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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Wr §134 Abs3 idF 1987/028;Betreff
Der VwGH hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des JA und der MS in W, der HSt in E, der AH in S, der BF in N, des PA, des Dr. MA und des JS in W, alle vertreten durch Dr. MA, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. 12. 1994, Zl. MD-VfR - B I - 8/93, betr Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mP: WStW-VB), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einem am 28. Jänner 1991 bei der Baubehörde eingelangten Ansuchen beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Spiegels (Heliostaten) vor dem Hause Wien I, X 2, mit dem Tageslicht und künstliches Licht in das U-Bahn Stationsbauwerk Y geleitet werden sollte. Die Beschwerdeführer sind bücherliche Eigentümer der EZ n1, KG n2 Innere Stadt, mit der Adresse X 2. Im erstinstanzlichen Verfahren sprachen sich die Beschwerdeführer gegen die Erteilung der Baubewilligung aus. Sie machten insbesondere eine Beeinträchtigung des Stadtbildes geltend und wiesen auf unzumutbare Beeinträchtigungen durch Lichtreflexionen hin.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 29. März 1993 wurde der Bauwerberin gemäß § 71 der Bauordnung für Wien die beantragte Baubewilligung erteilt. Die Einwendungen der Beschwerdeführer wurden zum Teil ab-, zum Teil zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid brachten die Beschwerdeführer die Berufung ein; während des Berufungsverfahrens wurde zunächst durch Rücksprache mit dem Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr geklärt, daß der Heliostat nicht als Teil einer Eisenbahnanlage, sondern bloß gemäß § 39 des Eisenbahngesetzes genehmigungspflichtig sei. In der Folge wurde das Gutachten eines medizinischen Amtssachverständigen über eine allenfalls bei der Verwendung von künstlichem Licht eintretende Belästigung der Benützer des Hauses X 2 durch den Heliostaten eingeholt. Zu dem Gutachten nahmen die Beschwerdeführer Stellung, die Angelegenheit war schließlich Gegenstand einer mündlichen Verhandlung am 2. Mai 1994. Bei dieser wurden ergänzende Gutachten für notwendig erachtet, ein aussagekräftiges Gutachten hätte jedoch eine kostspielige Versuchsanordnung erfordert, weshalb die Bauwerberin zunächst andeutete, ein Betrieb des Heliostaten sei für sie auch ohne künstliches Licht vorstellbar. Nach Einholung einer neuerlichen Stellungnahme der Beschwerdeführer, die sich nun auf die Störung durch Sonnenlicht konzentrierten, wurde das Vorhaben schließlich durch ein Schreiben der Bauwerberin vom 3. November 1994 dahingehend eingeschränkt, daß nur mehr Sonnenlicht reflektiert werden sollte, das Projekt wurde dahingehend präzisiert, daß eine mechanische Begrenzung der Bewegung des Spiegels vorgesehen wurde.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der erstinstanzliche Bescheid insofern geändert, daß gemäß § 71 der Bauordnung für Wien auf jederzeitigen Widerruf die Bewilligung erteilt wurde, einen Heliostaten für die Bündelung und Umlenkung von Tageslicht zu errichten. An den beiden Achsen des Heliostaten werde eine mechanische Arretierung angebracht, die ein Überschreiten der für den Betrieb vorgesehenen Winkelbereiche verhindere. Im Azimut betrage dieser Winkel +/- 90 Grad zur Südrichtung und in der Elevation + 45 und - 90 Grad zur Senkrechten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das Bauansuchen war seit 28. Jänner 1991 anhängig, weshalb die Bauordnung für Wien gemäß der Übergangsbestimmung des Art. IV des Gesetzes LGBl. für Wien Nr. 34/1992 noch nicht in jener Fassung anzuwenden ist, die sie durch die Bauordnungs-Novelle 1992 erhalten hat. Es ist daher § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien in der Fassung vor der Novelle 1992 anzuwenden, wonach im Baubewilligungsverfahren die Eigentümer (Miteigentümer) der benachbarten Liegenschaften dann Parteien sind, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutz der Nachbarschaft dienen; hiezu zählen jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes für die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben.
Die Baubewilligung konnte nur gemäß § 71 BO auf jederzeitigen Widerruf erteilt werden, da das Vorhaben auf öffentlichem Grund errichtet werden soll. Nach dieser Bestimmung dürfen der Bewilligung durch dieses Gesetz gegebene subjektiv-öffentliche Rechte nicht entgegenstehen, es sei denn, daß der Berechtigte der Bewilligung ausdrücklich zugestimmt hat oder gemäß § 42 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes als der Bewilligung zustimmend anzusehen ist.
Gemäß § 85 Abs. 4 BO müssen Portale, Geschäfts- und Firmenschilder, Werbezeichen und Lichtreklamen so beschaffen sein, daß durch sie das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigt wird. Durch Lichtreklamen darf keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung der Benützer desselben Hauses oder der Benützer benachbarter Häuser herbeigeführt werden.
Auch die belangte Behörde ist davon ausgegangen, daß den Beschwerdeführern aus der sinngemäß anzuwendenden Bestimmung des § 85 Abs. 4 BO ein subjektiv-öffentliches Recht erfließt, was zur Einholung der Gutachten des medizinischen Sachverständigen und letztlich zur Einschränkung des Bauvorhabens durch Verzicht auf die Bündelung von künstlichem Licht führte.
Die Bewilligung nach § 71 BO darf nicht erteilt werden, wenn die Nachbarn sich ausdrücklich gegen die Erteilung der angestrebten Baubewilligung ausgesprochen haben. Die Gründe, welche die Nachbarn in diesem Zusammenhang anführen, sind rechtlich unerheblich, da § 71 dritter Satz BO die ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des von der Baubewilligung betroffenen Nachbarn voraussetzt. Wie schon ausgeführt worden ist, bestimmt § 134 Abs. 3 BO unter anderem, daß zu jenen Bestimmungen, die dem Schutz der Nachbarn dienen, jene zählen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben. Da den Beschwerdeführern ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung des § 85 Abs. 4
2. Satz BO zukommt, sie während des gesamten Verwaltungsverfahrens ausdrücklich erklärt haben, mit der Bauführung nicht einverstanden zu sein und diese Erklärung auch nach der Einschränkung des Bauvorhabens durch die Bauwerberin aufrecht erhalten wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Nachbarn dem Bauvorhaben zugestimmt hätten oder als zustimmend anzusehen seien. Die Ansicht der belangten Behörde, das Vorbringen in der Beschwerde, es könne durch die Reflektion des vom Heliostaten gebündelten Tageslichtes auf das gläserne U-Bahngebäude zur Belästigung der Beschwerdeführer kommen, widerspräche dem aus § 41 Abs. 1 VwGG ableitbaren Neuerungsverbot, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen, weil die Beschwerdeführer schon in ihrer Berufung auf den nicht zu übersehenden Blendungseffekt hingewiesen haben. Eines detaillierteren Hinweises, wodurch die Blendung bewirkt werden könne, bedarf es schon unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Nachbarn die Gründe, die sie im Zusammenhang mit der Verweigerung der Zustimmung anführen, nicht anzugeben haben, nicht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. Oktober 1981, Zl. 81/05/0007, sowie vom 29. September 1992, Zlen. 89/05/0030, 00031).
Da die belangte Behörde sohin das Erfordernis der Zustimmung des Nachbarn nicht beachtet hat, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, so daß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden mußte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995050046.X00Im RIS seit
03.05.2001