Entscheidungsdatum
20.06.2024Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W185 2287452-1/4E
W185 2287453-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX und 2.) XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , beide StA Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 1.) vom 14.02.2024, Zl. 1374327407-232195490 und 2.) vom 15.02.2024, Zl. 1374327701-232195520, zu Recht erkannt: Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) römisch 40 alias römisch 40 , geb. römisch 40 alias römisch 40 und 2.) römisch 40 alias römisch 40 , geb. römisch 40 alias römisch 40 , beide StA Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 1.) vom 14.02.2024, Zl. 1374327407-232195490 und 2.) vom 15.02.2024, Zl. 1374327701-232195520, zu Recht erkannt:
A) Den Beschwerden wird gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-Verfahrensgesetz idgF (BFA-VG) stattgegeben, die Verfahren über die Anträge auf internationalen Schutz werden zugelassen und die bekämpften Bescheide behoben. A) Den Beschwerden wird gemäß Paragraph 21, Absatz 3, erster Satz BFA-Verfahrensgesetz idgF (BFA-VG) stattgegeben, die Verfahren über die Anträge auf internationalen Schutz werden zugelassen und die bekämpften Bescheide behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführer (in der Folge: BF), Staatsangehörige Afghanistans, stellten nach irregulärer Einreise in das Bundesgebiet am 21.10.2023 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz.
EURODAC-Treffermeldungen zufolge suchten der Erstbeschwerdeführer (in der Folge: BF1) zuvor in Deutschland (27.10.2015), in Schweden (02.11.2015), in Frankreich (08.06.2023) sowie erneut in Deutschland (18.10.2023) und die Zweitbeschwerdeführerin (in der Folge: BF2) in Italien (24.11.2022), in Deutschland (11.02.2023) sowie in Frankreich (08.06.2023) um Asyl an.
Im Rahmen der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.10.2023 gab der BF1 zusammengefasst an, mit seiner Ehegattin, der BF2, nach Österreich gekommen zu sein. Er könne der Einvernahme ohne gesundheitliche Probleme folgen und benötige keine Medikamente. In Deutschland würden seine Ex-Frau und sein Sohn leben. Seinen Herkunftsstaat habe der BF im Jahr 2015 illegal verlassen und sei nach Iran gereist, wo er sich zwei Monate lang aufgehalten habe. Anschließend sei er über die Türkei (Aufenthalt zwölf Tage), Griechenland (Aufenthalt 12 Tage), Nordmazedonien (Aufenthalt zwei Tage), Serbien (Aufenthalt einen Tag), Ungarn (Aufenthalt einen Tag), Österreich (Aufenthalt einen Tag), Deutschland (Aufenthalt einen Tag), Schweden (Aufenthalt sechs Monate), Deutschland (Aufenthalt bis ins Jahr 2020), Frankreich (Aufenthalt fünf Monate), Deutschland (Aufenthalt zwei Jahre), Frankreich (Aufenthalt vier Monate), Deutschland (Aufenthalt einen Monat) letztlich nach Österreich gekommen. In Deutschland, Schweden und Frankreich sei er ED-behandelt worden und habe auch um Asyl angesucht. Die Asylanträge seien jedoch alle abgelehnt worden. Sowohl die schwedischen als auch die französischen Behörden hätten ihn jeweils nach Deutschland abgeschoben. In Deutschland sei er „schlecht behandelt“ und nicht versorgt worden.
Die BF2 wurde ebenfalls am 21.10.2023 einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen und gab zusammengefasst an, mit ihrem Ehegatten, dem BF1, gemeinsam nach Österreich eingereist zu sein. Sie könne der Einvernahme ohne gesundheitliche Probleme folgen und benötige keine Medikamente. Sie sei in der zehnten Woche schwanger. Die BF1 sei im August 2021 legal nach Pakistan gereist, wo sie sich sechs Monate lang aufgehalten habe. Anschließend sei sie über Italien (Aufenthalt zweieinhalb Monate), Deutschland (Aufenthalt fünf Monate), Frankreich (Aufenthalt vier Monate) und wiederum Deutschland (Aufenthalt drei Wochen) nach Österreich gelangt. In Italien, Deutschland und Frankreich sei sie ED-behandelt worden, in Deutschland und Frankreich habe sie Asylanträge gestellt. In Frankreich sei ihr Asylantrag abgelehnt worden. Zum Stand ihres Asylverfahrens in Deutschland könne sie keine Angaben machen. In Frankreich und Deutschland sei sie „schlecht behandelt“ und medizinisch nicht versorgt worden. In Deutschland habe sie keine Unterkunft bekommen, daher hätten sie auf der Straße schlafen müssen. In Italien habe sie über einen Aufenthaltstitel oder ein Visum verfügt; sie denke, dass es sich um ein humanitäres Visum gehandelt habe. Um Asyl habe sie dort nicht angesucht.
