Entscheidungsdatum
18.06.2024Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W144 2293613-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb, StA. von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.05.2024, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , römisch 40 geb, StA. von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.05.2024, Zl. römisch 40 , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 5, AsylG 2005 und Paragraph 61, FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger von Nigeria, verließ sein Heimatland bereits im Jahr 2014 und hielt sich zunächst etwa 7 Jahre lang in Italien auf. Danach reiste er 2021 nach Österreich ein, wo er in der Folge überwiegend aufhältig war bis er letztlich am 05.04.2024 im österreichische Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Zur Person des BF liegt eine Eurodac-Treffermeldung für Italien aus dem Jahr 2014 wegen Asylantragsstellung vor.
Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:
Im Rahmen seiner Erstbefragung nach dem AsylG am 05.04.2024 durch die Landespolizeidirektion Oberösterreich brachte der BF im Wesentlichen neben seinen Angaben zum Reiseweg vor, dass sich seine Mutter und eine Tochter nach wie vor in Nigeria befänden. Im Bundesgebiet habe er eine österreichische Ehegattin, die in XXXX lebe. Er habe in Italien um Asyl angesucht; er habe in Italien gearbeitet und hätte auch Asyl bekommen, jedoch sei er nach Österreich gereist, weil er seine Frau habe heiraten wollen. Das Leben in Italien sei nicht sehr gut gewesen.Im Rahmen seiner Erstbefragung nach dem AsylG am 05.04.2024 durch die Landespolizeidirektion Oberösterreich brachte der BF im Wesentlichen neben seinen Angaben zum Reiseweg vor, dass sich seine Mutter und eine Tochter nach wie vor in Nigeria befänden. Im Bundesgebiet habe er eine österreichische Ehegattin, die in römisch 40 lebe. Er habe in Italien um Asyl angesucht; er habe in Italien gearbeitet und hätte auch Asyl bekommen, jedoch sei er nach Österreich gereist, weil er seine Frau habe heiraten wollen. Das Leben in Italien sei nicht sehr gut gewesen.
Vorgelegt wurde eine Heiratsurkunde des Standesamtes XXXX vom 17.06.2022, wonach der BF am 17.06.2022 seine Ehegattin XXXX (geborene XXXX ) XXXX , XXXX geb., geheiratet hat.Vorgelegt wurde eine Heiratsurkunde des Standesamtes römisch 40 vom 17.06.2022, wonach der BF am 17.06.2022 seine Ehegattin römisch 40 (geborene römisch 40 ) römisch 40 , römisch 40 geb., geheiratet hat.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete in der Folge am 12.04.2024 unter Hinweis auf die Eurodac-Treffermeldung und auf das Vorbringen des BF, ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Italien akzeptierte das Wideraufnahmeersuchen des BF durch Unterlassen einer fristgerechten Antwort gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO beginnend mit Ablauf des 26.04.2024.Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete in der Folge am 12.04.2024 unter Hinweis auf die Eurodac-Treffermeldung und auf das Vorbringen des BF, ein auf Artikel 18, Absatz eins, Litera d, der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Italien. Italien akzeptierte das Wideraufnahmeersuchen des BF durch Unterlassen einer fristgerechten Antwort gemäß Artikel 25, Absatz 2, Dublin III-VO beginnend mit Ablauf des 26.04.2024.
In der Folge wurde der BF am 08.05.2024 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen, wobei er im Wesentlichen zu Protokoll gab, dass er gesund sei und an keinen schwerwiegenden Krankheiten leide; er nehme derzeit auch keine Medikamente ein. Seine Angaben anlässlich der Erstbefragung seien richtig. Seinen Reisepass habe er verloren, konkret habe er den Pass einem Freund gegeben, der dann die Wohnung gewechselt und den Pass verloren habe. Er halte sich seit dem Jahr 2021 in Österreich auf, zwischenzeitlich sei einmal in Italien gewesen. Er spreche nicht Deutsch, er habe noch keinen Deutschkurs besucht. Nach Vorhalt, dass Italien zur Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei, gab der BF an, dass er nicht nach Italien zurückkehren wolle. Befragt nach den diesbezüglichen Gründen gab er lediglich an: „Ich mag Italien nicht.“. Auf die Frage, ob es weitere Gründe gebe, gab der BF an, dass er keine Probleme mit den Italienern habe, jJedoch würden in die Leute, die ihn in Nigeria verfolgt hätten, auch in Italien verfolgen, sie hätten auch schon versucht, ihn in Italien umzubringen. Immer, wenn ihn diese Leute sehen würden, wollten sie ihn umbringen. Sein Vater sei nämlich ein Mitglied der „ XXXX “ gewesen, und habe selbst jemanden umgebracht. Er sei wegen dieser Vorfälle in Italien nicht bei der Polizei vorstellig geworden, da ihm gedroht worden sei, dass er getötet werden würde, wenn er zur Polizei gehe. Seine Frau habe vor Gericht die Scheidung eingereicht, doch habe er gewonnen, sie seien noch nicht geschieden. Auf die Frage nach Verwandten oder sonstigen engen Angehörigen gab der BF an, dass er seit Juni 2023 bei einer Vertrauensperson und dessen Familie in Bad Schallerbach lebe. Diese Personen seien wie eine Familie für ihn. Er habe in Österreich keinerlei Kurse besucht und sei auch in keinen Vereinen tätig, er habe jedoch die Straßenzeitung „Kupfermuckel“ verkauft und Leuten in Supermärkten geholfen.In der Folge wurde der BF am 08.05.2024 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen, wobei er im Wesentlichen zu Protokoll gab, dass er gesund sei und an keinen schwerwiegenden Krankheiten leide; er nehme derzeit auch keine Medikamente ein. Seine Angaben anlässlich der Erstbefragung seien richtig. Seinen Reisepass habe er verloren, konkret habe er den Pass einem Freund gegeben, der dann die Wohnung gewechselt und den Pass verloren habe. Er halte sich seit dem Jahr 2021 in Österreich auf, zwischenzeitlich sei einmal in Italien gewesen. Er spreche nicht Deutsch, er habe noch keinen Deutschkurs besucht. Nach Vorhalt, dass Italien zur Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei, gab der BF an, dass er nicht nach Italien zurückkehren wolle. Befragt nach den diesbezüglichen Gründen gab er lediglich an: „Ich mag Italien nicht.“. Auf die Frage, ob es weitere Gründe gebe, gab der BF an, dass er keine Probleme mit den Italienern habe, jJedoch würden in die Leute, die ihn in Nigeria verfolgt hätten, auch in Italien verfolgen, sie hätten auch schon versucht, ihn in Italien umzubringen. Immer, wenn ihn diese Leute sehen würden, wollten sie ihn umbringen. Sein Vater sei nämlich ein Mitglied der „ römisch 40 “ gewesen, und habe selbst jemanden umgebracht. Er sei wegen dieser Vorfälle in Italien nicht bei der Polizei vorstellig geworden, da ihm gedroht worden sei, dass er getötet werden würde, wenn er zur Polizei gehe. Seine Frau habe vor Gericht die Scheidung eingereicht, doch habe er gewonnen, sie seien noch nicht geschieden. Auf die Frage nach Verwandten oder sonstigen engen Angehörigen gab der BF an, dass er seit Juni 2023 bei einer Vertrauensperson und dessen Familie in Bad Schallerbach lebe. Diese Personen seien wie eine Familie für ihn. Er habe in Österreich keinerlei Kurse besucht und sei auch in keinen Vereinen tätig, er habe jedoch die Straßenzeitung „Kupfermuckel“ verkauft und Leuten in Supermärkten geholfen.
Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 24.05.2024 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Italien gemäß 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Italien zulässig sei.Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 24.05.2024 gemäß Paragraph 5, Absatz eins, AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Italien gemäß 18 Absatz eins, Litera d, Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß Paragraph 61, Absatz eins, FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß Paragraph 61, Absatz 2, FPG seine Abschiebung nach Italien zulässig sei.
Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat wurden im den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):
„Allgemeines zum Asylverfahren
Letzte Änderung: 27.07.2023
In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (AIDA 5.2023):
AIDA 5.2023
2022 sind in Italien 105.129 Migranten auf dem Seeweg (über 55 % Anstieg gegenüber dem Vorjahr) und ca. 13.000 über Slowenien nach Italien gekommen (AIDA 5.2023). 2023 sind bis Mitte Juli 78.182 Migranten auf dem Seeweg nach Italien gekommen, darunter 7.876 unbegleitete Minderjährige. Die drei häufigsten Herkunftsländer der Migranten waren die Elfenbeinküste, Guinea und Ägypten (MdI 17.7.2023). Mehr als 4.500 Neuankömmlinge wurden 2023 bis Mai an der Grenze zu Slowenien berichtet (UNHCR 5.7.2023)
Im Jahr 2022 wurden in Italien 77.200 Asylanträge gestellt. 14,34 % der Entscheidungen in erster Instanz lauteten auf internationalen Schutz, 13,57 % auf subsidiären Schutz, 10.865 auf speziellen (humanitären) Schutz und 51,61 % wurden abgelehnt (AIDA 5.2023):
AIDA 5.2023
Von Jänner bis April 2023 wurden 39.645 Asylanträge gestellt. Von Jänner bis März wurden 14.396 Entscheidungen getroffen (bei 89.080 anhängigen Verfahren im April 2023), von denen 9 % auf internationalen Schutz lauteten, 11 % auf subsidiären Schutz, 22 % speziellen (humanitären) Schutz und 58 % wurden abgelehnt (rejection) (UNHCR 17.7.2023).
Der humanitäre Schutz war unter Innenminister Salvini 2018 eingeschränkt und 2020 inhaltlich wieder hergestellt worden. Er wird heute als "spezieller Schutz" an Personen vergeben, die faktisch nicht außer Landes gebracht werden können bzw. denen Refoulement droht. Die damit verbundene Aufenthaltsgenehmigung gilt für zwei Jahre (verlängerbar) (AIDA 5.2023).
Am 11.4.2023 gab der italienische Ministerrat bekannt, dass aufgrund des starken Anstiegs der Migrationsströme nach Italien, der zu einer starken Überfüllung der Erstaufnahmezentren und insbesondere des Hotspots Lampedusa führte, sowie des prognostizierten weiteren Anstiegs der Anlandungen, außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen seien, um den Hotspot Lampedusa zu entlasten und neue Einrichtungen zu bauen, die sowohl den Bedürfnissen der Aufnahme als auch der Anerkennung und Rückführung von Migranten gerecht werden. Aus diesen Gründen beschloss der Ministerrat, für sechs Monate den Ausnahmezustand für das gesamte Staatsgebiet auszurufen (VB 12.4.2023; vgl. AIDA 5.2023). Die Ausrufung des Ausnahmezustandes aufgrund der Migrationssituation diente vor allem dazu, außerordentliche Geldmittel zu lukrieren, Ausschreibungsverfahren für die Einrichtung zusätzlicher Aufnahmezentren zu vereinfachen und zu beschleunigen sowie zusätzliche Transfers von Lampedusa nach Sizilien einzurichten, um die Überlastung des Hotspots und insgesamt der Insel Lampedusa zu verhindern. Diese Maßnahmen sollen zu einer systemischen Entlastung führen und einen besseren Umgang mit dem hohen Migrationsdruck ermöglichen (VB 6.6.2023a). Am 11.4.2023 gab der italienische Ministerrat bekannt, dass aufgrund des starken Anstiegs der Migrationsströme nach Italien, der zu einer starken Überfüllung der Erstaufnahmezentren und insbesondere des Hotspots Lampedusa führte, sowie des prognostizierten weiteren Anstiegs der Anlandungen, außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen seien, um den Hotspot Lampedusa zu entlasten und neue Einrichtungen zu bauen, die sowohl den Bedürfnissen der Aufnahme als auch der Anerkennung und Rückführung von Migranten gerecht werden. Aus diesen Gründen beschloss der Ministerrat, für sechs Monate den Ausnahmezustand für das gesamte Staatsgebiet auszurufen (VB 12.4.2023; vergleiche AIDA 5.2023). Die Ausrufung des Ausnahmezustandes aufgrund der Migrationssituation diente vor allem dazu, außerordentliche Geldmittel zu lukrieren, Ausschreibungsverfahren für die Einrichtung zusätzlicher Aufnahmezentren zu vereinfachen und zu beschleunigen sowie zusätzliche Transfers von Lampedusa nach Sizilien einzurichten, um die Überlastung des Hotspots und insgesamt der Insel Lampedusa zu verhindern. Diese Maßnahmen sollen zu einer systemischen Entlastung führen und einen besseren Umgang mit dem hohen Migrationsdruck ermöglichen (VB 6.6.2023a).
