TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/14 94/03/0336

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.06.1995
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §5 Abs1;
VStG §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 8. November 1994, Zl. UVS 303.11-24/93-8, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug schuldig erkannt, er habe am 18. Dezember 1992 um 00.27 Uhr in St. Marein auf der Gemeindestraße "Schubertstraße" auf Höhe des Hauses Nr. 10 einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft 1,02 mg/l) in Betrieb genommen. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen, weshalb eine Geldstrafe von 12.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt worden ist. In der Bescheidbegründung wird u.a. ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in der Berufung im wesentlichen vorgebracht, er habe sein Fahrzeug nicht auf der Schubertstraße, sondern auf einem an deren Längsseite angrenzenden Privatgrundstück und damit nicht auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr iSd § 1 Abs. 1 StVO 1960 abgestellt und in der Folge dort in Betrieb genommen. Nach den Feststellungen der belangten Behörde befinde sich im Haus Schubertstraße Nr. 10 das Cafe "Gerli". Die Schubertstraße verlaufe annähernd in ost-westlicher Richtung, ihre Fahrbahn sei in einer Breite von ca. 3,5 m asphaltiert. Gegenüber ("vis a vis") dem Cafe "Gerli", also an der Südseite befinde sich ein großes ebenes Grundstück, welches im wesentlichen Wiesengrund darstelle. Unmittelbar an der dem Haus Nr. 10 gegenüberliegenden Seite der Fahrbahn schließe sich an die Schubertstraße ein ca. 30 m breiter mit Schotter befestigter Grund an, welcher ca. 5 m in die Wiese hineinrage. Diese Fläche grenze direkt an die asphaltierte Fahrbahn der Schubertstraße. Unmittelbar vor dem Eingang des Cafes befänden sich lediglich zwei Parkplätze. Schon seit ca. 15 Jahren würden auf der geschotterten Fläche gegenüber dem Cafe vornehmlich Gäste des Kaffeehauses parken. Auch wenn diese Parkfläche im Eigentum der gemeinnützigen M-Siedlungs-AG stehe, sei sie aufgrund der Benutzung durch die Besucher des Gastronomiebetriebes als Straße mit öffentlichem Verkehr anzusehen. Jedermann habe als Gast des Cafes die Möglichkeit gehabt, sein Fahrzeug auf dieser Fläche abzustellen. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, er habe den Motor seines Fahrzeuges starten und die Heizung einschalten müssen, um nach der Sperrstunde im Cafe "Gerli" mangels einer beheizbaren Behausung dem Erfrieren zu entgehen, so ergibt sich daraus keine Notstandssituation iSd § 6 VStG. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers habe er von

22.30 bis 00.00 Uhr außer dem Cafe "Gerli" noch ein anderes Kaffehaus aufgesucht, welches erst um 2.00 Uhr sperre; von dort aus hätte jedenfalls die Möglichkeit bestanden, ein Taxi zu rufen. Zudem habe sich der Beschwerdeführer, wenn er sich nicht rechtzeitig um eine beheizte Übernachtungsmöglichkeit gekümmert habe, durch eigenes Verschulden in eine Notlage begeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst sei darauf hingewiesen, daß sich im Akt der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz (Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag) ein Aktenvermerk betreffend die Einstellung des Strafverfahrens nach § 45 VStG befindet, über den der Beschwerdeführer nicht verständigt worden ist. Nach der vom Bezirkshauptmann von Mürzzuschlag abgegebenen unbedenklichen Stellungnahme ist allerdings der Aktenvermerk nicht von einem zu derartigen Maßnahmen ermächtigten (approbationsbefugten) Bediensteten verfaßt worden. Die Maßnahme hat daher keine Einstellung des Verfahrens bewirkt.

Der Beschwerdeführer vermeint unter Hinweis auf § 44a VStG einen Widerspruch zwischen Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheides und damit dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit aufzuzeigen, indem er darauf verweist, daß der Tatort im Spruch mit Gemeindestraße "Schubertstraße" auf Höhe des Hauses Nr. 10, in der Begründung hingegen mit einem Parkplatz vis a vis des Cafe "Gerli" (Schubertstraße 10) bezeichnet worden sei.

Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu bezeichnen. Der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG ist dann entsprochen, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davon zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 937, unter Hinweis auf hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1984, Slg. N.F. 11466/A).

Der Ort, an dem der Beschwerdeführer die Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen hat, war eine geschotterte Grundfläche, die sich unmittelbar an die Südgrenze der asphaltierten Fläche der Schubertstraße auf Höhe des Hauses Nr. 10 (Cafe "Gerli") anschließt. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich dieser Tatort exakt. Im gegenständlichen Fall steht für den Tatort keine Ortsbezeichnung im eigentlichen Sinn zur Verfügung. Im Bescheidspruch hat die Behörde daher die unmittelbar an die Asphaltfläche der Straße angrenzende Schotterfläche (Straßenrand) noch durch Verwendung der Straßenbezeichnung beschrieben. Die Begründung eines Bescheides kann zur Auslegung des Bescheidspruches herangezogen werden (vgl. hg. Erkenntnis vom 12. April 1988, Zl. 87/07/0176). Aus der diesbezüglich als nähere Erklärung dienenden Begründung ergibt sich, daß nicht die Asphaltfläche der Straße, sondern die im Süden angrenzende Schotterfläche gemeint war. Bei verständiger Würdigung kann im gegenständlichen Fall die Begründung noch als Mittel zur Auslegung des Spruches herangezogen werden. Daraus ergibt sich aber, daß sie nicht einen anderen Tatort festlegt als der Bescheidspruch. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers leidet der angefochtene Bescheid daher nicht an einem Widerspruch zwischen Spruch und Begründung.

Der Beschwerdeführer verweist weiters auf den Schuldausschließungsgrund des Notstandes nach § 6 VStG. Die Inbetriebnahme des Motors des Fahrzeuges zur Betätigung der Heizung sei notwendig gewesen, weil der Beschwerdeführer ansonsten im Auto erfroren wäre.

Mit seinem Beschwerdevorbringen wendet sich der Beschwerdeführer nicht gegen die Feststellungen der belangten Behörde, daß er an jenem Abend auch das Cafe "Flasch" besucht habe, dieses bis um 2,00 Uhr geöffnet sei und er von dort aus telefonisch ein Taxi rufen hätte können.

Notstand liegt vor, wenn jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein durch Begehung einer strafbaren Handlung retten kann (vgl. hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1989, Zl. 88/08/0168). In der mündlichen Berufungsverhandlung hat der Beschwerdeführer vorgebracht, daß er um ca. 23.30 Uhr das Cafe "Gerli" verlassen und zum Cafe "Flasch" gegangen sei; in der Folge sei er zu seinem Auto zurückgekehrt. Schon im Hinblick auf die im angefochtenen Bescheid aufgezeigten Möglichkeiten der Beseitigung der Gefahr durch das Herbeiholen eines Taxis - auch wenn der Beschwerdeführer das Beförderungsentgelt erst zu Hause gezahlt hätte - kann es der Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig erkennen, wenn die belangte Behörde das Vorliegen dieses Schuldausschließungsgrundes nicht angenommen hat. Im übrigen sei darauf verwiesen, daß sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf Notstand berufen kann, wer sich ohne einen von der Rechtsordnung anerkannten Grund selbst in eine Zwangslage begeben hat (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Seite 738 zitierte hg. Judikatur).

Der Beschwerdeführer wird somit durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Verfahrensrecht Notstand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994030336.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten