Entscheidungsdatum
17.07.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L510 2273734-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2023, Zl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.01.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. am römisch 40 , StA. Türkei, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2023, Zl: römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.01.2024 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang
1. Die beschwerdeführende Partei („bP“) ist Staatsangehöriger der Republik Türkei und stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 25.05.2022 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Zuge ihrer Erstbefragung am nächsten Tag gab die bP zum Fluchtgrund an, dass sich ihre Schwester zwei Wochen lang der PKK angeschlossen habe, danach sei sie von den türkischen Sicherheitskräften festgenommen und zu einer Freiheitsstrafe von ca. 6 Jahren und einigen Monaten verurteilt worden. Zur Zeit befinde sie sich in XXXX in Haft. Die Gerichtsunterlagen von ihrer Schwester werde sie sich nachschicken lassen und der Behörde vorlegen. Es gebe ein Foto, auf dem sei sie und ihre Schwester mit Kampfanzügen der PKK zu sehen. Seit ca. einem Jahr lebe sie versteckt und besuche sehr selten ihre Eltern. Sie wisse nicht, ob ein offizieller Festnahmeauftrag gegen sie erlassen worden sei, sie wisse nur, dass die Polizei zweimal bei ihr zuhause gewesen sei und nach ihr gefragt habe. Sie sei geflüchtet, weil sie genau wisse, dass auch gegen sie ein Verfahren eröffnet und sie verurteilt werde. Das seien alle ihre Fluchtgründe.Im Zuge ihrer Erstbefragung am nächsten Tag gab die bP zum Fluchtgrund an, dass sich ihre Schwester zwei Wochen lang der PKK angeschlossen habe, danach sei sie von den türkischen Sicherheitskräften festgenommen und zu einer Freiheitsstrafe von ca. 6 Jahren und einigen Monaten verurteilt worden. Zur Zeit befinde sie sich in römisch 40 in Haft. Die Gerichtsunterlagen von ihrer Schwester werde sie sich nachschicken lassen und der Behörde vorlegen. Es gebe ein Foto, auf dem sei sie und ihre Schwester mit Kampfanzügen der PKK zu sehen. Seit ca. einem Jahr lebe sie versteckt und besuche sehr selten ihre Eltern. Sie wisse nicht, ob ein offizieller Festnahmeauftrag gegen sie erlassen worden sei, sie wisse nur, dass die Polizei zweimal bei ihr zuhause gewesen sei und nach ihr gefragt habe. Sie sei geflüchtet, weil sie genau wisse, dass auch gegen sie ein Verfahren eröffnet und sie verurteilt werde. Das seien alle ihre Fluchtgründe.
2. Bei der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl („BFA“) am 13.04.2023 gab die bP zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen zusammengefasst an, dass es einen Festnahmeauftrag gegen sie gebe. Dieser sei gegen sie ausgesprochen worden, weil sie 2015 bei einem PKK Stützpunkt ein Foto mit ihrer Schwester, die Angehörige der terroristischen Gruppierung PKK gewesen sei, gemacht habe und dieses Foto durch die Regierung bei einer Durchsuchung des Stützpunktes irgendwann zwischen 2018 und 2020 entdeckt worden sei. Auf diesem Foto hätten sie beide eine Waffe gehalten und ein PKK Outfit getragen. Ihre Schwester sei bereits in Haft. Nachdem sie erfahren habe, dass die türkische Regierung dieses Foto gefunden habe, habe sie noch ungefähr ein bis zwei Jahre in der Türkei gelebt. In dieser Zeit sie die Polizei immer wieder zu ihrem Elternhaus gekommen, sie sei jedoch in den Bergen als Hirte unterwegs gewesen, weshalb sie sie nicht gefunden hätten. Der Festnahmeauftrag sei dann nach ihrer Flucht zu ihrem Elternhaus gesendet worden und ihr Vater habe ihr diesen drei bis vier Monate nach ihrer Ankunft in Österreich per Post geschickt.
