Entscheidungsdatum
05.07.2024Norm
B-VG Art139 Abs1 Z1Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch den Richter HR Mag. Janak-Schlager in der Angelegenheit über die Beschwerde der A Aktiengesellschaft in ***, vertreten durch die C Rechtsanwälte OG in ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 14.06.2023, ***, betreffend Baubewilligung, den
BESCHLUSS
1. Gemäß Art 139 Abs 1 Z 1 B-VG wird an den Verfassungsgerichtshof der Antrag gestellt,
- die Wortfolge „oder Versorgungs“ in § 3 Punkt 1.2.1. der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hinterbrühl, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 23.12.2020 bis 07.01.2021, KU 04/2020, BBPL 2019-2, als gesetzeswidrig aufheben.
- In eventu wird der Antrag gestellt, die Wortfolge „erforderliche“ sowie „im öffentlichen Interesse“ in § 3 Punkt 1.2.1. der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hinterbrühl, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 23.12.2020 bis 07.01.2021, KU 04/2020, BBPL 2019-2, als gesetzeswidrig aufzuheben.
- In eventu wird der Antrag gestellt, die Wortfolge „mit Einrichtungen der sozialen, technischen oder Versorgungsinfrastruktur“ in § 3 Punkt 1.2.1. der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hinterbrühl, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 23.12.2020 bis 07.01.2021, KU 04/2020, BBPL 2019-2, als gesetzeswidrig aufzuheben.
- In eventu wird der Antrag gestellt die Wortfolge „sowie für erforderliche Zu-, Um- und Neubauten von Gebäuden im öffentlichen Interesse mit Einrichtungen der sozialen, technischen oder Versorgungsinfrastruktur“ in § 3 Punkt 1.2.1. der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hinterbrühl, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 23.12.2020 bis 07.01.2021, KU 04/2020, BBPL 2019-2, als gesetzeswidrig aufzuheben.
- In eventu wird der Antrag gestellt § 3 Punkt 1.2.1. Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hinterbrühl, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 23.12.2020 bis 07.01.2021, KU 04/2020, BBPL 2019-2, zur Gänze als gesetzeswidrig aufzuheben.
2. Das Beschwerdeverfahren wird nach Abschluss des Verordnungsprüfungsverfahrens fortgesetzt.
Begründung:
1. Anlassfall
1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 14.06.2023, Zahl ***, wurde der Antrag der A Aktiengesellschaft vom 04.04.2023 (im Folgenden: verfahrenseinleitender Antrag) auf baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Lebensmittelmarktes mit einer Gesamtnutzfläche von 1098m² in ***, ***, Gst.Nr. *** und ***, EZ ***, KG ***, abgewiesen. Begründend wurde vorgebracht, dass der verfahrenseinleitende Antrag § 3 Punkt 1.2.1. Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hinterbrühl, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 23.12.2020 bis 07.01.2021, KU 04/2020, BBPL 2019-2 (im Folgenden: Bebauungsvorschrift) widerspreche. Gemäß dem Bebauungsplan sei ein Bau von mehr als 300m² lediglich für erforderliche Zu-, Um- und Neubauten von Gebäuden im öffentlichen Interesse mit Einrichtungen der sozialen, technischen oder Versorgungsinfrastruktur erlaubt. Der beantragte Neubau sei allerdings weder erforderlich noch liege er im öffentlichen Interesse. Es befänden sich bereits zwei ähnlich gelagerte Supermärkte in der Marktgemeinde, zudem sei die Gegend in der Ortsrandlage dünn besiedelt.1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 14.06.2023, Zahl ***, wurde der Antrag der A Aktiengesellschaft vom 04.04.2023 (im Folgenden: verfahrenseinleitender Antrag) auf baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Lebensmittelmarktes mit einer Gesamtnutzfläche von 1098m² in ***, ***, Gst.Nr. *** und ***, EZ ***, KG ***, abgewiesen. Begründend wurde vorgebracht, dass der verfahrenseinleitende Antrag Paragraph 3, Punkt 1.2.1. Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hinterbrühl, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 23.12.2020 bis 07.01.2021, KU 04/2020, BBPL 2019-2 (im Folgenden: Bebauungsvorschrift) widerspreche. Gemäß dem Bebauungsplan sei ein Bau von mehr als 300m² lediglich für erforderliche Zu-, Um- und Neubauten von Gebäuden im öffentlichen Interesse mit Einrichtungen der sozialen, technischen oder Versorgungsinfrastruktur erlaubt. Der beantragte Neubau sei allerdings weder erforderlich noch liege er im öffentlichen Interesse. Es befänden sich bereits zwei ähnlich gelagerte Supermärkte in der Marktgemeinde, zudem sei die Gegend in der Ortsrandlage dünn besiedelt.
