TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/22 93/09/0456

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Veröffentlicht am 22.06.1995
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4 Abs6 Z2 litc idF 1990/450;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Fuchs und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der H-Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Vorarlberg vom 8. Juni 1993, Zl. III/6702, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei, die in Lustenau einen Gastgewerbebetrieb betreibt, stellte am 14. Juli 1992 beim Arbeitsamt Dornbirn den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den türkischen Staatsangehörigen S. für die berufliche Tätigkeit als "Organisator".

Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 23. Juli 1992 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Nach Zitierung dieser Gesetzesstelle führte das Arbeitsamt in der Begründung aus, der Vermittlungausschuß habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der in § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In der Berufung rügte die beschwerdeführende Partei, daß das Arbeitsamt keinerlei Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Aus welcher Beweiswürdigung heraus das Arbeitsamt seine Tatsachenfeststellungen treffe, sei nicht nachvollziehbar. Bei Durchführung eines Ermittlungsverfahrens hätte das Arbeitsamt feststellen müssen, daß S. im Zeitraum 31. Juli 1991 bis 13. Juli 1992 (handelsrechtlicher) Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei mit selbständiger Vertretungsbefugnis gewesen sei. Darüber hinaus wäre festzustellen gewesen, daß der beantragte ausländische Arbeitnehmer nach wie vor Gesellschafter der beschwerdeführenden Partei sei. S. sei auch mit dem Betrieb der beschwerdeführenden Partei bestens vertraut und habe auch eine besondere Vertrauensstellung. Die beschwerdeführende Partei habe wiederholt beim Arbeitsamt um Zuteilung von inländischen bzw. auch ausländischen Arbeitskräften angesucht - bislang aber ohne Erfolg. Auch liege der Betrieb der beschwerdeführenden Partei insofern in einem strukturell gefährdeten Gebiet, als auf dem freien Arbeitsmarkt der "Organisatoren" kaum Arbeitskräfte zu bekommen seien. Weiters wäre festzustellen gewesen, daß S. einschlägige berufliche Erfahrung aufweise und seine Einstellung eine absolute Notwendigkeit darstelle, um den Betrieb aufrecht zu erhalten.

In einer "Verständigung vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens" vom 27. April 1993 führte die belangte Behörde zur zitierten Bestimmungen des § 4 Abs. 6 AuslBG aus, Gründe i.S.d. § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG für die Beschäftigung des beantragten Ausländers lägen nicht vor. Die in der Berufung vorgebrachten Gründe, daß der Ausländer den Betrieb kenne und besonders geeignet und vertrauenswürdig sei, stellten noch keinen wichtigen Grund i.S.d. § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG dar. Ein subjektiv empfundener Bedarf an einer Arbeitskraft reiche zur Erfüllung des Tatbestandes des § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG nicht aus. Auch dem Vorbringen, wonach sich der Betrieb in einem strukturell gefährdeten Gebiet befinde, könne nicht gefolgt werden; zudem müsse es sich zur Erfüllung des Tatbestandes nach § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. b AuslBG um einen neugegründeten Betrieb handeln, was nicht der Fall sei.