Quellen:
? AIDA - Asylum Information Database (5.2023): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Italy, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/05/AIDA-IT_2022-Update.pdf, Zugriff 23.6.2023
? MdI – Ministero dell’Interno [Italien] (17.7.2023): Cruscotto statistico giornaliero, http://www.libertaciviliimmigrazione.dlci.interno.gov.it/sites/default/files/allegati/cruscotto_statistico_giornaliero_17-07-2023.pdf, Zugriff 26.7.2023
? UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (17.7.2023): Italy Weekly Snapshot (10 Jul - 16 Jul 2023), https://reliefweb.int/attachments/bda4ac26-2953-4fa5-9909-c2f604a1af26/2023_07_17_Italy_Weekly_Snapshot.pdf, Zugriff 26.7.2023
? UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (5.7.2023): Fact Sheet; Italy; May 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2094480/202305_Fact+Sheet+May.pdf, Zugriff 21.7.2023
? VB des BMI Italien [Österreich] (6.6.2023a): Auskunft des VB, per E-Mail
? VB des BMI Italien [Österreich] (12.4.2023): Auskunft des VB, per E-Mail
Dublin-Rückkehrer
Letzte Änderung: 27.07.2023
Dublin-Rückkehrer, die bereits einen Asylantrag in Italien gestellt haben, sind in jene Provinz zu transferieren, wo sie ihren Antrag gestellt haben. Wurde noch kein Asylantrag in Italien gestellt, sind die Rückkehrer unter Wahrung der Familieneinheit in der Provinz des Ankunftsflughafens unterzubringen. Wenn Italien einer Überstellung ausdrücklich zustimmt, wird der Flughafen angegeben, welcher der für das konkrete Asylverfahren zuständigen Quästur am nächsten liegt. Wenn Italien durch Fristablauf zustimmt, landen Rückkehrer üblicherweise auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist (AIDA 5.2023; vgl. VQ 11.10.2022).Dublin-Rückkehrer, die bereits einen Asylantrag in Italien gestellt haben, sind in jene Provinz zu transferieren, wo sie ihren Antrag gestellt haben. Wurde noch kein Asylantrag in Italien gestellt, sind die Rückkehrer unter Wahrung der Familieneinheit in der Provinz des Ankunftsflughafens unterzubringen. Wenn Italien einer Überstellung ausdrücklich zustimmt, wird der Flughafen angegeben, welcher der für das konkrete Asylverfahren zuständigen Quästur am nächsten liegt. Wenn Italien durch Fristablauf zustimmt, landen Rückkehrer üblicherweise auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist (AIDA 5.2023; vergleiche VQ 11.10.2022).
Die zuständige Quästur ist oft weit entfernt, und die Rückkehrer haben nur wenige Tage Zeit, auf eigene Faust dort zu erscheinen. Sie werden weder begleitet noch über die Anreisemöglichkeiten informiert. In einigen Fällen werden die Rückkehrer in Mailand von der Behörde mit entsprechenden Fahrkarten ausgestattet. Am Flughafen Fiumicino in Rom war 2022 die NGO Cooperativa ITC mit der Information und dem Management von an der Luftgrenze ankommenden Asylsuchenden und Dublin-Rückkehrern betraut, darunter auch mit dem Transport vulnerabler Personen in die Unterbringungszentren. Am Flughafen Mailand Malpensa wird seit 2021 die Information für Asylwerber durch die NGO Kooperative Ballafon betreut. Es gibt solche NGO-Betreuung für Dublin-Rückkehrer am Flughafen auch in Bologna (AIDA 5.2023).
Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab:
1. Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann er dies tun, so wie jede andere Person auch, er könnte aber als illegaler Migrant betrachtet und mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung konfrontiert werden (AIDA 5.2023).
2. Wenn das Verfahren eines Antragstellers in Italien suspendiert wurde, weil er sich dem Verfahren vor dem Interview entzogen hat, kann er, im Falle einer Rückkehr binnen zwölf Monaten ab Suspendierung, einen neuen Interviewtermin beantragen. Sind mehr als zwölf Monate vergangen und das Verfahren wurde abgeschossen, kann ein Folgeantrag gestellt werden, für den neue Asylgründe erforderlich sind, damit er zulässig ist (AIDA 5.2023). Gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung ist grundsätzlich Beschwerde möglich, wenn auch ohne automatische aufschiebende Wirkung, welche aber gerichtlich beantragt werden kann (AIDA 5.2023).
3. In Fällen, in denen der Rückkehrer sich dem Verfahren entzogen hat, während er in privater Unterbringung lebte, und das Verfahren wegen Abwesenheit beendet wurde, kann das Verfahren wieder eröffnet werden, wenn der Antragsteller berechtigte Gründe für seine Abwesenheit vorbringt - und zwar innerhalb von zehn Tagen ab Wegfall dieser Gründe. Andernfalls muss der Rückkehrer einen Folgeantrag stellen.
4. Hat ein Interview stattgefunden, und wurde das Verfahren des Antragstellers in Italien negativ entschieden und ihm dies zur Kenntnis gebracht, ohne dass er fristgerecht Beschwerde eingelegt hätte, ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich. Die Entscheidung gilt bei Nichterreichbarkeit des Antragstellers nach 20 Tagen als zugestellt (AIDA 5.2023).
(Für weitere Informationen, siehe Kapitel „Versorgung“, Subkapitel „Dublin-Rückkehrer“.)
Am 5.12.2022 informierte die italienische Dublin-Einheit die anderen Dublin-Länder in einem Schreiben darüber, dass ab dem darauffolgenden Tag die Überstellungen nach Italien ausgesetzt werden, da es keine Plätze im Aufnahmesystem gebe. Italien wies darauf hin, dass die Aussetzung keine Auswirkungen auf die Wiedervereinigungsverfahren für Minderjährige habe (AIDA 5.2023).
