Entscheidungsdatum
16.07.2024Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W222 2256452-1/23E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Obregon über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.01.2023 und 16.07.2024 zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Obregon über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , Staatsangehörigkeit Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.01.2023 und 16.07.2024 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis V. gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 46, 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte römisch eins. bis römisch fünf. gemäß Paragraphen 3, Absatz eins,, 8 Absatz eins,, 10 Absatz eins, Ziffer 3,, 57 AsylG 2005 idgF, Paragraph 9, BFA-VG idgF und Paragraphen 46,, 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG idgF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch VII. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG idgF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und das befristete Einreiseverbot ersatzlos behoben.Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch VIII. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und das befristete Einreiseverbot ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (in der Folge auch als BF bezeichnet), ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 30.04.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am nächsten Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.
In der Erstbefragung durch einen Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes unter Beziehung eines Dolmetschs für Punjabi gab der BF an, in XXXX / Indien geboren worden zu sein. Seine Muttersprache sei Punjabi. Er bekenne sich zum Sikhismus und gehöre der Volksgruppe der Jat an. Er habe 9 Jahre eine Grundschule besucht. In Indien würden seine Ehefrau, seine Mutter und seine Schwester sowie sein Bruder leben. Er habe vor ca. einem Monat den Entschluss zur Ausreise aus dem Herkunftsstaat gefasst und habe anlässlich seines Verlassens des Herkunftsstaates ein bestimmtes Reiseziel (Zielland) gehabt, nämlich Österreich, weil es ein gutes Land sei. Er habe sein Heimatland legal mit seinem Reisepass verlassen und sei über unbekannte Länder nach Österreich gereist.In der Erstbefragung durch einen Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes unter Beziehung eines Dolmetschs für Punjabi gab der BF an, in römisch 40 / Indien geboren worden zu sein. Seine Muttersprache sei Punjabi. Er bekenne sich zum Sikhismus und gehöre der Volksgruppe der Jat an. Er habe 9 Jahre eine Grundschule besucht. In Indien würden seine Ehefrau, seine Mutter und seine Schwester sowie sein Bruder leben. Er habe vor ca. einem Monat den Entschluss zur Ausreise aus dem Herkunftsstaat gefasst und habe anlässlich seines Verlassens des Herkunftsstaates ein bestimmtes Reiseziel (Zielland) gehabt, nämlich Österreich, weil es ein gutes Land sei. Er habe sein Heimatland legal mit seinem Reisepass verlassen und sei über unbekannte Länder nach Österreich gereist.
Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF an: „Ich hatte kein Geld. Für die Hochzeit meiner Schwester muss viel Geld ausgegeben werden. Ich hatte auch Medizinische Probleme. Ich bin wegen der Armut ausgereist. Sonst gibt es keine weiteren Fluchtgründe.“
Bei einer Rückkehr befürchte er wegen der Armut den Tod. Der Schlepper habe sämtliches Geld abgenommen.
Befragt, ob es konkrete Hinweise gebe, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe, oder er in Falle seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe, gab er an „Nein“.
Mit Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 03.07.2019 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen, dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) Für die freiwillige Ausreise bestehe keine Frist (Spruchpunkt VII.) und gemäß. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.),Mit Bescheid des BFA vom römisch 40 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 03.07.2019 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch II.) abgewiesen, dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.), gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß Paragraph 46, FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß Paragraph 18, Absatz eins, Ziffer 4, BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt römisch VI.) Für die freiwillige Ausreise bestehe keine Frist (Spruchpunkt römisch VII.) und gemäß. Paragraph 53, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 2, Ziffer 6, FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt römisch VIII.),
Am 23.06.2022 erhob der BF durch seine Rechtsvertretung fristgerecht gegenständliche Beschwerde.
Mit hg. Beschluss vom XXXX , wurde der Beschwerde gemäß § 17 BFA-VG aufschiebende Wirkung zuerkannt.Mit hg. Beschluss vom römisch 40 , wurde der Beschwerde gemäß Paragraph 17, BFA-VG aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit Schreiben vom 19.08.2022 wurde ein ärztlicher Befundbericht vom 02.08.2022 vorgelegt.
