TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/20 94/19/1251

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.06.1995
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des S in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Jänner 1994, Zl. 4.343.678/1-III/13/1993, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Zaire, ist am 15. Oktober 1993 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 18. Oktober 1993 den Antrag gestellt, ihm Asyl zu gewähren. Dieser Antrag wurde vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 21. Oktober 1993 abgewiesen.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Jänner 1994 wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und damit die Asylgewährung versagt.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde - nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluß vom 13. Juni 1994, Zl. B 332/94, abgelehnt hatte - dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten. Dieser hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer - anders als das Bundesasylamt, das allein seine Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 AsylG 1991 verneinte - ausschließlich deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Auffassung war, daß bei ihm der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers, habe nämlich ergeben, daß er bereits in Rußland vor Verfolgung sicher gewesen sei.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen diese Annahme der belangten Behörde. Er macht dabei eine Verletzung der die Behörde treffenden Ermittlungspflicht geltend, wenn diese von der Mitgliedschaft Rußlands bei der Genfer Flüchtlingskonvention auf die Geltung des in deren Art. 33 verankerten Refoulementverbotes und damit auf das Vorliegen von Verfolgungssicherheit schließe. Wäre dem Beschwerdeführer Parteiengehör hiezu gewährt worden oder hätte die belangte Behörde selbst entsprechende Erhebungen vorgenommen, wäre sie zu dem Ergebnis gekommen, daß es in Rußland tatsächlich kein Verfahren gebe, das Flüchtlingen rechtlichen Schutz einräume; ebenso gebe es keinen tatsächlichen Schutz. Aus einer Stellungnahme des UNHCR sei sogar bekannt, daß Personen, die über einen Flughafen nach Rußland einreisen wollten, regelmäßig in den Staat zurückgeschickt würden, aus dem sie abgeflogen seien; der Beschwerdeführer sei in Rußland keineswegs vor Verfolgung oder Abschiebung in sein Heimatland sicher gewesen.

Mit diesen Ausführungen macht der Beschwerdeführer zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, um annehmen zu können, Rußland biete - wie dies die belangte Behörde allein aufgrund der Mitgliedschaft bei der Genfer Flüchtlingskonvention annahm - als Zufluchtsstaat von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her - einen den Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413).

Der Beschwerdeführer hat diese Behauptungen wohl erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm im Berufungsverfahren nicht Gelegenheit geboten, zu der ihm noch nicht bekanntgegebenen Annahme der belangten Behörde, daß er in Rußland "Verfolgungssicherheit" erlangt habe, Stellung zu nehmen, weshalb sein in der Beschwerde erstattetes Vorbringen auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt.

Die belangte Behörde hat somit dadurch, daß sie den angefochtenen Bescheid ohne Vorliegen von - unter dem Blickwinkel der Beschwerdeausführungen - entsprechenden Ergebnissen eines unter Wahrung des Parteiengehörs durchgeführten Ermittlungsverfahrens erlassen hat, diesen mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können (vgl. wiederum das bereits zitierte Erkenntnis vom 26. Jänner 1995).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994; das Mehrbegehren war abzuweisen, da dem Beschwerdeführer mit Beschluß vom 31. Mai 1995, Zl. 94/19/1251-10, die Verfahrenshilfe im beantragten Umfang, umfassend die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Gerichtsgebühren und anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren, bewilligt wurde.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994191251.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten