Entscheidungsdatum
05.07.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L510 2273202-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Dr. KOCHER Klaus und Mag. BUCHER Wilfried, RAe in 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.04.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung öffentlich-mündlicher Verhandlungen am 09.11.2023 und 30.01.2024 zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. am römisch 40 , StA. Türkei, vertreten durch Dr. KOCHER Klaus und Mag. BUCHER Wilfried, RAe in 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.04.2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung öffentlich-mündlicher Verhandlungen am 09.11.2023 und 30.01.2024 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang
1. Die beschwerdeführende Partei („bP“), ein türkischer Staatsangehöriger, stellte nach schlepperunterstützter, nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 11.02.2022 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Zuge ihrer Erstbefragung am nächsten Tag gab die bP zum Fluchtgrund an, es gebe in der Türkei keine Menschenrechte, wenig Arbeit und keine finanzielle Unterstützung. Im Fall der Rückkehr befürchte sie, finanziell das Auslangen nicht finden zu können.
3.1. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl („BFA“) am 31.01.2023 monierte sie zunächst, das Erstbefragungsprotokoll gebe unrichtigerweise wieder, dass sie in der Türkei keine Arbeit gefunden habe und Moslem sei. Es gebe in der Türkei sehr wohl Arbeit und ihre Religion sei das Jesidentum, insoweit seien daher die Angaben aus der Erstbefragung entsprechend zu berichtigen. Zum Hintergrund ihrer Flucht befragt führte sie im Wesentlichen aus, dass sich das Leben der Kurden in der Türkei sehr schwierig gestalte. Sie könne zudem ihre Religion als Jeside nicht frei ausüben und werde aufgrund ihrer politischen Überzeugungen bzw. Aktivitäten verfolgt. Die bP habe ursprünglich in Bingöl gelebt, wo sie bzw. ihre Familie des Öfteren von kurdischen Soldaten bedroht worden sei. Man habe die Dorfbewohner gezwungen, Lebensmittel zur Verpflegung der Soldaten bereitzustellen. Später seien sie von türkischen Sicherheitskräften zur Strafe dafür gefoltert und geschlagen worden. Die kurdischen Kämpfer hätten diesen Vorfall wiederholt, woraufhin die Großmutter der bP einen Schlaganfall erlitten habe. Die Familie habe sich daher gezwungen gesehen, ihren Wohnsitz nach XXXX zu verlegen. Der bP sei es nicht möglich gewesen, das Gymnasium zu besuchen, so habe sie den einfachen Beruf des Brotbäckers erlernen müssen. Als Kurde habe man es nämlich schwer, zu einer höherwertigen Berufsausbildung bzw. einem besser bezahlten Job zu gelangen. Für die bP und ihren Bruder habe sich letztlich die Möglichkeit ergeben, auf einer Baustelle zu arbeiten, bei der sie einen höheren Verdienst erhalten würden. Die anderen Arbeiter hätten jedoch schnell mitbekommen, dass die bP mit ihrer Mutter am Telefon Kurdisch spreche. In Folge dessen sei sie von ihren Arbeitskollegen gemobbt worden. Der Chef habe sie und ihren Bruder daraufhin gekündigt und ihnen lediglich die Hälfte ihres eigentlichen Verdienstes (aus-)gezahlt. Danach habe die bP ihren Militärdienst absolviert. Dort habe ein türkischer Offizier sie und weitere Kurden regelmäßig aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit schikaniert und drangsaliert. Nach dem Militärdienst sei sie der HDP beigetreten und dort unterstützend aktiv gewesen. 