Entscheidungsdatum
15.07.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L510 2278141-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2023, Zl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.01.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. am römisch 40 , StA. Türkei, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2023, Zl: römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.01.2024 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang
1. Die beschwerdeführende Partei („bP“) ist Staatsangehöriger der Republik Türkei und stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 19.08.2022 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Zuge ihrer Erstbefragung am selben Tag gab die bP zum Fluchtgrund an, dass ihr Onkel Kämpfer bei der PKK gewesen sei. Nachdem er den Kampf aufgegeben habe, sei er zu ihnen gekommen und ca. ein Jahr bei ihnen geblieben. Danach habe er sich freiwillig gestellt und sei seitdem im Gefängnis. Weil sie ihn ein Jahr lang bei ihnen unterkommen lassen hätten, habe man das nicht gutgeheißen und sie seien aus diesem Grund oft beleidigt und gedemütigt worden. Es sei immer weitergegangen, obwohl ihr Onkel bereits in Haft gewesen sei. Der Staat habe ihnen immer wieder vorgehalten, dass sie ihn aufgenommen hätten. Es habe dann auch weitere Folgen für sie gegeben, so hätten sie keine anständige Arbeit mehr gefunden. Sogar als Abwäscher habe die bP den niedrigsten Lohn bekommen und seien diese Diskriminierungen immer weiter fortgesetzt worden. Im Falle einer Rückkehr in ihre Heimat habe sie Angst vor dem Staat.
2. Bei der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl („BFA“) am 04.07.2023 gab die bP zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen folgendes an:
„…
LA Aus welchem Grund haben Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen und in Österreich einen Asylantrag gestellt?
VP Ich wurde von den türkischen Behörden mein Leben lang schon schlecht behandelt. Sowohl in der Schule als auch bei der Arbeitssuche. Meine beiden Onkel sind mittlerweile in Haft. Deshalb flüchtete ich.
LA Was meinen Sie konkret damit, dass Sie von den türkischen Behörden schlecht behandelt worden sind?
VP Sie erniedrigten uns, indem sie uns immer wieder aus unerklärlichen Gründen auf Polizeidienststellen bestellten und uns einvernahmen.
LA Was wurden Sie dort gefragt? Was wurde als Grund angegeben?
VP Sie stürmten unser Haus mitten in der Nacht, nahmen uns mit und fragten uns warum wir unseren Onkel nicht sofort selbst gemeldet haben und warum wir ihn bei uns zuhause aufnahmen.
LA Jetzt haben Sie vorhin gesagt, dass Sie auf Polizeidienststellen bestellt worden sind. Nun sagen Sie, dass die Polizei Ihr Haus mitten in der Nacht gestürmt hat. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Was stimmt denn nun?
VP Zweiteres entspricht der Wahrheit. Sie stürmten unser Haus.
LA Wann war denn dieser Vorfall?
VP Es war im Jahr 2015.
LA Gab es dann bis zu Ihrer Ausreise noch einen vergleichbaren Vorfall?
VP Nein.
LA Warum sind Ihre Onkel in Haft?
VP Der eine, weil er sich der Pkk angeschlossen hatte. Der andere ist sein Bruder und wurde auch beschuldigt, sich terroristisch zu betätigen, was jedoch nicht stimmt. Meinen Vater haben sie auch versucht zu erwischen, jedoch verlagerte er seinen Wohnsitz in ein Dorf.
LA Warum haben Sie von diesem Vorfall als mitten in der Nacht Ihr Haus gestürmt worden ist, in der Erstbefragung nichts erwähnt?
VP Ich habe davon erzählt.
LA Wollen Sie noch weitere Gründe geltend machen?
VP Allgemein ist die Lage der Kurden in der Türkei sehr schlecht. Psychisch ging es mir aufgrund der geschilderten Umstände sehr schlecht.
LA Wieso können Ihre Angehörigen in Ihrem Herkunftsstaat leben und Sie nicht?
