Entscheidungsdatum
27.02.2024Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W168 2258199-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2022,
Zl. 1281377003/211018684, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. am römisch 40 , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2022,
Zl. 1281377003/211018684, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs.1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. A)
Der Beschwerde wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz , AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, Bundes-Verfassungsgesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 1 aus 1930, (B-VG), nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der nun 41-jährige Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Syriens arabischer Volksgruppenzugehörigkeit und islamischen Glaubens, stammt aus der Region Deir ez Zor. Von dort reiste der BF am 22.02.2021 aus dem Wohnort illegal in die Türkei, wo er sich etwa 2 Monate aufhielt, ehe er für ca. 2 Monate nach Griechenland und von dort über Albanien, Kosovo, Serbien und Ungarn am 26.07.2021 schlepperunterstützt und unrechtmäßig nach Österreich gelangte. Sein Reisepass befinde sich in Syrien, seinen Personalausweis habe er verloren. Er habe in Griechenland Asyl beantragt und sei auch gut behandelt worden; in Ungarn sei er nur auf der Durchreise gewesen. Seine Familie (Mutter, Ehefrau, 3 Töchter, 3 Söhne sowie zwei Schwestern und zwei Brüder) seien noch in Syrien aufhältig, ein Bruder lebe in den Niederlanden, sein Vater sei bereits verstorben.
Der BF stellte am 26.07.2021 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Zum Fluchtgrund befragt, führte der damals 39-jährige BF bei der Erstbefragung aus, dass er in Syrien als Reservist zum Militär einberufen worden sei. Er habe Angst vor dem Krieg, in Syrien gebe es keine Sicherheit. Nach dem sein Haus von Bomben zerstört worden sei, habe er mit seiner Familie in einem Zelt gewohnt. Er habe Angst um die Zukunft seiner Kinder. Weitere Gründe habe er nicht. Im Fall der Rückkehr befürchte er, im Krieg zu sterben. Er sei Fahnenflüchtiger und befürchte eine harte Strafe.
2. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 19.01.2022 unter Beiziehung eines Dolmetschers gab der BF zunächst an, gesund zu sein und aus Deir ez Zor zu stammen. Eingangs legte er einen am 14.10.2008 in Deir ez Zor ausgesetellten syrischen Reisepass, einen am 04.10.2019 ausgestellten arabischen Führerschein, Personenauszüge für die Kinder, einen Heiratsauszug mit gerichtlicher Bestätigung vom 22.06.2021 ber eine Eheschließung am 05.08.2011, einen am 02.12.2021 vom Standesamt in Deir ez Zor ausgestellten Familienregisterauszug im Original vor und gab auf Befragen an, in Damaskus geboren zu sein, aber aus Deir ez Zor zu stammen. Er habe in Syrien einen Wagen besessen und Waren geliefert. Er hae in einem Haus gelebt, dieses sei aber zerstört worden. Von 2006 bis 2012 habe er sich in Saudi Arabien aufgehalten und sei zwecks Verlängerung des Reisepasses nach Syrien zurückgekehrt, wo man ihm gesagt habe, dasss er zum Militär einberufen sei. Er habe dem Polizisten Geld gegeben um gehen zu können, den Ausweis habe er nicht mehr zurückbekommen, sodass er nicht mehr nach Saudia Arabien habe fahren können. Auf konkrete Nachfrage verneinte er Probleme mit der Polizei oder anderen Stellen im Herkunftsstaat sowie anhängige Gerichtsverfahren. Er habe in Syrien auch nie an politischen Demonstrationen teilgenommen und sei auch nicht politisch aktiv gewesen. Konkret zu seinen Fluchtgründen befragt, brachte er vor, dass er zum Militär einberufen worden sei und sein Haus zerstört sei. Es gebe keine Zukunft für seine Kinder, sie lebten in einem Zelt. Er habe an keinen Kampfhandlungen teilgenommen. Er sei nie persönlich bedroht worden. Im Fall der Rückkehr drohe ihm der Tod, da er zum Militär einberufen sei. Er müsse entweder kämpfen oder er werde getötet. Er sei auf dem Weg von der Türkei zum Passamt in Deir ez Zor an einem Checkpoint einberufen worden und habe seinen syrischen Personalausweis nicht mehr zurückbekommen. Er habe seinen Militärdienst 2013 als normaler Soldat (Wache) in Damaskus abgeleistet. Sein Wehrdienstbuch sei im Haus gewesen, das zerstört worden sei. Seine beiden in Syrien aufhältigen Brüder würden im Kurdengebiet leben, um nicht einberufen zu werden. In Deir ez Zor sei es gefährlich, dort seien die Milizen, Iran er und Hisbollah. Im Fall der Rückkehr drohe ihm die Einberufung, er werde als Feind gesehen, weil er vom Militärdienst geflochen sei, er möge weder Waffen noch Blut. Er wolle keine Landsleute töten. Gegen seine Rückkehr spreche, dass er Österreich möge, sein Cousin und sein Neffe seien hier.
3. Am vorgelegten syrischen Reisepass sowie arabischen Führerschein wurden keine Hinweise auf (Ver)fälschungen festgestellt.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte wurde dem BF für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). 4. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte wurde dem BF für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend wurde ausgeführt, dass die Familie des BF nach der Zerstörung des Hauses im Kurdengebiet lebe, wo auch seine Bürder vor einer Einberufung zum syrischen Militär geschützt seien. Von 2006 bis 2012 habe er sich in Saudi Arabien aufgehalten. 2012 habe er in Syrien seinen Reisepass verlängern wollen. Den Militärdienst habe er 2013 geleistet und gelte seither als Reservist. Er habe sich bis zur Ausreise 2021 in Syrien aufhalten können. Zudem könne er sich durch Zahlung einer Befreiungsgebühr als im Ausland aufhältiger Syrer vom Militärdienst freikaufen, was ihm zumutbar sei. Eine Verfolgung im Sinne der GFK sei nicht glaubhaft. Angesichts der allgemeinen voltilen und instabilen Sicherheitslage und der eklatant schelchten Versorgungslage sei ihm subsidiärer Schutz zu erteilen gewesen.