Quellen:
? AIDA - Asylum Information Database (5.2023): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Italy, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/05/AIDA-IT_2022-Update.pdf, Zugriff 23.6.2023
? VQ – Vertrauliche Quelle (11.10.2022): Datenbank aus dem supranationalen Bereich, Zugriff 26.7.2023
Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable
Letzte Änderung: 27.07.2023
In Italien gelten folgende Personenkreise als vulnerabel: Minderjährige, unbegleitete Minderjährige (UM), Schwangere, alleinstehende Eltern mit minderjährigen Kindern, Opfer von Menschenhandel, Behinderte, Alte, ernsthaft physisch oder psychisch Kranke, Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderen ernsten Formen physischer, psychischer oder sexueller Gewalt sowie Opfer von Genitalverstümmelung. In Italien ist kein Identifikationsmechanismus für Vulnerable gesetzlich vorgegeben. Vulnerable werden im Verfahren prioritär behandelt. Die Identifizierung von Gewaltopfern ist in jeder Phase des Verfahrens durch Anwälte, Beamte, Betreuer oder NGOs möglich. Die zuständige erstinstanzliche Asylbehörde kann zur Absicherung eine medizinische Untersuchung verlangen. Wenn im Zuge des Interviews ein Vertreter der Behörde den Verdacht hat, es mit einem Folteropfer zu tun zu haben, kann er die betreffende Person speziellen Diensten zuweisen. Die NGOs Ärzte ohne Grenzen und Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) betreiben gemeinsam in Rom ein Zentrum zur Identifikation und Rehabilitation von Folteropfern, welche ohne Unterstützung Schwierigkeiten hätten, als Vulnerable behandelt zu werden (AIDA 5.2023).
Bei der Glaubwürdigkeitsprüfung von Minderjährigen sind deren Reifegrad und Entwicklung zu berücksichtigen, und es ist in deren bestem Interesse zu handeln. Bei Zweifeln an der Minderjährigkeit ist eine Altersfeststellung möglich. Dazu ist die Zustimmung des unbegleiteten Minderjährigen oder seines Vormunds nötig. Die Untersuchung ist gemäß Gesetz im multidisziplinären Ansatz von entsprechend geschulten Fachkräften durchzuführen, mit möglichst nicht-invasiven Methoden und unter Achtung der Integrität der Person. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses ist der Antragsteller als Minderjähriger zu behandeln und im Zweifel ist die Minderjährigkeit anzunehmen. NGOs zufolge wird das Gesetz aber nicht einheitlich umgesetzt. Die vom Gesetz geforderten multidisziplinären Teams gibt es erst in 36 % der Gemeinden. 64 % der Gemeinden verwenden noch alte Vorgehensweisen, wo das Alter mittels Handwurzelröntgen festgestellt und auch keine Schwankungsbreite angegeben wird; die Altersfeststellung wird oft vorgenommen, obwohl es Identitätsdokumente gäbe, welche das Alter der Person bestätigen; und bis ein Ergebnis vorliegt, werden Betroffene oft als Erwachsene behandelt (AIDA 5.2023).
Die Anwesenheit eines unbegleiteten Minderjährigen ist von den Behörden umgehend dem zuständigen Jugendgericht und dem dortigen Staatsanwalt zur Kenntnis zu bringen, damit dieses einen Vormund bestimmt, welcher den Minderjährigen während des gesamten Asylverfahrens unterstützt (bei negativem Ausgang auch darüber hinaus). Die Jugendgerichte führen zu diesem Zweck ein Register freiwilliger Vormunde (Ende 2021 betrug ihre Zahl insgesamt 3.457). Bis zur Bestellung des Vormunds kann der Leiter der Unterbringung den UM beim Stellen eines Asylantrags unterstützen, aber der Vormund muss den UM auf den folgenden Stufen des Verfahrens vertreten. Ein Vormund kann maximal drei Minderjährige gleichzeitig betreuen. Die Konzentration von Minderjährigen in einigen Regionen (z. B. Sizilien) hat konkrete Auswirkungen auf die Möglichkeit, genügend Vormunde zu finden (AIDA 5.2023).
Laut italienischen Gesetzen ist bei der Unterbringung auf spezifische Bedürfnisse der Asylwerber Rücksicht zu nehmen. Dies gilt insbesondere für Vulnerable. Ein Gesundheitscheck bei der Erstaufnahme ist vorgesehen, um auch spezielle Unterbringungsbedürfnisse erkennen zu können. Im Feber 2023 gab es 41 SAI-Projekte (SAI - Zweitaufnahmeeinrichtungen) mit 803 Plätzen in Italien, mit Spezialisierung auf die Betreuung von Migranten mit psychischen Problemen und Behinderungen. In neun Regionen des Landes gibt es keine entsprechenden Strukturen (AIDA 5.2023).
Die Leitung der Unterbringungszentren hat den Grundsatz der Einheit der Familie zu beachten. Daher dürfen Kinder nicht von ihren Eltern getrennt werden. In der Praxis kann es vorkommen, dass der Vater im Flügel für alleinstehende Männer untergebracht wird, die Frau und die Kinder hingegen im Flügel für Frauen. Generell sind spezielle Gebäudeteile für Alleinerziehende mit Kindern vorgesehen. Es kann aber vorkommen, z. B. in Erstaufnahmeeinrichtungen (etwa weil diese als nicht kindgerecht erachtet werden), dass die Eltern in verschiedenen Zentren untergebracht werden, wobei die Kinder dann in der Regel bei der Mutter untergebracht werden (AIDA 5.2023).
Bei der Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger ist auf das beste Interesse des Minderjährigen Bedacht zu nehmen. Sie sollen vorrangig in Pflegefamilien untergebracht werden. In dieser Hinsicht hat sich die nationale Praxis mit der Ankunft von Minderjährigen aus der Ukraine erheblich verändert. Während Ende 2021 nur 3 % der unbegleiteten ausländischen Minderjährigen einer Familie anvertraut wurden, waren es Ende 2022 bereits 23 %, von denen 92 % aus der Ukraine stammten. Unbegleitete Minderjährige sind laut Gesetz vorzugsweise in SAI-Strukturen unterzubringen, egal ob sie einen Asylantrag stellen oder nicht. Auch wenn sie Asyl erhalten, dürfen sie für weitere sechs Monate oder gegebenenfalls auch länger dort verbleiben. Wenn eine entsprechende Verlängerung vorliegt, dürfen sie auch in den SAI bleiben, nachdem sie das Erwachsenenalter erreicht haben. Ihr Aufenthalt in Erstaufnahmezentren ist nur solange erlaubt, wie unbedingt nötig, aber nicht länger als 30 Tage. Sind die Erstaufnahmezentren ausgelastet, ist für Minderjährige ab 14 Jahren die Unterbringung in CAS (Notunterkünften der Präfekturen) solange erlaubt wie nötig, um die Verlegung in geeignete Strukturen zu gewährleisten. 2022 wurden 28.237 UM in Italien erfasst (7.034 davon waren Ukrainer). 13.386 UM kamen über das Meer nach Italien. 1.661 UM stellten 2022 einen Asylantrag, von denen 67 % internationalen Schutz erhielten. 7.526 UM entzogen sich nach der Unterbringung dem Verfahren (meist tunesische, ägyptisch und afghanische UM). Von den 20.089 unbegleiteten Minderjährigen, die Ende 2022 untergebracht waren, wurden 10.010 (49,8 %) in Zweitaufnahmeeinrichtungen (SAI) untergebracht. 3.994 (19,9 %) wurden in Erstaufnahmeeinrichtungen aufgenommen und 23 % (davon waren 92 % ukrainische Minderjährige) waren bei Pflegefamilien untergebracht. Im Feber 2023 gab es 6.299 Plätze für UM in 214 SAI-Zentren, bei gleichzeitig über 19.000 im Unterbringungssystem anwesenden UM (AIDA 5.2023; vgl. Gov 31.12.2022).Bei der Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger ist auf das beste Interesse des Minderjährigen Bedacht zu nehmen. Sie sollen vorrangig in Pflegefamilien untergebracht werden. In dieser Hinsicht hat sich die nationale Praxis mit der Ankunft von Minderjährigen aus der Ukraine erheblich verändert. Während Ende 2021 nur 3 % der unbegleiteten ausländischen Minderjährigen einer Familie anvertraut wurden, waren es Ende 2022 bereits 23 %, von denen 92 % aus der Ukraine stammten. Unbegleitete Minderjährige sind laut Gesetz vorzugsweise in SAI-Strukturen unterzubringen, egal ob sie einen Asylantrag stellen oder nicht. Auch wenn sie Asyl erhalten, dürfen sie für weitere sechs Monate oder gegebenenfalls auch länger dort verbleiben. Wenn eine entsprechende Verlängerung vorliegt, dürfen sie auch in den SAI bleiben, nachdem sie das Erwachsenenalter erreicht haben. Ihr Aufenthalt in Erstaufnahmezentren ist nur solange erlaubt, wie unbedingt nötig, aber nicht länger als 30 Tage. Sind die Erstaufnahmezentren ausgelastet, ist für Minderjährige ab 14 Jahren die Unterbringung in CAS (Notunterkünften der Präfekturen) solange erlaubt wie nötig, um die Verlegung in geeignete Strukturen zu gewährleisten. 2022 wurden 28.237 UM in Italien erfasst (7.034 davon waren Ukrainer). 13.386 UM kamen über das Meer nach Italien. 1.661 UM stellten 2022 einen Asylantrag, von denen 67 % internationalen Schutz erhielten. 7.526 UM entzogen sich nach der Unterbringung dem Verfahren (meist tunesische, ägyptisch und afghanische UM). Von den 20.089 unbegleiteten Minderjährigen, die Ende 2022 untergebracht waren, wurden 10.010 (49,8 %) in Zweitaufnahmeeinrichtungen (SAI) untergebracht. 3.994 (19,9 %) wurden in Erstaufnahmeeinrichtungen aufgenommen und 23 % (davon waren 92 % ukrainische Minderjährige) waren bei Pflegefamilien untergebracht. Im Feber 2023 gab es 6.299 Plätze für UM in 214 SAI-Zentren, bei gleichzeitig über 19.000 im Unterbringungssystem anwesenden UM (AIDA 5.2023; vergleiche Gov 31.12.2022).
In Italien herrscht Schulpflicht bis zum Alter von 16 Jahren, unabhängig vom rechtlichen Status. Sie alle haben Zugang zu öffentlichen Schulen wie italienische Minderjährige. In der Praxis liegen die Hauptprobleme bei der Einschulung darin, dass einige Schulen nicht bereit sind, eine große Zahl ausländischer Schüler einzuschreiben; dass Minderjährige (bzw. deren Familien) den Schulbesuch verweigern; und dass es in der Nähe der Unterkunftszentren unzureichende Angebote an Plätzen in Schulen gibt bzw. diese schwierig zu erreichen sind (AIDA 5.2023).
Quellen:
? AIDA - Asylum Information Database (5.2023): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Italy, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/05/AIDA-IT_2022-Update.pdf, Zugriff 23.6.2023
? Gov - Ministero del Lavoro [Italien] (31.12.2022): I Minori Stranieri Non Accompagnati (MSNA) In Italia, https://www.lavoro.gov.it/temi-e-priorita/immigrazione/focus-on/minori-stranieri/Documents/Rapporto-approfondimento-semestrale-MSNA-31-dicembre-2022.pdf, Zugriff 21.7.2023
? Gov - Ministero del Lavoro [Italien] (31.12.2022): römisch eins Minori Stranieri Non Accompagnati (MSNA) In Italia, https://www.lavoro.gov.it/temi-e-priorita/immigrazione/focus-on/minori-stranieri/Documents/Rapporto-approfondimento-semestrale-MSNA-31-dicembre-2022.pdf, Zugriff 21.7.2023
Non-Refoulement
Letzte Änderung: 27.07.2023
Italien wird von Kritikern vorgeworfen, eine Schlüsselrolle bei indirektem Refoulement nach Libyen zu spielen, indem es die libyschen Behörden weiterhin ausrüstet und ausbildet (AIDA 5.2023). Besonders Gegenstand der Kritik ist dabei, dass aus Libyen immer wieder schwerwiegende Menschenrechtsverstöße seitens Behörden und Milizen berichtet werden. Im Laufe des Jahres 2022 sollen die libyschen Behörden mit logistischer und materieller Unterstützung Italiens mehr als 24.000 Menschen auf See abgefangen und nach Libyen zurückgebracht haben (AI 28.3.2023).
