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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO NÖ 1976 §1 Abs2 idF 8200-6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr.Gritsch, über die Beschwerde des Österreichischen Rundfunks in Wien, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Jänner 1993, Zl. R/1-V-92132/00, betreffend einen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde M, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Bürgermeister der Gemeinde M als Baubehörde erster Instanz erteilte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 6. April 1992 den Auftrag, die im Inneren der Gebäude des Kurzwellensendezentrums M auf den Grundstücken Nr. 1177/1, 1167 u. a., EZ 352 KG M, aufgestellten Sendeanlagen (zwei Sender zu je 500 kW) innerhalb von drei Monaten ab Rechtskraft zu entfernen. Als Rechtsgrundlage hiefür wurde § 113 Abs. 2 Z. 3 lit. b der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-8, angeführt. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, daß die Baubewilligung vom 23. Mai 1980 die Erweiterung der Antennenanlage und des Senderbetriebsgebäudes erfasse, von dieser Bewilligung aber die Aufstellung von Maschinen oder Gegenständen nicht umfaßt gewesen sei. Bewilligt seien also nur das Sendergebäude und die Sendeantennen, nicht aber die im Gebäude aufgestellten Anlagen. In der Folge habe der Beschwerdeführer zwei Sender mit je 500 kW Sendeleistung zur Verbesserung der Sendequalität installiert. Diese Anlagen seien von der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung mit Bescheiden vom 11. März 1986 und 5. Juli 1988 gemäß § 27 des Arbeitnehmerschutzgesetzes 1972 bewilligt worden. Der Beschwerdeführer sei am 25. Oktober 1991 aufgefordert worden, für die genannten Kurzwellensendegeräte um baubehördliche Bewilligung gemäß § 92 Abs. 1 Z. 6 der NÖ Bauordnung 1976 anzusuchen; diesem Antrag sei er nicht nachgekommen, sondern habe im Schreiben vom 2. März 1992 die Ansicht vertreten, daß keine Bewilligung der Baubehörde erforderlich sei.
Aus den im baubehördlichen Verfahren eingeholten Gutachten habe sich ergeben, daß nach dem Stand der technischen Wissenschaften und der Medizin als erwiesen anzunehmen sei, daß elektromagnetische Felder - wie sie durch die gegenständlichen Sendeanlagen erzeugt werden - die Gesundheit von Menschen beeinträchtigen KÖNNEN. Daraus ergebe sich die Bewilligungspflicht für die Sendeaggregate, die nach dem 1. Jänner 1982 (Inkrafttreten der Novelle zur NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-1) installiert worden seien, sodaß eine Bewilligung der Baubehörde gemäß § 92 Abs. 1 Z. 6 der NÖ Bauordnung erforderlich gewesen wäre. Der Entfernungsauftrag diene dazu, die konsenslos errichtete bewilligungspflichtige Anlage zu entfernen und eine Antragstellung zu erzwingen, um im Rahmen des Bewilligungsverfahrens sicherzustellen, daß keine Gesundheitsgefährdung entstehe.
Die Kompetenz der einschreitenden Baubehörde wurde in diesem Bescheid darauf gestützt, daß weder in dem fernmelderechtlichen Bewilligungsverfahren noch in dem Bewilligungsverfahren nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz die mögliche Verletzung von Anrainerrechten, die Belästigung von Anrainern oder gar die Beeinträchtigungsmöglichkeit der Gesundheit von Menschen, die nicht Arbeitnehmer bei dieser Anlage sind, durch eine Sendeanlage behandelt werde. Unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1992, Zl. 91/05/0087, welches sich mit einer Parabolantenne in derselben Gemeinde beschäftigt habe, sei ausgeführt worden, daß die dort angestellten Erwägungen über die Ortsbildbeeinträchtigung durch fernmeldetechnische Anlagen auch für Fragen des Immissionsschutzes bezüglich der Auswirkungen solcher Anlagen auf die menschliche Gesundheit Anwendung fänden.
