Entscheidungsdatum
08.07.2024Norm
BEinstG §14Spruch
W200 2291717-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch die Richterin Mag. Taurer sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (SMS) vom 06.03.2024, Zl. 70210874500053, beschlossen:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch die Richterin Mag. Taurer sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (SMS) vom 06.03.2024, Zl. 70210874500053, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle NÖ, zurückverwiesen.A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß Paragraph 28, Absatz 3, 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle NÖ, zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Vorverfahren:
Mit Bescheid vom SMS vom 17.12.2020 wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin am 01.10.2020 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört.
Kausal dafür war ein allgemeinmedizinisches Gutachten vom 15.12.2020, in dem ua Folgendes festgestellt wird:
„Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
GdB %
1
Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule
Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz bei Prolaps und hochgradiger Neuroforamenstenose bei C5/6 sowie Prolaps bei C6/7; Sensibilitätsstörungen in beiden oberen Extremitäten und Kraftreduktion in der rechten Hand mitberücksichtigt - Bedarfsmedikation mit NSAR
02.01.03
60
2
Zustand nach zweimaliger Knieoperation rechts bei Kreuzbandruptur
Oberer Rahmensatz, da gering eingeschränkte Kniestreckung
02.05.18
20
3
gz Beginnende degenerative Veränderungen im oberen Sprunggelenk beidseits
Unterer Rahmensatz bei guter Beweglichkeit; beg. Talonaviculararthrose rechts mitberücksichtigt
02.05.35
10
Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, da keine negative Wechselwirkung zwischen den Leiden besteht. Leiden 3 ist geringfügig.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Im Vergleich zum Vorgutachten hat sich aus der mäßigen eine hochgradige Neuroforamenstenose entwickelt und es bestehen eine Kraftreduktion der rechten Hand sowie Sensibilitätsstörungen.
Im Bereich der Sprunggelenke wurden degenerative Veränderungen diagnostiziert.
Nachuntersuchung 12/2023 - da Möglichkeit der Besserung durch operative Sanierung“
Gegenständliches Verfahren:
Im Rahmen des amtswegigen Nachuntersuchungsverfahren legte die Beschwerdeführerin radiologische Unterlagen vor.
Das vom SMS eingeholte orthopädische/unfallchirurgische Gutachten vom 30.01.2024 gestaltete sich wie folgt:
„Anamnese: VGA 12/2020 60%; keine Op danach
Derzeitige Beschwerden: „Die HWS ist ein Problem, Kopfschmerz, Verspannungen, Bewegungsschmerzen. Es ist auch so ein Taubheitsgefühl am Kopf.
das Knie schmerzt oft das rechte Knie, es wird dicker. Ich bin in der Schwerstpflege. Im Fußbereich habe ich öfter weniger Gefühl.
Im Mai ist wieder eine Reha geplant."
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: geleg. NSAR
Sozialanamnese: DGKS Pflegeheim Ybbs, verheiratet, 2 Kinder
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
MRT HWS Amstetten 6/2023: MR HWS 16.06.2023 15:35
Geringe Verschmälerung der Bandscheibenfächer vor allem bei C5/C6 und C6/C7, hier zeigen sich auch relativ deutliche dorsale Anbauten sowie eine jeweils mediolaterale Bandscheibenprotrusion in relativ deutlicher Ausprägung, konsekutiv kommt es in diesen Segmenten zu einer absoluten Spinalkanalstenose mit deutlicher Pelottierung des Myelons, allerdings kein eindeutiger Hinweis auf eine Myelopathie, fraglich geringe Einengung der abgehenden Nervenwurzeln in diesen Segmenten
MRT re Knie 6/2023 Amstetten: MR Knie re. 16.06.2023 15:55 Im Vergleich mit der länger zurückliegenden Voruntersuchung zeigt sich ein neu aufgetretenes kleineres Knochenmarködem im Bereich der Eminentia intercondylaris.
Z. n. vorderer Kreuzbandplastik, neu aufgetreten sind kleinere ganglionartige Strukturen im tibialen Verlauf des Neo-Kreuzbandes, das Neo-Kreuzband selbst scheint intakt zu sein.
DZAM 6/2023: Homogene knöcherne Struktur. Achsengerechte Verhältnisse.
Der Gelenkspalt zeigt sich zentromedial incipient verschmälert. Eine signifikante Coxarthrose ist nicht vorliegend.
Kleine Fibroostose am Trochanter major.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut; Ernährungszustand: gut Größe: 163,00 cm Gewicht: 60,00 kg
Klinischer Status - Fachstatus:
Caput unauffällig, Collum o.B.,
HWS in R 40-0-40, KJA 1 cm, Reklination 12 cm.