3. Mit Bescheid vom 08.05.2023, Zl: XXXX , wies das BFA den Antrag gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). 3. Mit Bescheid vom 08.05.2023, Zl: römisch 40 , wies das BFA den Antrag gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) und gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei (Spruchpunkt römisch II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen die bP gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt römisch VI.).
Das BFA gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ein relevantes, die öffentlichen Interessen übersteigendes, Privat- und Familienleben würde ebenso wenig vorliegen.
4. Gegen den genannten Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
5. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 27.09.2023 wurde die gegenständliche Rechtssache neu zugewiesen.
6. Am 12.01.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP und ihrer Rechtsvertretung eine mündliche Verhandlung durch. Das BFA blieb entschuldigt fern.
Mit der Ladung wurde der beschwerdeführenden Partei das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Türkei übermittelt, welche das BVwG in die Entscheidung miteinbezieht. Eine schriftliche Stellungnahmefrist bis zum Verhandlungstermin oder eine Stellungnahmemöglichkeit in der Verhandlung wurden dazu eingeräumt. Zudem wurde die bP in der mündlichen Verhandlung aufgefordert, binnen vier Wochen Unterlagen aus dem e-Devlet vorzulegen, woraus sich die Echtheit des Festnahmeauftrages ergibt, sowie das gegen die bP erlassene Urteil, ansonsten das BVwG davon ausgehe, dass ihre Fluchtgründe in dieser Angelegenheit schon dem Grunde nach nicht der Richtigkeit entsprechen.
7. Mit Schreiben vom 09.02.2024 brachte die bP eine Stellungnahme in Vorlage. Darin wurde bekannt gegeben, dass es zwar Bemühungen der bP gegeben habe, die in geforderten Dokumente zu erlangen, jedoch seien diese ohne Erfolg geblieben. Eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen erfolgte nicht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Die bP ist Staatsangehöriger der Türkei, führt den im Spruch genannten Namen und das dort angeführte Geburtsdatum. Sie gehört der Volksgruppe der Kurden sowie der muslimischen Glaubensgemeinschaft an. Ihre Identität steht fest.
Die bP stammt aus XXXX in der Provinz Mus, wo sie auch aufwuchs und nahezu ihre gesamte Lebenszeit in der Türkei bis zur Ausreise zubrachte. Die bP besuchte neun Jahre lang die Schule und arbeitete anschließend in der Türkei als Hirte auf der familieneigenen Landwirtschaft. Von 2016 bis 2017 lebte die bP in der Stadt XXXX , dort wohnte sie bei ihrem Onkel und arbeitete ein Jahr lang in einem Kaffeehaus. Die bP war bis zur Ausreise aus der Türkei in der Lage, im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Sie beherrscht die türkische sowie die kurdische (Kurmanji/Bhedini) Sprache und ist weiters ledig sowie kinderlos.Die bP stammt aus römisch 40 in der Provinz Mus, wo sie auch aufwuchs und nahezu ihre gesamte Lebenszeit in der Türkei bis zur Ausreise zubrachte. Die bP besuchte neun Jahre lang die Schule und arbeitete anschließend in der Türkei als Hirte auf der familieneigenen Landwirtschaft. Von 2016 bis 2017 lebte die bP in der Stadt römisch 40 , dort wohnte sie bei ihrem Onkel und arbeitete ein Jahr lang in einem Kaffeehaus. Die bP war bis zur Ausreise aus der Türkei in der Lage, im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Sie beherrscht die türkische sowie die kurdische (Kurmanji/Bhedini) Sprache und ist weiters ledig sowie kinderlos.
