TE Vwgh Beschluss 1995/6/20 95/05/0085

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.06.1995
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/05/0086

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über 1. die Anträge des F in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie 2. die Beschwerde des Genannten gegen den Bescheid der Oö Landesregierung vom 21. Juli 1994, Zl. BauR 011259/1 - 1994 Pe/Vi, zur rechtzeitigen Abgabe der Erklärung über den Eintritt in das Verfahren als Rechtsnachfolger des verstorbenen Vaters sowie gegen die Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, den Beschluß gefaßt:

Spruch

1. Gemäß § 46 VwGG wird den Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand NICHT STATTGEGEBEN.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur rechtzeitigen Abgabe der Erklärung über den Eintritt in das Verfahren als Rechtsnachfolger des verstorbenen Vaters sowie gegen die Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid der Oö Landesregierung vom 21. Juli 1994, Zl. BauR 011259/1 - 1994 Pe/Vi, wird wie folgt begründet:

Der Bescheid der Oö Landesregierung vom 21. Juli 1994 sei dem Vertreter des verstorbenen Vaters des Antragstellers am 26. Juli 1994 zugestellt worden. Am 6. August 1994 sei sein Vater gestorben. Wenige Tage nach dem Tod seines Vaters habe der Antragsteller die Kanzlei des Vertreters seines Vaters telefonisch von dem Ableben des Vaters verständigt und dabei erklärt, daß die Verlassenschaft nach seinem Vater bzw. er selbst als Erbe des betroffenen Grundstückes in das Verfahren eintrete, das Verfahren insbesondere durch Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde fortgesetzt werden soll und der Vertreter seines Vaters in diesem Sinne beauftragt und bevollmächtigt würde. Diese telefonische Mitteilung sei von der Kanzleileiterin entgegengenommen worden. Diese habe die Mitteilung sowie die Aufträge jedoch nur mündlich an den Beschwerdevertreter weitergeleitet. Ein schriftlicher Aktenvermerk sei nicht verfaßt worden, der im EDV-System angelegte Akt sei nicht entsprechend geändert worden. Bei Abfassung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wenige Tage vor Ablauf der Frist, also einige Wochen nach dem Telefonat des Antragstellers mit der Kanzleileiterin des Beschwerdevertreters, seien diese Mitteilung und diese Aufträge dem Beschwerdevertreter nicht mehr im Gedächtnis gewesen. Aus diesem Grund sei zwar die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde rechtzeitig, aber irrtümlich im Namen des verstorbenen Vaters eingebracht worden. Die Verlassenschaft nach dem verstorbenen Vater des Antragstellers bzw. der Antragsteller als Rechtsnachfolger des Verstorbenen sei demnach durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis ohne jedes eigene Verschulden daran gehindert gewesen, rechtzeitig den Eintritt in das Verfahren anstelle des verstorbenen Vaters bekanntzugeben und rechtzeitig die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid der Oö Landesregierung vom 21. Juli 1994 einzubringen. Von diesem Versäumnis habe er erst durch die Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Jänner 1995, Zl. 94/05/0248, am 3. März 1995 an seinen Beschwerdevertreter erfahren.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorgesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Vergehens handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zu § 46 Abs. 1 VwGG ausgesprochen, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem als Verschulden anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber den Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muß den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Insbesondere muß der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozeßhandlungen sichergestellt wird. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen u. a. dafür vorzusorgen sein, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Unbeachtlich ist es, wenn dem Rechtsanwalt nur ein minderer Grad des Versehens vorgeworfen werden kann. Der - aus der Zivilprozeßordnung in der Fassung der Zivilverfahrensnovelle 1983 übernommene - Begriff des minderen Grades des Versehens wird im Bereich der Zivilprozeßordnung, z. B. von Fasching im Lehrbuch des österreichischen Zivilprozesses, Rz. 580, als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber oder sein Vertreter dürfe also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer acht gelassen haben. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von Rechtsanwälten seien diesen zuzurechnen und ermöglichten jedenfalls dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz der Einhaltung der berufsgebotenen Sorgfaltspflicht des Anwaltes bei der Kontrolle der Termin- und Fristenevidenz und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen und eine durch die konkreten Umstände des Einzelfalles bedingte entschuldbare Fehlleistung gewesen seien (vgl. den hg. Beschluß vom 24. September 1986, Zlen. 86/11/0132, 0133, und die in diesem zitierte Vorjudikatur).

Ungeachtet der Frage, ob der Antragsteller im Zeitpunkt der Erteilung der angeführten Aufträge an die Kanzleileiterin des Beschwerdevertreters überhaupt berechtigt war, für die Verlassenschaft zu handeln (mittlerweile ist der Antragsteller durch Beschluß des Bezirksgerichtes L vom 21. November 1994 Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundstückes geworden), liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages schon aus folgenden Gründen nicht vor:

Handlungen des Vertreters sind dem Vertretenen zuzurechnen. Wenn die Kanzleileiterin des Beschwerdevertreters diesen die erteilten Aufträge des Antragstellers mündlich mitgeteilt hat und der Vertreter seinerseits nicht seiner Kanzleileiterin den Auftrag erteilte, diese entsprechend schriftlich im Akt oder im EDV-System festzuhalten, so kann dieses Verhalten des Vertreters keinesfalls als ein minderer Grad des Versehens gemäß § 46 Abs. 1 VwGG qualifiziert werden. Daher war bereits aus diesem Grund dem Wiedereinsetzungsantrag in bezug auf die beim Verwaltungsgerichtshof zur rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde versäumte Frist keine Folge zu geben.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Abgabe der Erklärung des Antragstellers über seinen Eintritt in das Verfahren als Rechtsnachfolger seines verstorbenen Vaters war schon deshalb unzulässig, weil der Beschwerdeführer in das im Namen des Verstorbenen eingeleitete Beschwerdeverfahren nicht eintreten konnte und daher vom Beschwerdeführer in dieser Hinsicht keine Beschwerdefrist im Sinne des § 46 VwGG versäumt werden konnte.

Im Hinblick auf die Nichtstattgebung des Wiedereinsetzungsantrages war die gleichzeitig erhobene Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid der Oö Landesregierung vom 21. Juli 1994 gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Verspätung zurückzuweisen.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Tod des Beschwerdeführers

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995050085.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten