Entscheidungsdatum
11.07.2024Norm
AsylG 2005 §10Spruch
I419 2274518-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. ALGERIEN, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 02.06.2023, Zl. XXXX , zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. ALGERIEN, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 02.06.2023, Zl. römisch 40 , zu Recht:
A) I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I bis V wird als unbegründet abgewiesen.A) römisch eins. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte römisch eins bis römisch fünf wird als unbegründet abgewiesen.
II. Die Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII) beträgt gemäß § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung.römisch II. Die Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt römisch VII) beträgt gemäß Paragraph 55, Absatz 2, FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA einen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz betreffend die Status des Asyl- (Spruchpunkt I) und des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Algerien (Spruchpunkt II) als unbegründet ab, wobei es keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz erteilte (Spruchpunkt III), eine Rückkehrentscheidung erließ (Spruchpunkt IV) und feststellte, dass die Abschiebung nach Algerien zulässig sei (Spruchpunkt V). Ferner aberkannte das BFA einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung (Spruchpunkt VI) und stellte fest, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VII). Die in Spruchpunkt VI aberkannte und in der Beschwerde beantragte aufschiebende Wirkung der Beschwerde wurde von Amts wegen zuerkannt (BVwG 11.07.2023, I419 2274518-1/4Z).1. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA einen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz betreffend die Status des Asyl- (Spruchpunkt römisch eins) und des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Algerien (Spruchpunkt römisch II) als unbegründet ab, wobei es keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz erteilte (Spruchpunkt römisch III), eine Rückkehrentscheidung erließ (Spruchpunkt römisch IV) und feststellte, dass die Abschiebung nach Algerien zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf). Ferner aberkannte das BFA einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung (Spruchpunkt römisch VI) und stellte fest, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt römisch VII). Die in Spruchpunkt römisch VI aberkannte und in der Beschwerde beantragte aufschiebende Wirkung der Beschwerde wurde von Amts wegen zuerkannt (BVwG 11.07.2023, I419 2274518-1/4Z).
2. Beschwerdehalber wird vorgebracht, der Beschwerdeführer sei seit 22 Jahren hier und vollständig integriert. Er beherrsche die deutsche Sprache auf sehr gutem Niveau und sei in der Lage, seinen eigenen Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Seine Heimat sei Österreich. Er habe vielfältige soziale Kontakte in Österreich und die Unterstützung österreichischer Staatsbürger.
Aufgrund seiner ausgeprägten westlichen Lebensanschauung wäre er im Fall einer Abschiebung in Gefahr, als fremdartig wahrgenommen zu werden. Die heimatlichen Behörden seien ihm gegenüber schutzunfähig und möglicherweise auch schutzunwillig. Er verfüge über kein adäquates soziales Auffangnetz in seiner Heimat und würde in eine ausweglose Lage geraten. Eine Verletzung des Art. 2 bzw. 3 EMRK würde im gegebenen Fall der Abschiebung jedenfalls vorliegen, was diese unzulässig mache.Aufgrund seiner ausgeprägten westlichen Lebensanschauung wäre er im Fall einer Abschiebung in Gefahr, als fremdartig wahrgenommen zu werden. Die heimatlichen Behörden seien ihm gegenüber schutzunfähig und möglicherweise auch schutzunwillig. Er verfüge über kein adäquates soziales Auffangnetz in seiner Heimat und würde in eine ausweglose Lage geraten. Eine Verletzung des Artikel 2, bzw. 3 EMRK würde im gegebenen Fall der Abschiebung jedenfalls vorliegen, was diese unzulässig mache.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zunächst wird der unter Punkt I dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:Zunächst wird der unter Punkt römisch eins dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Mitte 40 und Staatsangehöriger Algeriens. Er wurde in der Stadt Annaba in der gleichnamigen Provinz geboren, weist nach eigenen Angaben keine Schulausbildung auf, ist Muslim, Araber und ledig. Seine Identität steht nicht fest. Außer Arabisch spricht er Französisch und etwas Englisch sowie Deutsch. Berufsausbildung hat er behauptetermaßen keine. Berufserfahrung hat er auf Baustellen, in einem Restaurant und als Kfz-Mechaniker gesammelt.