VP Meine Familie ist von der Stadt in ein Dorf geflüchtet.
LA Haben Sie auch in diesem Dorf gelebt?
VP Ja.
LA Warum sind Sie nicht dort geblieben?
VP Wir lebten in dem Dorf sehr gut und ohne polizeilichen Einfluss. Mein Vater und ich haben beschlossen, dass es nach der Festnahme meines zweiten Onkels das Beste für mich wäre, zu flüchten.
LA Was befürchten Sie im Fall einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat?
VP Ich weiß nicht was mit mir geschehen würde, jedoch denke ich, dass ich inhaftiert werden
würde.
LA Aus welchem Grund sollten Sie inhaftiert werden?
VP Wegen meiner Onkel ließen sie unserer Familie sowieso nie in Ruhe. Deshalb gehe ich davon aus, dass sie mich einsperren würden.
…“
3. Mit Bescheid vom 04.07.2023, Zl: XXXX , wies das BFA den Antrag gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). 3. Mit Bescheid vom 04.07.2023, Zl: römisch 40 , wies das BFA den Antrag gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) und gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei (Spruchpunkt römisch II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen die bP gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt römisch VI.).
Das BFA gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ein relevantes, die öffentlichen Interessen übersteigendes, Privat- und Familienleben würde ebenso wenig vorliegen.
4. Gegen den genannten Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
5. Am 19.01.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP und ihrer Rechtsvertreterin eine mündliche Verhandlung durch. Das BFA blieb entschuldigt fern.
Mit der Ladung wurde der beschwerdeführenden Partei das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Türkei übermittelt, welche das BVwG in die Entscheidung miteinbezieht. Eine schriftliche Stellungnahmefrist bis zum Verhandlungstermin oder eine Stellungnahmemöglichkeit in der Verhandlung wurden dazu eingeräumt. Eine schriftliche Stellungnahme wurde nicht abgegeben und auch in der mündlichen Verhandlung wurde den Länderinformationen nicht entgegengetreten.
10. Am 29.05.2024 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschäftigungsbewilligung für die bP, für die berufliche Tätigkeit als Küchengehilfe, ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Die bP ist Staatsangehöriger der Türkei, führt den im Spruch genannten Namen und das dort angeführte Geburtsdatum. Sie gehört der Volksgruppe der Kurden sowie der muslimischen Glaubensgemeinschaft an. Ihre Identität steht fest.
Die bP stammt aus dem Dorf XXXX , Landkreis XXXX , in der Provinz Sanliurfa, wo sie aufwuchs und acht Jahre lang die Schule besuchte. Anschließend arbeitete die bP mehrere Jahre als Küchenhilfe, wobei sie hierfür in die Stadt XXXX pendelte und war zudem auch in der Landwirtschaft sowie als Textilarbeiter tätig. Die bP war bis zur Ausreise aus der Türkei in der Lage, im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Die bP beherrscht die türkische sowie die kurdische (Kurmanji/Bhedini) Sprache.Die bP stammt aus dem Dorf römisch 40 , Landkreis römisch 40 , in der Provinz Sanliurfa, wo sie aufwuchs und acht Jahre lang die Schule besuchte. Anschließend arbeitete die bP mehrere Jahre als Küchenhilfe, wobei sie hierfür in die Stadt römisch 40 pendelte und war zudem auch in der Landwirtschaft sowie als Textilarbeiter tätig. Die bP war bis zur Ausreise aus der Türkei in der Lage, im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Die bP beherrscht die türkische sowie die kurdische (Kurmanji/Bhedini) Sprache.
