Entscheidungsdatum
23.07.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I407 2281139-1/10E
Schriftliche Ausfertigung des am 27.06.2024 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. NIGERIA, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD NÖ Außenstelle Wr. Neustadt (BFA-N-ASt Wr. Neustadt) vom 28.09.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.06.2024 zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. NIGERIA, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD NÖ Außenstelle Wr. Neustadt (BFA-N-ASt Wr. Neustadt) vom 28.09.2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.06.2024 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 26.10.2022 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am darauffolgenden Tag fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die englische Sprache die Erstbefragung des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er Teil BIAFRA Bewegung sei, welche in Nigeria für die Freiheit der Gruppierung BIAFRA gegen den Staat kämpfe. Er habe mit seinen Leuten gegen die Soldaten gekämpft, jedoch hätten diese gewonnen. Seine Freunde und Kollegen seien umgebracht worden, weshalb er flüchten hätte müssen. Seine Mutter und sein Vater seien von Banditen umgebracht worden. Der Staat hätte sie nicht schützen können, weshalb er der BIAFRA Bewegung beigetreten sei. Weitere Fluchtgründe habe er nicht.
Am 14.06.2023 erfolgte vor dem Bundesamt eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers. Zusammengefasst gab er befragt zu seinen Fluchtgründen an, dass er nach einem Vergewaltigungsversuch von einem Mann, welcher der Sohn eines (ehemaligen) Ministers gewesen sei, von Männern in ein Privatgefängnis gebracht worden sei. Durch die Hilfe eines Wächters sei ihm die Flucht gelungen. Er habe sich der Gruppierung Indigenous People of Biafra (IPOB) angeschlossen. Dort sei er für das Kochen, Wäsche waschen, etc. zuständig gewesen. An Kampfhandlungen habe er nie teilgenommen. Eines Tages sei es im Lager zu einer Auseinandersetzung zwischen der IPOB und der nigerianischen Polizei gekommen, der Beschwerdeführer sei bei diesem Vorfall nicht im Lager gewesen. Der Beschwerdeführer sei sodann nach Lagos zu seiner Schwester gelaufen. Danach habe ihm ein Mann namens XXXX bei der Ausreise aus Nigeria unterstützt. Am 14.06.2023 erfolgte vor dem Bundesamt eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers. Zusammengefasst gab er befragt zu seinen Fluchtgründen an, dass er nach einem Vergewaltigungsversuch von einem Mann, welcher der Sohn eines (ehemaligen) Ministers gewesen sei, von Männern in ein Privatgefängnis gebracht worden sei. Durch die Hilfe eines Wächters sei ihm die Flucht gelungen. Er habe sich der Gruppierung Indigenous People of Biafra (IPOB) angeschlossen. Dort sei er für das Kochen, Wäsche waschen, etc. zuständig gewesen. An Kampfhandlungen habe er nie teilgenommen. Eines Tages sei es im Lager zu einer Auseinandersetzung zwischen der IPOB und der nigerianischen Polizei gekommen, der Beschwerdeführer sei bei diesem Vorfall nicht im Lager gewesen. Der Beschwerdeführer sei sodann nach Lagos zu seiner Schwester gelaufen. Danach habe ihm ein Mann namens römisch 40 bei der Ausreise aus Nigeria unterstützt.
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 28.09.2023 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Des Weiteren setzte das Bundesamt eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 28.09.2023 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt römisch II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt römisch III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf.). Des Weiteren setzte das Bundesamt eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt römisch VI.).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 31.10.2023 (bei dem Bundesamt am darauffolgenden Tag eingelangt). In der Beschwerde wurde im Wesentlichen sein Fluchtvorbringen wiederholt vorgetragen und Berichtigungen vorgenommen.
Mit Schreiben vom 06.11.2023, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 13.11.2023, legte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
Aufgrund der Unzuständigkeitsanzeige der Gerichtsabteilung I405 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung I407 neu zugeteilt.
Mit Schriftsatz vom 17.04.2024 übermittelte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht einen Strafantrag der Finanzpolizei (Amt für Betrugsbekämpfung), in welchem gegen eine Person, welche den Beschwerdeführer unerlaubt beschäftigt habe, zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.