Mit Schreiben vom 19.01.2023 wurde einer Beschwerdeergänzung erstattet.
Am 24.01.2023 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, im Rahmen welcher der BF im Beisein einer Dolmetscherin für Punjabi sowie seiner Rechtsvertretung einvernommen wurde. Ein Vertreter des BFA ist entschuldigt nicht erschienen.
Am 25.08.2023 langte das vom Bundesverwaltungsgericht in Auftrag gegebene psychiatrische Sachverständigengutachten ein.
Am 10.12.2023 langte das vom Bundesverwaltungsgericht in Auftrag gegebene unfallchirurgische Sachverständigengutachten ein.
Am 16.07.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, im Rahmen welcher das psychiatrische Sachverständigengutachten sowie das unfallchirurgische Sachverständigengutachten und das neueste LIB Indien erörtert wurden. Der BF ist trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Ein Vertreter des BFA ist entschuldigt nicht erschienen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des BF und seinem Aufenthalt im Bundesgebiet:
Der BF reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 30.04.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF ist Staatsangehöriger von Indien und der Volksgruppe der Jat sowie der Glaubensrichtung der Sikh zugehörig. Die Muttersprache des BF ist Punjabi. Der BF ist verheiratet und hat keine Obsorgepflichten.
Der BF ist im Bundesstaat Punjab in Indien geboren. Er hat in Indien 9 Jahre Schulbildung absolviert und Gelegenheitsarbeiten verrichtet bzw. in der Landwirtschaft gearbeitet. In Indien hat der BF Familienangehörige, insbesondere seine Mutter, seine Ehefrau und seine Geschwister.
Der BF ist gesund und uneingeschränkt arbeitsfähig. Beim BF liegt liegt keine krankheitswertige psychische Störung vor sowie liegen auch keine neurologischen Ausfälle vor.
Im Bundesgebiet verfügt der BF über keinerlei Familienangehörige, er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF die deutsche Sprache beherrscht, sich sozial engagiert oder hier über intensive soziale Kontakte verfügt.
Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:
Politische Lage
Letzte Änderung 2023-11-28 15:05
Die 1950 (2 ½ Jahre nach Erlangung der Unabhängigkeit) in Kraft getretene Verfassung Indiens basiert auf der westlich-liberalen Staatstradition. Indien ist ein demokratischer Rechtsstaat mit einem Mehrparteiensystem (ÖB New Delhi 7.2023). Es steht – trotz partieller innenpolitischer Spannungen – auf einer soliden, säkular ausgerichteten Verfassung. Die föderal verfasste Republik verfügt über rechtsstaatliche Strukturen mit einem Mehrparteiensystem. Das Unionsparlament ist in zwei Kammern unterteilt. Das Oberhaus vertritt die Interessen der 28 Unionsstaaten und acht Unionsgebiete (AA 5.6.2023).
Der föderal strukturierten Republik gehören (nach der Abschaffung der Autonomie von Jammu, Kaschmir und Ladakh und Teilung in zwei Unionsterritorien im Jahr 2019) 28 Unionsstaaten (auch Bundes- oder Regionalstaaten) und acht direkt von der Zentralregierung verwaltete Unionsterritorien an. Das Prinzip der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative (Parlament) und einer unabhängigen Justiz ist in der Verfassung verankert. Oberhaupt der Indischen Union ist der Staatspräsident, der von einem Gremium der Abgeordneten des Bundes und der Länder gewählt wird und großteils Repräsentativfunktionen wahrnimmt (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. FH 2023). Zudem fungiert der indische Präsident auch als Oberbefehlshaber der Armee (KAS 7.2022). Der Präsident wird von den Gesetzgebern der Bundesstaaten und des Landes für eine fünfjährige Amtszeit gewählt (FH 2023). Neben seiner allgemeinen repräsentativen Funktion entscheidet der Präsident, welche Partei am besten in der Lage ist, eine Regierung zu bilden. Weiters umfassen seine legislativen Befugnisse u. a. die Auflösung oder Einberufung des Parlaments. Zu seinen exekutiven Befugnissen gehört die Ernennung des Obersten Richters Indiens aus einer Liste, die ihm vom Obersten Gerichtshof übermittelt wird (KAS 7.2022). Seit Ende Juli 2022 hat den Posten des Präsidenten erstmals eine indigene Frau inne, die der Santal-Gemeinschaft (einer der ältesten und größten indigenen Gruppen Indiens) angehört (KAS 7.2022).Der föderal strukturierten Republik gehören (nach der Abschaffung der Autonomie von Jammu, Kaschmir und Ladakh und Teilung in zwei Unionsterritorien im Jahr 2019) 28 Unionsstaaten (auch Bundes- oder Regionalstaaten) und acht direkt von der Zentralregierung verwaltete Unionsterritorien an. Das Prinzip der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative (Parlament) und einer unabhängigen Justiz ist in der Verfassung verankert. Oberhaupt der Indischen Union ist der Staatspräsident, der von einem Gremium der Abgeordneten des Bundes und der Länder gewählt wird und großteils Repräsentativfunktionen wahrnimmt (ÖB New Delhi 7.2023; vergleiche FH 2023). Zudem fungiert der indische Präsident auch als Oberbefehlshaber der Armee (KAS 7.2022). Der Präsident wird von den Gesetzgebern der Bundesstaaten und des Landes für eine fünfjährige Amtszeit gewählt (FH 2023). Neben seiner allgemeinen repräsentativen Funktion entscheidet der Präsident, welche Partei am besten in der Lage ist, eine Regierung zu bilden. Weiters umfassen seine legislativen Befugnisse u. a. die Auflösung oder Einberufung des Parlaments. Zu seinen exekutiven Befugnissen gehört die Ernennung des Obersten Richters Indiens aus einer Liste, die ihm vom Obersten Gerichtshof übermittelt wird (KAS 7.2022). Seit Ende Juli 2022 hat den Posten des Präsidenten erstmals eine indigene Frau inne, die der Santal-Gemeinschaft (einer der ältesten und größten indigenen Gruppen Indiens) angehört (KAS 7.2022).
Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung folgt britischem Muster (AA 5.6.2023). Die Exekutive besteht aus dem Staatspräsidenten, dem Vizepräsidenten und dem Ministerrat mit dem Premierminister an der Spitze. Die Minister werden auf Vorschlag des Premierministers vom Staatspräsidenten ernannt. Der Staatspräsident steht formal der Regierung vor, die tatsächliche Macht liegt jedoch beim Premierminister und dem von ihm zusammengesetzten Ministerrat. Der Vizepräsident ist zugleich Vorsitzender des Oberhauses (Rajya Sabha) des Unionsparlaments. Der Premierminister und sein Kabinett sind kollektiv dem Unterhaus (Lok Sabha) verantwortlich (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. FH 2023, USDOS 20.3.2023a).Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung folgt britischem Muster (AA 5.6.2023). Die Exekutive besteht aus dem Staatspräsidenten, dem Vizepräsidenten und dem Ministerrat mit dem Premierminister an der Spitze. Die Minister werden auf Vorschlag des Premierministers vom Staatspräsidenten ernannt. Der Staatspräsident steht formal der Regierung vor, die tatsächliche Macht liegt jedoch beim Premierminister und dem von ihm zusammengesetzten Ministerrat. Der Vizepräsident ist zugleich Vorsitzender des Oberhauses (Rajya Sabha) des Unionsparlaments. Der Premierminister und sein Kabinett sind kollektiv dem Unterhaus (Lok Sabha) verantwortlich (ÖB New Delhi 7.2023; vergleiche FH 2023, USDOS 20.3.2023a).
In den Bundesstaaten liegt die Exekutive formal beim jeweiligen Gouverneur, der vom Staatspräsidenten ernannt wird, und dem Ministerrat, an dessen Spitze der Ministerpräsident (Chief Minister) steht. Der Gouverneur ernennt den Ministerpräsidenten und die von diesem vorgeschlagenen Minister, die kollektiv der gesetzgebenden Versammlung des Unionsstaates (Vidhan Sabha/Legislative Assembly) verantwortlich sind (ÖB New Delhi 7.2023).