Die beschwerdeführende Partei verfügt im Herkunftsstaat über ein familiäres bzw. verwandtschaftliches Netz. Ihre Eltern, zwei Brüder und eine Schwester leben nach wie vor in der Türkei. Ihre Eltern sowie ein Bruder leben in der Herkunftsprovinz der bP. Der andere Bruder lebt in XXXX und arbeitet im Textilbereich. Ihr Vater und ihr Bruder sind Hirten und arbeiten auf der familieneigenen Landwirtschaft, welche 40 bis 50 Schafe umfasst. Die Schwester der bP befindet sich aktuell in Haft. Die bP steht zumindest mit ihrem Vater in regelmäßigen Kontakt.Die beschwerdeführende Partei verfügt im Herkunftsstaat über ein familiäres bzw. verwandtschaftliches Netz. Ihre Eltern, zwei Brüder und eine Schwester leben nach wie vor in der Türkei. Ihre Eltern sowie ein Bruder leben in der Herkunftsprovinz der bP. Der andere Bruder lebt in römisch 40 und arbeitet im Textilbereich. Ihr Vater und ihr Bruder sind Hirten und arbeiten auf der familieneigenen Landwirtschaft, welche 40 bis 50 Schafe umfasst. Die Schwester der bP befindet sich aktuell in Haft. Die bP steht zumindest mit ihrem Vater in regelmäßigen Kontakt.
Die bP verließ Mitte Mai 2022 die Türkei und reiste auf dem Landweg illegal unter Umgehung der Grenzkontrollen am 25.05.2022 rechtswidrig in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und sich seither ununterbrochen aufhält. Einen anderen Aufenthaltstitel hat die bP nicht.
Aktuell liegen keine relevanten behandlungsbedürftigen Krankheiten vor. Die bP ist gesund und arbeitsfähig.
Die beschwerdeführende Partei besuchte in Österreich bisher keine Deutsch- oder Integrationskurse und legte auch noch keine Deutschprüfungen ab. Sie hat lediglich sehr geringe Kenntnisse der deutschen Sprache erworben, weshalb sie sich kaum auf Deutsch verständigen kann. Die bP absolvierte im Bundesgebiet keine sonstigen Ausbildungen.
Die bP bezog nach ihrer Einreise in Österreich bis Anfang November 2022 Leistungen aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde in Österreich, seither scheint keine Meldung über einen aufrechten Leistungsbezug mehr auf. Die bP verfügt über eine Beschäftigungsbewilligung und arbeitete von 25.10.2022 bis 02.10.2023 sowie seit 20.10.2023 im Ausmaß von 40 Stunden pro Woche als Küchenhilfe, wofür sie ein monatliches Entgelt von ca. 1.850,- Euro netto erhält.
Die bP verfügt in Österreich über mehrere familiären Kontakte, so leben fünf Onkel, eine Tante sowie mehrere Cousins und Cousine hier. Von 17.06.2022 bis 18.11.2022, 18.11.2022 bis 05.06.2023 und 05.06.2023 bis 27.12.2023 lebte die bP jeweils bei verschiedenen Verwandten. Seit 27.12.2023 lebt die bP in einer Wohngemeinschaft mit einem Onkel, welcher ebenfalls Asylwerber ist und einem Cousin. Zwischen der bP und ihren in Österreich aufhältigen Verwandten besteht kein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis, ebenso wenig wie ein besonderes emotionales Naheverhältnis. Die bP unterhält abgesehen von den familiären Anknüpfungspunkten in Österreich keine maßgeblichen Kontakte bzw. Beziehungen, sie hat keinen maßgeblichen Freundeskreis erschlossen und pflegt auch keine anderweitigen Nahebeziehungen. In ihrer Freizeit trifft sich die bP mit ihren Cousins und besucht mit diesen ein Kaffeehaus oder geht spazieren. Zudem bereist die bP verschiedene Städte in Österreich, um das Land kennenzulernen. Mitgliedschaften in Vereinen wurden keine vorgebracht und auch keine ehrenamtlichen Tätigkeiten der bP.
Strafrechtliche Verurteilungen liegen in Österreich in Bezug auf die bP nicht vor; verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen sind ebenso wenig aktenkundig.
1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:
Die von der bP vorgebrachten Fluchtgründe werden den Feststellungen nicht zugrunde gelegt.
Die bP ist im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret in der Provinz Mus, nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt. Sie hat auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund ihrer Asylantragstellung im Ausland oder ihres Aufenthaltes in Europa zu rechnen.
Insbesondere ist es nicht glaubhaft bzw. kann nicht festgestellt werden, dass gegen die bP in ihrem Herkunftsstaat ein Festnahmeauftrag erlassen wurde bzw. sie von der türkischen Polizei gesucht wird.