2013 habe sie an einer Demonstration teilgenommen, die sich gegen einen Femizid gerichtet habe („Fall Aslan Özgecan“). Dabei sei es zu Polizeiübergriffen gekommen und seien die Teilnehmer mit Pfefferspray attackiert worden. Anschließend sei die bP für ein Wochenende in Polizeigewahrsam genommen worden. Im Oktober 2014 habe die bP in Ankara an einem Meeting teilgenommen, wo sich auch der „YPG-Chef“ eingefunden habe. Mit diesem habe sie ein gemeinsames Foto geschossen. Schließlich sei es zum Putschversuch gekommen und die bP einige Tage darauf bei einer Razzia festgenommen worden. Zu diesem Zeitpunkt habe sie den Beruf des Bäckers ausgeübt. Es habe sich herausgestellt, dass ihr damaliger Arbeitgeber bei der FETÖ-Organisation tätig gewesen sei. Der bP sei Selbiges unterstellt und sie im Rahmen der Anhaltung auch gefoltert worden. Am Ende habe man sie jedoch freigelassen, weil sich der Tatverdacht nicht erhärtet habe. Generell sei ihr Leben in der Türkei davon gekennzeichnet gewesen, dass sie immer wieder angehalten und verhört worden sei. Zuletzt sei sie im November 2021 in Polizeigewahrsam gewesen, wo sie und weitere Personen - wegen einer Demonstrationsteilnahme - als Terroristen diffamiert und mit dem Umbringen bedroht worden seien. Sie wisse nicht, ob in ihrem Herkunftsstaat ein Gerichtsverfahren gegen ihre Person anhängig sei. Jedenfalls laufe gegen ihren Bruder XXXX , der sich auf einer Universität politisch betätigt habe, ein Verfahren. Ein Bruder namens XXXX sei ebenfalls einschlägig oppositionell aktiv gewesen, sei aber inzwischen nach Deutschland geflüchtet. Kurz vor ihrer Ausreise, als die bP inzwischen in Izmir gelebt habe, sei sie plötzlich von ihrer Mutter darüber verständigt worden, dass zwei Mitstreiter und enge Freunde ihrer Person aus der HDP festgenommen worden seien. Um einer Festnahme zuvorzukommen - da Präsident Erdogan ohnehin jeden inhaftieren lasse, der der Opposition angehöre - habe sie schließlich die Türkei verlassen und wolle nunmehr unter keinen Umständen zurückkehren, da dies zwangsläufig zu ihrer neuerlichen Inhaftierung führen würde. 3.1. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl („BFA“) am 31.01.2023 monierte sie zunächst, das Erstbefragungsprotokoll gebe unrichtigerweise wieder, dass sie in der Türkei keine Arbeit gefunden habe und Moslem sei. Es gebe in der Türkei sehr wohl Arbeit und ihre Religion sei das Jesidentum, insoweit seien daher die Angaben aus der Erstbefragung entsprechend zu berichtigen. Zum Hintergrund ihrer Flucht befragt führte sie im Wesentlichen aus, dass sich das Leben der Kurden in der Türkei sehr schwierig gestalte. Sie könne zudem ihre Religion als Jeside nicht frei ausüben und werde aufgrund ihrer politischen Überzeugungen bzw. Aktivitäten verfolgt. Die bP habe ursprünglich in Bingöl gelebt, wo sie bzw. ihre Familie des Öfteren von kurdischen Soldaten bedroht worden sei. Man habe die Dorfbewohner gezwungen, Lebensmittel zur Verpflegung der Soldaten bereitzustellen. Später seien sie von türkischen Sicherheitskräften zur Strafe dafür gefoltert und geschlagen worden. Die kurdischen Kämpfer hätten diesen Vorfall wiederholt, woraufhin die Großmutter der bP einen Schlaganfall erlitten habe. Die Familie habe sich daher gezwungen gesehen, ihren Wohnsitz nach römisch 40 zu verlegen. Der bP sei es nicht möglich gewesen, das Gymnasium zu besuchen, so habe sie den einfachen Beruf des Brotbäckers erlernen müssen. Als Kurde habe man es nämlich schwer, zu einer höherwertigen Berufsausbildung bzw. einem besser bezahlten Job zu gelangen. Für die bP und ihren Bruder habe sich letztlich die Möglichkeit ergeben, auf einer Baustelle zu arbeiten, bei der sie einen höheren Verdienst erhalten würden. Die anderen Arbeiter hätten jedoch schnell mitbekommen, dass die bP mit ihrer Mutter am Telefon Kurdisch spreche. In Folge dessen sei sie von ihren Arbeitskollegen gemobbt worden. Der Chef habe sie und ihren Bruder daraufhin gekündigt und ihnen lediglich die Hälfte ihres eigentlichen Verdienstes (aus-)gezahlt. Danach habe die bP ihren Militärdienst absolviert. Dort habe ein türkischer Offizier sie und weitere Kurden regelmäßig aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit schikaniert und drangsaliert. Nach dem Militärdienst sei sie der HDP beigetreten und dort unterstützend aktiv gewesen. 2013 habe sie an einer Demonstration teilgenommen, die sich gegen einen Femizid gerichtet habe („Fall Aslan Özgecan“). Dabei sei es zu Polizeiübergriffen gekommen und seien die Teilnehmer mit Pfefferspray attackiert worden. Anschließend sei die bP für ein Wochenende in Polizeigewahrsam genommen worden. Im Oktober 2014 habe die bP in Ankara an einem Meeting teilgenommen, wo sich auch der „YPG-Chef“ eingefunden habe. Mit diesem habe sie ein gemeinsames Foto geschossen. Schließlich sei es zum Putschversuch gekommen und die bP einige Tage darauf bei einer Razzia festgenommen worden. Zu diesem Zeitpunkt habe sie den Beruf des Bäckers ausgeübt. Es habe sich herausgestellt, dass ihr damaliger Arbeitgeber bei der FETÖ-Organisation tätig gewesen sei. Der bP sei Selbiges unterstellt und sie im Rahmen der Anhaltung auch gefoltert worden. Am Ende habe man sie jedoch freigelassen, weil sich der Tatverdacht nicht erhärtet habe. Generell sei ihr Leben in der Türkei davon gekennzeichnet gewesen, dass sie immer wieder angehalten und verhört worden sei. Zuletzt sei sie im November 2021 in Polizeigewahrsam gewesen, wo sie und weitere Personen - wegen einer Demonstrationsteilnahme - als Terroristen diffamiert und mit dem Umbringen bedroht worden seien. Sie wisse nicht, ob in ihrem Herkunftsstaat ein Gerichtsverfahren gegen ihre Person anhängig sei. Jedenfalls laufe gegen ihren Bruder römisch 40 , der sich auf einer Universität politisch betätigt habe, ein Verfahren. Ein Bruder namens römisch 40 sei ebenfalls einschlägig oppositionell aktiv gewesen, sei aber inzwischen nach Deutschland geflüchtet. Kurz vor ihrer Ausreise, als die bP inzwischen in Izmir gelebt habe, sei sie plötzlich von ihrer Mutter darüber verständigt worden, dass zwei Mitstreiter und enge Freunde ihrer Person aus der HDP festgenommen worden seien. Um einer Festnahme zuvorzukommen - da Präsident Erdogan ohnehin jeden inhaftieren lasse, der der Opposition angehöre - habe sie schließlich die Türkei verlassen und wolle nunmehr unter keinen Umständen zurückkehren, da dies zwangsläufig zu ihrer neuerlichen Inhaftierung führen würde.
Die bP legte anlässlich ihrer Einvernahme - neben weiteren Unterlagen, die für ihr Fluchtvorbringen nicht (unmittelbar) von Relevanz sind - Fotoaufnahmen von ihrer Teilnahme an einem „Maiaufmarsch“ in der Stadt Aydin am 01.05.2013 sowie von einem Treffen mit dem (vermeintlichen) Parteiführer der YPG vor. Später reichte sie ein mit 17.01.2022 datiertes Mitgliedsformular der HDP nach.
4. Mit Bescheid vom 24.04.2023, Zl. XXXX , wies das BFA den Antrag gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde der bP nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). 4. Mit Bescheid vom 24.04.2023, Zl. römisch 40 , wies das BFA den Antrag gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) und gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei (Spruchpunkt römisch II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG wurde der bP nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen die bP gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Türkei gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt römisch VI.).
Beweiswürdigend legte das BFA (im Hinblick auf die inhaltliche Entscheidung zum Antrag auf internationalen Schutz) im Wesentlichen dar, das Vorbringen der bP hinsichtlich ihrer ausreiskausalen Erlebnisse sei weder geeignet, eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK, noch ein relevantes Bedrohungsszenario im Hinblick auf einen subsidiären Schutzbedarf aufzuzeigen. Dies insbesondere deshalb, weil aus ihren Darstellungen - mögen diese teilweise auch der Wahrheit entsprechen - kein glaubhafter Konnex zu einer zielgerichteten Verfolgung zu erschließen sei. Dagegen spreche vor allem der untergeordnete Charakter ihrer politischen Aktivitäten für die HDP, die keine besondere Außenwirkung erkennen lassen würden. Im Übrigen stelle sich ihr Vorbringen als nicht asylrelevant dar. Sie unterliege als Kurde und Jeside auch keiner relevanten Gruppenverfolgung bzw. ermangle es der Berichtslage zu ihrem Herkunftsstaat an diesbezüglichen Anhaltspunkten. Ein relevantes, die öffentlichen Interessen übersteigendes, Privat- und Familienleben der bP würde ebenso wenig vorliegen.