Der dagegen erhobenen Berufung gab der Gemeinderat mit Bescheid vom 16. Juni 1992 keine Folge. Durch die nunmehr aufgestellten Sendeaggregate entstünden zusätzliche Beeinträchtigungen (Gefährdungen oder Belästigungen) durch die Auswirkung der Sendeanlage, welche durch die Antenne lediglich verbreitet würden. Für die Bewilligungspflicht genüge allein die Möglichkeit einer Beeinträchtigung; ob eine solche Beeinträchtigung tatsächlich bestehe, sei Gegenstand eines über Antrag einzuleitenden Bewilligungsverfahrens. Die Baubehörde sei zuständig gewesen, weil im Hinblick auf die nunmehr vom Verfassungsgerichtshof vertretene Gesichtspunkte- und Berücksichtigungstheorie kein Zweifel daran bestehe, daß die Baubehörde zur Beurteilung von Gefährdungen für Personen und Sachen durch Sendeanlagen außerhalb derselben zuständig sei, zumal es sich hier um keine gewerbliche Anlage handle.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Vorstellung keine Folge. Auch die Vorstellungsbehörde verwies auf das oben genannte hg. Erkenntnis zur Genehmigungspflicht einer Parabolantennenanlage, wonach eine Bewilligungspflicht nach dem Fernmeldegesetz der Festsetzung einer zusätzlichen Bewilligungspflicht durch die Baubehörde nicht entgegenstehe. Die NÖ Bauordnung 1976 fülle im vorliegenden Fall lediglich eine Regelungslücke, für die der grundsätzlich nach Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG für das "Fernmeldewesen" zuständige Bundesgesetzgeber keine Vorsorge getroffen habe. Bei einer Regelung der von einer Sendeanlage ausgehenden Gesundheitsgefährdung im Fernmeldegesetz oder einer anderen (derzeit nicht existierenden) Norm wäre für eine Wahrung der diesbezüglichen Anrainerinteressen durch den Landesgesetzgeber kein Platz mehr.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde. Der Verfassungsgerichtshof lehnte - nach Durchführung eines Vorverfahrens - die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluß vom 27. September 1993 ab. Darin führte er unter anderem aus: "Soferne die Beschwerde kompetenzrechtliche Fragen berührt, läßt ihr Vorbringen angesichts des Umstandes, daß die Gemeindebehörde keine anderen als baurechtlichen Kriterien zur Begründung ihrer Zuständigkeit angewendet hat, die behauptete Rechtsverletzung als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß die Beschwerde insoweit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat." Der Beschwerdeführer erachtet sich in seiner nach Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde unter anderem in seinem Recht auf Nichterteilung eines baupolizeilichen Entfernungsauftrages mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nach der NÖ Bauordnung sowie auf Nichtanwendung der NÖ Bauordnung und schließlich auf Gestaltung und Besorgung des Auslandsdienstes auf Kurzwelle verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Baubehörden stützten ihr amtswegiges Einschreiten auf die Bestimmung des § 113 Abs. 2 Z. 3 lit. b der NÖ Bauordnung 1976, welche in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung der am 1. Jänner 1989 in Kraft getretenen Novelle LGBl. 8200-6 (im folgenden: BO), wie folgt lautet:
"(2) Die Baubehörde hat den Abbruch einer Baulichkeit anzuordnen, wenn
...
3. für die Baulichkeit keine baubehördliche Bewilligung vorliegt und ...
b) der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat."
Der Beschwerdeführer zeigt zunächst richtig auf, daß die hier getroffene baubehördliche Maßnahme das Vorhandensein eines Bauwerkes voraussetzt, welches abzubrechen ist. Im erstinstanzlichen Bescheid wurde deutlich gemacht, daß sich der Beseitigungsauftrag nur auf die Maschinen beziehen kann, weil das Gebäude längst bewilligt war. Keinesfalls kann der Schluß gezogen werden, der Gesetzgeber wollte durch die Verwendung des Begriffes "Baulichkeit" ALLE Vorhaben gemäß § 92 Abs. 1 BO erfassen; dort kommen ja neben Bauwerken (und damit Gebäuden) auch Anlagen vor. Insbesondere erlaubt die Formulierung "Maschinen oder anderen Gegenständen in Gebäuden" (und nicht etwa: Maschinen und andere Bauwerke) nicht den Schluß, daß alle derartigen Maschinen Bauwerkscharakter im Sinne des § 2 Z. 5 BO haben müssen. Bei den diesbezüglichen Ausführungen in den Gegenschriften wird verkannt, daß der Gesetzgeber auch andere baupolizeiliche Maßnahmen als den Abbruchauftrag kennt, wofür eine derartige Einschränkung auf Baulichkeiten nicht verlangt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1976, Slg. Nr. 8988/A).