Die Unionsterritorien werden direkt von der Zentralregierung verwaltet, wobei einige Unionsterritorien (Delhi, Puducherry) auch über eine eigene parlamentarische Versammlung und eine Regierung verfügen und somit de facto eine Zwischenstellung zwischen Regionalstaat und Unionsterritorium einnehmen (ÖB New Delhi 7.2023).
Seit fast sieben Jahrzehnten finden freie und faire Wahlen statt (BS 23.2.2022; vgl. FH 24.2.2022). Das Parteiensystem ist relativ stabil und gesellschaftlich verwurzelt, wobei allerdings informelle Verfahren, Fraktionszwang und Klientelismus vorherrschen (BS 23.2.2022).Seit fast sieben Jahrzehnten finden freie und faire Wahlen statt (BS 23.2.2022; vergleiche FH 24.2.2022). Das Parteiensystem ist relativ stabil und gesellschaftlich verwurzelt, wobei allerdings informelle Verfahren, Fraktionszwang und Klientelismus vorherrschen (BS 23.2.2022).
Indien verfügt über eine weitverzweigte Parteienlandschaft, die von fortschreitender Regionalisierung und Parteineugründungen geprägt ist. Das frühere Zweiparteiensystem ist durch ein kompetitives (regional verankertes) Mehrparteiensystem abgelöst worden (ÖB New Delhi 7.2023). Neben den großen nationalen Parteien Kongress (in ihren Wurzeln sozialistisch inspirierte nationale Sammlungsbewegung), Bharatiya Janata Party (BJP, hindu-nationalistisch) sowie überregional wirkenden kommunistischen Parteien gibt es eine Vielzahl von Regionalparteien, die in einzelnen Bundesstaaten allein oder in Koalitionen die Landesregierungen bilden, aber auch auf nationaler Ebene zunehmend nach politischer Bedeutung streben (AA 5.6.2023).
Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts („first past the post“) konnte die BJP unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern. Der BJP-Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt (AA 5.6.2023; vgl. KAS 4.2022). Die BJP gewann 37,76 % der Stimmen und 55,8 % der Sitze im Parlament. Hingegen errang die INC 19,7 % der Stimmen und 9,7 % der Parlamentssitze (India Votes, ohne Datum).Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts („first past the post“) konnte die BJP unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern. Der BJP-Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt (AA 5.6.2023; vergleiche KAS 4.2022). Die BJP gewann 37,76 % der Stimmen und 55,8 % der Sitze im Parlament. Hingegen errang die INC 19,7 % der Stimmen und 9,7 % der Parlamentssitze (India Votes, ohne Datum).
Die 28 Bundesstaaten und acht Unionsterritorien haben ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 12.4.2022). Hinsichtlich der Staatlichkeit weist das Gewaltmonopol des Staates auf seinem Territorium geringe Probleme auf. Die große Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert den indischen Nationalstaat als legitim. Die Legitimität des Nationalstaates wird jedoch in abgelegenen Gebieten, in denen der Staat und seine Institutionen praktisch nicht vorhanden sind, die von kleinen ethnischen Gruppen und Stämmen bewohnt werden, und die auch durch die Präsenz von Rebellenorganisationen gekennzeichnet sind, in Frage gestellt (BS 23.2.2022).
Aktivisten und Minderheitengruppen zufolge wandelt sich Indien allmählich von einer säkularen multikulturellen Nation zu einem hinduistisch geprägten Staat. Unter der seit 2014 amtierenden Regierung von Premierminister Narendra Modi ist demnach der säkulare Charakter des Landes ins Hintertreffen geraten (DW 15.8.2022). Die Hindutva-Ideologie, von der sich die regierende BJP leiten lässt, befürwortet die Vorherrschaft der Hindus und sieht die Errichtung eines "Hindu-Staates" (einer "Hindu Rashtra") vor, wobei Nicht-Hindus nicht alle Rechte eingeräumt werden, die den Hindus zukommen (Böll 12.7.2022). Die BJP gehört zu einem Netzwerk von Organisationen, in dessen Zentrum die radikal hindunationalistische Kaderorganisation "Rashtriya Swayamsevak Sangh" (RSS) steht, die ursprünglich von den italienischen Faschisten in den Zwanzigerjahren inspiriert wurde (Böll 12.7.2022).