1.2. Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 17.07.2023 zugestellt. Am 04.08.2023 brachte die Beschwerdeführerin dagegen fristgerecht Beschwerde ein. In der Beschwerde wurde – soweit verfahrensrechtlich relevant – vorgebracht, dass die herangezogenen Regelungen aus denen sich ein fehlendes öffentliches Interesse ergäbe, weder eine taugliche Grundlage noch eine taugliche Methode zur Interpretation des Begriffs darstellten. Weiters fehle es an einer rechtlichen Grundlage für § 3 Punkt 1.2.1. der Bebauungsvorschrift. § 30 Abs 2 NÖ ROG 2014 ermächtige den Verordnungsgesetzgeber nicht, eine Baubewilligung von einem öffentlichen Interesse abhängig zu machen. Daher sei das öffentliche Interesse verfassungskonform zu interpretieren. Weder in den Erläuterungen noch in den Bebauungsvorschriften fänden sich Kriterien nach welchen die Interessensabwägung vorzunehmen sei. Zudem liege der Lebensmittelmarkt im öffentlichen Interesse, da mit diesem aufgrund einer mittels Photovoltaikanlage samt Energiespeicher sichergestellten Stromversorgung auch im Falle eines Blackouts in einem begrenzen Zeitraum die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung sichergestellt werden könne. Weiters seien die Voraussetzungen für eine Verkaufsfläche für zentrumsrelevante Waren abschließend in § 18 Abs 2 NÖ ROG 2014 normiert.1.2. Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 17.07.2023 zugestellt. Am 04.08.2023 brachte die Beschwerdeführerin dagegen fristgerecht Beschwerde ein. In der Beschwerde wurde – soweit verfahrensrechtlich relevant – vorgebracht, dass die herangezogenen Regelungen aus denen sich ein fehlendes öffentliches Interesse ergäbe, weder eine taugliche Grundlage noch eine taugliche Methode zur Interpretation des Begriffs darstellten. Weiters fehle es an einer rechtlichen Grundlage für Paragraph 3, Punkt 1.2.1. der Bebauungsvorschrift. Paragraph 30, Absatz 2, NÖ ROG 2014 ermächtige den Verordnungsgesetzgeber nicht, eine Baubewilligung von einem öffentlichen Interesse abhängig zu machen. Daher sei das öffentliche Interesse verfassungskonform zu interpretieren. Weder in den Erläuterungen noch in den Bebauungsvorschriften fänden sich Kriterien nach welchen die Interessensabwägung vorzunehmen sei. Zudem liege der Lebensmittelmarkt im öffentlichen Interesse, da mit diesem aufgrund einer mittels Photovoltaikanlage samt Energiespeicher sichergestellten Stromversorgung auch im Falle eines Blackouts in einem begrenzen Zeitraum die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung sichergestellt werden könne. Weiters seien die Voraussetzungen für eine Verkaufsfläche für zentrumsrelevante Waren abschließend in Paragraph 18, Absatz 2, NÖ ROG 2014 normiert.
1.3. Das Baugrundstück mit der Gst. Nr. *** ist als Bauland Wohngebiet mit drei Wohneinheiten gewidmet. Das Baugrundstück mit der Gst. Nr. *** weist eine geteilte Widmung auf, ein Teil ist als Bauland Wohngebiet mit drei Wohneinheiten und der andere Teil ist als Grünfläche-Parkanlage gewidmet.
2. Maßgebliche Rechtslage
Die wesentlichen Bestimmungen der Niederösterreichischen Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) lauten:
„§ 20
Vorprüfung
Die wesentlichen Bestimmungen des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetz 2014 (NÖ ROG 2014) lauten:
„§ 18
Gebiete für Handelseinrichtungen
Eine Verkaufsfläche für zentrumsrelevante Waren von Handelsbetrieben im Bauland-Betriebsgebiet oder Bauland-Verkehrsbeschränktes Betriebsgebiet von bis zu 750 m² ist zulässig, wenn das Betriebsgebiet oder das Verkehrsbeschränkte Betriebsgebiet von Wohnbauland oder anderen mit Wohngebäuden bebauten Grundstücken (inklusive allfälliger Grüngürtel und Straßen) umschlossen ist oder das Baugrundstück an ein mit einem Hauptgebäude bebautes Grundstück im Wohnbauland oder Bauland-Sondergebiet mit Wohnnutzung und an zwei weiteren Seiten an mit Hauptgebäuden bebaute Grundstücke überwiegend angrenzt, wobei allfällige Straßen und Grüngürtel außer Betracht bleiben. Dies gilt nicht für Bauvorhaben im Betriebsgebiet, für die am 7. Juli 2016 bereits ein baubehördliches Verfahren anhängig war.(3) Außerhalb der in Abs. 2 bezeichneten Bereiche darf die Verkaufsfläche für zentrumsrelevante Waren 80 m² nicht übersteigen.Eine Verkaufsfläche für zentrumsrelevante Waren von Handelsbetrieben im Bauland-Betriebsgebiet oder Bauland-Verkehrsbeschränktes Betriebsgebiet von bis zu 750 m² ist zulässig, wenn das Betriebsgebiet oder das Verkehrsbeschränkte Betriebsgebiet von Wohnbauland oder anderen mit Wohngebäuden bebauten Grundstücken (inklusive allfälliger Grüngürtel und Straßen) umschlossen ist oder das Baugrundstück an ein mit einem Hauptgebäude bebautes Grundstück im Wohnbauland oder Bauland-Sondergebiet mit Wohnnutzung und an zwei weiteren Seiten an mit Hauptgebäuden bebaute Grundstücke überwiegend angrenzt, wobei allfällige Straßen und Grüngürtel außer Betracht bleiben. Dies gilt nicht für Bauvorhaben im Betriebsgebiet, für die am 7. Juli 2016 bereits ein baubehördliches Verfahren anhängig war.(3) Außerhalb der in Absatz 2, bezeichneten Bereiche darf die Verkaufsfläche für zentrumsrelevante Waren 80 m² nicht übersteigen.
[…]“
§ 30Paragraph 30,
Inhalt des Bebauungsplans
Die wesentliche Bestimmung der Bebauungsvorschrift lautet:
„§ 3
[…]
1.2.1. Die bebaute Fläche darf höchstens 300 m² je Bauplatz betragen, ausgenommen Gebäude, die in Schutzzonen liegen und für Gebäude, die landwirtschaftlichen Betriebszwecken dienen sowie für erforderliche Zu-, Um- und Neubauten von Gebäuden im öffentlichen Interesse mit Einrichtungen der sozialen, technischen oder Versorgungsinfrastruktur.
[…]“
3. Zur Zulässigkeit des Antrages
3.1. Präjudizialität und Auswirkungen auf den Anlassfall:
3.1.1. Gerichte sind gem Art 89 Abs 2 B-VG nur dann zur Anfechtung einer Verordnung befugt, wenn sie die Verordnung in der anhängigen Rechtssache anzuwenden haben. 3.1.1. Gerichte sind gem Artikel 89, Absatz 2, B-VG nur dann zur Anfechtung einer Verordnung befugt, wenn sie die Verordnung in der anhängigen Rechtssache anzuwenden haben.
3.1.2. Gem § 20 Abs 1 NÖ BO 2014 hat die Baubehörde zunächst zu prüfen, ob einem Bauvorhaben die Bestimmungen des Bebauungsplanes entgegenstehen. Liegt solch ein Fall vor, ist der Antrag auf Baubewilligung gem § 20 Abs 2 NÖ BO 2014 abzuweisen. Die Entscheidung der Behörde stützte sich ausdrücklich auf § 3 Punkt 1.2.1. der Bebauungsvorschriften. 3.1.2. Gem Paragraph 20, Absatz eins, NÖ BO 2014 hat die Baubehörde zunächst zu prüfen, ob einem Bauvorhaben die Bestimmungen des Bebauungsplanes entgegenstehen. Liegt solch ein Fall vor, ist der Antrag auf Baubewilligung gem Paragraph 20, Absatz 2, NÖ BO 2014 abzuweisen. Die Entscheidung der Behörde stützte sich ausdrücklich auf Paragraph 3, Punkt 1.2.1. der Bebauungsvorschriften.
3.1.3. Im gegenständlichen Fall wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 14.06.2023, ***, der verfahrenseinleitende Antrag auf baubehördliche Bewilligung mit der Begründung, dass der verfahrensrechtliche Antrag gegen die Bestimmungen des Bebauungsplanes verstieß, abgewiesen.