Nach ständiger hg. Rechtsprechung setzt ein derartiger Beseitigungsauftrag voraus, daß die Bewilligungspflicht sowohl im Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerkes als auch im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages zu bejahen ist (Hauer-Zaussinger, NÖ Bauordnung4, 415; zuletzt beispielsweise hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1994, Zl. 92/05/0122).
Die Baubehörden haben die Bewilligungspflicht der gegenständlichen Sendeaggregate auf § 92 Abs. 1 Z. 6 BO gestützt. Diese Bestimmung lautet:
"(1) Nachstehende Vorhaben bedürfen einer Bewilligung der Baubehörde:
...
6. die Aufstellung von Maschinen oder anderen Gegenständen in Gebäuden, wenn die Festigkeit beeinflußt oder die Gesundheit beeinträchtigt oder Rechte der Nachbarn verletzt werden können, sowie die Aufstellung oder der Austausch von Wärmeerzeugern von Zentralheizungsanlagen; ..."
Zuvor (seit der Fassung LGBl. 8200-1) lautete diese Bestimmung wie folgt:
"(1) Nachstehende Vorhaben bedürfen einer Bewilligung der Baubehörde:
6. die Aufstellung von Maschinen oder anderen Gegenständen in Gebäuden, wenn die Festigkeit beeinflußt oder die Gesundheit beeinträchtigt werden kann, sowie die Aufstellung oder der Austausch von Wärmeerzeugern von Zentralheizungsanlagen; ..."
Die Frage der Bewilligungspflicht der gegenständlichen Maschinen - daß es sich hier um "Maschinen" handelt, wird in der Beschwerde nicht mehr bestritten - ist nach dem Gesetzeswortlaut im Zeitpunkt der Aufstellung dieser Maschinen zu beurteilen. Die Aufstellung beider Maschinen war im Zeitpunkt der Betriebsbewilligung nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz vom 5. Juli 1988 schon erfolgt.
Damit kommt für die Frage der Bewilligungspflicht zu dieser Zeit die Bedachtnahme auf die Verletzung der Rechte von Nachbarn nicht in Betracht; vor der Novelle LGBl. 8200-6 war die Verletzung von Nachbarrechten keine Voraussetzung der Bewilligungspflicht für die Aufstellung von Maschinen, sondern wurde erst im Rahmen der Novelle LGBl. 8200-6 die Notwendigkeit einer Baubewilligung für die Aufstellung von Maschinen und anderen Gegenständen in Gebäuden zusätzlich für den Fall vorgesehen, daß die Verletzung von Nachbarrechten in Betracht kommt. Gemeint waren damit vor allem nicht gewerbliche Betriebe und Werkstätten, etwa lärmende Maschinen in landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden oder in Werkstätten für Hausarbeiter oder Bastler (Hauer-Zaussinger, aaO, 315). Grundlage des amtswegigen Einschreitens der Baubehörde war also die Aufstellung von Maschinen, die geeignet sind, die Gesundheit zu beeinträchtigen; eine Einflußnahme auf die Festigkeit des Gebäudes spielt hier keine Rolle. Die im folgenden angestellten kompetenzrechtlichen Erwägungen beziehen sich allein auf derartige baubehördlich bewilligungspflichtige Vorhaben wegen des dort angeführten Gesichtspunktes des Schutzes des Lebens von Menschen und der Gesundheit und lassen andere Vorhaben, insbesondere solche nach § 92 Abs. 1 Z. 2 BO wegen anderer dort genannter Gesichtspunkte unberücksichtigt:
§ 1 Abs. 2 BO lautet:
"(2) Durch dieses Gesetz werden andere Zuständigkeiten nicht berührt, wie z.B. die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes für Bundesstraßen, Bergbau-, Eisenbahn- und Luftfahrtsanlagen, öffentliche Schiffahrtsanlagen und militärische Anlagen. Nicht berührt werden auch jene Vorschriften, wonach für Baulichkeiten zusätzliche Bewilligungen erforderlich sind (z.B. nach dem Gewerbe-, Wasser-, Naturschutz- und Arbeitnehmerschutzrecht)."
Damit hat der Landesgesetzgeber zur Abgrenzung des Aufgabenbereiches der Baubehörden die wichtigsten Verwaltungsmaterien, die zur Gänze in den Kompetenzbereich des Bundes fallen und in denen dieses Gesetz nicht angewendet werden soll, sowie die wichtigsten Verwaltungsmaterien, bei denen neben der baubehördlichen eine weitere Bewilligung einer anderen Behörde notwendig ist, entsprechend der Verfassungsrechtslage angeführt (Hauer-Zaussinger, NÖ Bauordnung4, 37). Zunächst kann wegen der beispielsweisen Aufzählung von kumulativen und alternativen Bundeskompetenzen von einer Unvollständigkeit, wie dies von der Beschwerdeführerin behauptet wird, keine Rede sein. § 1 Abs. 2 BO wiederholt auf landesgesetzlicher Ebene den Grundsatz der Kompetenztrennung und des Fehlens konkurrierender Zuständigkeiten. Dieser Grundsatz schließt es nicht aus, daß bestimmte Sachgebiete nach verschiedenen Gesichtspunkten geregelt werden können (Funk, Das System der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung im Lichte der Verfassungsrechtsprechung, 48).
Gemäß § 1 des Fernmeldegesetzes, BGBl. Nr. 170/1949 (im folgenden: FMG) sind Fernmeldeanlagen alle technischen Anlagen zur Übertragung, Aussendung oder zum Empfang von Zeichen, Schriften, Bildern, Schallwellen oder Nachrichten jeder Art, sei es auf dem Draht- oder Funkweg, auf optischem Wege oder mittels anderer elektromagnetischer Systeme. Es bedarf keiner weiteren Erörterung und wurde von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auch nicht bestritten, daß die vorliegenden Sendeaggregate derartige Fernmeldeanlagen darstellen. Die belangte Behörde räumt ein, daß bei einer Regelung der von einer Sendeanlage ausgehenden Gesundheitsgefährdung im Fernmeldegesetz für eine Wahrung der Anrainerinteressen durch den Landesgesetzgeber kein Raum bleibe. Die von ihr behauptete "Regelungslücke" im Bereich des Fernmeldewesens liegt jedoch nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 10. September 1986, Slg. Nr. 12206/A, in welchem es um einen Antrag auf Errichtung und Betrieb einer Fernsehrundfunksendeanlage ging, folgendes ausgeführt:
"Gemäß § 3 Abs. 1 FMG kann die Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb einzelner Fernmeldeanlagen von den Fernmeldebehörden physischen oder juristischen Personen erteilt werden. Die Bedingungen für die Erteilung der Befugnis werden durch Verordnung des BMV festgelegt. § 4 FMG hat Funkanlagen zum Gegenstand und bestimmt in Abs. 1, daß Funkanlagen im Sinne dieses Gesetzes alle elektrischen Einrichtungen zur Übertragung, Aussendung oder zum Empfang von Zeichen, Schriften, Bildern oder Schallwellen auf drahtlosem Wege oder unter Verwendung von Leitungsanlagen bei Anwendung von Frequenzen über 10 kHz (Hertz"sche Wellen) sind. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist die Herstellung und der Vertrieb von Funk- und Fernsehsendeeinrichtungen, die gewerbsmäßige Herstellung von Funk- und Fernsehempfangseinrichtungen, soweit sie nicht nur den Empfang des Rundfunks oder des Fernsehrundfunks ermöglichen, und die Einfuhr sowie der Besitz oder die Verwahrung von Funk- und Fernsehsende- und -empfangseinrichtungen, unbeschadet der nach anderen Gesetzen zu erfüllenden Voraussetzungen, nur mit Bewilligung und unter Aufsicht des Bundes (§ 2 Abs. 2) zulässig. Die näheren Bestimmungen werden nach der Anordnung des Abs. 3 des § 4 leg. cit. durch Verordnung getroffen. Gemäß § 6 Abs. 2 FMG gelten die Bestimmungen des § 5 - dieser trifft für bewilligungsfreie Fernmeldeanlagen eine Regelung - nicht für Funk- und Fernsehanlagen. Funk- und Fernsehanlagen sind immer bewilligungspflichtig. In Ausführung des FMG erging die auf Gesetzesstufe stehende (vgl. Art. I Abs. 1 Z. 4 des BG BGBl. 1972/267) Privatfernmeldeanlagenverordnung, BGBl. 1961/239."
Das zuletzt genannte Gesetz findet also keineswegs, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift an den Verfassungsgerichtshof meinte, nur auf privat installierte Fernmeldeanlagen ("Telefone") Anwendung. Vielmehr bedurfte auch die gegenständliche Sendeanlage einer Bewilligung nach der Privatfernmeldeanlagenverordnung.
§ 18 Abs. 1 dieser Verordnung lautet:
"Die Bewilligung hat die zu erfüllenden Auflagen zu enthalten. Mit ihnen können Verpflichtungen auferlegt werden, deren Einhaltung nach den Umständen des Falles für den Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, zur Vermeidung von Sachschäden, für die Sicherung des ungestörten Betriebes anderer Fernmeldeanlagen oder aus sonstigen technischen oder betrieblichen Belangen geboten erscheint. "
Damit berücksichtigt diese Bestimmung (wie übrigens auch jetzt § 3 Abs. 2 des am 1. April 1994 in Kraft getretenen Fernmeldegesetzes 1993, BGBl. Nr. 908) Gesichtspunkte des Schutzes des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, und damit dieselben Gesichtspunkte, die gemäß § 92 Abs. 1 Z. 6 BO zur Bewilligungspflicht für Maschinen führen. (Ob das Fernmelderecht auch Gesichtspunkte des Schutzes der Rechte von Nachbarn erfaßt, ist auf Grund der hier gegebenen Rechtslage nicht zu beurteilen). Der Parabolantennenfall konnte unter Heranziehung der Gesichtspunktetheorie (VfSlg. 4348 u.v.a.) gelöst werden, wonach es die Zuordnung einer Materie zu einem Kompetenztatbestand nicht ausschließt, bestimmte Sachgebiete nach verschiedenen Gesichtspunkten zu regeln. Im vorliegenden Fall wird aber genau derselbe Gesichtspunkt von beiden Regelungsbereichen erfaßt.
Ob der Kompetenztatbestand des Art 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG (Post- und Fernmeldewesen) die Regelungszuständigkeit des Landesgesetzgebers überhaupt ausschließt, ist unter Heranziehung der Versteinerungstheorie zu lösen. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 5. Oktober 1954, VfSlg. 2720, ausgeführt, daß der Inhalt des Begriffes "Fernmeldeanlage" in § 1 FMG die Grenzen des verfassungsrechtlichen Kompetenzbegriffes "Telegraphen- und Fernsprechwesen", wie er sich aus § 1 Telegraphengesetz, BGBl. Nr. 263/1924, ergibt, nicht überschreitet und daß somit keine Bedenken dagegen bestehen, wenn sich der Bund in § 2 FMG das ausschließliche Recht vorbehalten hat, Fernmeldeanlagen zu betreiben und zu errichten. Gemäß § 4 Telegraphengesetz 1924 bedurfte die Übertragung der Ausübung dieses ausschließlichen Rechtes des Bundes eines Bundesgesetzes. Die vom Bund in Anspruch genommenen hoheitlichen Agenden des Telegraphen- und Fernsprechwesens einschließlich der Agenden des Rundfunkwesens sind durch eigene Bundesbehörden, also in unmittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehen.
Der Bedachtnahme auf eine intrasystematische Fortentwicklung eines Kompetenztatbestandes, die zur Unterordnung des Rundfunkwesens als Bestandteil des "Telegraphenwesens" führte (VfSlg. 2721) bedarf es hier insoferne nicht, als kein Zweifel daran bestehen kann, daß die vorliegenden Sendeanlagen auch als "Einrichtungen und Anlagen aller Art zu verstehen sind, die der Zeichen-, Schrift-, Bild- oder Schallübertragung" (§ 1 Telegraphengesetz, BGBl. Nr. 263/1924) dienen.