In einer Stellungnahme vom 4. Mai 1993 schilderte die beschwerdeführende Partei, sie habe ihren Betrieb Ende 1989 aufgenommen und durch Zupachtung weiterer Räume Ende 1991 erheblich erweitert. Die Erweiterung des Betriebes sei ohne Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte nicht zu bewältigen. Der Betrieb der beschwerdeführenden Partei sei daher in seinem gegenwärtigen Umfang als Ende 1991 neu gegründet zu betrachten. Bereits während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer sei S. u. a. für die Hausverwaltung zuständig und im Einkauf tätig gewesen. Daneben habe S. den innerbetrieblichen Arbeitsablauf regeln müssen. Er habe den Mitarbeitern ihren jeweiligen Arbeitsbereich zuzuweisen und die von den Mitarbeitern ausgeführten Tätigkeiten entsprechend zu überwachen gehabt. Bei akutem Arbeitskräftemangel - so etwa bei Stoßzeiten bzw. urlaubs- oder krankheitsbedingter Abwesenheit von Mitarbeitern - habe S. die Tätigkeiten auch teilweise selbst verrichten müssen. Dieser beschriebene Aufgabenbereich und die damit zusammenhängende berufliche Beanspruchung von S. habe sich bis zum heutigen Tage noch vergrößert, weil in den letzten vier Wochen vier Arbeitskräfte (B, Hausverwalterin, K, Aushilfskellner, Y, Aushilfsbedienung und I, Kellner) ihre Tätigkeit beendet hätten. Durch das Ausscheiden dieser ausländischen Arbeitskräfte sei die Beschäftigung von S. für die beschwerdeführende Partei umsomehr erforderlich, als dieser die Aufgabenbereiche der ausgeschiedenen Arbeitskräfte teilweise übernehmen habe müssen. Insbesondere mache es das Ausscheiden von Frau Bulama erforderlich, daß S. wiederum verstärkt in der Hausverwaltung organisatorisch tätig werde. Er sei somit auch als dringender Ersatz gemäß § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG zu betrachten. Bei S. handle es sich auch um einen begünstigten Ausländer i.S.d. Bestimmungen des AuslBG (die beiden Brüder von S. wohnten ebenfalls gemeinsam mit ihren Familien in Österreich). Die beschwerdeführende Partei beschäftige als gewerberechtliche Geschäftsführerin eine österreichische Staatsangehörige. Da es der beschwerdeführenden Partei ohne Beschäftigung von S. unmöglich sei, ihren Betrieb aufrecht zu erhalten, komme S. auch die Bedeutung einer Schlüsselkraft zur Erhaltung des Arbeitsplatzes dieser österreichischen Staatsangehörigen zu.

In einer weiteren "Verständigung vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens" vom 12. Mai 1993 vertrat die belangte Behörde u.a. die Ansicht, daß es sich bei der Erweiterung und der Renovierung des Betriebes nicht um eine für § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. b AuslBG erforderliche Neugründung handle und außerdem der Betrieb nicht in einem strukturell gefährdeten Gebiet liege. Durch das Ausscheiden einer Hausverwalterin und dreier Servierkräfte seien die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG nicht erfüllt, weil die ausgeschiedenen Arbeitskräfte nicht einmal die gleiche Berufstätigkeit ausgeübt hätten, wie sie für den beantragten Ausländer vorgesehen sei. Daran ändere auch das Vorbringen nichts, wonach der beantragte Ausländer in seiner Eigenschaft als "Organisator" im Betrieb auch teilweise die Vertretung anderer Arbeitskräfte übernehmen müsse. Auch der Ansicht, wonach die Beschäftigung des beantragten Ausländers als Schlüsselkraft zur Erhaltung des Arbeitsplatzes der (namentlich genannten) österreichischen Arbeitskraft notwendig sei, könne nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, daß eine Gefährdung des Arbeitsplatzes nicht näher begründet worden sei, werde die österreichische Staatsangehörige laut Auskunft der Gebietskrankenkasse nicht als Arbeitnehmerin im Betrieb der beschwerdeführenden Partei geführt. Die weiters dargelegte persönliche und familiäre Situation des beantragten Ausländers könne ebenfalls nicht als Grund für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung i.S. von § 4 Abs. 6 AuslBG berücksichtigt werden.

In einer Stellungnahme vom 27. Mai 1993 zu diesem Vorhalt betonte die beschwerdeführende Partei u.a. neuerlich, daß S. die Aufgabenbereiche der erst vor kurzem ausgeschiedenen Arbeitskräfte vorübergehend teilweise bzw. zur Gänze übernehmen müsse bis ein entsprechender Ersatz für die vorerwähnten Arbeitskräfte gefunden sei. Im Hinblick auf die konkreten Umstände der beschwerdeführenden Partei sei diese dringend auf die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für S. angewiesen, um den Betrieb aufrecht erhalten zu können.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 8. Juni 1993 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m.

§ 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG keine Folge. Nach der Zitierung der Bestimmung des § 4 Abs. 6 AuslBG und der Feststellung der für das Jahr 1993 bestehenden Überschreitung der für das Bundesland Vorarlberg festgesetzten Landeshöchstzahl argumentierte die belangte Behörde in der Begründung wie in den beiden "Verständigungen vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens" vom 27. April 1993 und 12. Mai 1993 und führte dazu abschließend aus, da somit die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 AuslBG nicht vorlägen, könne für S. keine Beschäftigungsbewilligung erteilt werden.

Die Behandlung der zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde hat dieser mit Beschluß vom 28. September 1993, B 1342/93-4, abgelehnt. In der nach Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde macht die beschwerdeführende Partei Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat die Nichterteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung für S. zwar im Spruch auf § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt, aus der Begründung ist jedoch ersichtlich, daß für die Ablehnung ausschließlich § 4 Abs. 6 AuslBG maßgebend war. Es erübrigen sich damit im Beschwerdefall weitere Erwägungen zur Berechtigung der Ablehnung des Antrages nach § 4 Abs. 1 AuslBG und es ist daher ausschließlich zu prüfen, ob die Versagung auf § 4 Abs. 6 leg. cit. gestützt werden konnte oder nicht (vgl. dazu beispielsweise das Erkenntnis vom 23. März 1994, 93/09/0187).

§ 4 Abs. 6 AuslBG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung (Z. 1 i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer,

b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Die beschwerdeführende Partei hat die Anwendungsvoraussetzungen für das erschwerte Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG (Überschreiten der Landeshöchstzahl) und die Nichtzustimmung des Vermittlungausschusses zur Erteilung der Beschäftigungsbewilligung (§ 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG) nicht bestritten. Sie hat jedoch im Verwaltungsverfahren ein Vorbringen in Richtung Vorliegen der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG erstattet. Sie bringt dazu in der Beschwerde insbesondere vor, die Beurteilung zu § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG entspreche nicht dem Gesetz, und die beschwerdeführende Partei ist damit auch im Recht.

Es ist das Recht jedes Arbeitgebers, soferne er damit nicht gegen zwingende Bestimmungen verstößt, die Anforderungen festzusetzen, die er an eine von ihm zu beschäftigende Person stellt. Finden diese Anforderungen in objektiven Notwendigkeiten eine Grundlage, dann gehören sie zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen der Beschäftigung. Davon ist auch im Falle der Suche nach einer Ersatzkraft für einen ausgeschiedenen Mitarbeiter auszugehen, es wäre denn, die Änderung des Anforderungsprofiles ließe an sich bereits erkennen, daß durch die neue Arbeitskraft eine von der frei gewordenen gänzlich verschiedene Arbeitsstelle ausgefüllt werden soll. "Ersatz" bedeutet ganz allgemein eine Person, die anstelle einer nicht mehr vorhandenen oder nicht mehr geeigneten Person eingesetzt werden soll. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Bezeichnung eines Arbeitsplatzes allein nicht für die Beurteilung ausreichend, ob eine beantragte Ersatzkraft in einem Bereich eingesetzt werden soll, welchen die ausgeschiedene Arbeitskraft abgedeckt hat (vgl. dazu beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1994, 93/09/0465, sowie vom 23. März 1994, 93/09/0187, und vom 17. Juni 1993, 93/09/0027).

Nach dem - von der belangten Behörde auch unbestritten gebliebenen - Vorbringen der beschwerdeführenden Partei sollte S. zumindest teilweise anstelle der ausgeschiedenen ausländischen Arbeitskräfte eingesetzt werden. Damit war S. grundsätzlich "Ersatz" für die ausgeschiedenen Arbeitnehmer. Daß vom Anforderungsprofil her durch S. - ungeachtet seiner Bezeichnung als "Organisator" - eine von den frei gewordenen Arbeitsstellen gänzlich verschiedene Arbeitsstelle ausgefüllt werden sollte, läßt sich nach der Aktenlage zumindest für die Tätigkeit der ausgeschiedenen Hausverwalterin nicht sagen (vor allem der Stellungnahme vom 4. Mai 1993 ist zu entnehmen, daß die Hausverwaltung auch vom Anforderungsprofil als "Organisator" umfaßt sein sollte). Da die belangte Behörde damit offensichtlich bei ihrer nach § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG vorgenommenen Beurteilung die Rechtslage verkannt hat, hat sie insoweit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. Art. I A Z. 1 der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993090456.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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