3.1.4. Die angefochtene Verordnungsbestimmung ist im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich unmittelbar anzuwenden, da die Erteilung oder Versagung der Baubewilligung von der Interessensabwägung gem § 3 Punkt 1.2.1. Bebauungsvorschrift abhängt. 3.1.4. Die angefochtene Verordnungsbestimmung ist im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich unmittelbar anzuwenden, da die Erteilung oder Versagung der Baubewilligung von der Interessensabwägung gem Paragraph 3, Punkt 1.2.1. Bebauungsvorschrift abhängt.
Sollte der Verfassungsgerichtshof diese Verordnungsbestimmung antragsgemäß aufheben, hätte dies gemäß Art 139 Abs 6 B-VG zur Folge, dass die Bestimmung im Anlassfall nicht mehr anzuwenden wäre. Die Versagung der Baubewilligung des Beschwerdeführers könnte sodann nicht mehr auf die Bestimmung dieser Verordnung gestützt werden.Sollte der Verfassungsgerichtshof diese Verordnungsbestimmung antragsgemäß aufheben, hätte dies gemäß Artikel 139, Absatz 6, B-VG zur Folge, dass die Bestimmung im Anlassfall nicht mehr anzuwenden wäre. Die Versagung der Baubewilligung des Beschwerdeführers könnte sodann nicht mehr auf die Bestimmung dieser Verordnung gestützt werden.
3.2. Anfechtungsumfang:
3.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg. 13.965/1994, 16.542/2002,16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg. 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg. 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012,19.903/2014; VfGH 10.03.2015, G201/2014). Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg. 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.06.2015, G 211/2014; 07.10.2015, G 444/2015; VfSlg. 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg. 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg. 18.839/2009,19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).3.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg. 13.965/1994, 16.542/2002,16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf vergleiche zB VfSlg. 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg. 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012,19.903/2014; VfGH 10.03.2015, G201/2014). Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg. 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.06.2015, G 211/2014; 07.10.2015, G 444/2015; VfSlg. 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde vergleiche zB VfSlg. 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg. 18.839/2009,19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).
3.2.2. Der Begriff „Versorgungsinfrastruktur“ befindet sich in § 3 Punkt 1.2.1. Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hinterbrühl, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 23.12.2020 bis 07.01.2021, KU 04/2020, BBPL 2019-2. Da die angefochtene Wortfolge, bei Belassung des Begriffsteiles „infrastruktur“, von den übrigen Verordnungsbestimmungen trennbar ist, da diese andere Infrastruktureinrichtungen betreffen, wird nur die oben angeführte Wortfolge angefochten. 3.2.2. Der Begriff „Versorgungsinfrastruktur“ befindet sich in Paragraph 3, Punkt 1.2.1. Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hinterbrühl, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 23.12.2020 bis 07.01.2021, KU 04/2020, BBPL 2019-2. Da die angefochtene Wortfolge, bei Belassung des Begriffsteiles „infrastruktur“, von den übrigen Verordnungsbestimmungen trennbar ist, da diese andere Infrastruktureinrichtungen betreffen, wird nur die oben angeführte Wortfolge angefochten.
Die Eventualanträge wurden gestellt, falls der Verfassungsgerichtshof zur Auffassung gelangt, dass der Anfechtungsumfang zu eng bemessen wurde und dadurch ein sprachlich unverständlicher Torso entstehen sollte.
4. Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich
4.1. Angefochtene Bestimmung:
Mit Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hinterbrühl, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 23.12.2020 bis 07.01.2021, KU 04/2020, BBPL 2019-2 wurde in § 3 Punkt 1.2.1. ein Höchstmaß von zu bebauenden Flächen festgelegt, wobei dazu Ausnahmen normiert sind. Nach § 3 Punkt 1.2.1. ist lediglich eine bebaute Fläche von 300m² je Bauplatz vorgesehen, ausgenommen es liegt ein erforderlicher Zu-, Um- und Neubauten von Gebäuden im öffentlichen Interesse mit Einrichtungen Versorgungsinfrastruktur vor. Lebensmittelmärkte gehören zur Versorgungsinfrastruktur. Mit Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hinterbrühl, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 23.12.2020 bis 07.01.2021, KU 04/2020, BBPL 2019-2 wurde in Paragraph 3, Punkt 1.2.1. ein Höchstmaß von zu bebauenden Flächen festgelegt, wobei dazu Ausnahmen normiert sind. Nach Paragraph 3, Punkt 1.2.1. ist lediglich eine bebaute Fläche von 300m² je Bauplatz vorgesehen, ausgenommen es liegt ein erforderlicher Zu-, Um- und Neubauten von Gebäuden im öffentlichen Interesse mit Einrichtungen Versorgungsinfrastruktur vor. Lebensmittelmärkte gehören zur Versorgungsinfrastruktur.