BWS- drehung 30-0-30, normale Lendenlordose, FKBA 15 cm, Seitneigung bis 5 cm ober Patella. Kein rel. Beckenschiefstand. Thorax symmetrisch, Abdomen unauffällig.
Schultern in S 40-0-170, F 160-0-50, R bei F90 70-0-70, Ellbögen 0-0-135, Handgelenke 50¬0-55, Faustschluß beidseits frei. Nacken-und Kreuzgriff möglich. Hüftgelenke in S 0-0-110, R 35-0-10, Kniegelenke 0-0-120 fest zu links 0-0-130, Sprunggelenke 15-0-45. Lasegue negativ.
Gesamtmobilität - Gangbild: Gang in Straßenschuhen ohne Gehbehelfe frei möglich
Status Psychicus: Normale Vigilanz. Regulärer Ductus. Ausgeglichene Stimmungslage.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
GdB %
1
degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule, Bandscheibenvorwölbungen
oberer Rahmensatz, da chronisches Cervicalsyndrom;
Wahl der Position, da keine relevante Störung der peripheren Sensomotorik und ein Wirbelsäulenabschnitt betroffen
02.01.02
40
2
Zustand nach Kreuzbandplastik rechts
unterer Rahmensatz, da geringes Beweglichkeitsdefizit, keine relevanten Abnützungen
02.05.18
10
3
gZ Beginnende degenerative Veränderungen im oberen Sprunggelenk beidseits
Unterer Rahmensatz bei guter Beweglichkeit; beg.
Talonaviculararthrose rechts mitberücksichtigt
02.05.35
10
Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch die Leiden 2 und 3 nicht erhöht, da keine maßgebliche wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Leiden 1 und 2 gebessert
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
Erniedrigung des GdB um zwei Stufen
Dauerzustand
Frau XXXX kann trotz ihrer Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen.“Frau römisch 40 kann trotz ihrer Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen.“
In einer Stellungnahme im gewährten Parteiengehör wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass bei ihr eine Bandscheibenprotrusion C5/C6 sowie C6/C7 mit deutlicher Ausprägung vorliege. In diesen Segmenten komme es zu einer hochgradigen Neuroforamenstenose mit deutlicher Pellotierung des Myelons. Diese äußere sich durch Sensibilitätsstörungen in den oberen Extremitäten – bis zu den Händen, Kraftverlust rechts ausgeprägt, Spannungs- und Kopfschmerz, Taubheitsgefühl sowie Schwindel und Schmerzen.
Für sie sei keine Besserung ersichtlich. Eine OP hätte durch Physiotherapie verhindert werden können.
Zum Knieleiden gab sie an, dass sich im tibialen Verlauf kleinere Läsionen inkl. eines neu aufgetreten Knochenmarködems im Bereich der Eminentia intercondylaris befänden. Dies bedeute eine Streck- und Beugehemmung, Ruheschmerz aufgrund einer Nervenverletzung nach Kreuzbandplastik, beeinträchtigtes Gangbild mit Taubheitsgefühl im rechten Vorfuß, beim Radfahren, längeren Wegstrecken. Es liege keine Besserung vor.
Zum Sprunggelenk brachte sie vor, dass sie im Alltag ständig orthopädische Einlagen tragen müsse. Sie leide an neuropathischen Schmerzen mit Taubheitsgefühl im vorderen Zehenbereich, einhergehend mit stechenden Schmerzen. Aufgrund des eingeschränkten Gangbildes komme es zu Schmerzen im ganzen Bewegungsapparat.
Der befasste Orthopäde/Unfallchirurg führte dazu am 01.03.2024 in einer Stellungnahme aus, dass die Leiden nach der EVO korrekt eingestuft worden wären.
Das Hauptleiden sei herabgesetzt worden, weil keine operative Intervention nötig gewesen sei, das Knieleiden sei der EVO entsprechend eingeschätzt worden, das Fußleiden sei unverändert geblieben.
Mit Bescheid vom 06.03.2024 wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin mit Ablauf des Monats, der auf die Zustellung des Bescheides folge, nicht mehr zum Kreis der begünstigten Behinderten gehöre.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde moniert, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass eine Verbesserung der degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule diagnostiziert werde. Eine Verbesserung der degenerativen Erkrankungen seien weder in ihren Alltag zu bemerken noch generell denkmöglich.
Nach den ärztlichen Befundungen könne keine Verbesserung der Beeinträchtigungen festgestellt werden bzw. sei bei einigen Leiden sogar eine massive Verschlechterung eingetreten.
Zu den wechselseitigen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die Beeinträchtigungen im Gehwerk massive Auswirkungen auch auf die Wirbelsäule hätten, insbesondere zu Fehlstellungen führen bzw. zu Folgeschäden an dieser, sodass tatsächlich Funktionsbeeinträchtigungen in einem Bereich regelmäßig zu Folgeauswirkungen in anderen Bereichen führten, sie somit in einer Wechselwirkung zueinander stünden. Dies zeige sich insbesondere daran, dass die vorhandenen Beeinträchtigungen im Wirbelsäulenbereich auch zu den nun neu aufgetretenen Leiden und Veränderungen im Knie geführt hätten.
Die Herabsetzung des Grads der Beeinträchtigungen der Beschwerden in der Halswirbelsäule sei laut Sachverständigen gerechtfertigt, weil keine Operation erfolgt sei. Sie selbst hätte Physiotherapie in Anspruch genommen.
Nur die Nichtvornahme einer Operation könne nicht das Vorliegen einer Besserung der Beeinträchtigung begründen, zumal aus ihrer Sicht, die mit den Beschwerden tagtäglich belastet sei, im Vergleich zu den Voruntersuchungen eine deutliche Verschlechterung bemerkbar ist. Der bereits festgestellt Grad der Behinderung von 60 % sei noch weiterhin gegeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A)
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.Gemäß Paragraph 45, Absatz 3, BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.Gemäß Paragraph 28, Absatz 3, 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben (vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005), dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind.Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben vergleiche etwa das Erkenntnis vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005), dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (Paragraph 24, VwGVG) zu vervollständigen sind.
Der Umstand, dass gegebenenfalls (punktuelle) ergänzende Einvernahmen durchzuführen wären, rechtfertigt nicht die Zurückverweisung; vielmehr wären diese Einvernahmen, sollten sie wirklich erforderlich sein, vom Verwaltungsgericht – zweckmäßigerweise im Rahmen einer mündlichen Verhandlung – durchzuführen (VwGH 27.01.2016, Ra 2015/08/0178).
In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN). (VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123)In Paragraph 28, VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in Paragraph 28, Absatz 3, zweiter Satz leg. cit. vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts vergleiche Paragraph 37, AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN). (VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123)
Wie im Verfahrensgang dargestellt, haben die von der Beschwerdeführerin unter Zugrundelegung von medizinischen Unterlagen geltend gemachten Erkrankungen aus dem Fachgebiet der Orthopädie im von der belangten Behörde eingeholten orthopädischen/unfallchirurgischen Gutachten in den drei festgehaltenen Leiden Niederschlag gefunden.
Auch im Vorverfahren wurde von einer Allgemeinmedizinerin die geltend gemachten Erkrankungen einer Beurteilung unterzogen.
Die Einstufung durch den Facharzt für Unfallchirurgie gestaltete sich hinsichtlich der Leiden 1 und 2 dahingehend, dass diese herabgestuft wurden.
Die Beschwerdeführerin führt dazu in ihrer Stellungnahme grob zusammengefasst aus, dass keine Besserung ihres Leidenszustandes vorliege.
Eine Einsicht in die beiden Gutachten ergibt für den erkennenden Senat Folgendes:
Das von der Erstbehörde beauftragte und im Rahmen der Beschwerde bekämpfte Sachverständigengutachten vom 30.01.2024 samt Stellungnahme desselben Arztes vom 01.03.2024 ist unter Berücksichtigung der übrigen Befunde insofern unschlüssig und wurde der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt von der belangten Behörde dahingehend unzureichend ermittelt, als ein Vergleich des Status dieses Gutachtens mit dem Status des Gutachtens im Vorverfahren für den erkennenden Senat keine augenscheinliche Besserung erkennen lässt.
Vom Orthopäden wird weiters im Gutachten vom 30.01.2024 argumentiert: „Leiden 1 und 2 gebessert“. Worin die Besserung besteht, kann der erkennende Senat – insbesondere ohne medizinische Fachkenntnisse – nicht erkennen.
In der Stellungnahme vom 01.03.2024 begründet dieser, dass das Leiden 1 herabgesetzt wurde, weil keine operative Intervention nötig gewesen sei, das Leiden 2 (Knieleiden) sei entsprechend der EVO eingeschätzt worden.
Für den erkennenden Senat erweckt die Aussage, dass keine operative Intervention nötig gewesen sei, hinsichtlich Leiden 1 eher den Eindruck, dass sich ein Leiden in diesem Zeitraum nicht verschlechtert hätte, aber nicht, dass es sich verbessert hätte.
Die Aussage zu Leiden 2, dass es entsprechend der EVO eingestuft wurde, erweckt den Eindruck, dass es sich bei der Einstufung im Vorverfahren um eine Fehleinstufung gehandelt hat.
Für den erkennenden Senat drängt sich der Verdacht auf, dass es sich nach Ansicht des einschätzenden Unfallchirurgen bei der Einstufung im Vorverfahren um eine Fehleinschätzung gehandelt hat.
Das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren leidet nach Ansicht des erkennenden Senates an einem nicht ausreichend ermittelten Sachverhalt, konkret wurden folgende Fragen an den Sachverständigen nicht gestellt bzw. von diesem nicht ausreichend beantwortet:
1. Gesonderte Einschätzung des Grades der Behinderung für jede festgestellte Gesundheitsschädigung zum aktuellen Zeitpunkt.
Medizinisch exakte Bezeichnung der festgestellten Gesundheitsschädigungen
Gewählte Position, wobei auf die Begründung der Wahl der Position besonders zu achten ist
Zu Grunde gelegter Rahmensatz, wobei auf die Begründung der Einschätzung des GdB innerhalb des Rahmensatzes besonders zu achten ist
Beim Zusammentreffen mehrerer Leiden ist eine Gesamteinschätzung vorzunehmen und zu begründen.
2. Liegt im Vorverfahren (Gutachten vom 15.12.2020) eine Fehleinschätzung der Leiden 1 und 2 vor?
Worin ist diese erkennbar?
3. Worin liegt die exakte Besserung des Zustandes der Beschwerdeführerin hinsichtlich Leiden 1 und 2 verglichen zum Gutachten vom 15.12.2020, falls keine Fehleinschätzung im Vorverfahren vorgelegen hat?
Ein exaktes Herausarbeiten der Besserung des Zustandes ist für die Entscheidung unerlässlich.
Maßgebend für die Entscheidung, ob die Beschwerdeführerin weiterhin dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört, ist die Feststellung der Art und des Ausmaßes der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Gesundheitsschädigungen – dies im Vergleich zum Vorverfahren - und in der Folge die Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung.
Eine allenfalls unterlaufene Fehleinschätzung kann ohne entsprechende Sachverhaltsänderung (Besserung des Leidenszustandes) nur unter den Voraussetzungen für die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 und 3 AVG bzw. § 32 VwGVG nicht aber im Wege einer Neubeurteilung korrigiert werden. Dazu hat die belangte Behörde im angefochtenen Verfahren nur ansatzweise Ermittlungen geführt. Eine allenfalls unterlaufene Fehleinschätzung kann ohne entsprechende Sachverhaltsänderung (Besserung des Leidenszustandes) nur unter den Voraussetzungen für die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß Paragraph 69, Absatz eins und 3 AVG bzw. Paragraph 32, VwGVG nicht aber im Wege einer Neubeurteilung korrigiert werden. Dazu hat die belangte Behörde im angefochtenen Verfahren nur ansatzweise Ermittlungen geführt.
Die belangte Behörde hat sohin ihre Ermittlungs- bzw. Begründungspflicht in grober Weise verletzt. Die aufgezählten Mängel können gegenständlich auch nicht durch eine Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts saniert werden: Da Entscheidungen im Bereich des Behindertenrechts in höchstem Maße von ärztlichen Sachverständigengutachten abhängig sind, müsste das Bundesverwaltungsgericht dazu selbst das genannte Sachverständigengutachten einholen, was zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung führen würde. Diese liege jedenfalls nicht im Sinne einer raschen und kostengünstigen Verfahrensführung, zumal die belangte Behörde in diesem Verfahren aufgrund der Stellungnahme im Parteiengehör die Verpflichtung gehabt hätte, durch den befassten Gutachter konkret die Besserungen im Zustand der Beschwerdeführerin herauszuarbeiten, dies aber unterlassen hat. Der erkennende Senat ist daher der Ansicht, dass dem SMS auch in weiterer Folge bewusst war, dass es im gegenständlichen Fall unzureichende Ermittlungen getätigt hat bzw. Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG für eine Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sind somit im gegenständlichen Fall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht abschließend feststeht und, wie erörtert, vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Die Voraussetzungen des Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG für eine Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sind somit im gegenständlichen Fall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht abschließend feststeht und, wie erörtert, vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß Paragraph 28, Absatz 3, 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde neuerlich medizinische Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Orthopädie zu den oben dargelegten Fragestellungen einzuholen und die Ergebnisse unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens und der vorgelegten Beweismittel bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben. Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird die Beschwerdeführerin mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Ermittlungspflicht Grad der Behinderung Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2024:W200.2291717.1.00Im RIS seit
31.07.2024Zuletzt aktualisiert am
31.07.2024