Die beschwerdeführende Partei verfügt im Herkunftsstaat über ein familiäres bzw. verwandtschaftliches Netz. Ihre Eltern, zwei Brüder und zwei Schwestern leben nach wie vor in der Türkei, in der Heimatregion der bP. Darüber hinaus verfügt die bP in der Türkei auch noch über mehrere Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen. Der Vater der bP verfügt über eine Landwirtschaft in der Türkei. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich dieser aktuell in Haft befindet. Die Mutter der bP ist Hausfrau. Ein Bruder der bP arbeitet als Lehrling in einem Friseursalon, die anderen Geschwister der bP besuchen noch die Schule. Die bP steht mit ihrer Familie in regelmäßigen Kontakt.
Die bP verließ Anfang August 2022 die Türkei und reiste auf dem Landweg illegal unter Umgehung der Grenzkontrollen am 19.08.2022 rechtswidrig in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und sich seither ununterbrochen aufhält. Einen anderen Aufenthaltstitel hat die bP nicht.
Aktuell liegen keine relevanten behandlungsbedürftigen Krankheiten vor. Die bP ist gesund und arbeitsfähig.
Die beschwerdeführende Partei besuchte in Österreich bisher keine Deutsch- oder Integrationskurse und legte auch noch keine Deutschprüfungen ab. Sie hat geringe Kenntnisse der deutschen Sprache erworben, die es ihr erlauben, sich auf sehr einfachem Niveau in Deutsch zu verständigen. Die bP absolvierte im Bundesgebiet keine sonstigen Ausbildungen.
Die bP bezog nach ihrer Einreise in Österreich lediglich wenige Wochen Leistungen aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde in Österreich, seither scheint keine Meldung über einen aufrechten Leistungsbezug mehr auf. Die bP verfügt über eine Beschäftigungsbewilligung und arbeitete von 01.11.2023 bis 15.03.2024 sowie seit 14.06.2024 im Ausmaß von 30 Stunden pro Woche als Küchengehilfe, wofür sie ein monatliches Entgelt von ca. 1.350,- Euro brutto erhält.
Die bP verfügt in Österreich über mehrere familiären Kontakte, so leben drei Onkel und eine Tante hier. Von September 2022 bis Dezember 2023 lebte die bP bei einem ihrer Onkel, seither besteht kein gemeinsamer Wohnsitz mehr. Zwischen der bP und ihren in Österreich aufhältigen Verwandten besteht kein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis. Die bP hat in Österreich keinen maßgeblichen Freundeskreis erschlossen und pflegt auch keine anderweitigen Nahebeziehungen. Mitgliedschaften in Vereinen wurden keine vorgebracht und auch keine ehrenamtlichen Tätigkeiten der bP.
Seit ca. Jänner 2023 führt die bP eine Beziehung mit der österreichischen Staatsangehörigen XXXX geb. XXXX . Zwischen der bP und ihrer Freundin besteht kein gemeinsamer Wohnsitz. Die bP wohnt in XXXX , ihre Freundin im ca. 45 Autofahrtminuten entfernten XXXX . Die beiden sind nicht verlobt, haben keine konkreten Pläne zu heiraten und die Freundin des Beschwerdeführers ist auch nicht schwanger. Ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis besteht ebenfalls nicht. Sie sehen sich zwei Mal in der Woche und gehen spazieren. Eine ausgeprägte emotionale Nähe zwischen den beiden trat im Verfahren nicht zutage.Seit ca. Jänner 2023 führt die bP eine Beziehung mit der österreichischen Staatsangehörigen römisch 40 geb. römisch 40 . Zwischen der bP und ihrer Freundin besteht kein gemeinsamer Wohnsitz. Die bP wohnt in römisch 40 , ihre Freundin im ca. 45 Autofahrtminuten entfernten römisch 40 . Die beiden sind nicht verlobt, haben keine konkreten Pläne zu heiraten und die Freundin des Beschwerdeführers ist auch nicht schwanger. Ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis besteht ebenfalls nicht. Sie sehen sich zwei Mal in der Woche und gehen spazieren. Eine ausgeprägte emotionale Nähe zwischen den beiden trat im Verfahren nicht zutage.
