Entscheidungsdatum
16.04.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L524 2267086-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2023, Zl. XXXX , betreffend Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz und Erlassung einer Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.02.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA Irak, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2023, Zl. römisch 40 , betreffend Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz und Erlassung einer Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.02.2024, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat: "Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 04.03.2021 wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 AsylG 2005 abgewiesen."A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat: "Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 04.03.2021 wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz 1 AsylG 2005 abgewiesen."
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste Anfang März 2021 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 04.03.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am nächsten Tag erfolgte eine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und am 30.11.2022 die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA).
Mit Bescheid des BFA vom 09.01.2023, Zl. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 2 AsylG iVm § 2 Z 13 AsylG und § 6 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).Mit Bescheid des BFA vom 09.01.2023, Zl. römisch 40 , wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz 3, Ziffer 2, AsylG in Verbindung mit Paragraph 2, Ziffer 13, AsylG und Paragraph 6, Absatz eins, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch VI.).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 09.02.2024 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Das BFA entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde.
II. Feststellungen:römisch II. Feststellungen:
Der 25-jährige Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, stammt aus einer gemischt-ethnischen (kurdisch-arabischen) Familie, ist sunnitischer Moslem, ledig und kinderlos. Der Beschwerdeführer wurde in der Stadt Mossul in der Provinz Ninawa geboren und lebte dort vor seiner Ausreise – abgesehen von einem Aufenthalt im Distrikt Zaxo in der Provinz Dahuk in der Autonomen Region Kurdistan in der Zeit von Frühling 2017 bis Frühling 2019 – gemeinsam mit seinen Eltern und drei Geschwistern in einem Haus in XXXX im Ostteil der Stadt. Der Beschwerdeführer besuchte im Irak ca. elf Jahre die Schule. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer eine Ausbildung als Maler erhielt und im Anschluss diesen Beruf ausübte. Seinen Lebensunterhalt bestritt er mit Hilfe seiner Familie. Der Beschwerdeführer beherrscht Arabisch und Kurmandschi (Nordkurdisch). Der 25-jährige Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, stammt aus einer gemischt-ethnischen (kurdisch-arabischen) Familie, ist sunnitischer Moslem, ledig und kinderlos. Der Beschwerdeführer wurde in der Stadt Mossul in der Provinz Ninawa geboren und lebte dort vor seiner Ausreise – abgesehen von einem Aufenthalt im Distrikt Zaxo in der Provinz Dahuk in der Autonomen Region Kurdistan in der Zeit von Frühling 2017 bis Frühling 2019 – gemeinsam mit seinen Eltern und drei Geschwistern in einem Haus in römisch 40 im Ostteil der Stadt. Der Beschwerdeführer besuchte im Irak ca. elf Jahre die Schule. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer eine Ausbildung als Maler erhielt und im Anschluss diesen Beruf ausübte. Seinen Lebensunterhalt bestritt er mit Hilfe seiner Familie. Der Beschwerdeführer beherrscht Arabisch und Kurmandschi (Nordkurdisch).
Der Beschwerdeführer reiste zwischen April/Mai 2019 und Anfang Dezember 2020 – das genaue Datum kann nicht exakt festgestellt werden – gemeinsam mit seinen Eltern, einer Schwester und einem Bruder legal aus dem Irak aus und hielt sich einige Zeit – die genaue Dauer kann nicht exakt festgestellt werden – in der Türkei und ca. zweieinhalb Monate in Serbien auf. Im März 2021 reiste er illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 04.03.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Am 29.03.2021 verließ der Beschwerdeführer freiwillig das österreichische Bundesgebiet und begab sich für etwa ein Jahr in die Bundesrepublik Deutschland. Das Asylverfahren des Beschwerdeführers wurde daraufhin bis zu dessen Rückkehr im Frühling 2022 vorübergehend eingestellt.
Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, dass er Feinde im Irak habe, die seinen Onkel getötet hätten und auch ihn töten wollen, er in seiner Heimatregion von Da’esh verfolgt worden sei, er in den von Arabern besiedelten Gebieten als „Kurde“ und in den von Kurden besiedelten Gebieten als „Araber“ vertrieben worden sei bzw. ihm bei einer Rückkehr eine Zwangsrekrutierung durch Da’esh drohe, wird der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zugrunde gelegt.
