möglich, dass sie bei der Rückkehr nach Deutschland in Schubhaft genommen werden (AIDA 4.2023).
Dublin-Überstellungen nach Deutschland müssen in einem kontrollierten Umfeld durchgeführt werden. Das heißt, die deutschen Behörden sind im Voraus über die Ankunft des Antragstellers informiert. Nach Ankunft muss sich der Rückkehrer bei einer staatlichen Behörde (in der Regel der Bundespolizei) melden, welche die Ankunft dokumentiert. Im Falle der Ersteinreise nach Deutschland registriert die Bundespolizei den Betreffenden und verweist ihn an die nächstgelegene Erstaufnahmeeinrichtung. Bei einer Wiedereinreise nach Deutschland (Wiederaufnahme, Folgeantrag) wird der Antragsteller an die zuständige Aufnahmeeinrichtung verwiesen. In beiden Fällen wird dem Antragsteller ein Zugticket und ein Dokument zur Ermittlung der zuständigen Aufnahmeeinrichtung ausgehändigt. Der Antragsteller reist selbständig zur angegebenen Aufnahmeeinrichtung. Der Zugang zu Unterkünften und anderen materiellen Aufnahmebedingungen erfordert keinen gesonderten Antrag, sondern wird automatisch gewährt, wenn der Behörde die Existenz des Leistungsempfängers und dessen Anspruch auf die Leistungen bekannt ist. Daher empfiehlt es sich, nach Überstellung nach Deutschland, die Leistungsstelle persönlich zu kontaktieren. Wenn der Rückkehrer nicht bereits als Asylwerber in Deutschland registriert ist, ist ein Asylantrag und die entsprechende Registrierung gemäß Asylgesetz erforderlich. Die nötigen Schritte werden so schnell als unternommen, um grundlegende Bedürfnisse wird sich innerhalb von Stunden oder Tagen gekümmert (BAMF/EUAA 5.3.2024).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (4.2023): Hoffmeyer-Zlotnik/Stiller (Autoren) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE) (Veröffentlicher); Country Report Germany 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/04/AIDA-DE_2022update.pdf, Zugriff 27.2.2024
- BAMF/EUAA – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) [Deutschland] (Autor) / European Union Agency for Asylum (EUAA) (Veröffentlicher) (2.5.2023): Information on procedural elements and rights of applicants subject to a Dublin transfer to Germany, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/2023-05/factsheet_dublin_transfers_de.pdf, Zugriff 5.3.2024
Non-Refoulement
Deutschland führt eine Liste sicherer Herkunftsstaaten. Zusätzlich führt Deutschland eine Liste sicherer Drittstaaten, von denen angenommen werden kann, dass sie die Flüchtlingskonvention von 1951 und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) anwenden. Letztere Liste umfasst derzeit Norwegen und die Schweiz (AIDA 4.2023).
Wenn Asylsuchende bereits in einem "sonstigen Drittstaat" vor Verfolgung sicher waren, ist dies ein Grund für Unzulässigkeit. Eine solche Sicherheit wird vermutet, wenn der Antragsteller im Besitz eines Reisedokuments aus diesem Land ist oder sich dort mehr als drei Monaten aufhielt, ohne von Verfolgung bedroht zu sein. Der Antragsteller kann diese Vermutung widerlegen, indem er eine Verfolgungsbedrohung glaubhaft macht. Die Bestimmung wird selten angewendet (24-mal im Jahr 2020, 4-mal im Jahr 2021 und 6-mal im Jahr 2022) (AIDA 4.2023).
Die Einreise in das Hoheitsgebiet muss verweigert werden, wenn ein Migrant an der Grenze ohne die erforderlichen Dokumente für eine legale Einreise erscheint und wenn eine sofortige Abschiebung in das Nachbarland (als sicherer Drittstaat) möglich ist. Seit 2013 dürfen Asylwerber nicht mehr in Nachbarländer zurückgeschickt werden, ohne dass ihr Antrag auf internationalen Schutz registriert wurde. Doch selbst wenn Migranten die Grenze überschritten haben - die aufgrund einer im Bundespolizeigesetz (in Anlehnung an den Schengener Grenzkodex) als 30 km langer Streifen definiert ist - haben sie nicht unbedingt das Hoheitsgebiet betreten, und es ist möglich, dass zu diesem Zeitpunkt noch eine Zurückweisung in den Nachbarstaat erfolgt, ohne zu prüfen, welches Land für die Behandlung des Asylantrags zuständig ist. Im Jahr 2022 stellten die Grenzkontrollbehörden insgesamt 34.731 Personen fest, die irregulär nach Deutschland einreisten und Asyl beantragten. Von diesen wurden 34.061 an das BAMF verwiesen. Seit 2015 führt Deutschland an den Grenzen zu Österreich regelmäßig wieder Grenzkontrollen ein (AIDA 4.2023).