Die bP hat nicht glaubhaft dargelegt und kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass sie vor ihrer Ausreise aus ihrer Heimat in dieser einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder sie im Falle ihrer Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.
Die bP hatte vor ihrer Ausreise auch keine asylrelevanten Nachteile aufgrund ihrer kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit. Nicht festgestellt werden kann ferner, dass die bP in der Türkei aus den angeführten Gründen einer individuellen Gefährdung oder psychischen und/oder physischen Gewalt durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt war und/oder im Rückkehrfall ausgesetzt sein wird. Der bP droht auch im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ihr droht ferner keine anderweitige individuelle Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, willkürliche Gewaltausübung, exzessive Bestrafung, Folter oder Strafe.
Die Gefahr einer in der Türkei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung der bP aufgrund sonstiger Gründe liegt gegenständlich nicht vor.
Es kann schließlich auch nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Rückkehr in die Türkei aus in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort einer maßgeblichen individuellen Gefährdung oder Bedrohung ausgesetzt wäre oder dort keine hinreichende Existenzgrundlage vorfinden würde.
1.4. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:
COVID-19-Pandemie
Letzte Änderung 20.06.2023
Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/ emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/ situation-reports. Für historische Daten bis zum 10.3.2023 s. die Datenbank der Johns-Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcg is.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6.
Während der Covid-19-Pandemie wurde das staatliche Gesundheitssystem extrem belastet, konnte aber seine Aufgaben bisher weitgehend erfüllen. Es häuften sich Berichte über personelle Erschöpfung und beschränkte Behandlungsmöglichkeiten (AA 28.7.2022, S. 21). Während der Covid-19-Pandemie wurde das staatliche Gesundheitssystem extrem belastet, konnte aber seine Aufgaben bisher weitgehend erfüllen. Es häuften sich Berichte über personelle Erschöpfung und beschränkte Behandlungsmöglichkeiten (AA 28.7.2022, Sitzung 21).
Mit Stand Ende Dezember 2022 verzeichnete die Türkei offiziell rund 101.200 Menschen, die an den Folgen von COVID-19 verstarben, wobei für die letzten vier Wochen des Jahres 2022 kein einziger Todesfall verzeichnet wurde (JHU 29.12.2022). Bereits Mitte April 2022 sah die türkische Ärztekammer (TTB) die Zahl der COVID-19-Toten nach zwei Jahren Pandemie, im Widerspruch zu den zu jenem Zeitpunkt offiziell vermeldeten rund 98.000 Verstorbenen (bei insgesamt circa 14,78 Millionen Fällen), bei geschätzten 274.000. Die Berechnungen der Ärztekammer erfolgten anhand der Übersterblichkeitsrate (Ahval 14.4.2022). Angesichts der erneuten Sommerwelle im Juli 2022, zurückzuführen auf das Ende fast aller Maßnahmen, erneuerte die Ärztekammer den Vorwurf falscher COVID-19-Infektionszahlen. Die tatsächliche Infektionszahl wäre mit 235.000 demnach doppelt so hoch wie die vom Gesundheitsministerium angegebene (Ahval 16.7.2022).
Beginnend mit 1.6.2022 wurde das Tragen von Masken sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen sowie im öffentlichen Verkehr aufgehoben. In Gesundheitseinrichtungen wird das Tragen von Masken aber weiterhin empfohlen. Seit 1.6.2022 wird für die Einreise aus Österreich in die Türkei kein Nachweis über eine Impfung oder Genesung bzw. kein negativer PCR-Test oder negativer Antigen-Schnelltest mehr verlangt (WKO 15.2.2023).