Italien hat im Feber 2023 ein heftig kritisiertes Memorandum of Understanding mit Libyen verlängert, in dessen Rahmen die italienische Seite Libyen mit Geld und Ausrüstung bei seinen Search and Rescue-Aktivitäten auf See und in der Wüste und bei der Prävention und Bekämpfung illegaler Migration unterstützt. Dies wird von Kritikern als indirekte Pushbacks nach Libyen betrachtet. UNHCR betrachtet Libyen angesichts des Fehlens eines funktionierenden Asylsystems, der berichteten Schwierigkeiten, mit denen Flüchtlinge und Asylsuchende dort konfrontiert sind, des fehlenden Schutzes vor Missbrauch und des Fehlens dauerhafter Lösungen, nicht als „sicheres Land“ (USDOS 20.3.2023).
Ankömmlinge aus Staaten, die als sicher gelten (z. B. Tunesien) sollen bei Ankunft in Italien regelmäßig als Wirtschaftsmigranten eingestuft und vom Zugang zum Asylverfahren ausgeschlossen werden. Diese erhalten Rückführungsentscheidungen (AIDA 5.2023).
Berichten zufolge kommt es in den italienischen Adria-Häfen immer wieder zu Pushbacks nach Griechenland, auf der Grundlage des bilateralen Abkommens, das 1999 von der italienischen und der griechischen Regierung unterzeichnet wurde und das 2001 in Kraft trat, obwohl es nie vom italienischen Parlament ratifiziert wurde. In vielen Fällen ist es Migranten gelungen, Kontakt zu NGOs aufzunehmen, die in den adriatischen Häfen tätig sind, und einen Asylantrag zu stellen. In den anderen Fällen soll es zu Zurückschiebungen in den Hafen der Abfahrt gekommen sein. 2022 soll es auch zu Zurückweisungen und Refoulement nach Albanien gekommen sein. Berichte über angebliche Pushbacks gibt es auch von den Luftgrenzen. Weiters gibt es Berichte über Zurückschicken von Migranten von der Grenze zu Slowenien, auf der Grundlage eines bilateralen Rückübernahmeabkommens aus dem Jahre 1996, das nicht vom italienischen Parlament ratifiziert worden ist. Ein italienisches Gericht hat diese Praxis in einer Entscheidung vom Jänner 2021 als verfassungswidrig bezeichnet. Im Dezember 2022 wurden informelle Rückschiebungen wiederaufgenommen, die jedoch keine Asylwerber betrafen. Auch nahm die slowenische Seite nicht alle Betroffenen zurück, sodass nur 23 von 190 Rückschiebungen erfolgreich gewesen sein sollen (AIDA 5.2023).
Am 11.4.2023 gab der italienische Ministerrat bekannt, dass aufgrund des starken Anstiegs der Migrationsströme nach Italien, der zu einer starken Überfüllung der Erstaufnahmezentren und insbesondere des Hotspots Lampedusa führte, sowie des prognostizierten weiteren Anstiegs der Anlandungen, außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen seien, um den Hotspot Lampedusa zu entlasten und neue Einrichtungen zu bauen, die sowohl den Bedürfnissen der Aufnahme als auch der Anerkennung und Rückführung von Migranten gerecht werden. Aus diesen Gründen beschloss der Ministerrat für sechs Monate den Ausnahmezustand für das gesamte Staatsgebiet auszurufen (VB 12.4.2023; vgl. AIDA 5.2023). Die Ausrufung des Ausnahmezustandes aufgrund der Migrationssituation durch den italienischen Ministerrat am 11.4.2023 diente vor allem dazu, außerordentliche Geldmittel zu lukrieren, Ausschreibungsverfahren für die Einrichtung zusätzlicher Aufnahmezentren zu vereinfachen und zu beschleunigen sowie zusätzliche Transfers von Lampedusa nach Sizilien einzurichten, um die Überlastung des Hotspots und insgesamt der Insel Lampedusa zu verhindern. Diese Maßnahmen sollen zu einer systemischen Entlastung führen und einen besseren Umgang mit dem hohen Migrationsdruck ermöglichen (VB 6.6.2023a). Am 11.4.2023 gab der italienische Ministerrat bekannt, dass aufgrund des starken Anstiegs der Migrationsströme nach Italien, der zu einer starken Überfüllung der Erstaufnahmezentren und insbesondere des Hotspots Lampedusa führte, sowie des prognostizierten weiteren Anstiegs der Anlandungen, außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen seien, um den Hotspot Lampedusa zu entlasten und neue Einrichtungen zu bauen, die sowohl den Bedürfnissen der Aufnahme als auch der Anerkennung und Rückführung von Migranten gerecht werden. Aus diesen Gründen beschloss der Ministerrat für sechs Monate den Ausnahmezustand für das gesamte Staatsgebiet auszurufen (VB 12.4.2023; vergleiche AIDA 5.2023). Die Ausrufung des Ausnahmezustandes aufgrund der Migrationssituation durch den italienischen Ministerrat am 11.4.2023 diente vor allem dazu, außerordentliche Geldmittel zu lukrieren, Ausschreibungsverfahren für die Einrichtung zusätzlicher Aufnahmezentren zu vereinfachen und zu beschleunigen sowie zusätzliche Transfers von Lampedusa nach Sizilien einzurichten, um die Überlastung des Hotspots und insgesamt der Insel Lampedusa zu verhindern. Diese Maßnahmen sollen zu einer systemischen Entlastung führen und einen besseren Umgang mit dem hohen Migrationsdruck ermöglichen (VB 6.6.2023a).
Italien verfügt über eine Liste sicherer Herkunftsstaaten, welche Albanien, Algerien, Bosnien und Herzegowina, Kap Verde, Ghana, Kosovo, Nordmazedonien, Marokko, Montenegro, Senegal, Serbien und Tunesien umfasst. Am 17.3.2023 wurden die Elfenbeinküste, Gambia, Georgien und Nigeria zur Liste hinzugefügt, aber das Verfahren für sichere Herkunftsstaaten gilt nicht für Anträge, die von Bürgern aus diesen vier Ländern vor dem Inkrafttreten des Dekrets am 9. April 2023 gestellt wurden. Ebenfalls am 17.3.2023 wurde die Ukraine von der Liste genommen. Anträge von Bürgern aus sicheren Herkunftsstaaten können im beschleunigten Verfahren bearbeitet werden (AIDA 5.2023).