Beschimpfungen, Schikanen oder mangelnde Wertschätzung des Beschwerdeführers außerhalb seiner Heimatstadt Mossul durch Angehörige irakischer Behörden oder Teile der Zivilbevölkerung auf Grund seiner Abstammung aus einer gemischt-ethnischen (kurdisch-arabischen) Familie sind glaubhaft.
Im Frühling 2017 verließ der Beschwerdeführer mit seiner Familie seine Heimatstadt wegen der Milizen von Da’esh, ohne dass es je zu einer persönlichen Konfrontation mit Kämpfern von Da’esh oder gegen den Beschwerdeführer gerichtete Übergriffe kam.
Der Beschwerdeführer war bis zum Verlassen des Irak keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt.
Der Beschwerdeführer verließ den Irak, konkret den Distrikt XXXX in der Provinz Dahuk in der Autonomen Region Kurdistan, auf Grund der dortigen schwierigen Lebensumstände bzw. um sich in Europa, konkret in Österreich, ein besseres Leben aufzubauen.Der Beschwerdeführer verließ den Irak, konkret den Distrikt römisch 40 in der Provinz Dahuk in der Autonomen Region Kurdistan, auf Grund der dortigen schwierigen Lebensumstände bzw. um sich in Europa, konkret in Österreich, ein besseres Leben aufzubauen.
Die Stadt Mossul ist im Luftweg mit Linienflügen über den Flughafen Erbil und sodann über die Fernstraße 2 (via Kalak und Bartella) bzw. alternativ über den Flughafen Bagdad und sodann über die Fernstraße 1 (via Taji, Samarra und Tikrit) ohne die maßgebliche Wahrscheinlichkeit eintretender sicherheitsrelevanter Vorfälle erreichbar.
Zwei Tanten und ein Onkel des Beschwerdeführers leben in Bagdad. Sollte der Kontakt zu diesen Personen tatsächlich abgebrochen sein, läge dem kein nachhaltiges Zerwürfnis zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Familie zugrunde, das eine neuerliche Kontaktaufnahme in jedem Fall ausschließen würde. Mit mehreren in Mossul wohnhaften Freunden hält der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt. Die Eltern, eine Schwester und ein Bruder des Beschwerdeführers leben in der Türkei. Mit diesen Personen steht der Beschwerdeführer regelmäßig über WhatsApp und Messengerdienste in Kontakt. Ein weiterer Bruder ist in der Bundesrepublik Deutschland aufhältig, mit dem der Beschwerdeführer ebenfalls regelmäßig telefonisch in Kontakt steht.
Der Beschwerdeführer hält sich als Asylwerber rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Er verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel.
Der Beschwerdeführer ist gesund. Er leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung. Aktuelle ärztliche bzw. medizinische Befunde, welche eine Beeinträchtigung seiner Gesundheit aufzeigen und/oder Behandlung in Österreich erforderlich erscheinen lassen, hat der Beschwerdeführer nicht vorgelegt.
Der Beschwerdeführer hat keine Qualifizierungsmaßnahmen zum Erwerb der deutschen Sprache besucht und legte auch keine Prüfungen ab. Der Beschwerdeführer beabsichtigt ab Sommer 2024 einen Kursbesuch zum Erwerb der deutschen Sprache. Er verfügt über Deutschkenntnisse, die für eine Verständigung im Alltag auf einfachem Niveau ausreichen. Er geht hier aktuell keiner ehrenamtlichen oder gemeinnützigen Arbeit nach. Der Beschwerdeführer ist – abgesehen vom Besuch eines Fitnessstudios – nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation in Österreich. Er hat in Österreich keine Schule, Kurse oder sonstige Ausbildungen besucht.