Im Herkunftsstaat lebte er gemeinsam mit seinen inzwischen verstorbenen Eltern, sowie drei Brüdern und zwei Schwestern, die nun zwischen 30 und Anfang 50 sind und sich weiterhin in Algerien aufhalten. Der Beschwerdeführer hat zu ihnen nach eigenen Angaben keinen Kontakt.
Im Mai 2001 entschloss er sich, den Herkunftsstaat zu verlassen und gelangte über Italien illegal nach Österreich, wo er am 17.10.2001 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, den das BAA (nach einer Behebung mit Zurückverweisung) im August 2009 zur Gänze abwies. Den Folgeantrag aus der Schubhaft von Mai 2010 wies es im selben Jahr zur Gänze rechtskräftig ab und erließ gegen den Beschwerdeführer eine Ausweisung.
Mittels Hungerstreiks erreichte der Beschwerdeführer seine Entlassung aus der Schubhaft wegen Haftunfähigkeit am 26.05.2010. Nachdem er im April 2012 wieder aufgegriffen, festgenommen und einvernommen wurde, ordnete die BPD XXXX die neuerliche Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung an. Im selben Monat vernahm sie ihn zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates. Wieder mittels Hungerstreiks erreichte der Beschwerdeführer seine Entlassung aus der Schubhaft wegen Haftunfähigkeit am 18.04.2012.Mittels Hungerstreiks erreichte der Beschwerdeführer seine Entlassung aus der Schubhaft wegen Haftunfähigkeit am 26.05.2010. Nachdem er im April 2012 wieder aufgegriffen, festgenommen und einvernommen wurde, ordnete die BPD römisch 40 die neuerliche Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung an. Im selben Monat vernahm sie ihn zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates. Wieder mittels Hungerstreiks erreichte der Beschwerdeführer seine Entlassung aus der Schubhaft wegen Haftunfähigkeit am 18.04.2012.
Im Oktober 2013 wurde der Beschwerdeführer bei der Kontrolle eines Wettbüros neuerlich aufgegriffen und dann aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes angezeigt.
Mit Ladungsbescheid vom 10.08.2016 wurde der Beschwerdeführer für den 31.08.2016 vor dem BFA zur Mitwirkung im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates geladen. Trotz Zustellung der Ladung an seine Rechtsvertretung am 12.08.2016 leistete er der Ladung nicht folge, weshalb das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates abgebrochen werden musste.
Im Juli 2017 wurde der Beschwerdeführer neuerlich im Zuge einer Polizeikontrolle aufgegriffen. Das BFA ordnete mit Mandatsbescheid die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an. Die Beschwerde dagegen wies dieses Gericht ab (BVwG 13.09.2017, W186 2169929-1).
Ende September 2017 wurde der Beschwerdeführer der algerischen Delegation vorgeführt. Im November 2017 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen, weil ein Heimreisezertifikat nicht erlangt werden konnte. Mitte Jänner 2018 stellte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers einen Antrag, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu dulden, da die Abschiebung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erscheine.
Daraufhin wurde der Beschwerdeführer vom BFA mit Ladungsbescheid vom 31.01.2018 für den 02.03.2018 zum Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete geladen. Am 23.02.2018 griff ihn die Polizei in einem Wettlokal XXXX auf, dem Termin beim BFA am 02.03.2018 blieb der Beschwerdeführer indes unentschuldigt fern, woraufhin das BFA dem Beschwerdeführer mitteilte, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte zurückzuweisen. Anfragen des BFA, ob der Beschwerdeführer in Deutschland, der Schweiz, Italien oder Slowenien bekannt sei, ergaben keine Hinweise auf seine Identität.Daraufhin wurde der Beschwerdeführer vom BFA mit Ladungsbescheid vom 31.01.2018 für den 02.03.2018 zum Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete geladen. Am 23.02.2018 griff ihn die Polizei in einem Wettlokal römisch 40 auf, dem Termin beim BFA am 02.03.2018 blieb der Beschwerdeführer indes unentschuldigt fern, woraufhin das BFA dem Beschwerdeführer mitteilte, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte zurückzuweisen. Anfragen des BFA, ob der Beschwerdeführer in Deutschland, der Schweiz, Italien oder Slowenien bekannt sei, ergaben keine Hinweise auf seine Identität.
Im Dezember 2022 wurde der Beschwerdeführer abermals polizeilich in XXXX aufgegriffen, einer Personenkontrolle unterzogen und festgenommen. In der am folgenden Tag durchgeführten Einvernahme vor dem BFA stellte der Beschwerdeführer den nun vorliegenden Asylfolgeantrag. Am nächsten Tag verließ er die Unterkunft und entzog sich dem Verfahren, das darauf eingestellt und im folgenden Jahr fortgesetzt wurde, nachdem der Beschwerdeführer einem Anwalt Vollmacht erteilt und sich nach dem MeldeG angemeldet hatte.Im Dezember 2022 wurde der Beschwerdeführer abermals polizeilich in römisch 40 aufgegriffen, einer Personenkontrolle unterzogen und festgenommen. In der am folgenden Tag durchgeführten Einvernahme vor dem BFA stellte der Beschwerdeführer den nun vorliegenden Asylfolgeantrag. Am nächsten Tag verließ er die Unterkunft und entzog sich dem Verfahren, das darauf eingestellt und im folgenden Jahr fortgesetzt wurde, nachdem der Beschwerdeführer einem Anwalt Vollmacht erteilt und sich nach dem MeldeG angemeldet hatte.
Er war im Bundesgebiet, von den Meldungen im Polizei-Anhaltezentrum (zusammen 143 Tage) abgesehen, wie folgt gemeldet:
Von 27.12.2001 bis 26.07.2004 mit Hauptwohnsitzen in Niederösterreich,
von 28.12.2004 bis 05.04.2005 mit Hauptwohnsitz in XXXX ,
von 06.09.2006 bis 06.12.2007 mit Hauptwohnsitz in XXXX und
seit 02.01.2023 mit Hauptwohnsitz in XXXX sowie
von 04.11.2013 bis 27.01.2014 und von 27.07. bis 12.10.2016 mit einer Kontaktstelle nach § 19a MeldeG („Obdachlosenmeldung“).Von 27.12.2001 bis 26.07.2004 mit Hauptwohnsitzen in Niederösterreich,
von 28.12.2004 bis 05.04.2005 mit Hauptwohnsitz in römisch 40 ,
von 06.09.2006 bis 06.12.2007 mit Hauptwohnsitz in römisch 40 und
seit 02.01.2023 mit Hauptwohnsitz in römisch 40 sowie
von 04.11.2013 bis 27.01.2014 und von 27.07. bis 12.10.2016 mit einer Kontaktstelle nach Paragraph 19 a, MeldeG („Obdachlosenmeldung“).
Demnach hatte er insgesamt rund 16 Jahre lang keine gemeldete Unterkunft. Das BFA geht davon aus, dass der Beschwerdeführer seit 2001 hier lebt. Seit Jänner 2023 wohnt er gemeinsam mit einem befreundeten Österreicher und drei weiteren Mitbewohnern in einer Mietwohnung der Gemeinde. Wann und wie oft er sich von März 2018 bis Dezember 2022 im Inland aufhielt, steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer ist gesund, in keiner Behandlung und ohne Einschränkung arbeitsfähig. Er bezieht seit Ende 2022 keine Leistungen der Grundversorgung mehr und verfügt über kein bekanntes Vermögen oder regelmäßiges Einkommen. Mehrfach wurden Verwaltungsstrafen wegen des illegalen Aufenthaltes über ihn verhängt, strafgerichtlich ist er unbescholten. Er besuchte Deutschkurse und hat am 09.05. sowie am 15.09.2023 die Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 abgelegt, beim zweiten Mal erfolgreich. Er ist im Inland mehrfach und eingestandenermaßen der Schwarzarbeit nachgegangen, aber nie einer angemeldeten Beschäftigung.