Im Jahr 2018 wurde ein umstrittenes Verfahren eingeführt, das es der Bundespolizei ermöglicht, die Einreise an der Grenze zu verweigern und Personen innerhalb von 48 Stunden nach Griechenland und Spanien zurückzuschicken, wenn sie dort zuvor einen Asylantrag gestellt haben. Dieses Verfahren stützt sich auf Verwaltungsvorschriften und spezielle administrative Rückübernahmeabkommen mit den beiden Ländern. Diese Rückführungen beruhen also nicht auf der Dublin-Verordnung, sondern auf einer Einreiseverweigerung nach dem (nationalen) Begriff des sicheren Drittstaates in Kombination mit Verwaltungsvereinbarungen mit anderen EU-Mitgliedstaaten. Seit 2019 wurde sie nur noch auf Personen angewandt, die an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen wurden, da dies die einzige Grenze war, an der weiterhin Kontrollen stattfanden. Die Maßnahme wurde in der Praxis kaum angewandt und stark kritisiert (AIDA 4.2023).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (4.2023): Hoffmeyer-Zlotnik/Stiller (Autoren) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE) (Veröffentlicher); Country Report Germany 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/04/AIDA-DE_2022update.pdf, Zugriff 27.2.2024
Versorgung
In den ersten 18 Monaten ihres Aufenthalts erhalten Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Grundleistungen (BAMF/EUAA 5.3.2023). Sie erhalten die Leistungen jedoch erst dann in vollem Umfang, wenn sie durch die Ausstellung eines Ankunftsnachweises in der Aufnahmeeinrichtung, der sie zugewiesen wurden, formell den Status eines Asylwerbers erhalten. In der Praxis geschieht dies innerhalb weniger Tage nach ihrer Meldung bei den Behörden. Sie haben mindestens so lange Anspruch auf diese Aufnahmebedingungen, wie sie den Status eines Asylwerbers haben, also in der Regel auch für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens. Asylwerber erhalten sowohl Sach- als auch Geldleistungen nur in der Stadt oder dem Landkreis, dem sie zugewiesen wurden und haben keinen Anspruch auf Leistungen in anderen Teilen Deutschlands, es sei denn, sie erhalten eine behördliche Erlaubnis, sich dorthin zu begeben. Wenn Asylwerber über Einkommen oder Vermögen verfügen, sind sie gesetzlich verpflichtet, diese Mittel einzusetzen, bevor sie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten können (AIDA 4.2023).
Voraussetzung für den Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, ist Bedürftigkeit (kein verfügbares Einkommen oder Vermögen). Der Zugang zu Unterkünften und anderen materiellen Aufnahmebedingungen erfordert keinen einen gesonderten Antrag, sondern wird automatisch gewährt, wenn der Behörde die Existenz des Leistungsempfängers und dessen Anspruch auf diese Leistungen bekannt ist (BAMF/EUAA 2.5.2023).
Das Asylbewerberleistungsgesetz sichert den Grundbedarf und regelt die Versorgung. Es gilt für Anspruchsberechtigte, u.a. für Asylwerber sowie Ausreisepflichtige (z.B. abgelehnte Asylwerber oder Inhaber von Duldungen). Folgende Leistungen sind gemäß Asylbewerberleistungsgesetz vorgesehen:
- Grundleistungen für Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege, Gebrauchs- und Verbrauchsgüter im Haushalt;
- Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse im Alltag (sogenanntes Taschengeld);
- Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt;
- bei besonderen Umständen auch weitere Leistungen, die vom Einzelfall abhängen (BAMF o.D.a).
Nach dem Gesetz erhalten Asylwerber, die in Aufnahmezentren untergebracht sind, nur Sachleistungen, in der Praxis erhalten sie das Taschengeld jedoch häufig in bar. Für Asylwerber in dezentralen Sammelunterkünften können Sachleistungen erbracht werden. Allein lebende Asylwerber müssen das Taschengeld in bar erhalten. Für diejenigen, die außerhalb von Aufnahmezentren leben, müssen die Kosten für Unterkunft (Miete), Heizung und Hausrat zusätzlich zu den oben genannten Leistungen erbracht werden, soweit dies notwendig und angemessen ist. Einzelheiten regeln die Bundesländer (BAMF o.D.a).
Nach 18 Monaten überwiegend ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet werden Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz deutschen Staatsangehörigen bei den Leistungen für alte, behinderte und erwerbsgeminderte Personen gleichgestellt (BAMF/EUAA 5.3.2023). Das bedeutet Zugang zu regulären Sozialleistungen (AIDA 4.2023).
Monatliche Leistungen für Asylwerber im Überblick, inkl. Gegenüberstellung regulärer Sozialleistungen (Stand 01.2023):
(Quelle: AIDA 4.2023)
Es gibt Kritik, dass die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht ausreichen würden, um einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten (CERD 21.12.2023).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (4.2023): Hoffmeyer-Zlotnik/Stiller (Autoren) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE) (Veröffentlicher); Country Report Germany 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/04/AIDA-DE_2022update.pdf, Zugriff 27.2.2024
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (ohne Datum a): Zuständige Aufnahmeeinrichtung, https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/AblaufAsylverfahrens/Aufnahmeeinrichtung/aufnahmeeinrichtung-node.html, Zugriff 5.3.2024
- BAMF/EUAA – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) [Deutschland] (Autor) / European Union Agency for Asylum (EUAA) (Veröffentlicher) (2.5.2023): Information on procedural elements and rights of applicants subject to a Dublin transfer to Germany, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/2023-05/factsheet_dublin_transfers_de.pdf, Zugriff 5.3.2024
- CERD – UN Committee on the Elimination of Racial Discrimination (21.12.2023): Concluding observations on the combined 23rd to 26th reports of Germany [CERD/C/DEU/CO/23-26], https://www.ecoi.net/en/file/local/2102670/CERD_C_DEU_CO_23-26_56798_E.pdf, Zugriff 1.3.2024
Unterbringung
Im Allgemeinen können 4 Arten von Unterkünften für Asylwerber unterschieden werden:
• Erstaufnahmezentren (einschließlich Ankunftszentren, spezielle Aufnahmezentren und AnkER-Zentren)
• Gemeinschaftsunterkünfte
• Dezentrale Unterbringung
• Notunterkünfte für den Fall außergewöhnlich hoher Ankunftszahlen
(AIDA 4.2023)
Die Bundesländer sind für die Aufnahme zuständig, das Bundesrecht gibt einen allgemeinen Rechtsrahmen vor. Generell sieht das Asylgesetz ein zweistufiges Aufnahmeverfahren vor. Zunächst werden die Asylwerber für maximal 18 Monate in Erstaufnahmezentren untergebracht. Viele Asylwerber bleiben nicht während der gesamten 18 Monate in den Erstaufnahmeeinrichtungen, da sie nach der Entscheidung über ihren Asylantrag an andere Orte weitergeschickt werden. Nur Asylwerber aus sicheren Herkunftsstaaten sind generell verpflichtet, während der gesamten Dauer ihres Verfahrens in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu bleiben. Darüber hinaus können die Bundesländer die Höchstdauer für bestimmte Gruppen von Asylwerbern auf 24 Monate verlängern. Für Minderjährige, ihre Eltern und ihre unverheirateten erwachsenen Geschwister beträgt die maximale Aufenthaltsdauer sechs Monate (AIDA 4.2023; vgl. BAMF/EUAA 5.3.2023).Die Bundesländer sind für die Aufnahme zuständig, das Bundesrecht gibt einen allgemeinen Rechtsrahmen vor. Generell sieht das Asylgesetz ein zweistufiges Aufnahmeverfahren vor. Zunächst werden die Asylwerber für maximal 18 Monate in Erstaufnahmezentren untergebracht. Viele Asylwerber bleiben nicht während der gesamten 18 Monate in den Erstaufnahmeeinrichtungen, da sie nach der Entscheidung über ihren Asylantrag an andere Orte weitergeschickt werden. Nur Asylwerber aus sicheren Herkunftsstaaten sind generell verpflichtet, während der gesamten Dauer ihres Verfahrens in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu bleiben. Darüber hinaus können die Bundesländer die Höchstdauer für bestimmte Gruppen von Asylwerbern auf 24 Monate verlängern. Für Minderjährige, ihre Eltern und ihre unverheirateten erwachsenen Geschwister beträgt die maximale Aufenthaltsdauer sechs Monate (AIDA 4.2023; vergleiche BAMF/EUAA 5.3.2023).
In einem zweiten Schritt werden die Asylwerber deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, den Gemeinden weiter Unterbringung zugewiesen. Diese geschieht entweder in Gemeinschaftsunterkünften oder in dezentraler Unterbringung (Wohnungen). Die Verpflichtung, in der Unterbringung der Gemeinde zu bleiben, gilt auch für die gesamte Dauer möglicher Rechtsbehelfsverfahren, aber es gibt regionale Unterschiede und einige Kommunen gewähren auch Zugang zum regulären Wohnungsmarkt (AIDA 4.2023).
Ankunftszentren (in Bayern: Transitzentren) sind eine Form von Erstaufnahmezentren, die an verschiedenen Orten in Deutschland eingerichtet, in denen verschiedene Behörden in denselben Räumlichkeiten untergebracht und in denen Verfahren wie Registrierung, Identitätsprüfung, Anhörung und Entscheidungsfindung gestrafft wurden. Zum selben Zweck wurden im August 2018 die "Ankunft, Entscheidung, Rückführung" (AnkER)-Zentren eingerichtet. Hauptziel war es, alle Aktivitäten an einem Ort zu zentralisieren und das Asylverfahren zu verkürzen. Bis Ende 2020 passten acht Bundesländer ihre Aufnahmeeinrichtungen an das AnkER-Konzept an, ohne dabei zwangsläufig den politisch umstrittenen Namen AnkER-Zentrum für diese Einrichtungen zu verwenden. Nach der Bundestagswahl 2021 erklärte die Bundesregierung, das AnkER-Zentrumskonzept nicht weiter zu verfolgen, in der Praxis existieren die Zentren jedoch weiter (AIDA 4.2023).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (4.2023): Hoffmeyer-Zlotnik/Stiller (Autoren) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE) (Veröffentlicher); Country Report Germany 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/04/AIDA-DE_2022update.pdf, Zugriff 27.2.2024
- BAMF/EUAA – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) [Deutschland] (Autor) / European Union Agency for Asylum (EUAA) (Veröffentlicher) (2.5.2023): Information on procedural elements and rights of applicants subject to a Dublin transfer to Germany, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/2023-05/factsheet_dublin_transfers_de.pdf, Zugriff 5.3.2024
Medizinische Versorgung
Das Gesetz beschränkt die Gesundheitsversorgung von Asylwerbern in den ersten 18 Monaten des Aufenthalts auf Fälle akuter Erkrankungen oder Schmerzen, in denen notwendige ärztliche oder zahnärztliche Behandlungen einschließlich Medikamenten usw. zu garantieren ist (AIDA 4.2023). Sonstige Leistungen können insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall unverzichtbar sind (BAMF/EUAA 5.3.2023). Schwangere und Wöchnerinnen haben Anspruch auf entsprechende medizinische Versorgung (AIDA 4.2023). Nach 18 Monaten haben Asylwerber Anspruch auf allgemeine Sozialleistungen und somit auch auf Gesundheitsversorgung unter denselben Bedingungen wie deutsche Staatsbürger, die Sozialleistungen erhalten. Generell ist die Praxis des Zugangs zur Gesundheitsversorgung von Bundesland zu Bundesland und teilweise auch von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich (AIDA 4.2023; vgl. BAMF/EUAA 5.3.2023). Leistungsberechtigte können entweder eine dauerhafte elektronische Versicherungskarte einer gesetzlichen Krankenkasse erhalten oder im Falle eines akuten Behandlungsbedarfs einen Krankenschein, der eine Kostenzusage der zuständigen Behörde beinhaltet. In beiden Fällen werden die medizinischen Leistungen von Ärzten und medizinischen Einrichtungen wie Krankenhäusern erbracht, die allen gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland zur Verfügung stehen (BAMF/EUAA 5.3.2023). Das Recht auf medizinische Versorgung bleibt auch erhalten, wenn die Versorgungsleistungen, aus welchen Gründen auch immer, gekürzt werden (AIDA 4.2023).Das Gesetz beschränkt die Gesundheitsversorgung von Asylwerbern in den ersten 18 Monaten des Aufenthalts auf Fälle akuter Erkrankungen oder Schmerzen, in denen notwendige ärztliche oder zahnärztliche Behandlungen einschließlich Medikamenten usw. zu garantieren ist (AIDA 4.2023). Sonstige Leistungen können insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall unverzichtbar sind (BAMF/EUAA 5.3.2023). Schwangere und Wöchnerinnen haben Anspruch auf entsprechende medizinische Versorgung (AIDA 4.2023). Nach 18 Monaten haben Asylwerber Anspruch auf allgemeine Sozialleistungen und somit auch auf Gesundheitsversorgung unter