Am 27.06.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die englische Sprache und der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, welcher der Beschwerdeführer unentschuldigt fernblieb, sodass die gegenständliche Beschwerdesache in deren Abwesenheit erörtert werden musste.
Am Ende der Verhandlung wurden mittels mündlich verkündetem Erkenntnis die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Niederschrift der mündlichen Verkündung enthält die wesentlichen Entscheidungsgründe.
Mit Schriftsatz vom 27.06.2024, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 28.06.2024, beantragte die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:Die unter Punkt römisch eins. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatangehöriger von Nigeria, gehört der Volksgruppe der Igbo an und bekennt sich zum christlichen Glauben. Er ist ledig, gesund und arbeitsfähig. Seine Identität steht nicht fest. Er spricht muttersprachlich Igbo und fließend Englisch.
Er stammt aus Lagos, wo er geboren und aufgewachsen ist und hauptsozialisiert wurde. Er besuchte zwölf Jahre die Schule und bestritt seinen Lebensunterhalt mit der Vermarktung von Kleidung auf „social media“ Plattformen.
Bezüglich etwaiger familiärer Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat können keine genaueren Feststellungen getroffen werden. Festgestellt werden kann jedoch, dass zumindest eine seiner Schwestern noch in Nigeria lebt.
Der Beschwerdeführer beantragte am 05.09.2022 in Nigeria ein Touristenvisum für Spanien. Am 08.09.2022 wurde dem Beschwerdeführer von dem Generalkonsulat von Spanien in Lagos ein Touristenvisum von 23.09.2022 bis 24.10.2022 ausgestellt. Der Beschwerdeführer trat im Asylverfahren unter verschiedenen Alias-Identitäten auf.
Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich sowie auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten über keine familiären Anknüpfungspunkte.
Er weist keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht auf. Insbesondere hat er bislang keine Sprachprüfung erfolgreich abgelegt und ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer angemeldeten Erwerbstätigkeit nach. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er über die staatliche Grundversorgung.
Er verfügt in Österreich über soziale Kontakte und Freunde, spielt beim SC XXXX Fußball und engagiert sich in verschiedenen Bereichen des Gemeinschaftslebens in der Stadtgemeinde XXXX . Er verfügt in Österreich über soziale Kontakte und Freunde, spielt beim SC römisch 40 Fußball und engagiert sich in verschiedenen Bereichen des Gemeinschaftslebens in der Stadtgemeinde römisch 40 .
Er spricht ein wenig Deutsch.
Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zum Fluchtvorbringen und einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner behaupteten Tätigkeit für die Gruppierung Indigenous People of Biafra (IPOB) in Nigeria nicht der Gefahr einer staatlichen Verfolgung ausgesetzt. Ebenso ist er keiner Verfolgung eines (ehemaligen) nigerianischen Ministers ausgesetzt. Sein entsprechendes Vorbringen ist nicht glaubhaft.
Es besteht auch keine reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird. Weder wird ihm seine Lebensgrundlage gänzlich entzogen, noch besteht für ihn die reale Gefahr einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
1.3 Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
Politische Lage
Letzte Änderung 2023-11-21 15:06
Nigeria ist eine Bundesrepublik mit einem präsidialen Regierungssystem (AA 4.10.2023; vgl. ÖB 10.2023). Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der Präsident der Republik (ÖB 9.2022; vgl. AA 24.11.2022), der für vier Jahre gewählt wird; eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Der Staatspräsident führt den Vorsitz der von ihm ernannten Bundesregierung (Federal Executive Council) (ÖB 9.2022).Nigeria ist eine Bundesrepublik mit einem präsidialen Regierungssystem (AA 4.10.2023; vergleiche ÖB 10.2023). Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der Präsident der Republik (ÖB 9.2022; vergleiche AA 24.11.2022), der für vier Jahre gewählt wird; eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Der Staatspräsident führt den Vorsitz der von ihm ernannten Bundesregierung (Federal Executive Council) (ÖB 9.2022).
Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und das Federal Capital Territory (FCT, Abuja) (ÖB 10.2023; vgl. AA 24.11.2022) mit insgesamt 774 LGAs (Local Government Areas, dt. Bezirke) unterteilt (AA 24.11.2022). Jeder der 36 Bundesstaaten wird von einer Regierung unter der Leitung eines direkt gewählten Gouverneurs (State Governor) geführt (AA 24.11.2022; vgl. ÖB 10.2023). Polizei und Justiz werden vom Bund kontrolliert (AA 24.11.2022).Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und das Federal Capital Territory (FCT, Abuja) (ÖB 10.2023; vergleiche AA 24.11.2022) mit insgesamt 774 LGAs (Local Government Areas, dt. Bezirke) unterteilt (AA 24.11.2022). Jeder der 36 Bundesstaaten wird von einer Regierung unter der Leitung eines direkt gewählten Gouverneurs (State Governor) geführt (AA 24.11.2022; vergleiche ÖB 10.2023). Polizei und Justiz werden vom Bund kontrolliert (AA 24.11.2022).
Die Verfassung vom 29.5.1999 enthält alle Elemente eines demokratischen Rechtsstaates, einschließlich eines Grundrechtskataloges, und orientiert sich insgesamt am US-Präsidialsystem. Einem starken Präsidenten und einem Vizepräsidenten stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber. In der Verfassungswirklichkeit dominiert die Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und der ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die Justiz ist der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt (AA 24.11.2022).
Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich meist an Führungspersonen und machtstrategischen Gesichtspunkten. Parteien werden primär als Zweckbündnisse zur Erlangung von Macht angesehen. Politische Führungskräfte wechseln die Partei, wenn sie andernorts bessere Erfolgschancen sehen. Entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 24.11.2022). Gewählte Amtsträger setzen im Allgemeinen ihre Politik um. Ihre Fähigkeit, dies zu tun, wird jedoch durch Faktoren wie Korruption, parteipolitische Konflikte und schlechte Kontrolle über Gebiete, in denen militante Gruppen aktiv sind (FH 13.4.2023).
Am 29.5.2023 trat Staatspräsident Tinubu sein Amt nach seiner Wahl im Februar 2023 an (AA 4.10.2023). Bola Tinubu von der regierenden APC (All Progressives Congress) erlangte gemäß Wahlkommission 8,8 Millionen Stimmen, Atiku Abubakar von der größten Oppositionspartei PDP (Peoples Democratic Party) erhielt laut Wahlkommission 6,9 Millionen Stimmen, Peter Obi von der LP (Labour-Partei) 6,1 Millionen. Letzterer wurde vor allem von jüngeren Nigerianern gewählt (KAS 5.4.2023; vgl. FAZ 1.3.2023).Am 29.5.2023 trat Staatspräsident Tinubu sein Amt nach seiner Wahl im Februar 2023 an (AA 4.10.2023). Bola Tinubu von der regierenden APC (All Progressives Congress) erlangte gemäß Wahlkommission 8,8 Millionen Stimmen, Atiku Abubakar von der größten Oppositionspartei PDP (Peoples Democratic Party) erhielt laut Wahlkommission 6,9 Millionen Stimmen, Peter Obi von der LP (Labour-Partei) 6,1 Millionen. Letzterer wurde vor allem von jüngeren Nigerianern gewählt (KAS 5.4.2023; vergleiche FAZ 1.3.2023).
Die Partei des Gewinners der Präsidentschaftswahl, APC, konnte auch die Wahlen zur Nationalversammlung im Februar 2023 für sich entscheiden. Damit bleibt der APC in den beiden Kammern des Parlaments mit 55 von 109 Sitzen im Senat und 159 von 360 Sitzen im Repräsentantenhaus stärkste Kraft. Die größte Oppositionspartei PDP kam auf 107 Sitze im Repräsentantenhaus und 33 Sitze im Senat. Damit stellen die beiden größten Parteien des Landes 80 Prozent des Senats und knapp 74 Prozent des Repräsentantenhauses (KAS 5.4.2023). Die größte Oppositionspartei, die PDP, hatte von 1999-2015 durchgehend den Präsidenten gestellt. Die PDP stellt eine starke Opposition für die APC dar und bleibt v. a. im Süden und Südosten des Landes die treibende politische Kraft (AA 24.11.2023).
