Entscheidungsdatum
08.05.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L524 2262789-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.10.2022, Zl. XXXX , betreffend Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt unbefristetem Einreiseverbot, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.01.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des römisch 40 alias römisch 40 , geb. römisch 40 , StA Türkei, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.10.2022, Zl. römisch 40 , betreffend Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt unbefristetem Einreiseverbot, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.01.2024, zu Recht:
A) I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VI. wird als unbegründet abgewiesen.A) römisch eins. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte römisch eins. bis römisch VI. wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. wird insoweit stattgegeben, als das Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 und Z 6 FPG auf acht Jahre herabgesetzt wird.römisch II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch VII. wird insoweit stattgegeben, als das Einreiseverbot gemäß Paragraph 53, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 3, Ziffer eins und Ziffer 6, FPG auf acht Jahre herabgesetzt wird.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 12.02.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am nächsten Tag erfolgte eine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdiensts. Am 30.09.2022 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen.
Mit Bescheid des BFA vom 22.10.2022, Zl. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 6 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).Mit Bescheid des BFA vom 22.10.2022, Zl. römisch 40 , wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch VI.). Gemäß Paragraph 53, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 3, Ziffer 6, FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt römisch VII.).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 17.01.2024 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Die belangte Behörde nahm nicht teil, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde.
II. Feststellungen:römisch II. Feststellungen:
Der 42-jährige Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger, Kurde, Moslem, formal verheiratet und Vater von vier minderjährigen Kindern. Der Beschwerdeführer wurde im Landkreis XXXX in der Provinz Kocaeli in der türkischen Marmararegion geboren und lebte dort bis zu seiner Ausreise – abgesehen von seiner Ehegattin – gemeinsam mit seiner Familie in einem im Eigentum seiner Familie stehenden Haus. Der Beschwerdeführer besuchte in der Türkei die Schule (Grund- und Hauptschule sowie Lyzeum), wobei er keinen Maturaabschluss erlangte. Im Anschluss bestritt der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt etwa als Spritzgießer bzw. Schweißer, als Bügler, als Vermieter von Fahrzeugen und durch das Betreiben einer Viehzucht. Er beherrscht Türkisch auf muttersprachlichem Niveau. In welchem Ausmaß er Kurmandschi (Nordkurdisch) beherrscht, kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden.Der 42-jährige Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger, Kurde, Moslem, formal verheiratet und Vater von vier minderjährigen Kindern. Der Beschwerdeführer wurde im Landkreis römisch 40 in der Provinz Kocaeli in der türkischen Marmararegion geboren und lebte dort bis zu seiner Ausreise – abgesehen von seiner Ehegattin – gemeinsam mit seiner Familie in einem im Eigentum seiner Familie stehenden Haus. Der Beschwerdeführer besuchte in der Türkei die Schule (Grund- und Hauptschule sowie Lyzeum), wobei er keinen Maturaabschluss erlangte. Im Anschluss bestritt der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt etwa als Spritzgießer bzw. Schweißer, als Bügler, als Vermieter von Fahrzeugen und durch das Betreiben einer Viehzucht. Er beherrscht Türkisch auf muttersprachlichem Niveau. In welchem Ausmaß er Kurmandschi (Nordkurdisch) beherrscht, kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden.
In der Türkei leben unter anderem die Eltern, die Ehegattin, zwei Töchter, zwei Söhne, eine Schwester, ein Bruder und Tanten sowie Onkel. Die Eltern, die minderjährigen Kinder und die Geschwister wohnen weiterhin in dem im Eigentum seiner Familie stehenden Haus im Landkreis XXXX . Die Tanten und Onkel wohnen in unmittelbarer Nähe – ca. 100 bis 200 Meter entfernt – zu diesem Gebäude. Der Aufenthaltsort seiner Ehegattin ist dem Beschwerdeführer nicht bekannt. Der Vater befindet sich bereits im Ruhestand und bezieht eine Pension. Der Bruder ist im Handel tätig. Zudem besitzt die Familie eine Viehwirtschaft in der Provinz Ardahan. Der Beschwerdeführer hat mit seinen Eltern, seinen Geschwistern und seinen Kindern regelmäßig telefonisch bzw. über WhatsApp Kontakt. In der Türkei leben unter anderem die Eltern, die Ehegattin, zwei Töchter, zwei Söhne, eine Schwester, ein Bruder und Tanten sowie Onkel. Die Eltern, die minderjährigen Kinder und die Geschwister wohnen weiterhin in dem im Eigentum seiner Familie stehenden Haus im Landkreis römisch 40 . Die Tanten und Onkel wohnen in unmittelbarer Nähe – ca. 100 bis 200 Meter entfernt – zu diesem Gebäude. Der Aufenthaltsort seiner Ehegattin ist dem Beschwerdeführer nicht bekannt. Der Vater befindet sich bereits im Ruhestand und bezieht eine Pension. Der Bruder ist im Handel tätig. Zudem besitzt die Familie eine Viehwirtschaft in der Provinz Ardahan. Der Beschwerdeführer hat mit seinen Eltern, seinen Geschwistern und seinen Kindern regelmäßig telefonisch bzw. über WhatsApp Kontakt.
Der Beschwerdeführer verließ ca. im Oktober 2021 illegal die Türkei. Der Beschwerdeführer reiste nach einem zweimonatigen Aufenthalt in Griechenland und einem eineinhalbmonatigen Aufenthalt in Serbien ca. Mitte Februar 2022 illegal in Österreich ein, wo er am 12.02.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Der Beschwerdeführer hält sich als Asylwerber rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Er verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel.