denselben Bedingungen wie deutsche Staatsbürger, die Sozialleistungen erhalten. Generell ist die Praxis des Zugangs zur Gesundheitsversorgung von Bundesland zu Bundesland und teilweise auch von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich (AIDA 4.2023; vergleiche BAMF/EUAA 5.3.2023). Leistungsberechtigte können entweder eine dauerhafte elektronische Versicherungskarte einer gesetzlichen Krankenkasse erhalten oder im Falle eines akuten Behandlungsbedarfs einen Krankenschein, der eine Kostenzusage der zuständigen Behörde beinhaltet. In beiden Fällen werden die medizinischen Leistungen von Ärzten und medizinischen Einrichtungen wie Krankenhäusern erbracht, die allen gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland zur Verfügung stehen (BAMF/EUAA 5.3.2023). Das Recht auf medizinische Versorgung bleibt auch erhalten, wenn die Versorgungsleistungen, aus welchen Gründen auch immer, gekürzt werden (AIDA 4.2023).
Eine spezialisierte Behandlung von traumatisierten Asylwerbern und Folteropfern kann von einigen spezialisierten Ärzten und Therapeuten und in mehreren spezialisierten Einrichtungen (Behandlungszentren für Folteropfer) durchgeführt werden. Da die Zahl der Plätze in den Behandlungszentren begrenzt ist, ist der Zugang zu den Therapien nicht immer gewährleistet. Im Jahr 2020 wurde über 9.720 Antragstellern der Zugang verweigert, und andere mussten durchschnittlich sechs bis sieben Monate auf den Beginn einer Behandlung warten. Die Behandlungszentren müssen den Großteil der Kosten für Therapien (96,7%) durch Spenden oder andere Mittel decken, da die Therapien für Asylwerber oft nicht von den Gesundheits- und Sozialbehörden übernommen werden. Große Entfernungen zwischen den Wohnorten der Asylwerber und den Behandlungszentren können eine wirksame Therapie in der Praxis ebenfalls unmöglich machen (AIDA 4.2023).
MedCOI bearbeitet keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten (EUAA MedCOI 19.2.2021).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (4.2023): Hoffmeyer-Zlotnik/Stiller (Autoren) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE) (Veröffentlicher); Country Report Germany 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/04/AIDA-DE_2022update.pdf, Zugriff 27.2.2024
- BAMF/EUAA – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) [Deutschland] (Autor) / European Union Agency for Asylum (EUAA) (Veröffentlicher) (2.5.2023): Information on procedural elements and rights of applicants subject to a Dublin transfer to Germany, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/2023-05/factsheet_dublin_transfers_de.pdf, Zugriff 5.3.2024
- EUAA MedCOI – Medical COI (19.2.2021): Auskunft von EUAA MedCOI, per E-Mail
Im Bescheid wurde weiter festgestellt, dass die Identität des BF nicht feststehe. Der Genannte sei gesund, ledig und habe keine Kinder. Es könne nicht festgestellt werden, dass schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestünden. In Deutschland habe der BF mehrmals um Asyl angesucht; Deutschland habe sich mit Schreiben vom 21.02.2024 gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO für die Führung des Asylverfahrens des BF für zuständig erklärt. Ein zuständigkeitsbeendendes Sachverhaltsmerkmal könne nicht festgestellt werden. In Österreich würden die Mutter, die Schwester und zwei Brüder des BF als anerkannte Flüchtlinge leben. Mit den angeführten Verwandten lebe der BF in Österreich aber nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Der BF habe keine gegenseitige Abhängigkeit in finanzieller oder sonstiger Hinsicht belegen können; er werde vom Staat unterstützt. Es bestehe kein intensives bzw. maßgebliches Abhängigkeitsverhältnis iSd Art 16 und 17 Dublin III-VO. Die Beziehung zu seinen Angehörigen gehe über ein übliches verwandtschaftliches Maß nicht hinaus. Eine besondere Integrationsverfestigung des BF in Österreich bestehe nicht. Eine Verletzung des Rechts auf Privatleben durch die Ausweisung sei deshalb auch nicht zu erkennen. Durch die negative Entscheidung erfolge kein ungerechtfertigter Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben. Kontakt könne auch in Zukunft telefonisch, über soziale Medien oder Besuche aufrechterhalten werden. Aus den Angaben des BF hätten sich keine stichhaltigen Gründe für die Annahme ergeben, dass er tatsächlich konkret Gefahr laufen würde, in Deutschland Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihm eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könnte. In Deutschland sei ausreichende Versorgung für Asylwerber gewährleistet. Deutschland habe sich ausdrücklich bereit erklärt, den BF im Rahmen der Verpflichtungen aus der Dublin-VO zur Prüfung seines Asylantrages zu übernehmen und es könne daher nicht erkannt werden, dass ihm der Zugang zum Asylverfahren in Deutschland verweigert werde. In Deutschland, einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union als einer Rechts- und Wertegemeinschaft und des Europarates, werde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang nicht eintreten. Auch aus der Rechtsprechung des EGMR oder aus sonstigem Amtswissen lasse sich eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Deutschland keinesfalls erkennen. Ein im besonderem Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer relevanten Verletzung des Art. 4 Grundrechtecharta bzw. von Art. 3 EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich für möglich erscheinen ließen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe zu und habe sich kein zwingender Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben.Im Bescheid wurde weiter festgestellt, dass die Identität des BF nicht feststehe. Der Genannte sei gesund, ledig und habe keine Kinder. Es könne nicht festgestellt werden, dass schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestünden. In Deutschland habe der BF mehrmals um Asyl angesucht; Deutschland habe sich mit Schreiben vom 21.02.2024 gemäß Artikel 18, Absatz eins, Litera d, Dublin III-VO für die Führung des Asylverfahrens des BF für zuständig erklärt. Ein zuständigkeitsbeendendes Sachverhaltsmerkmal könne nicht festgestellt werden. In Österreich würden die Mutter, die Schwester und zwei Brüder des BF als anerkannte Flüchtlinge leben. Mit den angeführten Verwandten lebe der BF in Österreich aber nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Der BF habe keine gegenseitige Abhängigkeit in finanzieller oder sonstiger Hinsicht belegen können; er werde vom Staat unterstützt. Es bestehe kein intensives bzw. maßgebliches Abhängigkeitsverhältnis iSd Artikel 16 und 17 Dublin III-VO. Die Beziehung zu seinen Angehörigen gehe über ein übliches verwandtschaftliches Maß nicht hinaus. Eine besondere Integrationsverfestigung des BF in Österreich bestehe nicht. Eine Verletzung des Rechts auf Privatleben durch die Ausweisung sei deshalb auch nicht zu erkennen. Durch die negative Entscheidung erfolge kein ungerechtfertigter Eingriff in das durch Artikel 8, EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben. Kontakt könne auch in Zukunft telefonisch, über soziale Medien oder Besuche aufrechterhalten werden. Aus den Angaben des BF hätten sich keine stichhaltigen Gründe für die Annahme ergeben, dass er tatsächlich konkret Gefahr laufen würde, in Deutschland Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihm eine Verletzung seiner durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte drohen könnte. In Deutschland sei ausreichende Versorgung für Asylwerber gewährleistet. Deutschland habe sich ausdrücklich bereit erklärt, den BF im Rahmen der Verpflichtungen aus der Dublin-VO zur Prüfung seines Asylantrages zu übernehmen und es könne daher nicht erkannt werden, dass ihm der Zugang zum Asylverfahren in Deutschland verweigert werde. In Deutschland, einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union als einer Rechts- und Wertegemeinschaft und des Europarates, werde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang nicht eintreten. Auch aus der Rechtsprechung des EGMR oder aus sonstigem Amtswissen lasse sich eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Deutschland keinesfalls erkennen. Ein im besonderem Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer relevanten Verletzung des Artikel 4, Grundrechtecharta bzw. von Artikel 3, EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich für möglich erscheinen ließen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des Paragraph 5, Absatz 3, AsylG treffe zu und habe sich kein zwingender Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes gemäß Artikel 17, Absatz eins, Dublin III-VO ergeben.