Die von der Bharatiya Janata Party (BJP) geführte Regierung setzte ihre systematische Diskriminierung und Stigmatisierung von religiösen und anderen Minderheiten, insbesondere von Muslimen, fort. BJP-Anhänger verübten zunehmend gewalttätige Angriffe gegen bestimmte Gruppen. Die hinduistische Mehrheitsideologie der Regierung spiegelte sich in der Voreingenommenheit der Institutionen, einschließlich der Justiz und der Verfassungsorgane wie der Nationalen Menschenrechtskommission, wider (HRW 12.1.2023).
Quellen
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5/6/2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_%28Stand_April_2023%29%2C_05.06.2023.pdf, Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich];
? BS - Bertelsmann Stiftung (23/2/2022): BTI 2022 Country Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069774/country_report_2022_IND.pdf, Zugriff 19.10.2023;
? Böll - Heinrich Böll Stiftung (12/7/2022): Indien: Säkularismus in Gefahr, https://www.boell.de/de/2022/07/12/indien-saekularismus-gefahr, Zugriff 3.11.2023;
? DW - Deutsche Welle (15/8/2022): Wie der Hindu-Nationalismus Indien verändert, https://www.dw.com/de/indien-wie-der-hindu-nationalismus-das-land-ver%C3%A4ndert/a-62803676, Zugriff 19.10.2023;
? FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088517.html, Zugriff 16.10.2023;
? FH - Freedom House (24/2/2022): Freedom in the World 2022 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068733.html, Zugriff 19.10.2023;
? HRW - Human Rights Watch (12/1/2023): World Report 2023 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085458.html, Zugriff 16.10.2023;
? KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (7.2022): Länderbericht - Auslandsbüro Indien, Präsidentschaftswahlen mit Signalwirkung, https://www.kas.de/documents/252038/16191335/Pr%C3%A4sidentschaftswahlen+mit+Signalwirkung.pdf/31978ab9-305e-0f2b-81d3-3c5b4997aedb?version=1.1&t=1659037564802, Zugriff 19.10.2023;
? KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (4.2022): Länderbericht Auslandsbüro Indien, Regionalwahlen in Indien: eine Nachlese, https://www.kas.de/documents/252038/16191335/Regionalwahlen+in+Indien+%E2%80%93+eine+Nachlese.pdf/2b851964-d677-3a72-d0e3-3f96df4945b0?version=1.1&t=1651054723185, Zugriff 3.11.2023;
? USDOS - United States Department of State [USA] (20/3/2023a): 2022 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089116.html, Zugriff 16.10.2023;
? USDOS - United States Department of State [USA] (12/4/2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071142.html, Zugriff 19.10.2023;
? India Votes (n.d): India Votes, PC: All States 2019, https://www.indiavotes.com/lok-sabha/2019/all-states/17/0, Zugriff 19.10.2023;
? ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien;
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2023-11-28 15:05
Hinduradikale Gruppen verursachen immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen mit Angehörigen religiöser Minderheiten, v. a. Muslime, gelegentlich aber auch mit nicht traditionell eingestellten Hindus (AA 5.6.2023). Der gegen Minderheiten wie Muslime und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird von offizieller Seite selten in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als „communal violence“ bezeichnet. Das Innenministerium gibt jedoch seit 2017 keine entsprechenden Daten mehr weiter, und Zivilgesellschaften berichten, dass die Regierung nicht auf Auskunftsbegehren (nach dem Right to Information) reagiert (ÖB New Delhi 7.2023).
