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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte betreffend die Abweisung eines Antrags eines afghanischen Staatsangehörigen auf internationalen Schutz; hinreichende Darlegung der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens; hinreichende Auseinandersetzung mit aktuellen Länderinformationen zur Sicherheits- und Versorgungslage in der Herkunftsprovinz; Ausbildung, Arbeitsfähigkeit, gute wirtschaftlichen Situation und familiäres Netzwerks des Antragstellers im Herkunftsstaat gegeben; keine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie von Art47 GRCRechtssatz
In seiner Beweiswürdigung legt das BVwG dar, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, insbesondere seine behauptete westliche Orientierung, auf Grund mehrerer Widersprüche und Unstimmigkeiten unglaubwürdig ist. Ein in die Verfassungssphäre reichender Mangel kann darin nicht erkannt werden.
Kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler hinsichtlich der Nicht-Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:
Das BVwG legt seiner Entscheidung die Länderinformation der Staatendokumentation zu Afghanistan, Version 10, veröffentlicht am 28.09.2023, qua Verweis auf den Bescheid des BFA vom 20.10.2023 zugrunde. Es bezieht sich insbesondere auf die "Country Guidance: Afghanistan" der EUAA vom Jänner 2023, der zufolge in keiner Provinz Afghanistans ein solch extremes Ausmaß an Gewalt erreicht werde, dass die bloße Anwesenheit für eine ernsthafte Lebensbedrohung ausreiche. Vor diesem Hintergrund geht das BVwG in nachvollziehbarer Weise davon aus, dass sich die Sicherheitslage seit der Machtübernahme durch die Taliban insofern verändert hat, als eine auf das gesamte Staatsgebiet bezogene ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts nicht (mehr) vorliegt.
Im Hinblick auf die Versorgungslage geht das BVwG auf die aktuellen Länderinformationen sowie die individuelle Situation des Beschwerdeführers ein und nimmt damit eine vertretbare Einzelfallprüfung vor. Das BVwG bezieht sich dabei insbesondere auf den "Afghanistan - Country Focus" der EUAA vom Dezember 2023, dem zufolge von 34 Provinzen zwei in die IPC-Stufe 4 ("acute"), 23 - darunter auch Kabul und Maidan Wardak, die Herkunftsregionen des Beschwerdeführers - in die IPC-Stufe 3 ("crisis") und zehn in die IPC-Stufe 2 ("stressed") eingestuft worden seien. Es berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer ein arbeitsfähiger Mann ist, der den überwiegenden Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht hat, dort zwölf Jahre zur Schule gegangen ist, ein eigenes Geschäft für Baumaterialien betrieben und in einer Firma als Schreibkraft gearbeitet hat, über ein weites familiäres Netzwerk verfügt, wobei seine Familie zudem ein Haus in Kabul sowie einen Hof und mehrere bewirtschaftete Grundstücke in Maidan Wardak besitzt, und dass der Beschwerdeführer die wirtschaftliche Situation seiner Familie unmittelbar vor seiner Flucht (im April 2022) selbst ausdrücklich als gut beschrieben hat. Vor diesem konkreten Hintergrund kann dem BVwG nicht entgegengetreten werden, wenn es davon ausgeht, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr keine reale Gefahr einer Verletzung in seinen Rechten gemäß Art2 und 3 EMRK droht.
Keine Verletzung im Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens: Das BVwG hat sich mit der Frage der Gefährdung des Beschwerdeführers in seinen Rechten auseinandergesetzt. Ihm kann unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden, wenn es auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgeht, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art8 EMRK überwiegt.
Keine Verletzung des Art47 Abs2 GRC: Der Sachverhalt erscheint aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt und aus den Ermittlungen ergibt sich zweifelsfrei, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung begegnet im vorliegenden Fall - insbesondere auch im Hinblick auf die Beurteilung der Sicherheits- und Versorgungslage - keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Privat- und Familienleben, Rückkehrentscheidung, Verhandlung mündlicheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2024:E746.2024Zuletzt aktualisiert am
31.07.2024