Politische Lage
Letzte Änderung 20.06.2023
Die politische Lage in der Türkei war in den letzten Jahren geprägt von den Folgen des Putschversuchs vom 15.7.2016 und den daraufhin ausgerufenen Ausnahmezustand, von einem „Dauerwahlkampf“ sowie vom Kampf gegen den Terrorismus. Aktuell steht die Regierung wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der hohen Anzahl von Flüchtlingen und Migranten unter Druck. Unter der Bevölkerung nimmt die Unzufriedenheit mit Präsident Erdo?an und der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) zu, insbesondere als Folge der Teuerung und des damit verbundenen Kaufkraftverlustes und der einhergehenden, zunehmenden Verarmung von Teilen der Bevölkerung. Die Opposition versucht, die Regierung in der Migrationsfrage mit scharfen Tönen in Bedrängnis zu bringen, und fördert eine migrantenfeindliche Stimmung. Die einst gegenüber Flüchtlingen mehrheitlich freundlich eingestellte Bevölkerung ist mittlerweile nicht mehr bereit, weitere Menschen aufzunehmen (ÖB 30.11.2022, S. 4). Die Gesellschaft bleibt stark polarisiert (WZ 7.5.2023; vgl. ÖB 30.11.2022, S. 4, EC 12.10.2022, S.11) zwischen den Anhängern der AKP und denjenigen, die für ein demokratischeres und sozial gerechteres Regierungssystem eintreten (BS 23.2.2022, S. 43). Das hat u. a. mit der Politik zu tun, die sich auf sogenannte Identitäten festlegt. Nationalistische Politiker, beispielsweise, propagierten ein „stolzes Türkentum“, islamischen Wertvorstellungen wurde zusehends mehr Gewicht verliehen, Kurden, deren Kultur und Sprache Jahrzehnte lang unterdrückt wurden, kämpften um ihr Dasein (WZ 7.5.2023).Die politische Lage in der Türkei war in den letzten Jahren geprägt von den Folgen des Putschversuchs vom 15.7.2016 und den daraufhin ausgerufenen Ausnahmezustand, von einem „Dauerwahlkampf“ sowie vom Kampf gegen den Terrorismus. Aktuell steht die Regierung wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der hohen Anzahl von Flüchtlingen und Migranten unter Druck. Unter der Bevölkerung nimmt die Unzufriedenheit mit Präsident Erdo?an und der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) zu, insbesondere als Folge der Teuerung und des damit verbundenen Kaufkraftverlustes und der einhergehenden, zunehmenden Verarmung von Teilen der Bevölkerung. Die Opposition versucht, die Regierung in der Migrationsfrage mit scharfen Tönen in Bedrängnis zu bringen, und fördert eine migrantenfeindliche Stimmung. Die einst gegenüber Flüchtlingen mehrheitlich freundlich eingestellte Bevölkerung ist mittlerweile nicht mehr bereit, weitere Menschen aufzunehmen (ÖB 30.11.2022, Sitzung 4). Die Gesellschaft bleibt stark polarisiert (WZ 7.5.2023; vergleiche ÖB 30.11.2022, Sitzung 4, EC 12.10.2022, S.11) zwischen den Anhängern der AKP und denjenigen, die für ein demokratischeres und sozial gerechteres Regierungssystem eintreten (BS 23.2.2022, Sitzung 43). Das hat u. a. mit der Politik zu tun, die sich auf sogenannte Identitäten festlegt. Nationalistische Politiker, beispielsweise, propagierten ein „stolzes Türkentum“, islamischen Wertvorstellungen wurde zusehends mehr Gewicht verliehen, Kurden, deren Kultur und Sprache Jahrzehnte lang unterdrückt wurden, kämpften um ihr Dasein (WZ 7.5.2023).
Präsident Recep Tayyip Erdo?an und seine Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), die die Türkei seit 2002 regieren, sind in den letzten Jahren zunehmend autoritär geworden und haben ihre Macht durch Verfassungsänderungen und die Inhaftierung von Gegnern und Kritikern gefestigt. Eine sich verschärfende Wirtschaftskrise und die Wahlen im Jahr 2023 haben der Regierung neue Anreize gegeben, abweichende Meinungen zu unterdrücken und den öffentlichen Diskurs einzuschränken. Freedom House fügt die Türkei mittlerweile in die Kategorie „nicht frei“ ein (FH 10.3.2023). Das Funktionieren der demokratischen Institutionen ist weiterhin stark beeinträchtigt. Der Demokratieabbau hat sich fortgesetzt (EC 12.10.2022, S. 3, 11; vgl. WZ 7.5.2023).Präsident Recep Tayyip Erdo?an und seine Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), die die Türkei seit 2002 regieren, sind in den letzten Jahren zunehmend autoritär geworden und haben ihre Macht durch Verfassungsänderungen und die Inhaftierung von Gegnern und Kritikern gefestigt. Eine sich verschärfende Wirtschaftskrise und die Wahlen im Jahr 2023 haben der Regierung neue Anreize gegeben, abweichende Meinungen zu unterdrücken und den öffentlichen Diskurs einzuschränken. Freedom House fügt die Türkei mittlerweile in die Kategorie „nicht frei“ ein (FH 10.3.2023). Das Funktionieren der demokratischen Institutionen ist weiterhin stark beeinträchtigt. Der Demokratieabbau hat sich fortgesetzt (EC 12.10.2022, Sitzung 3, 11; vergleiche WZ 7.5.2023).