Die Abschiebung des Beschwerdeführers scheitert bisher an seinen nichtzutreffenden Angaben zur Identität, derentwegen eine Delegation des Herkunftsstaates ihn zwar (aus sprachlichen Gründen) als ihren Staatsangehörigen anerkannte, aber anhand der Daten nicht identifizierten konnte und daher kein Heimreisezertifikat erteilte.
In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen; er weist neben seinen Mitbewohnern einen der Aufenthaltsdauer entsprechenden Bekanntenkreis im Inland auf. In Algerien leben seine Geschwister, mit denen er aktuell nicht in Kontakt ist; ansonsten hat er dort noch Onkel, aber keine Angehörigen seiner Kernfamilie mehr.
1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat:
Algerien ist nach § 1 Z. 10 HStV ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG. Im angefochtenen Bescheid wurden die aktuellen Länderinformationen zu Algerien mit Stand 17.05.2023 zitiert. Betreffend die aktuelle Lage sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Länderinformationen von Relevanz und werden festgestellt:Algerien ist nach Paragraph eins, Ziffer 10, HStV ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des Paragraph 19, BFA-VG. Im angefochtenen Bescheid wurden die aktuellen Länderinformationen zu Algerien mit Stand 17.05.2023 zitiert. Betreffend die aktuelle Lage sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Länderinformationen von Relevanz und werden festgestellt:
1.2.1 Allgemeine Menschenrechtslage
Staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar (AA 11.7.2020). Algerien ist den wichtigsten internationalen Menschenrechtsabkommen beigetreten. Laut Verfassung werden die Grundrechte gewährleistet (AA 18.1.2023). NGOs kritisieren zunehmende Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs-, und Pressefreiheit (AA 18.1.2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Weitere bedeutende Menschenrechtsprobleme sind Folter oder grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung durch Angehörige der Sicherheitskräfte; willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen; politische Gefangene; schwerwiegende Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz und der Unparteilichkeit sowie rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre (USDOS 20.3.2023). [...]Staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar (AA 11.7.2020). Algerien ist den wichtigsten internationalen Menschenrechtsabkommen beigetreten. Laut Verfassung werden die Grundrechte gewährleistet (AA 18.1.2023). NGOs kritisieren zunehmende Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs-, und Pressefreiheit (AA 18.1.2023; vergleiche USDOS 20.3.2023). Weitere bedeutende Menschenrechtsprobleme sind Folter oder grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung durch Angehörige der Sicherheitskräfte; willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen; politische Gefangene; schwerwiegende Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz und der Unparteilichkeit sowie rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre (USDOS 20.3.2023). [...]
1.2.2 Bewegungsfreiheit
Die Verfassung garantiert Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung, diese Rechte werden jedoch von der Regierung in der Praxis eingeschränkt (USDOS 20.3.2023). Nach anderen Angaben können die meisten Bürger innerhalb des Landes und ins Ausland relativ frei reisen (FH 11.4.2023). Die Verfassung gewährt den Bürgern „das Recht, ihren Wohnsitz frei zu wählen und sich im gesamten Staatsgebiet zu bewegen“. Unter Berufung auf die Terrorgefahr verhinderte die Regierung touristische Überlandfahrten zwischen den südlichen Städten Tamanrasset, Djanet und Illizi (USDOS 20.3.2023). [...]