5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der BF durch seinen Vertreter fristgerecht Beschwerde. Darin wurde nach Dartellung des Sachverhaltes im Wesentlichen ausgeführt, dass dem BF infolge der Wehrdienstverweigerung als Reservist eine oppositionelle politische Gesinnung zugeschrieben werde. Es drohe ihm als Reservist erhebliche Gefahr für sein Leben und der Zwang, sich an schweren Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen etc. beteiligen zu müssen bzw. würde er sich im Fall der Weigerung als oppositionell bekennen. Bei einer Rückkehr würde er vermutlich bereits am Flughafen gefasst und einer Bestrafung unterzogen und/oder zum Reservedienst eingezogen werden. Auf Grund seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung würde ihm ebenfalls oppositionelle Gesinnung unterstellt werden. Das Ermittlungsverahren und die Beweiswürdigung seien mangelhaft und die Länderfeststellungen seien mangelhaft ausgewertet worden. Nach den UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von aus Syrien Geflüchteten vom März 2021 sei die Schwelle für die Zuschreibung einer feindlichen bzw. oppositionellen Gesinnung seitnes der syrischen Regierung sehr niedrig. Ua. würden Wehrdienstentzieher bzw. Männer im wehrfähigen Alter zu den Risikoprofilen zählen. Wehrdienstverweigerung werde mit Haftstrafen, Folter und sogar Todesstrafe geahndet und auch als Ausdruck von politischem Dissens gewertet. Das LIB betone, dass ein großes Maß an Willkür herrsche und Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung jedenfalls vom Einzelfall abhingen. Nach dem UNCHR-Bericht vom 07.05.2020 sei Wehrdienstentzug illegal und werde als politischer oppositioneller Akt gewertet. Das Vorbringen des BF hätte als glaubhaft und asylrelevant qualifiziert werden müssen. Der ursprüngliche Heimatort des BF sei als Heimatregion anzusehen. Nach den UNCHR-Erwägungen wende die syrische Regierung hinsichtlich der Frage nach politischer Opposition sehr weite Kriterien an und führe UNCHR auch im Zusammenhang mit Wehrdienstentziehern aus, dass diese je nach dne Umsätnden des Einzelfalles, wahrscheinlich internationalen Schutz benötigen. Auch unter Berücksichtigung der Empfehlungen von EUAA (vormals EASO) hätte die Behörde die dem BF drohende Verfolgung als Reservedienstverweiterer bzw. ihm unterstellter oppositioneller Gesinnung feststellen müssen. Eine mündliche Verhandlung werde beantragt.5. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der BF durch seinen Vertreter fristgerecht Beschwerde. Darin wurde nach Dartellung des Sachverhaltes im Wesentlichen ausgeführt, dass dem BF infolge der Wehrdienstverweigerung als Reservist eine oppositionelle politische Gesinnung zugeschrieben werde. Es drohe ihm als Reservist erhebliche Gefahr für sein Leben und der Zwang, sich an schweren Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen etc. beteiligen zu müssen bzw. würde er sich im Fall der Weigerung als oppositionell bekennen. Bei einer Rückkehr würde er vermutlich bereits am Flughafen gefasst und einer Bestrafung unterzogen und/oder zum Reservedienst eingezogen werden. Auf Grund seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung würde ihm ebenfalls oppositionelle Gesinnung unterstellt werden. Das Ermittlungsverahren und die Beweiswürdigung seien mangelhaft und die Länderfeststellungen seien mangelhaft ausgewertet worden. Nach den UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von aus Syrien Geflüchteten vom März 2021 sei die Schwelle für die Zuschreibung einer feindlichen bzw. oppositionellen Gesinnung seitnes der syrischen Regierung sehr niedrig. Ua. würden Wehrdienstentzieher bzw. Männer im wehrfähigen Alter zu den Risikoprofilen zählen. Wehrdienstverweigerung werde mit Haftstrafen, Folter und sogar Todesstrafe geahndet und auch als Ausdruck von politischem Dissens gewertet. Das LIB betone, dass ein großes Maß an Willkür herrsche und Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung jedenfalls vom Einzelfall abhingen. Nach dem UNCHR-Bericht vom 07.05.2020 sei Wehrdienstentzug illegal und werde als politischer oppositioneller Akt gewertet. Das Vorbringen des BF hätte als glaubhaft und asylrelevant qualifiziert werden müssen. Der ursprüngliche Heimatort des BF sei als Heimatregion anzusehen. Nach den UNCHR-Erwägungen wende die syrische Regierung hinsichtlich der Frage nach politischer Opposition sehr weite Kriterien an und führe UNCHR auch im Zusammenhang mit Wehrdienstentziehern aus, dass diese je nach dne Umsätnden des Einzelfalles, wahrscheinlich internationalen Schutz benötigen. Auch unter Berücksichtigung der Empfehlungen von EUAA (vormals EASO) hätte die Behörde die dem BF drohende Verfolgung als Reservedienstverweiterer bzw. ihm unterstellter oppositioneller Gesinnung feststellen müssen. Eine mündliche Verhandlung werde beantragt.
6. Die Beschwerde wurde am 11.08.2022 dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgelegt.
7. Mit Schriftsatz vom 16.01.2023 reichte der Vertreter des BF syrische Dokumente in Kopie samt Übersetzungen nach, wonach der BF in Syrien seiner Einberufung zum Reservedienst nicht nachgekommen ist und von den syrischen Behörden gesucht wird.
8. Am 11.01.2024 erfolgte eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Dabei wurde dem BF in Begleitung einer Vertrauensperson unter Beziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache Gelegenheit gegeben, alle seine Gründe gegen die angefochtene Entscheidung darzulegen und alles vorzubringen, was ihm wichtig erschien. Der Vertreter des BF nahm ebenfalls an der Verhandlung teil, ebenso wie einer Vertreter des BFA.
9. Mit Beweismittelvorlage vom 16.01.2023 wurden durch den BF Auszüge in Kopie, aus der Homepage des syrischen Verteidigungsministeriums der Arabischen Reupblik betreffend den konkreten Status des BF vorgelegt. Hierzu wurde ausgeführt, dass dieser ausweisen würde, dass der BF aktuell gesucht werde. Auch wurde ein Auskunftsersuchen der Militärpolizei betreffend des BF mit dem Inhalt übermittelt, dem zu entnehmen sei, dass der BF zum Reservedienst einberufen worden wäre, bzw. als Grund der Suche ausgeführt wäre, dass der BF wehrpflicht wäre und dieser den Reservedienst nach Einberufung nicht angetreten hätte. Diese Unterlagen wurden mitsamt den betreffenden Übersetzungen an das BVwG übermittelt. Ergänzend wurde hierzu ausgeführt, dass diesen vorgelegten Dokumenten damit zu entnehmen sei, dass der BF in Syrien zum Reservedienst einberufen worden wäre und dieser Einberufung nicht nachgekommen wäre. Darüber hinaus würden die vorgelegten Dokumente belegen, dass der die zusändigen syrischen Behörden im Herkunftsstaat nach dem BF suchen würden. Da der BF sich der Einberufung geweigert habe und diese Weigerung noch aufrecht sei, wäre er als Oppositioneller einzusufen. Ihm würde bei einer Rückkehr nach Syrien ein Einzug als Reservepflichtiger und damit zusammenhängend eine erhebliche Gefahr für sein Leben, bzw. ein Zwang sich an schweren Menschenrechtsverletzungen, Kriegesverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder an anderen Handlungen, die der Satzung der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, drohen. Ebenso würde ihm eine unverhältnismäßige Strafe durch das syrische Regime drohen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF und zu dessen Fluchtvorbringen:
Der gegenwärtige 41-jährige Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zur islamisch-sunnitischen Glaubensgemeinschaft.
Er ist verheiratet. Seine Ehefrau und seine sechs Kinder leben in Syrien im Gebiet der AANES, ebenso seine Mutter und mehrere Geschwister. Ein Bruder lebt in den Niederlanden.
Der BF stellte am 26.07.2021 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Mit Bescheid vom 12.07.2022 wurde dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 AsylG 2005 zuerkannt und der BF erhob gegen die ausgesprochene Nichtzuerkennung des Status eines Schutzberechtigten gem. § 3 AsylG 2005 Beschwerde an das BVwG. Mit Bescheid vom 12.07.2022 wurde dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gem. Paragraph 8, AsylG 2005 zuerkannt und der BF erhob gegen die ausgesprochene Nichtzuerkennung des Status eines Schutzberechtigten gem. Paragraph 3, AsylG 2005 Beschwerde an das BVwG.
Der verfahrensrelevante Herkunftsort des BF Al Asharah befindet sich westlich des Euphrats im Gouvernement Deir ez Zor. Dieser Herkunftsort befindet sich seit etwa 2018 durchgehend (wieder) unter der Kontrolle des syrischen Regimes.
Der BF hat Syrien im Jahr 2006 erstmals verlassen und sich bis 2012 in Saudi-Arabien aufgehalten, ehe er in seinen Heimatort zurückkehrte.
Seit 2018 hielt er sich mit seiner Familie nur mehr östlich des Eurphrats im Kurdengebiet auf, von wo aus er im Februar 2021 Syrien über die Türkei verlassen hat.
Der BF hat seinen Wehrdienst bereits abgeleistet, er gilt aktuell jedoch als Reservist.
Der BF hat insgesamt ausreichend glaubhaft dargelegt, dass dieser 2013 unmittelbar konkret zum Reservedienst bei der syrischen Armee einberufen worden ist und sich dieser Einberufung durch eine Flucht entzogen hat, bzw. deshalb durch das syrische Regime gesucht wird, bzw. bei einer Rückkehr eine ihn unmittelbar konkrete Bestrafung und Verfolgung, Inhaftierung bzw. eine neuerliche Einziehung zum Militär befürchten müsste.
Der Beschwerdeführer hat insgesamt glaubhaft angegeben, den Militärdienst, bzw. den Reservedienst bei der syrischen Armee nicht leisten zu wollen, bzw. sich der Ableistung des Reservedienstes bei der syrischen Armee nach Einberufung aus Gewissensgründen durch eine Ausreise entzogen zu haben bzw. deswegen aktuell gesucht zu werden.
Festgestellt wird, dass in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren besteht. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren zum Wehrdienst eingezogen werden.
Der BF ist gesund und auch wehrtauglich, bzw. befindet sich der BF auch gegenwärtig noch im für die Einberufung zum Reservedienst möglichen Altersbereich bei dem syrischen Militär.
Dass dem BF aktuell Wehrdienstaufschub gewährt worden wäre, bzw. ihm zukünftig gewährt würde, ist sämtlichen Vorbringen des BF nicht zu entnehmen. Von der Gewährung eines Aufschubes ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht auszugehen, zumal der Beschwerdeführer kein Student ist, bzw. auch keine aktuellen gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufweist. Insbesondere ist im gegenständlichen Verfahren von einem solchen Aufschub nicht auszugehen, da der BF glaubhaft machen konnte, dass er bereits konkret zum Reservedienst eingezogen worden wäre und sich dieser Einziehung entzogen hat.