5. Gegen den genannten Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Im Wesentlichen wird im Beschwerdeschriftsatz dargelegt, das BFA habe aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens zu Unrecht angenommen, die bP unterliege aufgrund ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und ihrer politischen Überzeugungen bzw. ihres Engagements für die HDP im Herkunftsstaat keiner Verfolgung. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die bP nicht alle ihr verfügbaren Anhaltspunkte dargetan hätte, um eine Verfolgungsgefahr glaubhaftzumachen. Ebenso wenig bestünden Zweifel an der Kohärenz und Plausibilität ihrer Angaben, insbesondere vor dem Hintergerund der aktuellen Quellenlage, die sich eindeutig und ausführlich aus den vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen ergeben und mit ihrem Vorbringen vollumfänglich decken würde. Die bP wäre - sofern asylrelevante Fragen offengeblieben seien - bereit (gewesen), weiter an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken. Weiters seien die in das Verfahren eingebrachten Länderberichte unzureichend gewürdigt worden, worduch sich die behördliche Beweiswürdigung ganzheitlich als haltlos darstelle.
6. Am 18.09.2023 beraumte das Bundesverwaltungsgericht („BVwG“) für den 09.11.2023 eine öffentliche mündliche Verhandlung an und übermittelte den Verfahrensparteien entsprechende Ladungen.
6.1. Mit der Ladung wurde die bP auch umfassend auf ihre Mitwirkungsverpflichtung im Beschwerdeverfahren hingewiesen und sie zudem auch konkret aufgefordert, insbesondere ihre persönlichen Fluchtgründe und sonstigen Rückkehrbefürchtungen durch geeignete Unterlagen bzw. Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen, wobei eine demonstrative Aufzählung von grundsätzlich als geeignet erscheinenden Unterlagen erfolgte.
Zugleich mit der Ladung wurden der bP ergänzend Berichte zur aktuellen Lage in der Türkei übermittelt bzw. namhaft gemacht, welche das BVwG in seine Entscheidung miteinbezieht. Auch wurde ihr ein (instruierendes) Informationsblatt zur Erlangung eines Passworts für den Zugang zum türkischen E-Government-Portal „e-devlet“ übermittelt. Eine schriftliche Stellungnahmefrist bis zum Verhandlungstermin bzw. eine Stellungnahmemöglichkeit in der Verhandlung wurde dazu eingeräumt.
7. Am 17.10.2023 langte beim BVwG seitens der bP bzw. ihrer Rechtsvertretung eine Stellungnahme ein, die sich im Wesentlichen darin erschöpft, das grundlegende Parteien- bzw. Beschwerdevorbringen der bP zu wiederholen, wonach ihr unter Berücksichtigung ihrer individuellen Umstände und der allgemeinen Verhältnisse, bei Rückkehr in die Türkei erhebliche Eingriffe in ihre persönliche Freiheit bzw. physische Integrität drohten.
8. Am 30.01.2024 führte das BVwG in Anwesenheit der bP, ihrer rechtsfreundlichen Vertretung und eines Dometschers für die Sprache Türkisch - nachdem zuvor am 09.11.2023 eine Verhandlung wegen Verständigungsproblemen mit einem für die Sprache Kurdisch-Kurmandschi beizgezogenen Dolmetscher abgebrochen und auf einen neuen Termin vertagt werden musste - eine Verhandlung durch. Das BFA blieb der Verhandlung entschuldigt fern.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Die Identität der bP steht fest. Sie führt den im Spruch angeführten Namen und das dort ausgewiesene Geburtsdatum. Die bP ist Staatsangehöriger der Türkei, der der kurdischen Volksgruppe angehört und sich zum Jesidentum bekennt. Sie ist ledig und kinderlos. Als Muttersprache weist sie Kurdisch-Kurmandschi auf, beherrscht aber auch die türkische Landessprache in Wort und Schrift.