Am 27.10.2023 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO betreffend beide BF an Deutschland; dies unter Hinweis auf sämtliche Eurodac-Treffermeldungen der Kategorie "1", die Ehe der BF, deren Familienangehörige in Deutschland sowie die Reisewege der BF.Am 27.10.2023 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) Wiederaufnahmeersuchen gemäß Artikel 18, Absatz eins, Litera b, Dublin III-VO betreffend beide BF an Deutschland; dies unter Hinweis auf sämtliche Eurodac-Treffermeldungen der Kategorie "1", die Ehe der BF, deren Familienangehörige in Deutschland sowie die Reisewege der BF.
Mit Schreiben vom 31.10.2023 stimmte die deutsche Dublin-Behörde hinsichtlich des BF1 gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO und hinsichtlich der BF2 gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO ausdrücklich zu, die BF wiederaufzunehmen. In den Antwortschreiben wurden auch die Aliasidentitäten der BF bekannt gegeben.Mit Schreiben vom 31.10.2023 stimmte die deutsche Dublin-Behörde hinsichtlich des BF1 gemäß Artikel 18, Absatz eins, Litera d, Dublin III-VO und hinsichtlich der BF2 gemäß Artikel 18, Absatz eins, Litera b, Dublin III-VO ausdrücklich zu, die BF wiederaufzunehmen. In den Antwortschreiben wurden auch die Aliasidentitäten der BF bekannt gegeben.
Am 13.12.2023 fand eine Einvernahme des BF1 vor dem Bundesamt statt. Hiebei gab dieser im Wesentlichen an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen. Er sei nicht krank und nehme keine Medikamente ein. Der BF1 legte einen Schwerbehindertenausweis aus Deutschland vor, den er aufgrund von Verletzungen erhalten habe. Er gab weiter an, mit seiner Ex-Frau ein gemeinsames Kind zu haben. Beide Genannten würden in Deutschland leben. Er habe sich vor zwei Jahren von seiner damaligen Gattin getrennt und die deutschen Behörden hätten die Ehe für aufgelöst erklärt. Der BF1 und seine Ex-Frau würden sich die Obsorge den mj Sohn teilen. Sein in Deutschland gestellter Asylantrag sei abgelehnt worden. Über Vorhalt der Absicht des Bundesamtes, den Asylantrag des BF1 zurückzuweisen und dessen Außerlandesbringung nach Deutschland zu veranlassen, erklärte der Genannte, der deutsche Staat würde sich nicht um ihn und seine nunmehrige Ehefrau kümmern, welche im fünften Monat schwanger sei. Seine Ehefrau sei vor der Eheschließung – als sich der BF1 bereits in Deutschland aufgehalten habe – von Italien zu ihm nach Deutschland gereist. Zunächst sei die BF2 dort in der Flüchtlingsbetreuung gewesen, der BF1 außerhalb. Die Behörde habe sich nicht um das Verfahren gekümmert und die Lage für seine Ehefrau in der Betreuungsstelle sei „schwierig“ gewesen. Eine gemeinsame Grundversorgung sei den BF vorenthalten worden. In Deutschland sei das Leben des BF1 in Gefahr, da die Taliban dort „enormen Einfluss“ hätten. Er sei auch persönlich bedroht worden, was er auch bei der Polizei angezeigt habe. Durch den Stress einer Abschiebung würde seine Ehefrau das gemeinsame Baby verlieren und aufgrund der hohen Anzahl der Asylsuchenden in Deutschland werde man sich dort „nicht intensiv“ um sie kümmern können.
Die BF2 gab im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt am 13.12.2023 im Wesentlichen an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, Angaben zu ihrem Asylverfahren zu machen. Sie sei im fünften Monat schwanger und habe aufgrund der Schwangerschaft einen Arzt aufgesucht. Sie leide an Stoffwechselproblemen sowie den „üblichen Schwangerschaftsbeschwerden“. Die Eltern der BF2 würden mit Schutzstatus in Italien leben. Sie selbst habe in Deutschland um Asyl angesucht, jedoch bisher keine Antwort erhalten. Über Vorhalt der Absicht des Bundesamtes, den Asylantrag der BF2 zurückzuweisen und deren Außerlandesbringung nach Deutschland zu veranlassen, erklärte diese, ihr Ehemann und sie würden nicht nach Deutschland zurückkehren wollen, da man sich dort nicht um sie kümmere. Als sie von Frankreich nach Deutschland eingereist seien, hätten sie zwei Nächte am Bahnhof schlafen müssen. Ihnen sei mitgeteilt worden, dass die deutschen Behörden nicht zuständig seien. Sie erwarte, dass sie nach einer Rückkehr nach Deutschland wieder auf der Straße leben müsste. Eine medizinische Versorgung sei ihr in Deutschland vorenthalten worden.
Mit Bescheiden des Bundesamtes wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO (Anm. BF1) bzw. Artikel 18 Abs. 1 lit b Dublin III-VO (Anm. BF2) Deutschland für die Prüfung der Anträge zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge deren Abschiebung nach Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).Mit Bescheiden des Bundesamtes wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß Paragraph 5, Absatz eins, AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Artikel 18, Absatz eins, Litera d, Dublin III-VO Anmerkung BF1) bzw. Artikel 18 Absatz eins, Litera b, Dublin III-VO Anmerkung BF2) Deutschland für die Prüfung der Anträge zuständig sei (Spruchpunkt römisch eins.). Gleichzeitig wurde gegen die BF gemäß Paragraph 61, Absatz eins, FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge deren Abschiebung nach Deutschland gemäß Paragraph 61, Absatz 2, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch II.).
Gegen diese Bescheide des Bundesamtes richten sich die fristgerecht erhobenen, gleichlautenden Beschwerden. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die BF in Deutschland nicht untergebracht und versorgt worden seien. Die BF2 sei schwanger und habe angegeben, in Deutschland keine medizinische Versorgung erhalten zu haben. Die BF2 habe aufgrund der schwierigen Lage in Deutschland psychische Probleme und auch gesundheitliche Probleme aufgrund der Schwangerschaft. Das Bundesamt habe ein mangelndes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Es habe keine Ermittlungen zum Gesundheitszustand der BF2 angestellt, obwohl diese gesundheitliche Probleme vorgebracht habe. Sie sei psychisch sehr belastet und deswegen auch in Behandlung. Von einer medikamentösen Behandlung sei ihr sowohl vom Arzt in der Betreuungsstelle als auch vom behandelnden Gynäkologen jedoch abgeraten worden. Im beigelegten Arztbrief werde empfohlen, aufgrund ihres Zustandes von einer Abschiebung abzusehen. Eine Überstellung der BF2 nach Deutschland sei aufgrund ihres Gesundheitszustandes und ihrer Schwangerschaft unzulässig. Das Bundesamt habe auch das Vorbringen der BF, dass sie in Deutschland nicht untergebracht und versorgt worden wären, nicht ausreichend gewürdigt. Zudem wäre im konkreten Fall eine Einzelfallprüfung zur Beurteilung der Frage, ob den BF in Deutschland eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe, erforderlich gewesen. Da im gegenständlichen Fall auch keine individuellen Garantien seitens der deutschen Behörden vorlägen, verletze eine Überstellung nach Deutschland Art. 3 EMRK und sei demnach unzulässig. Das Bundesamt hätte zum Schluss kommen müssen, dass aufgrund der besonderen Umstände des gegenständlichen Falles eine Abschiebung nach Deutschland eine Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK sowie des 6. und 13. ZP der EMRK bzw. Art. 2 und 4 GRC gewährleisteten Rechte darstelle und vom Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch machen müssen. Es wurde angeregt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Beiliegend wurde ein Ambulanzbefund eines Landesklinikums vorgelegt.Gegen diese Bescheide des Bundesamtes richten sich die fristgerecht erhobenen, gleichlautenden Beschwerden. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die BF in Deutschland nicht untergebracht und versorgt worden seien. Die BF2 sei schwanger und habe angegeben, in Deutschland keine medizinische Versorgung erhalten zu haben. Die BF2 habe aufgrund der schwierigen Lage in Deutschland psychische Probleme und auch gesundheitliche Probleme aufgrund der Schwangerschaft. Das Bundesamt habe ein mangelndes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Es habe keine Ermittlungen zum Gesundheitszustand der BF2 angestellt, obwohl diese gesundheitliche Probleme vorgebracht habe. Sie sei psychisch sehr belastet und deswegen auch in Behandlung. Von einer medikamentösen Behandlung sei ihr sowohl vom Arzt in der Betreuungsstelle als auch vom behandelnden Gynäkologen jedoch abgeraten worden. Im beigelegten Arztbrief werde empfohlen, aufgrund ihres Zustandes von einer Abschiebung abzusehen. Eine Überstellung der BF2 nach Deutschland sei aufgrund ihres Gesundheitszustandes und ihrer Schwangerschaft unzulässig. Das Bundesamt habe auch das Vorbringen der BF, dass sie in Deutschland nicht untergebracht und versorgt worden wären, nicht ausreichend gewürdigt. Zudem wäre im konkreten Fall eine Einzelfallprüfung zur Beurteilung der Frage, ob den BF in Deutschland eine Verletzung ihrer durch Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte drohe, erforderlich gewesen. Da im gegenständlichen Fall auch keine individuellen Garantien seitens der deutschen Behörden vorlägen, verletze eine Überstellung nach Deutschland Artikel 3, EMRK und sei demnach unzulässig. Das Bundesamt hätte zum Schluss kommen müssen, dass aufgrund der besonderen Umstände des gegenständlichen Falles eine Abschiebung nach Deutschland eine Verletzung der durch Artikel 2 und 3 EMRK sowie des 6. und 13. ZP der EMRK bzw. Artikel 2 und 4 GRC gewährleisteten Rechte darstelle und vom Selbsteintrittsrecht gemäß Artikel 17, Absatz eins, Dublin III-VO Gebrauch machen müssen. Es wurde angeregt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Beiliegend wurde ein Ambulanzbefund eines Landesklinikums vorgelegt.
Am 06.03.2024 übermittelte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht Unterlagen betreffend die BF2, unter anderem zur Krankengeschichte und zu geplanten weiteren Arztterminen.
Am 27.03.2024 übermittelte die BBU GmbH für die BF2 eine Kopie des Mutter-Kind-Passes sowie eine Terminbestätigung für den geplanten Kaiserschnitt.
Am 06.05.2024 übermittelte das Bundesamt dem BVwG die Mitteilung der deutschen Dublin-Behörde vom 03.05.2024, wonach eine Überstellung nicht mehr möglich sei, da die Überstellungsfrist bereits abgelaufen sei (OZ 7).
Zuletzt am 06.06.2024 veranlasste das Bundesverwaltungsgericht Abfragen aus dem Zentralen Melderegister, dem Betreuungsinformationssystem GVS sowie dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR). Diese Abfragen haben ergeben, dass die BF nach wie vor in Österreich aufhältig und aufrecht gemeldet sind.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang.
Obwohl unzweifelhaft die Zuständigkeit Deutschlands zur Führung der Asylverfahren der BF vorlag, erfolgte deren Überstellung nicht binnen der in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO festgelegten Frist von sechs Monaten, konkret bis zum Ablauf des 30.04.2024. Die Verfahren wurde nicht ausgesetzt und es kam auch zu keiner Fristverlängerung im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO. Obwohl unzweifelhaft die Zuständigkeit Deutschlands zur Führung der Asylverfahren der BF vorlag, erfolgte deren Überstellung nicht binnen der in Artikel 29, Absatz eins, Dublin III-VO festgelegten Frist von sechs Monaten, konkret bis zum Ablauf des 30.04.2024. Die Verfahren wurde nicht ausgesetzt und es kam auch zu keiner Fristverlängerung im Sinne des Artikel 29, Absatz 2, Dublin III-VO.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus den Akten des Bundesamtes, insbesondere den Konsultationsverfahren, sowie den Abfragen des Zentralen Melderegisters, des Betreuungsinformationssystem GVS sowie des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister. Überdies gab die deutsche Dublin-Behörde bekannt, dass die Überstellungsfrist inzwischen abgelaufen ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgebung der Beschwerde
Die maßgebliche Bestimmung des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) idgF lautet:
"§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) lauten:
"Artikel 25 Antwort auf ein Wiederaufnahmegesuch
(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Wiederaufnahme der betreffenden Person so rasch wie möglich, in jedem Fall aber nicht später als einen Monat, nachdem er mit dem Gesuch befasst wurde. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen.
(2) ……………….."
"Artikel 29 Dublin III – VO: Modalitäten und Fristen"Artikel 29 Dublin römisch III – VO: Modalitäten und Fristen
(1) Die Überstellung des Antragstellers oder einer anderen Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme — oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat.
……………………...
(2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist."
…
"Artikel 42 Berechnung der Fristen
Die in dieser Verordnung vorgesehenen Fristen werden wie folgt berechnet:
a) Ist für den Anfang einer nach Tagen, Wochen oder Monaten bemessenen Frist der Zeitpunkt maßgebend, zu dem ein Ereignis eintritt oder eine Handlung vorgenommen wird, so wird bei Berechnung dieser Frist der Tag, auf den das Ereignis oder die Handlung fällt, nicht mitgerechnet.
b) Eine nach Wochen oder Monaten bemessene Frist endet mit Ablauf des Tages, der in der letzten Woche oder im letzten Monat dieselbe Bezeichnung oder dieselbe Zahl wie der Tag trägt, an dem das Ereignis eingetreten oder die Handlung vorgenommen worden ist, von denen an die Frist zu berechnen ist. Fehlt bei einer nach Monaten bemessenen Frist im letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
c) Eine Frist umfasst die Samstage, die Sonntage und alle gesetzlichen Feiertage in jedem der betroffenen Mitgliedstaaten."
Auf Grund der Aufnahmegesuche Österreichs an Deutschland vom 27.10.2023 und der Zustimmung Deutschlands zur Übernahme der BF mit Schreiben vom 31.10.2023, endete die sechsmonatige Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 iVm Art 42 Dublin III-VO mit Ablauf des 30.04.2024.Auf Grund der Aufnahmegesuche Österreichs an Deutschland vom 27.10.2023 und der Zustimmung Deutschlands zur Übernahme der BF mit Schreiben vom 31.10.2023, endete die sechsmonatige Überstellungsfrist nach Artikel 29, Absatz eins, in Verbindung mit Artikel 42, Dublin III-VO mit Ablauf des 30.04.2024.
Eine Aussetzung der Verfahren bzw. eine Verlängerung der Überstellungsfrist, etwa aufgrund Inhaftierung oder unbekannten Aufenthalts der BF, hat nicht stattgefunden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist somit die Überstellungsfrist gem. Art. 29 Abs. 1 Dublin III–VO bereits abgelaufen.Eine Aussetzung der Verfahren bzw. eine Verlängerung der Überstellungsfrist, etwa aufgrund Inhaftierung oder unbekannten Aufenthalts der BF, hat nicht stattgefunden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist somit die Überstellungsfrist gem. Artikel 29, Absatz eins, Dublin III–VO bereits abgelaufen.
Die Verfristungsbestimmungen der Dublin III-VO normieren einen Zuständigkeitsübergang bzw. eine Zuständigkeitsbegründung des die Überstellung nicht während dieser Frist durchführenden Mitgliedsstaates. Ein Übergang der Zuständigkeit hat im gegenständlichen Verfahren somit stattgefunden und ist Österreich demnach nunmehr für die Führung der materiellen Verfahren der BF zuständig. Dementsprechend waren die gegenständlichen, die Zuständigkeit Österreichs zurückweisenden Bescheide zu beheben und die Verfahren zuzulassen.
In diesem Zusammenhang bleibt noch anzuführen, dass die in Art 29 Abs 1 und 2 Dublin III-VO normierte Frist zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat eine zwingende Frist ist (siehe EuGH 25.10.2017, Rs C-201/16 Shiri), bei deren Nichteinhaltung die Zuständigkeit, ohne dass dies von der Reaktion des zuständigen Mitgliedstaates abhängig wäre, auf den ersuchenden Staat übergeht. Darauf kann sich auch ein Antragsteller berufen (VwGH 13.12.2017, Ra 2017/19/0081). In diesem Zusammenhang bleibt noch anzuführen, dass die in Artikel 29, Absatz eins und 2 Dublin III-VO normierte Frist zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat eine zwingende Frist ist (siehe EuGH 25.10.2017, Rs C-201/16 Shiri), bei deren Nichteinhaltung die Zuständigkeit, ohne dass dies von der Reaktion des zuständigen Mitgliedstaates abhängig wäre, auf den ersuchenden Staat übergeht. Darauf kann sich auch ein Antragsteller berufen (VwGH 13.12.2017, Ra 2017/19/0081).
Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben, zumal sämtliche verfahrenswesentliche Abklärungen, insbesondere aber die im gegenständlichen Verfahren relevante Frage hinsichtlich des Vorliegens eines Fristablaufes, eindeutig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt beantwortet werden konnten. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß Paragraph 21, Absatz 6 a und 7 BFA-VG unterbleiben, zumal sämtliche verfahrenswesentliche Abklärungen, insbesondere aber die im gegenständlichen Verfahren relevante Frage hinsichtlich des Vorliegens eines Fristablaufes, eindeutig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt beantwortet werden konnten.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im Übrigen treffen Art. 29 Dub III-VO und § 21 Abs. 3 BFA-VG klare, eindeutige Regelungen (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.Im Übrigen treffen Artikel 29, Dub III-VO und Paragraph 21, Absatz 3, BFA-VG klare, eindeutige Regelungen vergleiche OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Schlagworte
Fristablauf Fristversäumung Überstellungsfrist Verfristung ZulassungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2024:W185.2287453.1.00Im RIS seit
12.08.2024Zuletzt aktualisiert am
12.08.2024