1.2.3 Grundversorgung
Algerien ist als flächenmäßig größtes Land des afrikanischen Kontinents ein bedeutender ökonomischer Akteur. Bestimmend für die Wirtschaft sind die Förderung und der Export von Erdöl und -gas. Eine Diversifizierung steht aber schon länger auf der politischen Agenda. Angesichts der Energiekrise in Europa hat die Bedeutung Algeriens als verlässlicher Lieferant nochmals zugenommen. Algerien möchte diese Position im Energiesektor langfristig sichern. Dazu gehört neben Modernisierung und Ausbau der bestehenden Öl- und Gasinfrastruktur der Aufbau einer auf erneuerbaren Energiequellen basierenden Produktion von Wasserstoff (ABG 2.2023). Die Wirtschaftsleistung war in den letzten zehn Jahren aufgrund der hohen Öl- und Gaspreise recht solide. Obwohl weitere Finanzreformen angekündigt wurden, ist die Wirtschaft nach wie vor stark von den Kohlenwasserstoffen abhängig und daher anfällig für internationale Preisschocks, wie sie in den letzten Jahren aufgetreten sind. Erdöl macht etwa 30 % des BIP aus (BS 23.2.2022).
Die steigende Öl- und Gasnachfrage und die steigenden Preise führten 2021 zu einem kräftigen Aufschwung bei der Erdölproduktion und den Exporten, wodurch sich der Finanz- und Außenfinanzierungsbedarf drastisch verringerte. Die Erholung in den Nicht-Erdöl-Segmenten der Wirtschaft blieb jedoch unvollständig, während die Inflation stieg. Angeführt vom Öl- und Gassektor wuchs die algerische Wirtschaft in den ersten neun Monaten des Jahres 2021 um 3,9 % im Vergleich zum Vorjahr, nachdem sie 2020 um 5,5 % geschrumpft war (WB 14.4.2022).
Die algerische Wirtschaft wuchs im Jahr 2022 um 3,1 %. Die wirtschaftlichen Entwicklungen des flächenmäßig größten Landes Afrikas sind jedoch von der globalen Energienachfrage und der Entwicklung der Öl- und Gaspreise abhängig, denn Algerien gehört zu den weltweit wichtigsten Produzenten von Erdöl, Erdgas und Flüssigerdgas. Algeriens Wirtschaft wird auch künftig stark von Öl und Gas abhängen, da diese Branche etwa 60 % der Steuereinnahmen und 90 % der Exporteinnahmen des Landes ausmacht. Algerien will allerdings seine Energie-Abhängigkeit reduzieren und die Wirtschaft diversifizieren, um langfristiges Wachstum zu ermöglichen (WKO 28.4.2023).
Im Jahr 2023 soll sich die algerische Wirtschaft positiv entwickeln und voraussichtlich um 3 % wachsen. Man erwartet für 2023 einen Anstieg der Erdgasförderung um 6,6 % aufgrund der wachsenden europäischen Nachfrage. Die Getreideproduktion soll in der kommenden Saison um 38 % auf 3,3 Mio. Tonnen steigen und die Industrie, der Bausektor und die Dienstleistungsbranche werden voraussichtlich von erhöhten Investitionen und ausländischem Interesse profitieren (WKO 28.4.2023).