Entsprechend dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. März 1986, VfSlg. 10831, müssen auch im Fernmeldewesen jene für die Errichtung und den Betrieb einer Fernmeldeanlage typischen Regelungsaspekte, wie die Sicherung des ungestörten Betriebes anderer Fernmeldeanlagen und die Abwehr von durch die Fernmeldeanlagen typischerweise ausgehenden Gefahren von der Regelungskompetenz als erfaßt angesehen werden (vgl. auch das Erkenntnis vom 11. Dezember 1959, VfSlg. 3650).
Der Bundesgesetzgeber hat unter Inanspruchnahme seiner ihm eingeräumten Kompetenz die Bewilligung von Fernmeldeanlagen geregelt und dabei auch den Aspekt des Schutzes des Lebens und der Gesundheit beachtet. Wenn nun der Landesgesetzgeber "Maschinen oder Gegenstände in Gebäuden" - also nicht etwa typische Regelungsobjekte des Baurechtes (siehe die Hinweise bei Mayer, B-VG, Seite 77 f zu Art. 15 B-VG) - deshalb baubewilligungspflichtig macht, weil solche Maschinen die Gesundheit oder das Leben von Menschen beeinträchtigen können, dann kann sich diese Kompetenz, wenn kein anderer, typischerweise baurechtlicher Gesichtspunkt hinzukommt, nicht auf die durch das Bundesgesetz in dieser Hinsicht jedenfalls erschöpfend geordneten Fernmeldeanlagen beziehen. Allein für das gegenständliche Vorhaben bleibt aus den hier herangezogenen Gesichtspunkten für eine Kumulation der Regelungszuständigkeiten somit kein Raum.
Damit soll kein Zweifel an der Verfassungskonformität des § 92 Abs. 1 Z. 6 BO in der hier angewendeten Fassung hervorgerufen werden: Die weitgehende Bezugnahme auf "Maschinen oder Gegenstände in Gebäuden" erlaubt durchaus Anwendungen auf Vorhaben, die nicht durch eine in die Bundeskompetenz fallende Sachmaterie ausschließlich determiniert sind und ist, wie die bisherigen Ausführungen zeigen, einer verfassungskonformen Auslegung (z.B. betreffend den Kompetenztatbestand "Fernmeldewesen") zugänglich. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 20. September 1994, Zl. 92/05/0232, ausgesprochen, daß die Gewinnung mineralischer Rohstoffe, die nicht unter den Kompetenztatbestand "Bergwesen" fallen, vom Berggesetz nicht erfaßt ist und daher einer baurechtlichen Bewilligung gemäß § 93 Z. 2 BO (dort: Steinbruch) bedarf. Im vorliegenden Fall ist auch auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Oktober 1992, B 942/91, zu verweisen, demzufolge der Landesgesetzgeber keine Anordnungen treffen wollte, die über die Kompetenz des Landes hinausgehen, was ihm eine Reduktion einer Bestimmung der Steiermärkischen Bauordnung auf jenen Bereich ermöglichte, in den es sich um Bauten handelte, die nicht unmittelbar, sondern bloß mittelbar der Wassernutzung dienten.
Zusammenfassend ergibt sich somit, daß die Bewilligung der Errichtung und des Betriebes einer Fernmeldeanlage dann von der Bundeskompetenz exklusiv erfaßt und damit der Regelungszuständigkeit der Länder entzogen ist, wenn kein eigener baurechtlicher Gesichtspunkt besteht, der eine Kumulation erlaubt. Daher bedurften die gegenständlichen Sendeanlagen, die vor dem 1. Jänner 1989 errichtet wurden, im Zeitpunkt ihrer Errichtung aus den von den Behörden herangezogenen Gründen keiner (zusätzlichen) Baubewilligung. Mangels einer Bewilligungspflicht war daher der Bürgermeister zu einem Einschreiten gemäß § 113 Abs. 2 BO nicht berechtigt. Da die Vorstellungsbehörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993050244.X00Im RIS seit
31.05.2001Zuletzt aktualisiert am
07.08.2009