Im Falle einer Rückkehr besteht für den BF aufgrund der derzeitigen allgemeinen Situation in seiner Heimatregion, aktuell eine unmittelbar konkrete Gefahr, konkret als Reservist (wieder) zum syrischen Militärdienst eingezogen zu werden, bzw. wegen seiner Entziehung nach konkreter Einberufung bzw. wegen der hierduch geäußerten Ablehnung des syrischen Regimes als Oppositioneller betrachtet und verfolgt zu werden und deshalb seitens des syrischen Regimes, bzw. der syrischen Armee einer verfahrensrelevanten Bestrafung aus unterstellten politischen/oppositionellen Gründen ausgesetzt zu sein.
Im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz besteht für den Beschwerdeführer damit mit verfahrensmaßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr aufgrund des Entzuges vom Wehrdienst bereits bei der Einreise verhaftet zu werden und auch als Reservist zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden, was er aus glaubwürdigen politischen Gründen ablehnt. Im Falle der Verhaftung besteht zudem die Gefahr, dass eine Inhaftierung mit Folter, unmenschlicher Behandlung oder dem sofortigen Einzug zum Wehrdienst einhergehen könnte.
Der BF ist damit im Falle einer Rückkehr nach Syrien zum entscheidungsrelevanten Zeitpunkt mit verfahrensmaßgeblicher Wahrscheinlichkeit unmittelbar konkret und persönlich aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht.
Der BF ist unbescholten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat: (gekürzt durch das BVwG)
Im Folgenden werden die fallgegenständlich wesentlichen Feststellungen aus den vom BVwG herangezogenen Länderinformationen der Staatendokumentation des BFA wiedergegeben:
„[…] Sicherheitslage
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Es ist zu beachten, dass die durch die türkischen Offensiven im Nordosten ausgelöste Dynamik verlässliche grundsätzliche Aussagen und Trendeinschätzungen schwierig macht. Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB 1.10.2021).
Die folgenden Karten zeigen Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien [Anm.: zu den verbleibenden Rückzugsgebieten des Islamischen Staates (IS) siehe Abschnitte zu den Regionen]:
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018b). Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung nur ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt (Reuters 13.4.2016). Militärisch kontrolliert das syrische Regime den Großteil des Landes mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens. Ein wesentlicher Grund hierfür ist die andauernde und massive militärische Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans bzw. durch von Iran unterstützte Milizen einschließlich Hizbollah, der bewaffnete oppositionelle Kräfte wenig entgegensetzen können. Die Streitkräfte des Regimes selbst sind mit Ausnahme einiger Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 29.11.2021). Das Wiederaufflammen der Kämpfe und die Rückkehr der Gewalt geben laut UNHRC (UN Human Rights Council) Anlass zur Sorge. Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs für Syrien Geir O. Pedersen hat am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat vor den besorgniserregenden und gefährlichen Entwicklungen in Syrien gewarnt. Dabei wies er insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022).
Die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen für die Arabische Republik Syrien stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den Vereinten Nationen benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien, die sie als "Operation Claw-Sword" bezeichnet und die nach türkischen Angaben auf Stellungen der Syrischen Demokratischen Kräfte und der syrischen Streitkräfte abzielt, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße getroffen hat (HRW 7.12.2022). Die Türkei hat seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien gestartet (France24 20.11.2022). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022) [Zur von Präsident Erdogan ankündigten Militäroffensive siehe das Unterkapitel "Türkische Militäroperationen in Nordsyrien" im Kapitel "Sicherheitslage"].
Im Nordwesten Syriens führte das Vordringen der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen. Russland verstärkte seine Luftangriffe in Idlib, und die Türkei griff kurdische und Regimekräfte an. Russland setzte die Bombardierungen in der Provinz Idlib am 7., 11. und 17.10.2022 fort und belastete damit den Waffenstillstand vom März 2020 (ICG 10.2022).
Die folgende Karte zeigt die verschiedenen internationalen Akteure und deren militärische Interessenschwerpunkte in Syrien:
Mittlerweile leben 66 % der Bevölkerung wieder in den von der Regierung kontrollierten Territorien (ÖB 1.10.2021). Mehr als zwei Drittel der im Land verbliebenen Bevölkerung leben in Gebieten unter Kontrolle des syrischen Regimes. Auch wenn die militärische Rückeroberung des gesamten Staatsgebietes erklärtes Ziel des Regimes bleibt, zeichnet sich eine Rückeroberung weiterer Landesteile durch das Regime derzeit nicht ab. Im Nordwesten des Landes werden Teile der Gouvernements Lattakia, Idlib und Aleppo durch die von den Vereinten Nationen als Terrororganisation eingestufte HTS sowie Türkei-nahe bewaffnete Gruppierungen kontrolliert. Die Gebiete im Norden und Nordosten entlang der Grenze zur Türkei stehen in Teilen unter Kontrolle der Türkei und ihr nahestehender bewaffneter Gruppierungen in Teilen unter Kontrolle der kurdisch dominierten SDF und in einigen Fällen auch des syrischen Regimes. Auch in formal vom Regime kontrollierten Gebieten sind die Machtverhältnisse mitunter komplex, die tatsächliche Kontrolle liegt häufig bei lokalen bewaffneten Akteuren (AA 29.11.2021).
Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“ (BMLV 12.10.2022). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. In Idlib mit seinen über drei Millionen Zivilbevölkerung kommt es trotz eines wackeligen Waffenstillstandes demnach weiterhin zu verbotenen Angriffen durch das Bündnis. Auch die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) verletzte internationales Recht durch unterschiedslose Luftschläge in Nordostsyrien, welche zivile Todesopfer und Zerstörung verursachten (HRW 13.1.2022). Auch in Landesteilen, in denen Kampfhandlungen mittlerweile abgenommen haben, besteht weiterhin ein hohes Risiko, Opfer von Gewalt und Übergriffen zu werden (AA 29.11.2021).
In weiten Teilen des Landes besteht eine dauerhafte und anhaltende Bedrohung durch Kampfmittel. Laut der COI gab es in Afrin und Ra's al-'Ayn zwischen Juli 2020 und Juni 2021 zahlreiche Sicherheitsvorfälle durch Sprengkörper und Sprengfallen (u.a. IEDs), die häufig an belebten Orten detonierten und bei denen mindestens 243 Zivilisten ums Leben kamen. Laut dem UN Humanitarian Needs Overview von 2020 sind in Syrien 11,5 Mio. Menschen der Gefahr durch Minen und Fundmunition ausgesetzt. 43 % der besiedelten Gebiete Syriens gelten als kontaminiert. Ca. 25 % der dokumentierten Opfer durch Minenexplosionen waren Kinder. UNMAS (United Nations Mine Action Service) hat insgesamt bislang mehr als 12.000 Opfer erfasst. Die Großstädte Aleppo, Raqqa, Homs, Dara‘a und Deir ez-Zor sowie zahlreiche Vororte von Damaskus sind hiervon nach wie vor besonders stark betroffen. Erhebliche Teile dieser Städte sind auch mittel- bis langfristig nicht bewohnbar. Bei einem Drittel der besonders betroffenen Gebiete handelt es sich um landwirtschaftliche Flächen. Dies hat auch gravierende Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion, die nicht nur die Nahrungs-, sondern auch die Lebensgrundlage für die in den ländlichen Teilen Syriens lebenden Menschen darstellt. Trotz eines "Memorandum of Understanding" zwischen der zuständigen UNMAS und Syrien behindert das Regime durch Restriktionen, Nicht-Erteilung notwendiger Visa und Vorgaben weiterhin die Arbeit von UNMAS sowie zahlreicher, auf Minenaufklärung und -Räumung spezialisierter internationaler NGOs in unter seiner Kontrolle befindlichen Gebieten (AA 29.11.2021).
Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vgl. DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vgl. CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022; vgl WP 30.11.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vgl. BAMF 6.12.2022). Nach dem Verlust der territorialen Kontrolle verlagerte der IS seine Strategie hin zu aufständischen Methoden, wie gezielte Angriffe, u.a. Autobomben, Überfälle, und Attentate (DIS 29.6.2020). Generell nimmt die Präsenz des IS in Syrien wieder zu, auch in Landesteilen unter Regimekontrolle. IS-Anschläge blieben im Jahr 2021 auf konstant hohem Niveau. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt weiterhin im Nordosten des Landes. Seit Anfang 2020 hat der IS Anschläge in fast allen Landesteilen durchgeführt und ist weiterhin grundsätzlich in der Lage, dies landesweit zu tun. Es sind zudem Berichte über zunehmende Anschläge in Regimegebieten, insbesondere der zentralsyrischen Wüsten- und Bergregion, in Hama und Homs, bekannt geworden. Mehrere Tausend IS-Kämpfer sowie deren Angehörige befinden sich in Gefängnissen und Lagern in Nordostsyrien in Gewahrsam der SDF. Der IS verfügt weiter über Rückzugsgebiete im syrisch-irakischen Grenzgebiet sowie in Zentralsyrien, bleibt damit als asymmetrischer Akteur präsent, baut Untergrundstrukturen aus und erreicht damit sogar erneut temporäre und punktuelle Gebietskontrolle (AA 29.11.2021). Trotz der starken Präsenz syrischer und russischer Streitkräfte in Südsyrien sind mit dem IS verbundene Kämpfer in der Region aktiv und das syrische Regime ist derzeit nicht in der Lage, IS-Aktivisten in Gebieten zurückzudrängen, die vollständig unter der Kontrolle der Regierung stehen (VOA 24.10.2022). Nach Angaben der International Crisis Group verübten IS-Zellen Ende 2021 durchschnittlich 10 bis 15 Angriffe auf die Streitkräfte der Regierung von Syrien pro Monat, die meisten davon im Osten von Homs und im ländlichen westlichen Deir Ez-Zour. Dieser Trend setzte sich auch im Jahr 2022 fort (EUAA 9.2022). Der IS ist im Regimegebiet stärker, weil die syrische Armee weniger kompetent bei Anti-Terror-Operationen auftritt als die SDF (Zenith 11.2.2022). Der UN-Sicherheitsrat schätzt die Stärke der Gruppe auf 6.000 bis 10.000 Kämpfer in ganz Syrien und im Irak, wobei die operativen Führer der Gruppe hauptsächlich in Syrien stationiert sind (EUAA 9.2022). Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vergleiche DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vergleiche CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022; vergleiche WP 30.11.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vergleiche BAMF 6.12.2022). Nach dem Verlust der territorialen Kontrolle verlagerte der IS seine Strategie hin zu aufständischen Methoden, wie gezielte Angriffe, u.a. Autobomben, Überfälle, und Attentate (DIS 29.6.2020). Generell nimmt die Präsenz des IS in Syrien wieder zu, auch in Landesteilen unter Regimekontrolle. IS-Anschläge blieben im Jahr 2021 auf konstant hohem Niveau. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt weiterhin im Nordosten des Landes. Seit Anfang 2020 hat der IS Anschläge in fast allen Landesteilen durchgeführt und ist weiterhin grundsätzlich in der Lage, dies landesweit zu tun. Es sind zudem Berichte über zunehmende Anschläge in Regimegebieten, insbesondere der zentralsyrischen Wüsten- und Bergregion, in Hama und Homs, bekannt geworden. Mehrere Tausend IS-Kämpfer sowie deren Angehörige befinden sich in Gefängnissen und Lagern in Nordostsyrien in Gewahrsam der SDF. Der IS verfügt weiter über Rückzugsgebiete im syrisch-irakischen Grenzgebiet sowie in Zentralsyrien, bleibt damit als asymmetrischer Akteur präsent, baut Untergrundstrukturen aus und erreicht damit sogar erneut temporäre und punktuelle Gebietskontrolle (AA 29.11.2021). Trotz der starken Präsenz syrischer und russischer Streitkräfte in Südsyrien sind mit dem IS verbundene Kämpfer in der Region aktiv und das syrische Regime ist derzeit nicht in der Lage, IS-Aktivisten in Gebieten zurückzudrängen, die vollständig unter der Kontrolle der Regierung stehen (VOA 24.10.2022). Nach Angaben der International Crisis Group verübten IS-Zellen Ende 2021 durchschnittlich 10 bis 15 Angriffe auf die Streitkräfte der Regierung von Syrien pro Monat, die meisten davon im Osten von Homs und im ländlichen westlichen Deir Ez-Zour. Dieser Trend setzte sich auch im Jahr 2022 fort (EUAA 9.2022). Der IS ist im Regimegebiet stärker, weil die syrische Armee weniger kompetent bei Anti-Terror-Operationen auftritt als die SDF (Zenith 11.2.2022). Der UN-Sicherheitsrat schätzt die Stärke der Gruppe auf 6.000 bis 10.000 Kämpfer in ganz Syrien und im Irak, wobei die operativen Führer der Gruppe hauptsächlich in Syrien stationiert sind (EUAA 9.2022).
