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41/01 SicherheitsrechtNorm
B-VG Art10 Abs1 Z14Leitsatz
Verstoß der generellen sachlichen Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte zur Entscheidung über Richtlinienbeschwerden betreffend das Verhalten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gegen kompetenzrechtliche Vorgaben; Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts bei Richtlinienbeschwerden, wenn Rechtssachen in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werdenRechtssatz
Aufhebung des §89 Abs4 SicherheitspolizeiG idF BGBl I 161/2013. Fristsetzung: Inkrafttreten der Aufhebung mit Ablauf des 31.08.2025.Aufhebung des §89 Abs4 SicherheitspolizeiG in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 161 aus 2013,. Fristsetzung: Inkrafttreten der Aufhebung mit Ablauf des 31.08.2025.
Verstoß gegen Art131 Abs6 erster Satz iVm Art131 Abs2 B-VG:Verstoß gegen Art131 Abs6 erster Satz in Verbindung mit Art131 Abs2 B-VG:
In VfSlg 18.494/2008 hat der VfGH einen Antrag des damaligen Unabhängigen Verwaltungssenats Vorarlberg auf Aufhebung des §89 Abs4 und 5 SPG abgewiesen und dabei in Bezug auf die kompetenzrechtliche Beurteilung von Regelungen, die in einer RLV auf der Grundlage des §31 Abs1 SPG getroffen werden, im Wesentlichen ausgeführt, dass "nicht davon ausgegangen werden [kann], dass die Ermächtigung des §31 SPG - was etwa Richtlinien mit Bezug zu bestimmten Befugnissen oder Eingriffen in Grundrechte und sonstige subjektive öffentliche Rechte betrifft - in jeder Hinsicht auf Art10 Abs1 Z14 B-VG gestützt werden kann", weil "die Ermächtigung des §31 Abs1 SPG hinsichtlich jener Richtlinienbestimmungen, die kompetenzrechtlich nicht auf die Organisationskompetenz gestützt sind, auf Materien, die in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sind, beschränkt ist".
Bei der Richtlinienbeschwerde handelt es sich um eine Beschwerde wegen eines typenfreien Verwaltungshandelns. Als Beschwerde nach Art130 Abs2 Z1 B-VG unterfällt sie der Sonderregel des Abs6 des Art131 B-VG. Für die Entscheidung über eine Verhaltensbeschwerde ist - im Sinne einer "akzessorischen Zuständigkeit" als maßgebliches Anknüpfungskriterium gemäß Art131 Abs6 erster Satz B-VG - jenes Verwaltungsgericht zuständig, das in der jeweiligen Angelegenheit über Beschwerden gegen die bestehenden Haupttypen des Verwaltungshandelns entscheidet. Ergibt sich danach keine Zuständigkeit, dann greift die Generalklausel gemäß Art131 Abs6 zweiter Satz B-VG, die eine subsidiäre Zuständigkeit zugunsten der Landesverwaltungsgerichte vorsieht.
Die Zuständigkeit verläuft somit grundsätzlich parallel zu jener für die typengebundenen Verfahren in der betreffenden Angelegenheit. Damit sollten nach der Zielsetzung des Verfassungsgesetzgebers geteilte Zuständigkeiten in ein und derselben (kompetenzrechtlichen) Angelegenheit zwischen den Verwaltungsgerichten der Länder und des Bundes vermieden werden.
Grundsätzlich fallen in den Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung die Haupttypen des Verwaltungshandelns unter die Generalklausel des Art131 Abs1 B-VG und damit in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder, weil die Sicherheitsverwaltung weder in unmittelbarer noch in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt wird. Dieser Zuständigkeit folgt die Zuständigkeit zur Entscheidung über eine Beschwerde wegen behaupteten Fehlverhaltens eines Organs nach §5 SPG in Ausübung der Sicherheitspolizei im Bereich der Sicherheitsverwaltung schlechthin. Das Vollzugsmodell der Sicherheitsverwaltung sieht jedoch für deren Besorgung in einzelnen Rechtsmaterien auch Bundesbehörden vor, die nicht zu den Sicherheitsbehörden iSd B-VG zählen. Die Vollziehung der Angelegenheiten des BFA-VG sowie des 7., 8. und 11. Hauptstückes des FPG wurde etwa dem BFA und somit einer Bundesbehörde übertragen. Diese Agenden werden in unmittelbarer Bundesverwaltung gemäß Art131 Abs2 erster Satz B-VG besorgt.
Im Falle einer Richtlinienbeschwerde wäre bei einem "Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Ausübung der Fremdenpolizei [...] in Anwendung dieses Systems, da diese von Bundesbehörden vollzogen wird, gemäß Rückverweisung auf Art131 Abs2 B-VG das Verwaltungsgericht des Bundes zuständig" (VfSlg 19.986/2015).
Daraus folgt, dass eine in §89 Abs4 SPG ausdrücklich normierte alleinige generelle sachliche Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte zur Entscheidung über Richtlinienbeschwerden - etwa bei der Überprüfung eines etwaigen Fehlverhaltens in Ausübung der Fremdenpolizei - der allgemeinen Zuständigkeitsregelung des Art131 B-VG widerspricht, weil sie den bestehenden Sondermodellen im Bereich der Sicherheitsverwaltung nicht gerecht wird.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Polizei, Sicherheitspolizei, Verwaltungsgericht Zuständigkeit, Kompetenz Bund - Länder Polizeirecht, Bundesverwaltungsgericht, Annexmaterie, Beschwerderecht, Bundesverwaltung unmittelbare, VfGH / Gerichtsantrag, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Verwerfungsumfang, VfGH / Fristsetzung, Fremdenpolizei, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2024:G533.2023Zuletzt aktualisiert am
02.08.2024