Der Beschwerdeführer bezog von Anfang März 2021 bis Mitte März 2021 und von Ende März 2022 bis Ende Juli 2022 Leistungen aus der Grundversorgung. Er übte von 18.07.2022 bis 10.08.2022 als Arbeiter, von 21.11.2022 bis 01.02.2023 als geringfügig beschäftigter Arbeiter, von 17.07.2023 bis 31.07.2023 als Arbeiter und am 01.08.2023 als geringfügig beschäftigter Arbeiter eine unselbständige Tätigkeit aus. Seit 12.08.2022 verfügt der Beschwerdeführer über die Gewerbeberechtigung „Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten“ und geht seither einer selbständigen Erwerbsarbeit zur Bestreitung seines Lebensunterhalts nach.
Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Familienangehörigen. Der Beschwerdeführer hat seit ca. Februar 2023 eine Freundin, die aus Rumänien stammt und er lebt mit ihr seit ca. August 2023 in einem gemeinsamen Haushalt. Eine Eheschließung ist nicht geplant. Die beiden haben keine Kinder. Zwischen den beiden besteht kein finanzielles oder anderweitiges Abhängigkeitsverhältnis. Eine ausgeprägte emotionale Nähe zu seiner Freundin bzw. Bindung an seine Freundin trat im Verfahren nicht zutage, wobei besonders hervorzuheben ist, dass seine Freundin nicht einmal ein Unterstützungsschreiben für den Beschwerdeführer verfasste. Der Beschwerdeführer und seine Freundin waren sich beim Eingehen der Beziehung und allen nachfolgenden Schritten des unsicheren Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers bewusst.
Der Beschwerdeführer verfügt über gewöhnliche soziale Kontakte in Form eines Freundes- und Bekanntenkreises. Er legte zwei Unterstützungserklärungen vor. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.
Zur Lage im Irak:
Politische Lage
Gemäß der Verfassung von 2005 ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch republikanischer Staat. Der Islam ist Staatsreligion und eine der Hauptquellen der Gesetzgebung (AA 28.10.2022, S.6; vgl. Fanack 8.7.2020). Das Land ist in 18 Gouvernements (muhafaz?t) unterteilt (Fanack 8.7.2020; DFAT 16.1.2023, S.9), jedes mit einem gewählten Rat. Die Gouverneure werden vom Präsidenten auf Anraten der Bundesregierung ernannt (DFAT 16.1.2023; S.9). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (BS 29.4.2020, S.11; vgl. RIL 15.10.2005, S.14). An der Spitze der Exekutive steht der Präsident, welcher mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (arab.: majlis al-nuww?b, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat) für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt, mit denen er den Präsidialrat bildet, welcher einstimmige Entscheidungen trifft (Fanack 8.7.2020). Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und repräsentiert die Souveränität und Einheit des Staates (DFAT 17.8.2020, S.17). Das zweite Organ der Exekutive ist der Premierminister, welcher vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt wird (Fanack 8.7.2020; vgl. RIL 15.10.2005, S.23). Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik und ist zudem Oberbefehlshaber der Streitkräfte (Fanack 8.7.2020; vgl. DFAT 17.8.2020, S.17). Die Legislative wird durch den Repräsentantenrat, d. h. das Parlament, ausgeübt (Fanack 8.7.2020; vgl. KAS 2.5.2018, S.2). Er besteht aus 329 Abgeordneten, die für eine Periode von vier Jahren gewählt werden (FH 2023). Neun Sitze sind per Gesetz für ethnische und religiöse Minderheiten reserviert (AA 22.1.2021, S.11; vgl. FH 2023, USDOS 12.4.2022) - fünf für Christen und je einer für Jesiden, Mandäer-Sabäer, Shabak und für Faili-Kurden aus dem Gouvernement Wassit (AA 22.1.2021, S.11; vgl. FH 2023, USDOS 12.4.2022). Die festgeschriebene Mindest-Frauenquote im Parlament liegt bei 25 % (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 2023). Die Judikative wird vor allem durch den Bundesgerichtshof repräsentiert (KAS 2.5.2018, S.2).Gemäß der Verfassung von 2005 ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch republikanischer Staat. Der Islam ist Staatsreligion und eine der Hauptquellen der Gesetzgebung (AA 28.10.2022, S.6; vergleiche Fanack 8.7.2020). Das Land ist in 18 Gouvernements (muhafaz?t) unterteilt (Fanack 8.7.2020; DFAT 16.1.2023, S.9), jedes mit einem gewählten Rat. Die Gouverneure werden vom Präsidenten auf Anraten der Bundesregierung ernannt (DFAT 16.1.2023; S.9). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (BS 29.4.2020, S.11; vergleiche RIL 15.10.2005, S.14). An der Spitze der Exekutive steht der Präsident, welcher mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (arab.: majlis al-nuww?b, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat) für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt, mit denen er den Präsidialrat bildet, welcher einstimmige Entscheidungen trifft (Fanack 8.7.2020). Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und repräsentiert die Souveränität und Einheit des Staates (DFAT 17.8.2020, S.17). Das zweite Organ der Exekutive ist der Premierminister, welcher vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt wird (Fanack 8.7.2020; vergleiche RIL 15.10.2005, S.23). Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik und ist zudem Oberbefehlshaber der Streitkräfte (Fanack 8.7.2020; vergleiche DFAT 17.8.2020, S.17). Die Legislative wird durch den Repräsentantenrat, d. h. das Parlament, ausgeübt (Fanack 8.7.2020; vergleiche KAS 2.5.2018, S.2). Er besteht aus 329 Abgeordneten, die für eine Periode von vier Jahren gewählt werden (FH 2023). Neun Sitze sind per Gesetz für ethnische und religiöse Minderheiten reserviert (AA 22.1.2021, S.11; vergleiche FH 2023, USDOS 12.4.2022) - fünf für Christen und je einer für Jesiden, Mandäer-Sabäer, Shabak und für Faili-Kurden aus dem Gouvernement Wassit (AA 22.1.2021, S.11; vergleiche FH 2023, USDOS 12.4.2022). Die festgeschriebene Mindest-Frauenquote im Parlament liegt bei 25 % (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 2023). Die Judikative wird vor allem durch den Bundesgerichtshof repräsentiert (KAS 2.5.2018, S.2).
Die Grenzen zwischen Exekutive, Legislative und Judikative sind jedoch häufig fließend (FH 2023). Die Gewaltenteilung wird durch parallele Rollen vieler Entscheidungsträger beeinträchtigt (BS 23.2.2022, S.12). In Artikel 19 der Verfassung heißt es beispielsweise, dass die Justiz unabhängig ist, und keine Macht über der Justiz steht, außer dem Gesetz selbst (BS 23.2.2022, S. 13). Die Justiz ist jedoch eine der schwächsten Institutionen des Staates, und ihre Unabhängigkeit wird häufig durch die Einmischung politischer Parteien über Patronage-Netzwerke und Klientelismus untergraben (BS 29.4.2020, S.11). Die Grenzen zwischen Exekutive, Legislative und Judikative sind jedoch häufig fließend (FH 2023). Die Gewaltenteilung wird durch parallele Rollen vieler Entscheidungsträger beeinträchtigt (BS 23.2.2022, S.12). In Artikel 19 der Verfassung heißt es beispielsweise, dass die Justiz unabhängig ist, und keine Macht über der Justiz steht, außer dem Gesetz selbst (BS 23.2.2022, Sitzung 13). Die Justiz ist jedoch eine der schwächsten Institutionen des Staates, und ihre Unabhängigkeit wird häufig durch die Einmischung politischer Parteien über Patronage-Netzwerke und Klientelismus untergraben (BS 29.4.2020, S.11).
Das politische System des Iraks wird durch das sogenannte Muhasasa-System geprägt (BS 23.2.2022, S.33; vgl. DFAT 16.1.2023, S.9-10, BAMF 5.2020, S.2). Muhasasa im irakischen Kontext bedeutet die Vergabe von staatlichen Ämtern entlang ethnisch-konfessioneller (Muhasasa Ta’ifiyya) oder parteipolitischer (Muhasasa Hizbiyya) Linien. Der Aufteilung wird ein geschätzter Zensus zugrunde gelegt, sodass die drei größten Bevölkerungsgruppen (Kurden, Sunniten, Schiiten) ihren Bevölkerungsanteilen gemäß proportional repräsentiert werden. Einige Minderheiten wie Christen und Jesiden sind durch für sie reservierte Sitze repräsentiert. Mit der Vergabe staatlicher Ämter ergibt sich auch ein Zugang zu staatlichen Ressourcen, z. B. durch Zugang zu Budgets von Ministerien oder lokalen Behörden (BAMF 5.2020, S.2-3.). Das Muhasasa-System gilt auch für die Staatsführung. So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde (FH 24.2.2022; vgl. DFAT 16.1.2023, S.9-10). Das konfessionelle Proporzsystem im Parlament festigt den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindert die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 2.3.2020, S.8). Das seit 2003 etablierte politische Muhasasa-System steht in weiten Teilen der Bevölkerung in der Kritik (BAMF 5.2020, S.30). Seit 2015 richten sich die Demonstrationen im Irak zunehmend auch gegen das etablierte Muhasasa-System als solches. Das Muhasasa-System wird für das Scheitern des Staates verantwortlich gemacht (BAMF 5.2020, S.1).Das politische System des Iraks wird durch das sogenannte Muhasasa-System geprägt (BS 23.2.2022, S.33; vergleiche DFAT 16.1.2023, S.9-10, BAMF 5.2020, S.2). Muhasasa im irakischen Kontext bedeutet die Vergabe von staatlichen Ämtern entlang ethnisch-konfessioneller (Muhasasa Ta’ifiyya) oder parteipolitischer (Muhasasa Hizbiyya) Linien. Der Aufteilung wird ein geschätzter Zensus zugrunde gelegt, sodass die drei größten Bevölkerungsgruppen (Kurden, Sunniten, Schiiten) ihren Bevölkerungsanteilen gemäß proportional repräsentiert werden. Einige Minderheiten wie Christen und Jesiden sind durch für sie reservierte Sitze repräsentiert. Mit der Vergabe staatlicher Ämter ergibt sich auch ein Zugang zu staatlichen Ressourcen, z. B. durch Zugang zu Budgets von Ministerien oder lokalen Behörden (BAMF 5.2020, S.2-3.). Das Muhasasa-System gilt auch für die Staatsführung. So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde (FH 24.2.2022; vergleiche DFAT 16.1.2023, S.9-10). Das konfessionelle Proporzsystem im Parlament festigt den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindert die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 2.3.2020, S.8). Das seit 2003 etablierte politische Muhasasa-System steht in weiten Teilen der Bevölkerung in der Kritik (BAMF 5.2020, S.30). Seit 2015 richten sich die Demonstrationen im Irak zunehmend auch gegen das etablierte Muhasasa-System als solches. Das Muhasasa-System wird für das Scheitern des Staates verantwortlich gemacht (BAMF 5.2020, S.1).
Für die Durchführung der Wahlen im Irak ist die Unabhängige Hohe Wahlkommission (IHEC) verantwortlich. Sie genießt generell das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft und laut manchen Umfragen auch der irakischen Bevölkerung. Der Irak hält regelmäßig kompetitive Wahlen ab. Die verschiedenen parteipolitischen, ethnischen und konfessionellen Gruppen des Landes sind im Allgemeinen im politischen System vertreten. Allerdings wird die demokratische Regierungsführung in der Praxis durch Korruption, die Schwäche formaler Institutionen und durch Milizen, die außerhalb des Gesetzesrahmens agieren, behindert (FH 2023).
Am 1.10.2019 begonnene, lang anhaltende Massenproteste, die sich gegen die Korruption, den sinkenden Lebensstandard und den ausländischen Einfluss im Land, insbesondere durch Iran, aber auch durch die Vereinigten Staaten von Amerika richteten, führten zum Rücktritt des damaligen Premierministers Adel Abdul Mahdi Ende November 2019 (RFE/RL 24.12.2019; vgl. RFE/RL 6.2.2020). Erst im Mai 2020 einigten sich die großen Blöcke im Parlament und ihre ausländischen Unterstützer auf den unabhängigen Mustafa al-Kadhimi als neuen Premierminister (FH 3.3.2021a).Am 1.10.2019 begonnene, lang anhaltende Massenproteste, die sich gegen die Korruption, den sinkenden Lebensstandard und den ausländischen Einfluss im Land, insbesondere durch Iran, aber auch durch die Vereinigten Staaten von Amerika richteten, führten zum Rücktritt des damaligen Premierministers Adel Abdul Mahdi Ende November 2019 (RFE/RL 24.12.2019; vergleiche RFE/RL 6.2.2020). Erst im Mai 2020 einigten sich die großen Blöcke im Parlament und ihre ausländischen Unterstützer auf den unabhängigen Mustafa al-Kadhimi als neuen Premierminister (FH 3.3.2021a).