Gegen den o.a. Bescheid des Bundesamtes richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich die Behörde nicht mit dem tatsächlichen Aufenthaltsstatus des BF in Deutschland beschäftigt habe. Es sei nicht erhoben worden, ob der BF nun tatsächlich über ein Aufenthaltsrecht in Deutschland verfüge oder nicht; die Angaben des BF dazu seien nicht eindeutig gewesen. Seine Asylanträge in Deutschland seien sämtlich abgewiesen worden. Wäre der BF in Deutschland tatsächlich ohne jeden Aufenthaltstitel, so bestünde die Möglichkeit der Verletzung des Non-Refoulement-Gebotes und Österreich hätte in das Verfahren eintreten müssen. Außerdem hätte die Behörde erheben müssen, wie stark die emotionale Abhängigkeit des BF von seiner Familie, die in Österreich lebe, sei. Der BF sei auch während seines Aufenthaltes in Deutschland in täglichem telefonischem Kontakt mit seiner Familie gestanden und sehe sie seit seinem Aufenthalt in Österreich so oft wie möglich. Bei der Rechtsberatung habe der BF mehrmals angegeben, dass es ihm psychisch „nicht gut gehe“ und er eine weitere Trennung von seiner Familie „nicht ertragen“ könne. Er beabsichtige, in Österreich deshalb auch ärztliche sowie psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch nehmen. Die Behörde habe ihre Ermittlungspflicht nicht voll wahrgenommen und das Verfahren damit mit groben Mängeln belastet. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens hätte die belangte Behörde zu dem Schluss kommen müssen, dass die Überstellung des BF nach Deutschland eine Verletzung seiner durch Art. 2, 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, zumal ihm in Deutschland eine Abschiebung nach Afghanistan drohe, weshalb Österreich zwingend das Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben hätte. Außerdem würde eine Überstellung nach Deutschland den BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK verletzen. Es wurde angeregt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.Gegen den o.a. Bescheid des Bundesamtes richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich die Behörde nicht mit dem tatsächlichen Aufenthaltsstatus des BF in Deutschland beschäftigt habe. Es sei nicht erhoben worden, ob der BF nun tatsächlich über ein Aufenthaltsrecht in Deutschland verfüge oder nicht; die Angaben des BF dazu seien nicht eindeutig gewesen. Seine Asylanträge in Deutschland seien sämtlich abgewiesen worden. Wäre der BF in Deutschland tatsächlich ohne jeden Aufenthaltstitel, so bestünde die Möglichkeit der Verletzung des Non-Refoulement-Gebotes und Österreich hätte in das Verfahren eintreten müssen. Außerdem hätte die Behörde erheben müssen, wie stark die emotionale Abhängigkeit des BF von seiner Familie, die in Österreich lebe, sei. Der BF sei auch während seines Aufenthaltes in Deutschland in täglichem telefonischem Kontakt mit seiner Familie gestanden und sehe sie seit seinem Aufenthalt in Österreich so oft wie möglich. Bei der Rechtsberatung habe der BF mehrmals angegeben, dass es ihm psychisch „nicht gut gehe“ und er eine weitere Trennung von seiner Familie „nicht ertragen“ könne. Er beabsichtige, in Österreich deshalb auch ärztliche sowie psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch nehmen. Die Behörde habe ihre Ermittlungspflicht nicht voll wahrgenommen und das Verfahren damit mit groben Mängeln belastet. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens hätte die belangte Behörde zu dem Schluss kommen müssen, dass die Überstellung des BF nach Deutschland eine Verletzung seiner durch Artikel 2,, 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, zumal ihm in Deutschland eine Abschiebung nach Afghanistan drohe, weshalb Österreich zwingend das Selbsteintrittsrecht gemäß Artikel 17, Absatz eins, Dublin III-VO auszuüben hätte. Außerdem würde eine Überstellung nach Deutschland den BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Artikel 8, EMRK verletzen. Es wurde angeregt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Am 12.06.2024 wurde der BF auf dem Luftweg nach Deutschland überstellt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird zunächst der unter Pkt. I. dargelegte Verfahrensgang.Festgestellt wird