Strafrechtliche Verurteilungen liegen in Österreich in Bezug auf die bP nicht vor; verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen sind ebenso wenig aktenkundig.
1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:
Die von der bP vorgebrachten Fluchtgründe werden den Feststellungen nicht zugrunde gelegt.
Die bP ist im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret in der Provinz Sanliurfa, nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt. Sie hat auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund ihrer Asylantragstellung im Ausland oder ihres Aufenthaltes in Europa zu rechnen.
Insbesondere ist es nicht glaubhaft bzw. kann nicht festgestellt werden, dass die bP in ihrem Herkunftsstaat (mehrfach) von der türkischen Polizei festgenommen oder ihr Haus gestürmt worden sei.
Die bP hat nicht glaubhaft dargelegt und kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass sie vor ihrer Ausreise aus ihrer Heimat in dieser einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder sie im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.
Die bP hatte vor ihrer Ausreise auch keine asylrelevanten Nachteile aufgrund ihrer kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit. Nicht festgestellt werden kann ferner, dass die bP in der Türkei aus den angeführten Gründen einer individuellen Gefährdung oder psychischen und/oder physischen Gewalt durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt war und/oder im Rückkehrfall ausgesetzt sein wird. Der bP droht auch im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ihr droht ferner keine anderweitige individuelle Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, willkürliche Gewaltausübung, exzessive Bestrafung, Folter oder Strafe.
Die Gefahr einer in der Türkei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung der bP aufgrund sonstiger Gründe liegt gegenständlich nicht vor.
Es kann schließlich auch nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Rückkehr in die Türkei aus in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort einer maßgeblichen individuellen Gefährdung oder Bedrohung ausgesetzt wäre oder dort keine hinreichende Existenzgrundlage vorfinden würde.
1.4. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:
COVID-19-Pandemie
Letzte Änderung 20.06.2023
Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/ emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/ situation-reports. Für historische Daten bis zum 10.3.2023 s. die Datenbank der Johns-Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcg is.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6.
Während der Covid-19-Pandemie wurde das staatliche Gesundheitssystem extrem belastet, konnte aber seine Aufgaben bisher weitgehend erfüllen. Es häuften sich Berichte über personelle Erschöpfung und beschränkte Behandlungsmöglichkeiten (AA 28.7.2022, S. 21). Während der Covid-19-Pandemie wurde das staatliche Gesundheitssystem extrem belastet, konnte aber seine Aufgaben bisher weitgehend erfüllen. Es häuften sich Berichte über personelle Erschöpfung und beschränkte Behandlungsmöglichkeiten (AA 28.7.2022, Sitzung 21).
Mit Stand Ende Dezember 2022 verzeichnete die Türkei offiziell rund 101.200 Menschen, die an den Folgen von COVID-19 verstarben, wobei für die letzten vier Wochen des Jahres 2022 kein einziger Todesfall verzeichnet wurde (JHU 29.12.2022). Bereits Mitte April 2022 sah die türkische Ärztekammer (TTB) die Zahl der COVID-19-Toten nach zwei Jahren Pandemie, im Widerspruch zu den zu jenem Zeitpunkt offiziell vermeldeten rund 98.000 Verstorbenen (bei insgesamt circa 14,78 Millionen Fällen), bei geschätzten 274.000. Die Berechnungen der Ärztekammer erfolgten anhand der Übersterblichkeitsrate (Ahval 14.4.2022). Angesichts der erneuten Sommerwelle im Juli 2022, zurückzuführen auf das Ende fast aller Maßnahmen, erneuerte die Ärztekammer den Vorwurf falscher COVID-19-Infektionszahlen. Die tatsächliche Infektionszahl wäre mit 235.000 demnach doppelt so hoch wie die vom Gesundheitsministerium angegebene (Ahval 16.7.2022).