Die Türkei wird heute als „kompetitives autoritäres“ Regime eingestuft (MEI 10.2022, S. 6; vgl. DE 31.12.2023, Günay 2016, Esen/Gumuscu 19.2.2016), in dem zwar regelmäßig Wahlen abgehalten werden, der Wettbewerb zwischen den politischen Parteien aber nicht frei und fair ist. Solche Regime, zu denen die Türkei gezählt wird, weisen vordergründig demokratische Elemente auf: Oppositionsparteien gewinnen gelegentlich Wahlen oder stehen kurz davor; es herrscht ein harter politischer Wettbewerb; die Presse kann verschiedene Meinungen und Erklärungen von Oppositionsparteien veröffentlichen; und die Bürger können Proteste organisieren. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich jedoch ehedem Risse in der demokratischen Fassade: Regierungsgegner werden mit legalen oder illegalen Mitteln unterdrückt, unabhängige Justizorgane werden von regierungsnahen Beamten kontrolliert und die Presse- und Meinungsfreiheit gerät unter Druck. Wenn diese Maßnahmen nicht zu einem für die Regierungspartei zufriedenstellenden Ergebnis führen, müssen Oppositionsmitglieder mit gezielter Gewalt oder Inhaftierung rechnen - eine Realität, die für die türkische Opposition immer häufiger anzutreffen ist (MEI 10.2022, S. 6; vgl. Esen/Gumuscu 19.2.2016).Die Türkei wird heute als „kompetitives autoritäres“ Regime eingestuft (MEI 10.2022, Sitzung 6; vergleiche DE 31.12.2023, Günay 2016, Esen/Gumuscu 19.2.2016), in dem zwar regelmäßig Wahlen abgehalten werden, der Wettbewerb zwischen den politischen Parteien aber nicht frei und fair ist. Solche Regime, zu denen die Türkei gezählt wird, weisen vordergründig demokratische Elemente auf: Oppositionsparteien gewinnen gelegentlich Wahlen oder stehen kurz davor; es herrscht ein harter politischer Wettbewerb; die Presse kann verschiedene Meinungen und Erklärungen von Oppositionsparteien veröffentlichen; und die Bürger können Proteste organisieren. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich jedoch ehedem Risse in der demokratischen Fassade: Regierungsgegner werden mit legalen oder illegalen Mitteln unterdrückt, unabhängige Justizorgane werden von regierungsnahen Beamten kontrolliert und die Presse- und Meinungsfreiheit gerät unter Druck. Wenn diese Maßnahmen nicht zu einem für die Regierungspartei zufriedenstellenden Ergebnis führen, müssen Oppositionsmitglieder mit gezielter Gewalt oder Inhaftierung rechnen - eine Realität, die für die türkische Opposition immer häufiger anzutreffen ist (MEI 10.2022, Sitzung 6; vergleiche Esen/Gumuscu 19.2.2016).
Trotz der Aufhebung des zweijährigen Ausnahmezustands im Juli 2018 wirkt sich dieser negativ auf Demokratie und Grundrechte aus. Einige gesetzliche Bestimmungen, die den Regierungsbehörden außerordentliche Befugnisse einräumen, und mehrere restriktive Elemente des Notstandsrechtes wurden beibehalten und ins Gesetz integriert (