4.2. Widerspruch zu § 18 NÖ ROG 2014:4.2. Widerspruch zu Paragraph 18, NÖ ROG 2014:
4.2.1. Gesetzliche Grundlage einer Durchführungsverordnung können alle Gesetze im materiellen Sinne sein. Durchführungsverordnungen dürfen Gesetze nur konkretisieren bzw präzisieren. Sie dürfen daher keine Bestimmungen enthalten, die dem Gesetz widersprechen (Ranacher/Sonntag in Kahl/Khakzadeh/Schmid (Hrsg), Bundesverfassungsrecht (2021) Art 18 B-VG Rz 24). 4.2.1. Gesetzliche Grundlage einer Durchführungsverordnung können alle Gesetze im materiellen Sinne sein. Durchführungsverordnungen dürfen Gesetze nur konkretisieren bzw präzisieren. Sie dürfen daher keine Bestimmungen enthalten, die dem Gesetz widersprechen (Ranacher/Sonntag in Kahl/Khakzadeh/Schmid (Hrsg), Bundesverfassungsrecht (2021) Artikel 18, B-VG Rz 24).
4.2.2. Mit § 18 NÖ ROG 2014 hat der Gesetzgeber die wichtigsten raumordnungsrechtlichen Bestimmungen über Handelseinrichtungen geschaffen. Diese sehen vor, dass Handelsbetriebe keinen Beschränkungen der Verkaufs- oder Bruttogeschoßfläche unterliegen, deren Standort als Bauland-Kerngebiet mit dem Zusatz „Handelseinrichtungen“ gewidmet ist. Dieser Widmungszusatz ist nur in Zentrumszonen zulässig. Mit den Regelungen des § 18 NÖ ROG 2014 sollte dem Trend entgegengewirkt werden, Verkaufseinrichtungen mit 1000m² Bruttogeschoßfläche an Umfahrungsstraßen und ähnlich peripheren Standorten zu situieren und die Kaufkraft in kleinen Ortschaften abzuschöpfen und den innerörtlichen Standorten die wirtschaftliche Möglichkeit, Nahversorgungseinrichtungen anzubieten, wegzunehmen (W.Pallitsch/Ph. Pallitsch/W.Kleewein, Niederösterreichisches Baurecht10 (2017) §18 Materialien zum NÖ ROG 1976 Antrag 800-19). 4.2.2. Mit Paragraph 18, NÖ ROG 2014 hat der Gesetzgeber die wichtigsten raumordnungsrechtlichen Bestimmungen über Handelseinrichtungen geschaffen. Diese sehen vor, dass Handelsbetriebe keinen Beschränkungen der Verkaufs- oder Bruttogeschoßfläche unterliegen, deren Standort als Bauland-Kerngebiet mit dem Zusatz „Handelseinrichtungen“ gewidmet ist. Dieser Widmungszusatz ist nur in Zentrumszonen zulässig. Mit den Regelungen des Paragraph 18, NÖ ROG 2014 sollte dem Trend entgegengewirkt werden, Verkaufseinrichtungen mit 1000m² Bruttogeschoßfläche an Umfahrungsstraßen und ähnlich peripheren Standorten zu situieren und die Kaufkraft in kleinen Ortschaften abzuschöpfen und den innerörtlichen Standorten die wirtschaftliche Möglichkeit, Nahversorgungseinrichtungen anzubieten, wegzunehmen (W.Pallitsch/Ph. Pallitsch/W.Kleewein, Niederösterreichisches Baurecht10 (2017) §18 Materialien zum NÖ ROG 1976 Antrag 800-19).
4.2.3. Unter Handelseinrichtung sind Gebäude und Gebäudeteile zu verstehen, in denen Waren zum Verkauf angeboten werden. Zentrumsrelevante Waren sind jene, die nicht in der Warengruppen-Verordnung, LGBl. 8000/95-0 angeführt sind. Zentrumsrelevante Waren sind Lebensmittel (W.Pallitsch/Ph. Pallitsch/W.Kleewein, Niederösterreichisches Baurecht10 (2017) §18 Anmerkung 4).
4.2.4. Gemäß § 18 NÖ ROG 2014 ist die zulässige Verkaufsfläche für zentrumsrelevante Waren von Handelsbetrieben in dreifacher Weise abgestuft:4.2.4. Gemäß Paragraph 18, NÖ ROG 2014 ist die zulässige Verkaufsfläche für zentrumsrelevante Waren von Handelsbetrieben in dreifacher Weise abgestuft: