TE Vfgh Erkenntnis 1993/3/19 B775/92

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Veröffentlicht am 19.03.1993
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Index

L3 Finanzrecht
L3703 Lustbarkeitsabgabe, Vergnügungssteuer

Norm

VfGG §87 Abs2
WAO §186

Leitsatz

Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes durch Versagung der Rückzahlung von aufgrund verfassungswidrig erkannter Bestimmungen des Wr VergnügungssteuerG abgeführter Vergnügungssteuer an den Abfuhrpflichtigen; Verpflichtung der Verwaltungsbehörden zur Herstellung des der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofs entsprechenden Zustandes

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit dem angefochtenen Bescheid der Abgabenberufungskommission wird unter anderem ein Bescheid des Magistrates Wien, der einen Antrag des beschwerdeführenden Inhabers eines Video-Verleih-Betriebes auf Rückerstattung der für den Zeitraum vom 1. November 1986 bis 10. November 1989 abgeführten Vergnügungssteuer zurückweist, dahin abgeändert, daß dem Antrag hinsichtlich des Verspätungszuschlages und des Säumniszuschlages für den Zeitraum Juni 1987 bis Februar 1988 stattgegeben und der Antrag im übrigen gemäß §185 und 186 WAO abgewiesen wird. Für den Zeitraum März 1988 bis November 1989 sei die Vergnügungssteuer rechtskräftig festgesetzt worden, die Zahlungen seien also in Erfüllung einer Rechtspflicht erfolgt. Die Vorschreibung für den Zeitraum November 1986 bis Februar 1988 habe zwar aufgrund eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes (B1871/88 vom 14. März 1991) behoben werden müssen (Berufungsentscheidung Zl. MDR - M 9/91 vom 27. September 1991), der Unternehmer (Vermieter) sei jedoch im Falle des Anmietens von Videofilmen durch den steuerpflichtigen Mieter nur abfuhrpflichtig. Daher sei er selbst nicht berechtigt, eine Rückzahlung zu erwirken. Nur für die Nebenansprüche sei der Berufungswerber im Recht. Gäbe es doch sonst angesichts des §186 WAO, wonach der Abgabepflichtige die Rückzahlung beantragen könne, für ein Guthaben zwei Anspruchsberechtigte.

Gegen diesen Teil des Berufungsbescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Rückzahlung der aufgrund eines verfassungswidrigen Gesetzes bezahlten Vergnügungssteuer. Die Aufhebung der Vorschreibung sei aufgrund der im Erkenntnis G148-151/90 vom 14.März 1991 festgestellten Verfassungswidrigkeit der ihr zugrundeliegenden Bestimmungen des Vergnügungssteuergesetzes erfolgt. Eben jene Bestimmungen (nämlich §34 Abs3 Vergnügungssteuergesetz 1963 und §13 Abs3 Vergnügungssteuergesetz 1987), auf welche die Behörde ihre Annahme stütze, der Beschwerdeführer sei nur abfuhrpflichtig, seien als verfassungswidrig erkannt bzw. aufgehoben worden, sodaß kein Fall des §186 WAO vorliege. Außerdem käme die Ergreiferprämie dem Beschwerdeführer des Anlaßverfahrens zu.

Die belangte Behörde hält dem entgegen, das Erkenntnis im Gesetzesprüfungsverfahren habe nichts daran geändert, daß dem Beschwerdeführer nur die Stellung eines Abfuhrpflichtigen zugekommen sei.

II. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 1991, B1871/88, hat der Beschwerde gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission, der dem Beschwerdeführer Vergnügungssteuer samt Verspätungszuschlag und Säumniszuschlag vorgeschrieben hatte, wegen Rechtsverletzung durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes stattgegeben. Die Wirkung dieses Spruches ist in §87 Abs2 VerfGG geregelt: Die Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, trifft diese Verpflichtung nicht nur die Verwaltungsbehörde, deren Bescheid aufgehoben wurde, sondern die Verwaltungsbehörden allgemein (VfSlg. 3802/1960), und verpflichtet die Behörden insbesondere auch zur Rückgabe des durch den aufgehobenen Akt Entzogenen wie etwa des beschlagnahmten Gegenstandes (VfSlg. 2046/1950) oder des eingezahlten (Straf-)Geldbetrages (VfSlg. 5001/1965). Ein Verstoß gegen dieses Gebot verletzt den Beschwerdeführer im selben Recht wie der aufgehobene Bescheid (VfSlg. 6043/1969, 6869/1972, 8397/1978 und 8571/1979).

Die Behörde hat den Beschwerdeführer demnach so zu stellen, als wäre der seinerzeit angefochtene Bescheid nicht ergangen. Sie hätte folglich dem Antrag des Beschwerdeführers stattgeben müssen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich zu erörtern, ob schon das Erkenntnis im Gesetzesprüfungsverfahren es verbietet, zur Deutung eines noch während ihrer Geltung gesetzten Aktes die §§34 Abs3 Vergnügungssteuergesetz 1963 und 13 Abs3 Vergnügungssteuergesetz 1987 heranzuziehen und welcher Inhalt §186 WAO in anderen Fällen der Aufhebung eines an den Abfuhrpflichtigen gerichteten Abgabenbescheides zukommt. Jedenfalls ist dieser Bestimmung keine dem §87 Abs2 VerfGG derogierende Wirkung beizumessen.

Der Bescheid ist somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind 2.500 S an Umsatzsteuer enthalten.

Da von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhaltes zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 VerfGG).

Schlagworte

VfGH / Aufhebung Wirkung, Bindung (der Verwaltungsbehörden an VfGH), Ersatzbescheid, Vergnügungssteuer, Rückzahlung Finanzverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B775.1992

Dokumentnummer

JFT_10069681_92B00775_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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