Algerien leistet sich aus Gründen der sozialen und politischen Stabilität ein für die Möglichkeiten des Landes aufwendiges Sozialsystem, das aus den Öl- und Gasexporten finanziert wird. Das Land hat - als eines von wenigen Ländern - in den letzten 20 Jahren eine Reduktion der Armutsquote von 25 % auf 5 % erreicht. Schulbesuch und Gesundheitsfürsorge sind kostenlos. Energie, Wasser und Grundnahrungsmittel werden stark subventioniert. Ein Menschenrecht auf Wohnraum wird anerkannt. Für Bedürftige wird Wohnraum kostenlos zur Verfügung gestellt. Missbräuchliche Verwendung ist häufig (ÖB 11.2020). Algerien hat ein relativ gut ausgebildetes Sozialsystem, dieses ist allerdings von einigen Unausgewogenheiten geprägt, z. B. Ungleichheiten zwischen formal Angestellten und im informellen Sektor Tätigen. Eine Alterspension ist rechtlich für 100 % der Bevölkerung vorgesehen, tatsächlich beziehen konnten diese im Jahr 2018 aber nur 59 %. Arbeitslosengeld existiert im formalen Sektor, es ist aber vergleichsweise niedrig (DI / DTDA 2020).
Im Bereich der Sozialfürsorge kommt, neben geringfügigen staatlichen Transferleistungen, vornehmlich der Familien- und im Süden des Landes auch der Stammesverband für die Versorgung alter Menschen, Behinderter oder chronisch Kranker auf. In den Großstädten des Nordens existieren "Selbsthilfegruppen" in Form von Vereinen, die sich um spezielle Einzelfälle (etwa die Einschulung behinderter Kinder) kümmern. Teilweise fördert das Solidaritätsministerium solche Initiativen mit Grundbeträgen (AA 11.7.2020).
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln war bislang durch umfassende Importe gewährleistet. Insbesondere im Vorfeld religiöser Feste, wie auch im gesamten Monat Ramadan, kommt es allerdings immer wieder zu substanziellen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln. Für Grundnahrungsmittel wie Weizenmehl, Zucker und Speiseöl gelten im Jänner 2011 eingeführte Preisdeckelungen und Steuersenkungen (AA 11.7.2020). In einer in drei großen algerischen Städten mit einem repräsentativen Sample im Oktober 2022 durchgeführten Umfrage zur sozio-ökonomischen Lage gaben 51,8 % der Befragten an, dass es ihnen gelingt, ihren Haushalt trotz der aktuellen Lebensmittelpreise ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen, 38,5 % können sich gerade so mit Lebensmitteln versorgen und nur 9,2 % können ihren Haushalt kaum oder gar nicht mit Lebensmitteln versorgen. Etwas schwieriger ist die Situation beim Kauf von grundlegenden Konsumgütern wie Kleidung oder Schuhen: 42,6 % der Befragten sind in der Lage, ihren Haushalt mit diesen Gütern zu versorgen, 45,1 % schaffen es gerade so, und 2,1 % können ihren Haushalt kaum oder gar nicht mit diesen Gütern versorgen (STDOK 3.1.2023).
Die Prognosen für die Entwicklungen am algerischen Arbeitsmarkt sind ungünstig, die Arbeitslosigkeit steigt. Dies ist nicht nur auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, sondern auch auf sinkende Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft und einer politischen Krise in 2019. Die Gehälter im öffentlichen Sektor sind höher als in der Privatwirtschaft. Allgemein steigen die Reallöhne in Algerien langsamer als das allgemeine Preisniveau (ABG 2.2023).
Die Arbeitslosigkeit (15 - 64-Jährige) lag 2022 bei 11,6 %, die Jugendarbeitslosigkeit (15 - 24-jährige) 2022 bei 29,0 % (WKO 4.2023). Die Regierung anerkennt die Problematik der hohen Akademikerarbeitslosigkeit (ÖB 11.2020). Schwer zu beziffern ist der informelle Sektor, der laut UN-Quellen (inoffiziell) auf bis zu 60 % geschätzt wird (ÖB 11.2020), nach anderen Angaben arbeiten 38 % der Algerier im informellen Sektor (DI / DTDA 2020).