Drei Wochen nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen fanden im März 2023 Gouverneurs- und Landesparlamentswahlen statt. Ergebnisse: APC 15, PDP 9, LP 1, NNPP 1 (Gouverneure) (KAS 5.4.2023; vgl. PT 21.3.2023). Damit werden die beiden Parteien voraussichtlich zumindest auf Landesebene ihre politische Dominanz auch gegenüber der auf nationaler Ebene erstarkten LP behalten (KAS 5.4.2023; vgl. PT 21.3.2023)Drei Wochen nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen fanden im März 2023 Gouverneurs- und Landesparlamentswahlen statt. Ergebnisse: APC 15, PDP 9, LP 1, NNPP 1 (Gouverneure) (KAS 5.4.2023; vergleiche PT 21.3.2023). Damit werden die beiden Parteien voraussichtlich zumindest auf Landesebene ihre politische Dominanz auch gegenüber der auf nationaler Ebene erstarkten LP behalten (KAS 5.4.2023; vergleiche PT 21.3.2023)
Ein neues Wahlgesetz "Electoral Act 2022" diente als rechtliche Grundlage der Wahlen 2023 (PT 27.9.2022).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.10.2023): Nigeria: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/nigeria-node/innenpolitik/205844, Zugriff 14.11.2023
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
? FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (1.3.2023): Umstrittener Wahlsieg für Bola Tinubu, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/nigeria-bola-tinubu-gewinnt-praesidentenwahl-18713667.html, Zugriff 29.6.2023
? FH - Freedom House (13.4.2023): Freedom in the World 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2090190.html, Zugriff 15.5.2023
? KAS - Konrad Adenauer Stiftung (5.4.2023): Nigeria hat gewählt, https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/nigeria-hat-gewaehlt, Zugriff 29.6.2023
? ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2023): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098176/NIGR_%C3%96B-Bericht_2023_10.pdf, Zugriff 31.10.2023
? PT - Premium Times Nigeria (21.3.2023): 2023 General Elections - Gubernatorial & State House of Assembly, https://www.premiumtimesng.com/2023-elections-gubernatorial, Zugriff 29.6.2023
? PT - Premium Times Nigeria (27.9.2022): Key issues that will shape Nigeria’s 2023 elections – Report, https://www.premiumtimesng.com/news/headlines/556316-key-issues-that-will-shape-nigerias-2023-elections-report.html, Zugriff 25.10.2022
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung 2023-11-21 09:40
Die Verfassung sieht die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz vor (AA 24.11.2022; vgl. FH 13.4.2023, ÖB 10.2023, USDOS 20.3.2023). In der Realität ist die Justiz allerdings der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt (AA 24.11.2022; vgl. USDOS 20.3.2023, FH 13.4.2023). Die Justiz kann ein volles Ausmaß der Checks and Balances nicht gewährleisten (BS 23.2.2022). Vor allem auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) versuchen Politiker die Justiz zu beeinflussen (USDOS 20.3.2023). Die insgesamt zu geringe personelle und finanzielle Ausstattung sowie mangelnde Ausbildung behindern die Funktionsfähigkeit des Justizapparats und machen ihn chronisch korruptionsanfällig (AA 24.11.2022; vgl. FH 13.4.2023, ÖB 10.2023). Trotz allem hat die Justiz in der Praxis ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht (FH 13.4.2023).Die Verfassung sieht die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz vor (AA 24.11.2022; vergleiche FH 13.4.2023, ÖB 10.2023, USDOS 20.3.2023). In der Realität ist die Justiz allerdings der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt (AA 24.11.2022; vergleiche USDOS 20.3.2023, FH 13.4.2023). Die Justiz kann ein volles Ausmaß der Checks and Balances nicht gewährleisten (BS 23.2.2022). Vor allem auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) versuchen Politiker die Justiz zu beeinflussen (USDOS 20.3.2023). Die insgesamt zu geringe personelle und finanzielle Ausstattung sowie mangelnde Ausbildung behindern die Funktionsfähigkeit des Justizapparats und machen ihn chronisch korruptionsanfällig (AA 24.11.2022; vergleiche FH 13.4.2023, ÖB 10.2023). Trotz allem hat die Justiz in der Praxis ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht (FH 13.4.2023).
Die Verfassung unterscheidet zwischen Bundesgerichten (Supreme Court, Federal Court of Appeal, Federal High Court), Gerichten des Hauptstadtbezirks sowie Gerichten der 36 Bundesstaaten (ÖB 10.2023). Letztere haben die Befugnis, per Gesetz erstinstanzliche Gerichte einzusetzen (AA 24.11.2022). Daneben bestehen noch für jede der 774 LGAs eigene Bezirksgerichte (District Courts) (ÖB 10.2023).
Die Justiz stützt sich auf drei Rechtsquellen: staatliches Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht. Diese können unter bestimmten Voraussetzungen gleichberechtigt zur Anwendung gelangen, sofern in den 36 einzelnen Bundesstaaten entsprechende Gerichtshöfe für Scharia- bzw. Gewohnheitsrecht eingerichtet werden. Das Eherecht gestattet nach staatlichem Recht nur die Einehe, Scharia-Recht vier und Gewohnheitsrecht eine unbegrenzte Anzahl von Ehefrauen (ÖB 10.2023).
Mit Einführung der erweiterten Scharia-Gesetzgebung in neun nördlichen Bundesstaaten sowie den überwiegend muslimischen Teilen dreier weiterer Bundesstaaten 2000/2001 haben die staatlichen Scharia-Gerichte strafrechtliche Befugnisse erhalten, während sie zuvor auf das islamische Personenstandsrecht beschränkt waren (AA 24.11.2022). Laut Bundesverfassung wird die Verfassung und Zuständigkeit der Gerichte seit 1999 betreffend das anzuwendende Rechtssystem (Common Law oder Customary Law) durch Gesetze der Bundesstaaten festgestellt. Einzelne Bundesstaaten haben neben Gerichten für Common Law und Customary Law auch Scharia-Gerichte geschaffen. Mehrere Bundesstaaten, einschließlich die gemischt-konfessionellen Bundesstaaten Benue und Plateau, haben auch Scharia-Berufungsgerichte eingerichtet (ÖB 10.2023).
Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität oder Ähnliches diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das bestehende System benachteiligt jedoch tendenziell Ungebildete und Arme, die sich weder von Beschuldigungen freikaufen noch eine Freilassung auf Kaution erwirken oder sich einen Rechtsbeistand leisten können. Zudem ist vielen eine angemessene Wahrung ihrer Rechte aufgrund von fehlenden Kenntnissen selbst elementarster Grund- und Verfahrensrechte nicht möglich (AA 24.11.2022). Die Verfassung sieht das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren vor, aber die Justiz setzt dieses Recht nicht immer durch. Die Behörden wahren nicht immer die Rechte der Angeklagten. Eine unzureichende Anzahl von Richtern und Gerichtssälen sowie die wachsende Zahl der Fälle führen häufig zu Verzögerungen im Vorverfahren, im Prozess und in der Berufung. Dadurch werden Verfahren um bis zu zehn Jahre verlängert. Obwohl Angeklagte Anspruch auf einen Rechtsbeistand ihrer Wahl haben, gibt es Berichten zufolge einige Fälle, in denen der Verteidiger nicht zu den vorgeschriebenen Gerichtsterminen erscheint. So werden Routineanhörungen regelmäßig in Abwesenheit eines Verteidigers durchgeführt, außer bei bestimmten Straftaten, auf deren Verurteilung die Todesstrafe steht (USDOS 20.3.2023). Vor allem das Recht auf ein zügiges Verfahren wird kaum gewährleistet. Auch der gesetzlich garantierte Zugang zu einem Rechtsbeistand oder zu Familienangehörigen wird nicht immer ermöglicht (AA 24.11.2022).
Der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor Kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen. Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben (AA 24.11.2022). Dauerinhaftierungen ohne Anklage oder Urteil, die sich teils über mehrere Jahre hinziehen, sind weit verbreitet (AA 24.11.2022; vgl. USDOS 20.3.2023). Entgegen gesetzlicher Vorgaben ist die Untersuchungshaft nicht selten länger als die maximal zu erwartende gesetzliche Höchststrafe des jeweils infrage stehenden Delikts. Außerdem bleiben zahlreiche Häftlinge auch nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafen in Haft, weil ihre Vollzugsakten unauffindbar sind (AA 24.11.2022).Der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor Kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen. Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben (AA 24.11.2022). Dauerinhaftierungen ohne Anklage oder Urteil, die sich teils über mehrere Jahre hinziehen, sind weit verbreitet (AA 24.11.2022; verglei