Beschimpfungen, Schikanen oder mangelnde Wertschätzung des Beschwerdeführers durch Angehörige türkischer Behörden oder Teile der Zivilbevölkerung, etwa während der Schulzeit, im Berufsleben, bei alltäglichen Begegnungen oder bei der Verwendung der kurdischen Sprache, auf Grund der kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit sind glaubhaft. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei verfolgt wurde.
Der Beschwerdeführer zeigt Interesse für die kurdischen Belange und sympathisiert mit der Halklar?n Demokratik Partisi (HDP). Der Beschwerdeführer gehört der HDP seit Mai 2015 als (einfaches) Mitglied an. Er besaß weder eine spezielle Funktion innerhalb der Partei noch unterstützte er die HDP durch besondere Aktivitäten. Er traf sich im Parteilokal lediglich mit Freunden zur Unterhaltung.
Der Beschwerdeführer nahm zwischen 2006 und 2008 an einer einzigen Demonstration in Istanbul teil, im Zuge derer er ein Foto von Abdullah ÖCALAN und eine Fahne Kurdistans trug. Abgesehen vom Einsatz von Tränengas gab es in Zusammenhang mit dieser Demonstration weder Probleme mit der Polizei noch juristische Konsequenzen, zumal sich der Beschwerdeführer von dieser Veranstaltung unbemerkt entfernen konnte.
Der Beschwerdeführer gehört nicht der Gülen-Bewegung an und war nicht in den versuchten Militärputsch in der Nacht vom 15.07.2016 auf den 16.07.2016 verstrickt.
Der Beschwerdeführer entfaltete während seines Aufenthalts in Europa kein (exil-)politisches Engagement und schloss sich auch keiner hier tätigen kurdischen/oppositionellen Organisation als Mitglied an.
Der Beschwerdeführer verließ die Türkei zwecks Verbesserung der Lebenssituation. Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Ausreisegrund, dass er die Türkei verließ, um einem Strafantritt wegen einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zu entgehen, ist ebenfalls glaubhaft.
Über den Beschwerdeführer wurde bereits von 22.03.2006 bis 24.03.2006 wegen einer am 21.03.2006 im Landkreis XXXX begangenen Straftat die Untersuchungshaft verhängt. Über den Beschwerdeführer wurde bereits von 22.03.2006 bis 24.03.2006 wegen einer am 21.03.2006 im Landkreis römisch 40 begangenen Straftat die Untersuchungshaft verhängt.
Die Oberstaatsanwaltschaft XXXX legte dem Beschwerdeführer und zwei weiteren Verdächtigen in diesem Zusammenhang in ihrer Anklageschrift eine Straftat gemäß Artikel 37 Abs. 1 des türkischen Strafgesetzbuches (TCK) und Artikel 7 Abs. 2 des Anti-Terrorismus-Gesetzes zur Last. Zur Begründung führte die Staatsanwaltschaft (auszugsweise) aus:Die Oberstaatsanwaltschaft römisch 40 legte dem Beschwerdeführer und zwei weiteren Verdächtigen in diesem Zusammenhang in ihrer Anklageschrift eine Straftat gemäß Artikel 37 Absatz eins, des türkischen Strafgesetzbuches (TCK) und Artikel 7 Absatz 2, des Anti-Terrorismus-Gesetzes zur Last. Zur Begründung führte die Staatsanwaltschaft (auszugsweise) aus:
„Beweismittel: Zeitungsberichte, Facebook-Posts, Aussagen von Verdächtigen und alle gesammelten Beweise
[…]
DIE ERMITTLUNGSUNTERLAGEN WURDEN GEPRÜFT:
Die bisher durchgeführten Ermittlungen gegen die bewaffnete terroristische Organisation PKK-KCK haben ergeben, dass die oben genannten Verdächtigen durch den Inhalt von Zeitungsbeiträgen, Facebook-Posts, die Eigenschaft als Leiter oder Mitglied einer terroristischen Organisation, die Aufstachelung der Öffentlichkeit zum bewaffneten Aufstand gegen die Exekutive und die Aufstachelung der Öffentlichkeit zu Hass und Feindseligkeit die wesentlichen Straftatbestände im Rahmen des Antiterrorismusgesetzes erfüllt haben. Es wurde festgestellt, dass der Straftatbestand der Aufwiegelung der bewaffneten terroristischen Vereinigung gegen den Staat, der Lobpreisung der bewaffneten terroristischen Vereinigung und der Propaganda für die bewaffnete terroristische Vereinigung dem Wesen einer bewaffneten terroristischen Vereinigung im Sinne von Artikel 7/2 des Antiterrorgesetzes Nr. 3713 entspricht, und das ein hinreichender Verdacht besteht, um ein öffentliches Verfahren gegen alle Verdächtigen einzuleiten.“
Zu den in den folgenden Jahren durchgeführten Ermittlungen führten die Beamten der Direktion XXXX in einem Untersuchungsbericht vom 13.01.2022 (auszugsweise) aus:Zu den in den folgenden Jahren durchgeführten Ermittlungen führten die Beamten der Direktion römisch 40 in einem Untersuchungsbericht vom 13.01.2022 (auszugsweise) aus