Mitte 2020 gehörten zu den Zielpersonen des IS vor allem lokale Behörden und Personen, die mit den Behörden, Kräften und Gruppen, die gegen den IS kämpfen, zusammenarbeiten oder als mit ihnen kooperierend wahrgenommen werden (DIS 29.6.2020). Der IS profitierte auch von einem Sicherheitsvakuum, das dadurch entstand, dass die verschiedenen militärischen Kräfte ihre Aktivitäten aufgrund der COVID-19-Pandemie reduzierten (USDOS 30.3.2021).
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Die NGO Syrian Network for Human Rights (SNHR) versucht die Zahlen ziviler Todesopfer zu erfassen. Getötete Kämpfer werden in dem Bericht nicht berücksichtigt, außer in der Zahl der aufgrund von Folter getöteten Personen, welche sowohl Zivilisten als auch Kämpfer berücksichtigt. Betont wird außerdem, dass die Organisation in vielen Fällen Vorkommnisse nicht dokumentieren konnte, besonders im Fall von "Massakern", bei denen Städte und Dörfer komplett abgeriegelt wurden. Die hohe Zahl solcher Berichte lässt darauf schließen, dass die eigentlichen Zahlen ziviler Opfer weit höher als die unten angegebenen sind. Zudem sind die Möglichkeiten zur Dokumentation von zivilen Opfern auch von der jeweiligen Konfliktpartei, die ein Gebiet kontrolliert, abhängig (SNHR 1.1.2020; vgl. SNHR 1.1.2021).Die NGO Syrian Network for Human Rights (SNHR) versucht die Zahlen ziviler Todesopfer zu erfassen. Getötete Kämpfer werden in dem Bericht nicht berücksichtigt, außer in der Zahl der aufgrund von Folter getöteten Personen, welche sowohl Zivilisten als auch Kämpfer berücksichtigt. Betont wird außerdem, dass die Organisation in vielen Fällen Vorkommnisse nicht dokumentieren konnte, besonders im Fall von "Massakern", bei denen Städte und Dörfer komplett abgeriegelt wurden. Die hohe Zahl solcher Berichte lässt darauf schließen, dass die eigentlichen Zahlen ziviler Opfer weit höher als die unten angegebenen sind. Zudem sind die Möglichkeiten zur Dokumentation von zivilen Opfern auch von der jeweiligen Konfliktpartei, die ein Gebiet kontrolliert, abhängig (SNHR 1.1.2020; vergleiche SNHR 1.1.2021).
SNHR berichtet von 64 getöteten Zivilisten im November 2022, darunter 14 Kinder, zwei Frauen und sechs Personen, die an den Folgen von Folterungen starben. Dabei wurde festgestellt, dass das syrische Regime erneut Streumunition gegen Lager für Binnenvertriebene eingesetzt hat, was ein Kriegsverbrechen darstellt (SNHR 1.12.2022).
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Informationen zur Untersuchung von Chemiewaffeneinsätzen in Syrien
Seit der im November 2017 an russischen Vetos im VN-Sicherheitsrat gescheiterten Verlängerung des Mandats des „Joint Investigative Mechanism“ (JIM) fehlte ein Mechanismus, der die Urheberschaft von Chemiewaffeneinsätzen feststellt. Ein, gegen heftigen Widerstand Russlands im Juni 2018 angenommener Beschluss erlaubt nun der Organisation für das Verbot von Chemischen Waffen (OPCW), die Verantwortlichen der Chemiewaffenangriffe in Syrien im Rahmen eines hierfür neu gebildeten „Investigation and Identification Team“ (IIT) zu ermitteln. Dies gilt auch für vergangene, von der Fact Finding Mission (FFM) bestätigte Einsätze, die der 2016/17 tätige JIM nicht abschließend behandelt hat. Im April 2021 legte das IIT seinen zweiten Ermittlungsbericht vor, demzufolge hinreichende Belege vorliegen, dass der Chemiewaffeneinsatz in der Stadt Saraqib im Februar 2018 auf Kräfte des syrischen Regimes zurückzuführen ist. Ein erster Bericht des IIT wurde am 8.4.2020 vorgelegt. Die Untersuchung dreier Angriffe im März 2017 kam zu dem Ergebnis, dass hinreichende Belege vorliegen, dass die syrischen Luftstreitkräfte für den Einsatz von Sarin am 24. und 30.3.2017 sowie Chlorgas am 25.3.2017 in Latamenah verantwortlich sind. Die unabhängigen internationalen Experten der FFM gehen, davon unabhängig, weiter Meldungen zu mutmaßlichen Chemiewaffeneinsätzen nach. So kommt der FFM-Bericht vom 1.3.2019 zu dem Ergebnis, dass bei der massiven Bombardierung von Duma am 7.4.2018 erneut Chemiewaffen (Chlor) eingesetzt wurden („reasonable grounds“). Auch eine Untersuchungskommission des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen kam zu diesem Ergebnis. Pressemeldungen zufolge soll das Assad-Regime am 19.5.2019 wiederholt Chlorgas in Kabana/Jabal al-Akrad im Gouvernement Lattakia eingesetzt haben. Die US-Regierung hat hierzu erklärt, dass auch sie über entsprechende Hinweise verfüge, um den Chlorgaseinsatz entsprechend zuzuordnen. Untersuchungen durch FFM bzw. IIT stehen noch aus. Am 1.10.2020 veröffentlichte die FFM zwei weitere Untersuchungsberichte zu vermuteten Chemiewaffeneinsätzen in Saraqib (1.8.2016) und Aleppo (24.11.2018). In beiden Fällen konnte die OPCW angesichts der vorliegenden Informationslage nicht sicher feststellen, ob chemische Waffen zum Einsatz gekommen sind (AA 29.11.2021). Am 26.1.2022 veröffentlichte die Untersuchungskommission der OPCW einen Bericht, in dem sie zu dem Schluss kommt, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass am 1.9.2015 in Marea, Syrien, ein chemischer Blisterstoff als Waffe eingesetzt wurde (OPCW 26.1.2022). In einem weiteren Bericht vom 1.2.2022, kommt die OPCW zu dem Schluss, dass es außerdem hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass am 1.10.2016 in Kafr Zeita, Syrien, eine industrielle Chlorflasche als chemische Waffe eingesetzt wurde (OPCW 1.2.2022).
