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L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Quasianlaßfall; Anlaßfallwirkung der Aufhebung des (jeweiligen) §6 lita der Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom 26.11.85 idF der Verordnung vom 22.12.86 sowie der Kanalabgabenordnung vom 24.11.88 mit E v 15.12.92, V93,94/91.Spruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Das Land Steiermark ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit insgesamt S 120.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die vorliegenden acht - zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Beschwerden richten sich gegen acht Vorstellungsbescheide der Steiermärkischen Landesregierung, mit welchen über von der beschwerdeführenden Gesellschaft an die Stadtgemeinde Gleisdorf zu entrichtende Kanalbenützungsgebühren abgesprochen wurde. Die bekämpften, sich jeweils auf bestimmte Zeiträume beziehenden Gebührenvorschreibungen stützen sich (unter anderem) auf den - die Höhe der Benützungsgebühr festsetzenden - §6 lita der Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf, und zwar in den zu B925/91, B926/91 und B927/91 protokollierten Beschwerdefällen auf §6 lita der Kanalabgabenordnung vom 26. November 1985 in der Fassung der Verordnung vom 22. Dezember 1986 sowie in den zu B817/91, B818/91, B819/91, B820/91, B845/91 und (ebenfalls) B926/91 protokollierten Beschwerdefällen auf §6 lita der Kanalabgabenordnung vom 24. November 1988.
In den acht Beschwerden wird die Aufhebung der angefochtenen Vorstellungsbescheide mit der - näher ausgeführten - Begründung begehrt, die Gebührenvorschreibung beruhe auf einer rechtswidrigen Verordnung (der Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf).
2. Mit Erkenntnis vom 15. Dezember 1992, V93,94/91 hat der Verfassungsgerichtshof die Bestimmungen des (jeweiligen) §6 lita der Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf vom 26. November 1985 in der Fassung der Verordnung vom 22. Dezember 1986 sowie der Kanalabgabenordnung vom 24. November 1988 als gesetzwidrig aufgehoben.
II. 1. Wie sich aus Art139 Abs6 B-VG ergibt, wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlaßfall zurück. Es ist darum so vorzugehen, als ob die als rechtswidrig erkannte Norm bereits zur Zeit der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem im Art139 Abs6 B-VG genannten Anlaßfall im engeren Sinn (anläßlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet wurde) sind alle jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren bereits anhängig waren (vgl. zur analogen Vorschrift des Art140 Abs7 B-VG VfSlg. 10616/1985, 11711/1988). Die öffentliche Verhandlung im Verfahren zur Prüfung der beiden oben zitierten Verordnungsbestimmungen begann am 9. Dezember 1992; mit Erkenntnis vom 15. Dezember 1992 wurden diese Vorschriften als gesetzwidrig aufgehoben (s. oben unter I.2.).
Die vorliegenden acht Beschwerden langten alle vor dem 9. Dezember 1992 - also vor Beginn der öffentlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren - beim Verfassungsgerichtshof ein.
2. Nach den obigen Ausführungen sind die vorliegenden Fälle daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Nach der Lage dieser Fälle ist es offenkundig, daß die Anwendung des §6 lita der (jeweiligen) Kanalabgabenordnung der Stadtgemeinde Gleisdorf für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft nachteilig war.
Es ist daher auszusprechen, daß die beschwerdeführende Gesellschaft durch die acht angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde; die Bescheide sind aufzuheben (vgl. etwa VfSlg. 10736/1985).
3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.
4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von je
S 2.500,-- (insgesamt also S 20.000,--) enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:B817.1991Dokumentnummer
JFT_10069681_91B00817_2_00