Quellen:
? AI – Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Italien 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089542.html, Zugriff 21.7.2023
? AIDA - Asylum Information Database (5.2023): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Italy, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/05/AIDA-IT_2022-Update.pdf, Zugriff 23.6.2023
? USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089493.html, Zugriff 20.7.2023
? VB des BMI Italien [Österreich] (6.6.2023a): Auskunft des VB, per E-Mai
? VB des BMI Italien [Österreich] (12.4.2023): Auskunft des VB, per E-Mail
Versorgung
Letzte Änderung: 27.07.2023
Asylwerber dürfen zwei Monate nach Antragstellung legal arbeiten. In der Praxis haben sie jedoch Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt, etwa durch Verzögerungen bei der Registrierung ihrer Asylanträge (die damit einhergehende Aufenthaltserlaubnis ist für den Zugang zum Arbeitsmarkt wichtig), oder durch die Sprachbarriere, oder die geografische Abgelegenheit der Unterbringungszentren usw. (AIDA 5.2023).
Es gibt Berichte über Diskriminierung von Migranten durch Arbeitgeber und Ausbeutung, insbesondere in den Sektoren Landwirtschaft und Dienstleistungen (USDOS 20.3.2023).
Die Ausrufung des Ausnahmezustandes aufgrund der Migrationssituation durch den italienischen Ministerrat am 11.4.2023 diente vor allem dazu, außerordentliche Geldmittel zu lukrieren, Ausschreibungsverfahren für die Einrichtung zusätzlicher Aufnahmezentren zu vereinfachen und zu beschleunigen sowie zusätzliche Transfers von Lampedusa nach Sizilien einzurichten, um die Überlastung des Hotspots und insgesamt der Insel Lampedusa zu verhindern. Diese Maßnahmen sollen zu einer systemischen Entlastung führen und einen besseren Umgang mit dem hohen Migrationsdruck ermöglichen. Leistungen von Versorgungseinrichtungen für Asylwerber bzw. asylsuchende Familien sind dadurch nicht unmittelbar betroffen (VB 6.6.2023a).
Quellen:
? AIDA - Asylum Information Database (5.2023): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Italy, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/05/AIDA-IT_2022-Update.pdf, Zugriff 23.6.2023
? USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089493.html, Zugriff 20.7.2023
? VB des BMI Italien (6.6.2023a): Auskunft des VB, per E-Mail
Unterbringung
Letzte Änderung: 27.07.2023
Das offizielle italienische Unterbringungssystem für erwachsene Asylwerber stellt sich folgendermaßen dar:
CPSA (Centri di primo soccorso e accoglienza) / Hotspots
Es handelt sich dabei um Zentren an den Hauptanlandungspunkten der Migranten, die über das Mittelmeer nach Italien kommen. Die CPSA wurden 2006 gegründet und fungieren seit 2016 formell als Hotspots (gemäß dem sogenannten Hotspot-Approach der Europäischen Kommission). Diese dienen der Erstversorgung, der Identifizierung, der Trennung von Asylwerbern und Migranten und dem Transfer in andere Zentren. Ende 2022 gab es in Italien fünf Hotspots in Apulien (Taranto) und Sizilien (Lampedusa, Pozzallo, Pantelleria und Messina) mit zusammen 1.265 Plätzen Kapazität. Es können aber auch andere Einrichtungen gemäß dem Hotspot-Approach genützt werden. Im Jahr 2021 durchliefen 44.242 Personen die Hotspots. Der Aufenthalt der Migranten in den Hotspots sollte "so kurz wie möglich" dauern. In der Praxis dauert er einige Tage bis einige Wochen (AIDA 5.2023).
Erstaufnahme
Es gibt derzeit neun Erstaufnahmezentren zur Unterbringung von Asylwerbern in fünf italienischen Regionen. Bei Platzmangel kann auch auf temporäre Strukturen (Centri di accoglienza straordinaria, CAS) zurückgegriffen werden (AIDA 5.2023).
SAI (Sistema di Accoglienza e Integrazione)
Dies ist die Unterbringung der zweiten Linie (vormals SPRAR genannt, unter Innenminister Salvini umgewandelt in SIPROIMI, später ersetzt durch SAI). Mit Gesetz 50/2023, welches Dekret 20/2023 (Cutro-Dekret) vom 5.5.2023 in ein Gesetz umwandelt, wird der Zugang von Asylwerbern zum SAI-System eingeschränkt. Das SAI-System steht somit neben Schutzberechtigten (Flüchtlingsstatus oder subsidiärer Schutz) nur noch Asylwerbern offen, die vulnerabel oder auf legalem Weg in Italien eingereist sind (staatliches Resettlement oder privat finanzierte humanitäre Aufnahmeprogramme). Gemäß Gesetz 50/2023 dürfen die Präfekturen Asylwerber in provisorischen Aufnahmeeinrichtungen unterbringen, falls in staatlichen Zentren oder vorübergehenden Einrichtungen (CAS) keine Plätze verfügbar sind (AIDA 5.2023).
Stand Feber 2023 umfasste das SAI insgesamt 934 kleinere dezentrale Projekte mit gesamt 43.923 Unterbringungsplätzen, davon 36.821 herkömmliche Plätze, 6.299 Plätze für unbegleitete Minderjährige und 803 Plätze für Menschen mit psychischen Problemen oder körperlichen Behinderungen. Dies wird als zu wenig für den vorhandenen Bedarf kritisiert (AIDA 5.2023).
CAS (Centri di accoglienza straordinaria)
Das sind "temporäre Strukturen" (Notunterkünfte) der Präfekturen. So eine Notunterbringung weist geringere Leistungen für die Untergebrachten auf als SAI und soll strikt auf die Zeit beschränkt sein, welche notwendig ist um Identifizierung, Registrierung und Vulnerabilitätseinschätzung vorzunehmen. Danach sollten sie verlegt werden. In der Praxis machen CAS jedoch über 66 % der Unterbringungskapazitäten aus. In den landesweit über 4.200 CAS-Unterbringungen sind die Unterbringungsstandards sehr unterschiedlich (AIDA 5.2023).
Provisorische Aufnahmestrukturen
Gesetz 50/2023 sieht vor, dass jeder Präfekt, für die unbedingt erforderliche Zeit bis zur Ermittlung verfügbarer Unterbringungsplätze, die Aufnahme von Asylwerbern in provisorischen Strukturen organisieren kann, in denen u. a. Verpflegung, Unterkunft, Kleidung und medizinische Versorgung gewährleistet sind (AIDA 5.2023).
Private Unterbringung / NGOs
Außerhalb der staatlichen Strukturen existiert noch ein Netzwerk privater Unterbringungsmöglichkeiten, betrieben von Kirchen oder Freiwilligenverbänden. Ihre Zahl ist schwierig festzumachen. Interessant sind sie speziell in Notfällen oder als Integrationsmittel (AIDA 5.2023).
CPR (Centri di Permanenza per il Rimpatrio)
Italien verfügt über zehn Schubhaftzentren (CPR) mit zusammen 1.359 Plätzen (wobei die effektive Gesamtkapazität mit 744 Plätzen angegeben wird) (AIDA 5.2023).
Grundsätzlich sind bedürftige Fremde zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist. Bei Rechtsmitteln mit automatischer aufschiebender Wirkung besteht das Unterbringungsrecht auch bis zur Entscheidung des Gerichts. Bei Rechtsmitteln ohne automatische aufschiebende Wirkung kann diese bei Gericht beantragt werden. Bis zu dieser Entscheidung darf der Beschwerdeführer im Zentrum bleiben. Ist die Entscheidung positiv, besteht auch das Unterbringungsrecht weiter. In der Praxis erfolgt der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der formellen Registrierung des Antrags (verbalizzazione), die bis zu einigen Monaten nach der Antragstellung stattfinden kann. Auch nach der Registrierung kann es noch zu einigen Wochen Wartezeit bis zur Unterbringung kommen. In dieser Zeit müssen Betroffene alternative Unterbringungsmöglichkeiten finden, was problematisch sein kann. Betroffene Asylwerber ohne ausreichende Geldmittel sind daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen oder es droht ihnen Obdachlosigkeit. In ganz Italien gibt es auch informelle Siedlungen oder besetzte Häuser, in denen geschätzte 10.000 Fremde leben, unter ihnen Asylwerber und Schutzberechtigte (AIDA 5.2023). Laut UNHCR, IOM und NGOs leben Tausende legal und illegal aufhältige Fremde, darunter auch Flüchtlinge, in verlassenen, unzureichenden oder überfüllten Gebäuden in Rom und anderen Großstädten des Landes, mit begrenztem Zugang zu medizinischer Versorgung, Rechtsberatung, Bildung und anderen öffentlichen Dienstleistungen. Viele Flüchtlinge und Asylsuchende, die in der informellen Wirtschaft arbeiten, können es sich, insbesondere in Großstädten, nicht leisten, Wohnungen zu mieten. Sie leben oft in provisorischen Hütten in ländlichen Gebieten oder besetzten Gebäuden unter Substandard-Bedingungen (USDOS 20.3.2023).
Mit Stand 15.7.2023 waren 125.922 Migranten in staatlichen Unterkünften untergebracht, davon 2.787 in Hotspots, 88.060 in Unterbringungszentren und 35.075 in SAI (VB 18.7.2023).
Nach dem Gesetz wird der Antragsteller im Register der Wohnbevölkerung registriert (AIDA 5.2023). Mit Dekret Nr. 130/2020 in Verbindung mit Umwandlungsgesetz Nr. 173 vom 18.12.2020 wurde für Antragsteller wieder die Möglichkeit geschaffen, sich in das Melderegister einzutragen (dies war unter Salvini abgeschafft worden - ein Schritt, der heftig kritisiert und für verfassungswidrig erklärt worden war). Im Zuge der Anmeldung wird dem Schutzsuchenden ein Personalausweis ausgestellt, der nicht zur Ausreise berechtigt und drei Jahre Gültigkeit hat (VB 3.3.2021).
Quellen:
? AIDA - Asylum Information Database (5.2023): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Italy, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/05/AIDA-IT_2022-Update.pdf, Zugriff 23.6.2023
? USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089493.html, Zugriff 20.7.2023
? VB des BMI Italien [Österreich] (18.7.2023): Statistik der italienischen Behörden, per E-Mail
? VB des BMI Italien [Österreich] (3.3.2021): Auskunft des VB, per E-Mail
Dublin-Rückkehrer
Letzte Änderung: 27.07.2023
Dublin-Rückkehrer haben grundsätzlich Zugang zum Unterbringungssystem zu denselben Bedingungen wie andere Asylwerber und stehen damit vor denselben Problemen beim Zugang zum Verfahren und zur Unterbringung wie andere Asylwerber. Es gibt für sie keine speziell reservierten Unterbringungsplätze (AIDA 5.2023).
Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellt Italien seit Juni 2015 regelmäßig eine Liste von Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind (AIDA 5.2023). Rückkehrer, die als Antragsteller nach Italien kommen, werden an die zuständige Präfektur verwiesen, die normalerweise einen Platz in einem CAS zur Verfügung stellt. Falls die Kapazitäten der CAS nicht ausreichen, kann auf Unterbringungen der 2. Stufe (SAI) zurückgegriffen werden (VQ 11.10.2022). Das SAI-System steht jedoch aufgrund der Gesetzesänderung vom Mai 2023 (Gesetz 50/2023) nur noch Asylwerbern offen, die vulnerabel sind oder auf legalem Weg nach Italien eingereist sind. Gemäß Gesetz dürfen die Präfekturen Asylwerber in provisorischen Aufnahmeeinrichtungen unterbringen, falls in staatlichen Zentren oder vorübergehenden Einrichtungen (CAS) keine Plätze verfügbar sind (AIDA 5.2023).
Am 5.12.2022 informierte die italienische Dublin-Einheit die anderen Dublin-Länder in einem Schreiben darüber, dass ab dem darauffolgenden Tag die Überstellungen nach Italien ausgesetzt werden, da es keine Plätze im Aufnahmesystem gebe. Italien wies darauf hin, dass die Aussetzung keine Auswirku