Eine umfangreiche Analyse des Global Public Policy Institute (GPPi) von 2019 konnte auf Basis der analysierten Daten im Zeitraum 2012 bis 2018 mindestens 336 Einsätze von Chemiewaffen im Syrien-Konflikt bestätigen und geht bei 98 % der Fälle von der Urheberschaft des syrischen Regimes aus (AA 29.11.2021)
Das Regime zeigt sich weiterhin nicht willens, die noch offenen Fragen zu seinem Chemiewaffenprogramm aufzuklären. Daher hat die Vertragsstaatenkonferenz des Chemiewaffenübereinkommens (CWÜ) Syrien im April 2021 mit dem Entzug der Stimmrechte sanktioniert. Diese Entscheidung gilt bis zur Erfüllung verschiedener Auflagen, insbesondere der vollständigen Offenlegung von Chemiewaffenbeständen (AA 29.1.2021).
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Nordwest-Syrien
Auf diesem Kartenausschnitt sind die Machtverhältnisse in Nordwest-Syrien eingezeichnet:
Während die Assad-Regierung die Kontrolle über etwa 70 % Syriens wiedererlangt oder aufrechterhalten hat, stellt die nordwestliche Region, insbesondere das Gouvernement Idlib, ein bedeutendes Widerstandsgebiet der Rebellen dar (USCIRF 11.2022). In der nordwestlichen Provinz Idlib und den angrenzenden Teilen der Provinzen Nord-Hama und West-Aleppo befindet sich die letzte verbleibende Hochburg der Opposition. Die Region wird von der dschihadistischen Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) beherrscht, beherbergt aber auch etablierte Rebellengruppen (BBC 15.3.2022). Während die syrische Regierung die gesamte Provinz zurückerobern will, versucht Ankara zu verhindern, dass Idlib an Damaskus fällt, und daraufhin noch mehr Syrer in die Türkei flüchten (ORF 14.3.2021). Die Türkei hat die HTS als terroristische Organisation eingestuft, doch hat sie die Rebellengruppe in den letzten Jahren nicht aktiv daran gehindert, die Verwaltungsmacht in Idlib zu übernehmen (USCIRF 11.2022). Idlib ist bereits seit den Anfängen des Konfliktes eine Oppositionshochburg. Im März 2015 übernahmen oppositionelle Gruppierungen die Kontrolle über die Provinz (CRS 2.1.2019). Im Mai 2017 wurden durch eine Vereinbarung in Astana (Kasachstan) zwischen Russland und Iran (als Verbündete des syrischen Regimes) einerseits, und der Türkei (als Unterstützer der Rebellen) andererseits, vier Deeskalationszonen eingerichtet, die unter anderem ganz Idlib sowie auch Teile der Provinzen Lattakia, Aleppo und Hama umfassten. Einheiten der syrischen Regierung führen jedoch trotz dieser Vereinbarung militärische Operationen in diesem Gebiet durch und eroberten bis Mitte 2018 etwa die Hälfte der Deeskalationszone im Nordwesten zurück (CRS 2.1.2019; vgl. KAS 6.2020). Im März 2020 wurde ein Waffenstillstand zwischen Russland und der Türkei geschlossen, der eine von Russland unterstützte Offensive der Regierung auf die Provinz Idlib beendete. Der Waffenstillstand wurde in den letzten zwei Jahren wiederholt verletzt, wobei zahlreiche Menschen getötet und verletzt wurden (VOA 6.11.2022).Während die Assad-Regierung die Kontrolle über etwa 70 % Syriens wiedererlangt oder aufrechterhalten hat, stellt die nordwestliche Region, insbesondere das Gouvernement Idlib, ein bedeutendes Widerstandsgebiet der Rebellen dar (USCIRF 11.2022). In der nordwestlichen Provinz Idlib und den angrenzenden Teilen der Provinzen Nord-Hama und West-Aleppo befindet sich die letzte verbleibende Hochburg der Opposition. Die Region wird von der dschihadistischen Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) beherrscht, beherbergt aber auch etablierte Rebellengruppen (BBC 15.3.2022). Während die syrische Regierung die gesamte Provinz zurückerobern will, versucht Ankara zu verhindern, dass Idlib an Damaskus fällt, und daraufhin noch mehr Syrer in die Türkei flüchten (ORF 14.3.2021). Die Türkei hat die HTS als terroristische Organisation eingestuft, doch hat sie die Rebellengruppe in den letzten Jahren nicht aktiv daran gehindert, die Verwaltungsmacht in Idlib zu übernehmen (USCIRF 11.2022). Idlib ist bereits seit den Anfängen des Konfliktes eine Oppositionshochburg. Im März 2015 übernahmen oppositionelle Gruppierungen die Kontrolle über die Provinz (CRS 2.1.2019). Im Mai 2017 wurden durch eine Vereinbarung in Astana (Kasachstan) zwischen Russland und Iran (als Verbündete des syrischen Regimes) einerseits, und der Türkei (als Unterstützer der Rebellen) andererseits, vier Deeskalationszonen eingerichtet, die unter anderem ganz Idlib sowie auch Teile der Provinzen Lattakia, Aleppo und Hama umfassten. Einheiten der syrischen Regierung führen jedoch trotz dieser Vereinbarung militärische Operationen in diesem Gebiet durch und eroberten bis Mitte 2018 etwa die Hälfte der Deeskalationszone im Nordwesten zurück (CRS 2.1.2019; vergleiche KAS 6.2020). Im März 2020 wurde ein Waffenstillstand zwischen Russland und der Türkei geschlossen, der eine von Russland unterstützte Offensive der Regierung auf die Provinz Idlib beendete. Der Waffenstillstand wurde in den letzten zwei Jahren wiederholt verletzt, wobei zahlreiche Menschen getötet und verletzt wurden (VOA 6.11.2022).
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Aus dem Nordwesten Syriens wurde eine deutliche Zunahme der konfliktbezogenen Aktivitäten gemeldet: Die Streitkräfte der Regierung setzten verstärkt Artilleriebeschuss ein. Im 3. Quartal 2022 verzeichnete ACLED 1.412 Konfliktfälle zwischen den Streitkräften der Regierung und ihren Verbündeten und den bewaffneten Oppositionsgruppen. Dies ist ein deutlicher Anstieg (+225 %) gegenüber den 434 Konflikten, die im zweiten Quartal verzeichnet wurden. Die Streitkräfte der syrischen Regierung waren an insgesamt 708 von 1.265 Beschussereignissen beteiligt. Trotz dieses massiven Anstiegs gibt es kaum Anzeichen dafür, dass sich die zugrunde liegende Dynamik zwischen der Regierung und der Opposition verändert hat. Der Beschuss scheint vielmehr der Grund für das Ausbleiben militärischer Aktionen zu sein und die Gegner an den Fronten zu zermürben (CC 3.11.2022).
Die Gebiete im Norden um die Städte Afrin und Jarabulus im Norden des Gouvernements Aleppo stehen weiterhin unter der Kontrolle der Türkei und Türkei-naher Milizen, darunter die Syrische Nationalarmee (SNA, vormals „Freie Syrische Armee“). Dort kommt es nach wie vor vereinzelt zu Kampfhandlungen zwischen Türkei-nahen Milizen und der kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG (Yekîneyên Parastina Gel) sowie zu asymmetrischen Auseinandersetzungen, darunter zuletzt auch zahlreiche Anschläge mit hohen zivilen Opferzahlen (AA 29.11.2021). Mit Stand Dezember 2022 kontrollierten HTS und andere regierungsfeindliche Gruppen den Nordwesten des Gouvernorats Idlib, während das Regime die Regionen im Süden des Gouvernorats kontrollierte, inklusive der M5-Autobahn (Liveuamap 6.12.2022). Im Oktober 2022 hat die HTS ihre Kämpfer aus Idlib in den Bezirk Afrin entsandt und ist in den Norden vorgedrungen. Die von der HTS eroberten Gebiete standen unter der Kontrolle der syrischen Übergangsregierung (SIG) und ihrer bewaffneten Kräfte, der SNA. Dies war der erste größere Gebietsaustausch zwischen den Kriegsparteien seit zwei Jahren (Forbes 22.10.2022). Bis Ende Oktober 2022 kontrollierte die HTS den größten Teil der nördlichen syrischen Provinz Idlib und verlegte die meisten ihrer Kämpfer nach Afrin und in umliegende Gebiete. Die türkische Regierung, die als Folge der Eroberung ebenfalls mit der Verlegung von Truppen in die Umgebung begann, berichtete jüngst, dass die HTS den Großteil ihrer Streitkräfte wieder aus Afrin abgezogen hat. Seit 2018, als die türkischen Streitkräfte in den kurdischen Kanton Afrin einmarschierten, werden die Stadt und ihre Umgebung von der Türkei in Zusammenarbeit mit der SNA kontrolliert (Atalayar 6.11.2022). HTS geht aktuell gegen den Islamischen Staat (IS) und al-Qaida vor und reguliert nun die Anwesenheit ausländischer Dschihadisten mittels Ausgabe von Identitätsausweisen für die Einwohner von Idlib, ohne welche z.B. das Passieren von HTS-Checkpoints verunmöglicht wird. Die HTS versucht so dem Verdacht entgegenzutreten, dass sie das Verstecken von IS-Führern in ihren Gebieten unterstützt, und darüber hinaus, um ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft bei der Terrorismusbekämpfung zu signalisieren (COAR 28.2.2022). Es wurde allerdings von weiteren Spaltungen innerhalb der verschiedenen HTS-Fraktionen berichtet (AM 22.12.2021). Viele IS-Kämpfer übersiedelten nach dem Fall von Raqqa 2017 nach Idlib - großteils Ausländer, die für den Dschihad nach Syrien gekommen waren, und beschlossen, sich anderen islamistischen Gruppen wie der Nusra-Front anzuschließen, heute als Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) bekannt. Meistens geschah das über persönliche Kontakte, aber ihre Lage ist nicht abgesichert. Ausreichend Geld