Insgesamt sind die meisten Inder tagtäglich keinen nennenswerten Sicherheitsbedrohungen ausgesetzt, mit einigen Ausnahmen in bestimmten, abgelegenen Gebieten. Diejenigen, die in Städten leben, können zivilen Unruhen ausgesetzt sein, einschließlich gewalttätiger Ausschreitungen, die von Zeit zu Zeit im ganzen Land auftreten. Die Ursachen für zivile Unruhen sind komplex und vielfältig und können ethnische und religiöse Spannungen, Aufstände und Terrorismus sowie politische und ideologische Gewalt umfassen. In den meisten Fällen werden die meisten Inder solche Situationen vermeiden (DFAT 29.9.2023). Über soziale Medien verbreitete Fehlinformationen führen gelegentlich zu Gewalt. Über Social-Media-Plattformen wie Facebook, Snapchat, Twitter, WhatsApp und YouTube werden Gerüchte über angebliche Straftaten verbreitet, die zu gelegentlichem Vigilantismus führen. Diese Ereignisse sind unvorhersehbar, bleiben aber meist lokal begrenzt (DFAT 29.9.2023). Das Potenzial von Eskalationen besteht vor allem zwischen hinduistischen und muslimischen Bevölkerungsgruppen. Es waren jedoch auch wiederholt Angriffe hinduistischer Fundamentalisten auf christliche Kirchen zu verzeichnen (EDA 14.11.2023).
Nach wie vor sind auch die sogenannten Ehrenmorde ein Problem, vor allem in Punjab, Uttar Pradesh und Haryana (mit geschätzten mehreren hundert Fällen jährlich) (ÖB New Delhi 7.2023). Diese sind i. d. R. darauf zurückzuführen, dass das Opfer gegen den Willen seiner Familie geheiratet hat oder heiraten will (USDOS 12.4.2022). Die Ahndung von Ehrenmorden ist schwierig, da diese oft als Selbstmord oder natürlicher Tod ausgelegt werden (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. USDOS 12.4.2022).Nach wie vor sind auch die sogenannten Ehrenmorde ein Problem, vor allem in Punjab, Uttar Pradesh und Haryana (mit geschätzten mehreren hundert Fällen jährlich) (ÖB New Delhi 7.2023). Diese sind i. d. R. darauf zurückzuführen, dass das Opfer gegen den Willen seiner Familie geheiratet hat oder heiraten will (USDOS 12.4.2022). Die Ahndung von Ehrenmorden ist schwierig, da diese oft als Selbstmord oder natürlicher Tod ausgelegt werden (ÖB New Delhi 7.2023; vergleiche USDOS 12.4.2022).
Sicherheitslage in einzelnen Bundesstaaten
Die Streitkräfte des Landes, die Sicherheitskräfte der einzelnen Bundesstaaten und paramilitärische Kräfte lieferten sich Gefechte mit terroristischen Gruppen in mehreren östlichen Bundesstaaten sowie in Jammu und Kaschmir und mit maoistischen Terroristen im Norden, im Zentrum und im Osten des Landes. Die Intensität der Gewalt in diesen Gebieten nahm jedoch weiter ab (USDOS 20.3.2023b).
In den nordöstlichen Bundesstaaten, vor allem in Manipur, Meghalaya, Mizoram, Nagaland und Assam war über Jahrzehnte eine Vielzahl von Rebellengruppen aktiv. Die Regierung geht durch den Einsatz von Sicherheitskräften, Verhandlungen, Rehabilitierungsmaßnahmen und Budgeterstattungen für Sicherheitsmaßnahmen der Bundesstaaten dagegen vor (AA 5.6.2023).
Dem österreichischen Außenministerium (BMEIA) zufolge besteht in den westlichen Teilen von Ladakh ein hohes Sicherheitsrisiko (BMEIA 14.11.2023). Laut [deutschem] Auswärtigem Amt ist im Unionsterritorium Ladakh die Sicherheitslage grundsätzlich stabil. In den direkten Grenzregionen kann es zu Zusammenstößen zwischen indischen und pakistanischen und indischen und chinesischen Sicherheitskräften kommen (AA 5.6.2023).
Laut BMEIA besteht weiters ein hohes Sicherheitsrisiko in den Grenzgebieten und in der Gegend westlich von Mulbek, in den Gebieten entlang der pakistanischen und der chinesischen Grenze, in der unmittelbare Nachbarschaft zur pakistanischen Grenze, in den Bundesstaate