Das staatliche Arbeitsamt Agence national d’emploi / ANEM (http://www.anem.dz/) bietet Dienste an, es existieren auch private Jobvermittlungsagenturen (z. B. http://www.tancib.com/index.php?page=apropos). Seit Feber 2011 stehen jungen Menschen Starthilfekredite offen, wobei keine Daten darüber vorliegen, ob diese Mittel ausgeschöpft wurden. In manchen Regionen stellt der Staat kostenlos Land, Sach- sowie Geldmittel zur Verfügung, um landwirtschaftliche Unternehmungen zu erleichtern. Grundsätzlich ist anzumerken, dass allen staatlichen Genehmigungen/Unterstützungen eine (nicht immer deklarierte) sicherheitspolitische Überprüfung vorausgeht, und dass Arbeitsplätze oft aufgrund von Interventionen besetzt werden. Der offiziell erfasste Wirtschaftssektor ist von staatlichen Betrieben dominiert (ÖB 11.2020).
Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet (AA 22.11.2022).
Migrantinnen und Migranten können bei der freiwilligen Rückkehr aus Österreich nach Marokko durch die BBU (Rückkehrberatung und Organisation der Reise), bzw. IOM (Organisation der Reise im Falle von vulnerablen Personen oder Personen mit legalem Aufenthaltstitel in Österreich), nach Bestätigung der Kostenübernahme durch das BFA, unterstützt werden. Freiwillige Rückkehrer/innen aus Österreich nach Marokko haben zudem die Möglichkeit, nach Bestätigung der Projektaufnahme durch das BFA und Erfüllung der Teilnahmekriterien, am Reintegrationsprojekt Frontex JRS teilzunehmen (IOM 27.7.2023).
Das Reintegrationsprogramm „Frontex ? Joint Reintegration Services“ (FX JRS) bietet Rückkehren, in Kooperation mit einer lokalen Partnerorganisation Unterstützung bei Ihrer Reintegration in Ihr Heimatland an. Das Post-arrival Paket im Wert von € 615 dient der unmittelbaren Unterstützung nach der Ankunft in Marokko. Es beinhaltet folgende Sofortleistungen: Nach der Begrüßung am Flughafen durch einen Reintegrationspartner und des Airports Pick-up, wie auch Unterstützung bei der Weiterreise (Organisation und Kostenübernahme), erhalten Rückkehrer u. a. eine Pre-Paid SIM-Karte, Hygieneartikel (Zahnbürste, Zahnpasta, Seife, Shampoo, etc.), eine Flasche Wasser, ein warmes Essen (auch als Gutschein möglich), altersgerechtes Spielzeug für Kinder. Zudem wird eine temporäre Unterkunft für bis zu drei Tage nach der Ankunft bereitgestellt und nach Bedarf auch unmittelbare medizinische Unterstützung (BMI 2023).
Des Weiteren sollte die rückkehrende Person keine oder weniger Sofortleistungen benötigen, erhält sie den anteiligen Betrag der € 615 vom lokalen Partner in bar ausbezahlt (BMI 2023).
Zur längerfristige Reintegrationsunterstützung, erhalten Rückkehrer ein Post-return Paket in der Höhe von Euro 2.000. Davon Euro 200 als Bargeld und Euro 1.800 in Form von Sachleistungen auf Grundlage eines Reintegrationsplans, der mit Hilfe der lokalen Partnerorganisation in den ersten sechs Monaten nach der Rückkehr erstellt wird. Zu den angebotenen Sachleistungen des Post-return Pakets gehören unter anderem: Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens, Bildungsmaßnahmen, Trainings, Unterstützung beim Eintritt in den Arbeitsmarkt, bei der Einschulung von Kindern, wie auch rechtliche und administrative Beratungsleistungen, Familienzusammenführung, Unterstützung im Zusammenhang mit Wohnen und Haushalt (Einrichtung) und medizinische und psychosoziale Unterstützung (BMI 2023).
1.2.4 Rückkehr
Die illegale Ausreise, d. h. die Ausreise ohne gültige Papiere bzw. ohne eine Registrierung der Ausreise per Stempel und Ausreisekarte am Grenzposten, ist gesetzlich verboten (Art. 175 bis 1. algerisches Strafgesetzbuch, Gesetz 09-01 vom 25.2.2009, kundgemacht am 8.3.2009) (ÖB 11.2020; vgl. AA 11.7.2020). Das Gesetz sieht ein Strafmaß von zwei bis sechs Monaten und / oder eine Strafe zwischen 20.000 DA bis 60.000 DA [Anm.: ca. 126 - 378 Euro] vor (ÖB 11.2020).Die illegale Ausreise, d. h. die Ausreise ohne gültige Papiere bzw. ohne eine Registrierung der Ausreise per Stempel und Ausreisekarte am Grenzposten, ist gesetzlich verboten (Artikel 175 bis 1. algerisches Strafgesetzbuch, Gesetz 09-01 vom 25.2.2009, kundgemacht am 8.3.2009) (ÖB 11.2020; vergleiche AA 11.7.2020). Das Gesetz sieht ein Strafmaß von zwei bis sechs Monaten und / oder eine Strafe zwischen 20.000 DA bis 60.000 DA [Anm.: ca. 126 - 378 Euro] vor (ÖB 11.2020).
Rückkehrer, die ohne gültige Papiere das Land verlassen haben, werden mitunter zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Für illegale Bootsflüchtlinge („harraga“) sieht das Gesetz Haftstrafen von zwei bis zu sechs Monaten und zusätzliche Geldstrafen vor. In der Praxis werden zumeist Bewährungsstrafen verhängt (AA 11.7.2020).
Eine behördliche Rückkehrhilfe ist der ÖB nicht bekannt. Ebenso sind der Botschaft keine NGOs bekannt, die solche Unterstützung leisten. Es gibt in Algerien 10.000 angemeldete Vereine, die meisten davon sind Wohltätigkeitsvereine - es ist allerdings nicht bekannt, ob von diesen spezielle Rückkehrhilfe geleistet wird. Generell kann davon ausgegangen werden, dass Familien zurückkehrende Mitglieder wieder aufnehmen und unterstützen. Die Botschaft kennt auch Fälle von finanzieller Rückkehrhilfe (1.000-2.000€) durch Frankreich, für Personen, die freiwillig aus Frankreich ausgereist sind. Ähnliches gibt es in unterschiedlicher Höhe auch für andere EU-Staaten (ÖB 11.2020).
Algerien erklärt sich bei Treffen mit EU-Staatenvertretern immer wieder dazu bereit, Rückkehrer aufzunehmen, sofern zweifelsfrei feststehe, dass es sich um algerische Staatsbürger handle. Nachfragen bei EU-Botschaften bestätigen, dass Algerien bei Rückübernahmen kooperiert, allerdings ist der Rhythmus relativ langsam, angeblich maximal 5-10 pro Tag, bzw. auch pro Woche. Algerien behauptet, dass dies auf die insgesamt vielen Rückübernahmen aus zahlreichen Staaten zurückzuführen ist, weil die Aufnahmebehörden sonst überlastet wären. Zwischen Algerien und einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bestehen bilaterale Rückübernahmeabkommen (ÖB 11.2020).
1.3 Zum Fluchtvorbringen:
1.3.1 Algerien ist nach § 1 Z. 10 HStV ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG. Im angefochtenen Bescheid wurde darauf und auf das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Algerien verwiesen, aus dem unter 1.2 zitiert wurde.1.3.1 Algerien ist nach Paragraph eins, Ziffer 10, HStV ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des Paragraph 19, BFA-VG. Im angefochtenen Bescheid wurde darauf und auf das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Algerien verwiesen, aus dem unter 1.2 zitiert wurde.
1.3.2 Erstbefragt hat der Beschwerdeführer angegeben, er habe Algerien verlassen, weil es keine Arbeit gebe und das Land nicht schön sein. Im Fall einer Rückkehr habe er kein Leben mehr dort, sein ganzes Le