Beginnend mit 1.6.2022 wurde das Tragen von Masken sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen sowie im öffentlichen Verkehr aufgehoben. In Gesundheitseinrichtungen wird das Tragen von Masken aber weiterhin empfohlen. Seit 1.6.2022 wird für die Einreise aus Österreich in die Türkei kein Nachweis über eine Impfung oder Genesung bzw. kein negativer PCR-Test oder negativer Antigen-Schnelltest mehr verlangt (WKO 15.2.2023).
Politische Lage
Letzte Änderung 20.06.2023
Die politische Lage in der Türkei war in den letzten Jahren geprägt von den Folgen des Putschversuchs vom 15.7.2016 und den daraufhin ausgerufenen Ausnahmezustand, von einem „Dauerwahlkampf“ sowie vom Kampf gegen den Terrorismus. Aktuell steht die Regierung wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der hohen Anzahl von Flüchtlingen und Migranten unter Druck. Unter der Bevölkerung nimmt die Unzufriedenheit mit Präsident Erdo?an und der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) zu, insbesondere als Folge der Teuerung und des damit verbundenen Kaufkraftverlustes und der einhergehenden, zunehmenden Verarmung von Teilen der Bevölkerung. Die Opposition versucht, die Regierung in der Migrationsfrage mit scharfen Tönen in Bedrängnis zu bringen, und fördert eine migrantenfeindliche Stimmung. Die einst gegenüber Flüchtlingen mehrheitlich freundlich eingestellte Bevölkerung ist mittlerweile nicht mehr bereit, weitere Menschen aufzunehmen (ÖB 30.11.2022, S. 4). Die Gesellschaft bleibt stark polarisiert (WZ 7.5.2023; vgl. ÖB 30.11.2022, S. 4, EC 12.10.2022, S.11) zwischen den Anhängern der AKP und denjenigen, die für ein demokratischeres und sozial gerechteres Regierungssystem eintreten (BS 23.2.2022, S. 43). Das hat u. a. mit der Politik zu tun, die sich auf sogenannte Identitäten festlegt. Nationalistische Politiker, beispielsweise, propagierten ein „stolzes Türkentum“, islamischen Wertvorstellungen wurde zusehends mehr Gewicht verliehen, Kurden, deren Kultur und Sprache Jahrzehnte lang unterdrückt wurden, kämpften um ihr Dasein (WZ 7.5.2023).Die politische Lage in der Türkei war in den letzten Jahren geprägt von den Folgen des Putschversuchs vom 15.7.2016 und den daraufhin ausgerufenen Ausnahmezustand, von einem „Dauerwahlkampf“ sowie vom Kampf gegen den Terrorismus. Aktuell steht die Regierung wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der hohen Anzahl von Flüchtlingen und Migranten unter Druck. Unter der Bevölkerung nimmt die Unzufriedenheit mit Präsident Erdo?an und der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) zu, insbesondere als Folge der Teuerung und des damit verbundenen Kaufkraftverlustes und der einhergehenden, zunehmenden Verarmung von Teilen der Bevölkerung. Die Opposition versucht, die Regierung in der Migrationsfrage mit scharfen Tönen in Bedrängnis zu bringen, und fördert eine migrantenfeindliche Stimmung. Die einst gegenüber Flüchtlingen mehrheitlich freundlich eingestellte Bevölkerung ist mittlerweile nicht mehr bereit, weitere Menschen aufzunehmen (ÖB 30.11.2022, Sitzung 4). Die Gesellschaft bleibt stark polarisiert (WZ 7.5.2023; vergleiche ÖB 30.11.2022, Sitzung 4, EC 12.10.2022, S.11) zwischen den Anhängern der AKP und denjenigen, die für ein demokratischeres und sozial gerechteres Regierungssystem eintreten (BS 23.2.2022, Sitzung 43). Das hat u. a. mit der Politik zu tun, die sich auf sogenannte Identitäten festlegt. Nationalistische Politiker, beispielsweise, propagierten ein „stolzes Türkentum“, islamischen Wertvorstellungen wurde zusehends mehr Gewicht verliehen, Kurden, deren Kultur und Sprache Jahrzehnte lang unterdrückt wurden, kämpften um ihr Dasein (WZ 7.5.2023).
Präsident Recep Tayyip Erdo?an und seine Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), die die Türkei seit 2002 regieren, sind in den letzten Jahren zunehmend autoritär geworden und haben ihre Macht durch Verfassungsänderungen und die Inhaftierung von Gegnern und Kritikern gefestigt. Eine sich verschärfende Wirtschaftskrise und die Wahlen im Jahr 2023 haben der Regierung neue Anreize gegeben, abweichende Meinungen zu unterdrücken und den öffentlichen Diskurs einzuschränken. Freedom House fügt die Türkei mittlerweile in die Kategorie „nicht frei“ ein (FH 10.3.2023). Das Funktionieren der demokratischen Institutionen ist weiterhin stark beeinträchtigt. Der Demokratieabbau hat sich fortgesetzt (EC 12.10.2022, S. 3, 11; vgl. WZ 7.5.2023).Präsident Recep Tayyip Erdo?an und seine Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), die die Türkei seit 2002 regieren, sind in den letzten Jahren zunehmend autoritär geworden und haben ihre Macht durch Verfassungsänderungen und die Inhaftierung von Gegnern und Kritikern gefestigt. Eine sich verschärfende Wirtschaftskrise und die Wahlen im Jahr 2023 haben der Regierung neue Anreize gegeben, abweichende Meinungen zu unterdrücken und den öffentlichen Diskurs einzuschränken. Freedom House fügt die Türkei mittlerweile in die Kategorie „nicht frei“ ein (FH 10.3.2023). Das Funktionieren der demokratischen Institutionen ist weiterhin stark beeinträchtigt. Der Demokratieabbau hat sich fortgesetzt (EC 12.10.2022, Sitzung 3, 11; vergleiche WZ 7.5.2023).
Die Türkei wird heute als „kompetitives autoritäres“ Regime eingestuft (MEI 10.2022, S. 6; vgl. DE 31.12.2023, Günay 2016, Esen/Gumuscu 19.2.2016), in den zwar regelmäßigen Wahlen abgehalten werden, der Wettbewerb zwischen den politischen Parteien aber nicht frei und fair ist. Solche Regime, zu denen die Türkei gezählt wird, weisen vordergründig demokratische Elemente auf: Oppositionsparteien gewinnen gelegentlich Wahlen oder stehen kurz davor; es herrscht ein harter politischer Wettbewerb; die Presse kann verschiedene Meinungen und Erklärungen von Oppositionsparteien veröffentlichen; und die Bürger können Proteste organisieren. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich jedoch ehedem Risse in der demokratischen Fassade: Regierungsgegner werden mit legalen oder illegalen Mitteln unterdrückt, unabhängige Justizorgane werden von regierungsnahen Beamten kontrolliert und die Presse- und Meinungsfreiheit gerät unter Druck. Wenn diese Maßnahmen nicht zu einem für die Regierungspartei zufriedenstellenden Ergebnis führen, müssen Oppositionsmitglieder mit gezielter Gewalt oder Inhaftierung rechnen - eine Realität, die für die türkische Opposition immer häufiger anzutreffen ist (MEI 10.2022, S. 6; vgl. Esen/Gumuscu 19.2.2016).Die Türkei wird heute als „kompetitives autoritäres“ Regime eingestuft (MEI 10.2022, Sitzung 6; vergleiche DE 31.12.2023, Günay 2016, Esen/Gumuscu 19.2.2016), in den zwar regelmäßigen Wahlen abgehalten werden, der Wettbewerb zwischen den politischen Parteien aber nicht frei und fair ist. Solche Regime, zu denen die Türkei gezählt wird, weisen vordergründig demokratische Elemente auf: Oppositionsparteien gewinnen gelegentlich Wahlen oder stehen kurz davor; es herrs