Die bP wurde in der ostanatolischen Stadt und gleichnamigen Provinz XXXX geboren. Dort besuchte sie fünf Jahre die Grundschule. Anschließend übersiedelte sie mit ihrer Familie in die Stadt XXXX in der Provinz XXXX im Westen der Türkei, wo sie fortan bis zu ihrer Ausreise im Jänner 2022 in einem im Eigentum ihrer Familie stehenden Haus lebte. Im erwerbsfähigen Alter trat die bP in das Berufsleben ein und erlernte das Handwerk des Bäckers. Später wurde sie auch als Maurer, Trockenbauer bzw. Stuckateur und Maler angelernt. Die bP war in den angeführten Erwerbszweigen (mehrmals untereinander abwechselnd) tätig, erwarb zwischendurch auch als Gärtner Berufserfahrung. Durch die genannten Beschäftigungen war die bP imstande, ihren Lebensunterhalt in der Türkei aus eigener Kraft zu sichern. In den Jahren 2004 und 2005 leistete sie in Manisa und Nordzypern den türkischen Pflichtwehrdienst als einfacher Soldat ab. Die bP wurde in der ostanatolischen Stadt und gleichnamigen Provinz römisch 40 geboren. Dort besuchte sie fünf Jahre die Grundschule. Anschließend übersiedelte sie mit ihrer Familie in die Stadt römisch 40 in der Provinz römisch 40 im Westen der Türkei, wo sie fortan bis zu ihrer Ausreise im Jänner 2022 in einem im Eigentum ihrer Familie stehenden Haus lebte. Im erwerbsfähigen Alter trat die bP in das Berufsleben ein und erlernte das Handwerk des Bäckers. Später wurde sie auch als Maurer, Trockenbauer bzw. Stuckateur und Maler angelernt. Die bP war in den angeführten Erwerbszweigen (mehrmals untereinander abwechselnd) tätig, erwarb zwischendurch auch als Gärtner Berufserfahrung. Durch die genannten Beschäftigungen war die bP imstande, ihren Lebensunterhalt in der Türkei aus eigener Kraft zu sichern. In den Jahren 2004 und 2005 leistete sie in Manisa und Nordzypern den türkischen Pflichtwehrdienst als einfacher Soldat ab.
Die bP verfügt im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Bindungen: in der Stadt XXXX bzw. in deren räumlichen Umgebung leben ihre Eltern und drei Brüder, zwei Brüder in XXXX und ein weiterer Bruder in XXXX . Die bP hat wöchentlichen Kontakt zu ihren Eltern in der Türkei. Die bP verfügt im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Bindungen: in der Stadt römisch 40 bzw. in deren räumlichen Umgebung leben ihre Eltern und drei Brüder, zwei Brüder in römisch 40 und ein weiterer Bruder in römisch 40 . Die bP hat wöchentlichen Kontakt zu ihren Eltern in der Türkei.
Aktuell liegen keine relevanten behandlungsbedürftigen Krankheiten vor. Die bP ist gesund und arbeitsfähig.
Die bP verließ ihren Herkunftsstaat im Jänner 2022 und reiste unter Zuhilfenahme einer Schlepperorganisation unrechtmäßig zunächst über die Seeroute nach Griechenland, anschließend auf dem Landweg über mehrere Balkanstaaten und Ungarn nach Österreich, wo sie schließlich am 11.02.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte und sich seither ununterbrochen aufhält.
Die bP bezog bis April 2022 Leistungen aus der Grundversorgung. Seit 11.04.2023 weist die bP eine (aufrechte) Versicherungsmeldung nach dem GSVG auf. Sie betreibt eine Autowaschanalge in der Rechtsform eines unter eigenem Namen eingetragenen (Einzel-)Unternehmens der (freien) Gewerbeart „Wartung und Pflege von Kraftfahrzeugen (KFZ-Service)“. Die bP ist vermöge ihrer Einkünfte in der Lage, ihren Lebensunterhalt in Österreich aus eigener Kraft zu sichern. Die bP hat bis dato keine Integrations- bzw. Deutschkurse besucht und verfügt auch über keine nennenswerten Deutschkenntnisse. Mitgliedschaften in Vereinen wurden seitens der bP nicht vorgebracht, ebenso wenig ehrenamtliche Aktivitäten.
Die bP unterhält in Österreich eine Liebesbeziehung zu einer in Österreich eingebürgerten Kurdin. Eine (erhöhte) Beziehungsintensität mit einer über das gewöhnliche Maß einer Liebesbeziehung hinausweisenden Ausprägung konnte jedoch zwischen der bP und ihrer Freundin nicht festgestellt werden. Zwischen der bP und ihrer Freundin besteht kein gemeinsamer Wohnsitz, Abhängigkeitsverhältnisse sind nicht feststellbar.