Im Dezember 2019 hat das irakische Parlament eine der Schlüsselforderungen der Demonstranten umgesetzt und einem neuen Wahlgesetz zugestimmt (RFE/RL 24.12.2019; vgl. NYT 24.12.2019, FH 2023). Das neue Wahlgesetz soll unabhängigen Kandidaten, die nicht von großen Parteien unterstützt werden, den Einzug ins Parlament erleichtern (FH 2023). Kandidaten können überschüssige Stimmen nicht mehr auf andere Kandidaten ihrer Partei übertragen (ICG 16.11.2021). Die achtzehn irakischen Gouvernements wurden in 83 Wahlbezirke unterteilt, auf die die 329 Parlamentssitze verteilt wurden (ICG 16.11.2021; vgl. FH 2023). Die Gouvernements werden hierzu in eine Reihe neuer Wahlbezirke unterteilt, in denen für jeweils etwa 100.000 Einwohner ein Abgeordneter gewählt wird (FH 3.3.2021a). Unklar ist für diese Einteilung jedoch, wie viele Menschen in den jeweiligen Gebieten leben, da es seit über 20 Jahren keinen Zensus gegeben hat (FH 3.3.2021a; vgl. NYT 24.12.2019). Die Distrikte haben je nach Größe zwischen drei und sechs Sitze (ICG 16.11.2021). Einige politische Parteien befürchteten Wahlbetrug und lehnten die Einteilung der Wahlbezirke ab. Besonders die traditionellen Parteienblöcke befürchteten einen Verlust an Einfluss durch die Aufteilung ihrer Wählerschaft in die neuen, kleineren Wahlbezirke (AlMon 2.11.2020).Im Dezember 2019 hat das irakische Parlament eine der Schlüsselforderungen der Demonstranten umgesetzt und einem neuen Wahlgesetz zugestimmt (RFE/RL 24.12.2019; vergleiche NYT 24.12.2019, FH 2023). Das neue Wahlgesetz soll unabhängigen Kandidaten, die nicht von großen Parteien unterstützt werden, den Einzug ins Parlament erleichtern (FH 2023). Kandidaten können überschüssige Stimmen nicht mehr auf andere Kandidaten ihrer Partei übertragen (ICG 16.11.2021). Die achtzehn irakischen Gouvernements wurden in 83 Wahlbezirke unterteilt, auf die die 329 Parlamentssitze verteilt wurden (ICG 16.11.2021; vergleiche FH 2023). Die Gouvernements werden hierzu in eine Reihe neuer Wahlbezirke unterteilt, in denen für jeweils etwa 100.000 Einwohner ein Abgeordneter gewählt wird (FH 3.3.2021a). Unklar ist für diese Einteilung jedoch, wie viele Menschen in den jeweiligen Gebieten leben, da es seit über 20 Jahren keinen Zensus gegeben hat (FH 3.3.2021a; vergleiche NYT 24.12.2019). Die Distrikte haben je nach Größe zwischen drei und sechs Sitze (ICG 16.11.2021). Einige politische Parteien befürchteten Wahlbetrug und lehnten die Einteilung der Wahlbezirke ab. Besonders die traditionellen Parteienblöcke befürchteten einen Verlust an Einfluss durch die Aufteilung ihrer Wählerschaft in die neuen, kleineren Wahlbezirke (AlMon 2.11.2020).
Im Juli 2020 hat Premierminister al-Kadhimi ein Versprechen an die