Die bP verfügt in Österreich über familiäre Anknüpfungspunkte in Person zweier Tanten (samt Kindern) mütterlicher- und väterlicherseits, mit denen sie jedoch keine maßgeblichen Nahebeziehungen unterhält.
Sie ist strafrechtlich unbescholten; verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen bzw. Einträge sind nicht aktenkundig.
1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:
Vereinzelte Teilnahmen an Demonstrationen unter organisatorischer Schirmschaft der HDP sowie einschlägige-oppositionelle Sympathien und Aktivitäten der bP werden als glaubhaft zugrunde gelegt, nicht hingegen eine beachtenswerte politische Außenprofilierung der bP vor diesem Hintergrund.
Ebenso wenig ist glaubhaft, dass die bP aus Gründen ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie ihrer politischen Gesinnung vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat einer individuellen oder pauschalen Gefährdung und/oder psychischen oder physischen Gewalt durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt gewesen wäre und/oder die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer diesbezüglich relevanten (Individual- oder Pauschal-)Verfolgungsgefahr und/oder einer sonstigen realen Gefahr für Leib und/oder Leben unterliegen würde, wenn auch Beschimpfungen, Schikanen, subjektive Diskriminierungserfahrungen oder mangelnde Wertschätzung der bP in Bereichen des real-gesellschaftlichen Zusammenlebens mit (Teilen) der türkischen Zivilbevölkerung, etwa beim Verwenden der kurdischen Sprache oder im Erwerbsleben, und/oder beim Umgang mit staatlichen Behördenstrukturen, etwa während des Militärdienstes, als glaubhaft angenommen werden können.
Es kann schließlich auch nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Rückkehr in die Türkei aus sonstigen in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort einer maßgeblichen individuellen Gefährdung oder Bedrohung ausgesetzt wäre oder dort keine hinreichende Existenzgrundlage vorfinden würden.
1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:
COVID-19-Pandemie
Letzte Änderung 2023-06-20 13:34
Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports. Für historische Daten bis zum 10.3.2023 s. die Datenbank der Johns-Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6.
Während der Covid-19-Pandemie wurde das staatliche Gesundheitssystem extrem belastet, konnte aber seine Aufgaben bisher weitgehend erfüllen. Es häuften sich Berichte über personelle Erschöpfung und beschränkte Behandlungsmöglichkeiten (AA 28.7.2022, S. 21).Während der Covid-19-Pandemie wurde das staatliche Gesundheitssystem extrem belastet, konnte aber seine Aufgaben bisher weitgehend erfüllen. Es häuften sich Berichte über personelle Erschöpfung und beschränkte Behandlungsmöglichkeiten (AA 28.7.2022, Sitzung 21).
Mit Stand Ende Dezember 2022 verzeichnete die Türkei offiziell rund 101.200 Menschen, die an den Folgen von COVID-19 verstarben, wobei für die letzten vier Wochen des Jahres 2022 kein einziger Todesfall verzeichnet wurde (JHU 29.12.2022). Bereits Mitte April 2022 sah die türkische Ärztekammer (TTB) die Zahl der COVID-19-Toten nach zwei Jahren Pandemie, im Widerspruch zu den zu jenem Zeitpunkt offiziell vermeldeten rund 98.000 Verstorbenen (bei insgesamt circa 14,78 Millionen Fällen), bei geschätzten 274.000. Die Berechnungen der Ärztekammer erfolgten anhand der Übersterblichkeitsrate (Ahval 14.4.2022). Angesichts der erneuten Sommerwelle im Juli 2022, zurückzuführen auf das Ende fast aller Maßnahmen, erneuerte die Ärztekammer den Vorwurf falscher COVID-19-Infektionszahlen. Die tatsächliche Infektionszahl wäre mit 235.000 demnach doppelt so hoch wie die vom Gesundheitsministerium angegebene (Ahval 16.7.2022).
Beginnend mit 1.6.2022 wurde das Tragen von Masken sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen sowie im öffentlichen Verkehr aufgehoben. In Gesundheitseinrichtungen wird das Tragen von Masken aber weiterhin empfohlen. Seit 1.6.2022 wird für die Einreise aus Österreich in die Türkei kein Nachweis über eine Impfung oder Genesung bzw. kein negativer PCR-Test oder negativer Antigen-Schnelltest mehr verlangt (WKO 15.2.2023).
Quellen:
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