Entscheidungsdatum
24.06.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L525 2273545-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geb. XXXX , StA: Pakistan, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, MA 11 – Kinder- und Jugendhilfe, Rüdengasse 11, 1030 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.05.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.04.2024, zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde des minderjährigen römisch 40 , geb. römisch 40 , StA: Pakistan, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, MA 11 – Kinder- und Jugendhilfe, Rüdengasse 11, 1030 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.05.2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.04.2024, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer – ein Staatsangehöriger von Pakistan – stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 20.04.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an, dass er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, damit er in Europa zur Schule gehen und arbeiten könne. Sein Vater habe in Pakistan Probleme mit Nachbarn und sei deswegen auch das Leben des Beschwerdeführers in Gefahr. Bei einer Rückkehr fürchte er um sein Leben, da der Nachbar schon einmal auf sie geschossen und eine Granate nach ihnen geworfen habe. Sein Onkel habe Schussverletzungen an den Beinen (vgl. AS 14f). 1. Der Beschwerdeführer – ein Staatsangehöriger von Pakistan – stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 20.04.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an, dass er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, damit er in Europa zur Schule gehen und arbeiten könne. Sein Vater habe in Pakistan Probleme mit Nachbarn und sei deswegen auch das Leben des Beschwerdeführers in Gefahr. Bei einer Rückkehr fürchte er um sein Leben, da der Nachbar schon einmal auf sie geschossen und eine Granate nach ihnen geworfen habe. Sein Onkel habe Schussverletzungen an den Beinen vergleiche AS 14f).
2. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 10.11.2022, XXXX , wurde die Obsorge für den mj. Beschwerdeführer dem Magistrat der Stadt Wien, MA 11 – Wiener Kinder- und Jugendhilfe, als zuständigem Kinder- und Jugendhilfeträger, übertragen. 2. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 10.11.2022, römisch 40 , wurde die Obsorge für den mj. Beschwerdeführer dem Magistrat der Stadt Wien, MA 11 – Wiener Kinder- und Jugendhilfe, als zuständigem Kinder- und Jugendhilfeträger, übertragen.
3. Am 08.03.2023 erteilte die die MA 11 – Kinder- und Jugendhilfe namentlich genannten rechtskundigen Mitarbeiter/innen der Caritas Erzdiözese Wien die Vollmacht, den Beschwerdeführer im Asylverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zu vertreten.
4. Am 22.03.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA in Anwesenheit einer Vertreterin der Caritas niederschriftlich einvernommen. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes gab er an, dass sein Vater als Fahrer Treibstoff nach Afghanistan transportiert habe und deshalb von den Taliban mehrmals bedroht worden sei. Einmal sei in der Nacht eine Bombe vor ihrer Haustüre explodiert, wobei der Beschwerdeführer verletzt und sein Bruder getötet worden sei. Darüber hinaus werden Paschtunen in Pakistan nicht respektiert. Dort wo der Beschwerdeführer gelebt habe, gebe es weder Polizei noch Sicherheit. Es wäre auch nicht möglich, dass seine Familie in einem anderen Gebiet in Pakistan leben würde, da sie kein Geld haben und ihnen dies von der Polizei nicht erlaubt werden würde. Bei einer Rückkehr nach Pakistan habe er vor allem Angst vor den Taliban, außerdem habe er dort nicht die Schule besuchen können. Er sei nach Österreich gekommen, um sich ein Leben aufzubauen (vgl. AS 102ff).4. Am 22.03.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA in Anwesenheit einer Vertreterin der Caritas niederschriftlich einvernommen. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes gab er an, dass sein Vater als Fahrer Treibstoff nach Afghanistan transportiert habe und deshalb von den Taliban mehrmals bedroht worden sei. Einmal sei in der Nacht eine Bombe vor ihrer Haustüre explodiert, wobei der Beschwerdeführer verletzt und sein Bruder getötet worden sei. Darüber hinaus werden Paschtunen in Pakistan nicht respektiert. Dort wo der Beschwerdeführer gelebt habe, gebe es weder Polizei noch Sicherheit. Es wäre auch nicht möglich, dass seine Familie in einem anderen Gebiet in Pakistan leben würde, da sie kein Geld haben und ihnen dies von der Polizei nicht erlaubt werden würde. Bei einer Rückkehr nach Pakistan habe er vor allem Angst vor den Taliban, außerdem habe er dort nicht die Schule besuchen können. Er sei nach Österreich gekommen, um sich ein Leben aufzubauen vergleiche AS 102ff).
5. Mit Schriftsatz vom 03.04.2023 erstattete die Vertretung des Beschwerdeführers eine Stellungnahme, in der das Fluchtvorbringen wiederholt und auf die Sicherheitslage in der Herkunftsregion verwiesen wurde.
6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 11.05.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 11.05.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG (Spruchpunkt römisch eins.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG (Spruchpunkt römisch II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.) und gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.). Gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch VI.).
Das BFA kam zu dem Ergebnis, dass sich aus den Angaben des Beschwerdeführers keine Anknüpfungspunkte zu den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten und zu einer Asylgewährung führenden Gründen ergaben. Das Fluchtvorbringen vor dem BFA stehe im eklatanten Widerspruch zu seiner Aussage in der Erstbefragung und war der Beschwerdeführer nicht in der Lage, seine Furcht glaubhaft, lebensnahe und schlüssig darzulegen. Außerdem habe er Kontakt zu seiner Familie, welche nun nicht mehr einer Bedrohung ausgesetzt sei. Eine innerstaatliche Fluchtalternative in eine andere pakistanische Provinz/Stadt sei von ihm nicht wahrgenommen worden und habe er zu seinem Fluchtvorbringen keine Beweismittel in Vorlage bringen können. Es werde nicht verkannt, dass in der pakistanischen Provinz Khyber vermehrt Anschläge stattfinden, allerdings seien diese mehrheitlich gegen das Militär bzw. Sicherheitspersonal gerichtet.
7. Mit Verfahrensanordnung vom 11.05.2023 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben. 7. Mit Verfahrensanordnung vom 11.05.2023 wurde dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 52, Absatz eins, BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.
8. Mit Bescheid des BFA vom 25.05.2023 wurde der im Bescheid vom 11.05.2023 angeführte Name des Beschwerdeführers gemäß § 62 Abs. 4 AVG berichtigt. 8. Mit Bescheid des BFA vom 25.05.2023 wurde der im Bescheid vom 11.05.2023 angeführte Name des Beschwerdeführers gemäß Paragraph 62, Absatz 4, AVG berichtigt.
9. Gegen den Asylbescheid vom 11.05.2023 wurde mit Schriftsatz vom 06.06.2023 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) erhoben. Moniert wird, dass das Bundesamt hätte prüfen müssen, ob für den minderjährigen Beschwerdeführer eine geeignete Aufnahmemöglichkeit in Pakistan zur Verfügung stehen würde. Auch gehe aus der Bescheidbegründung nicht hervor, wie die belangte Behörde auf die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers Bedacht genommen habe, der zum Zeitpunkt des fluchtauslösenden Ereignisses gerade einmal dreizehn Jahre und zum Einvernahmezeitpunkt fünfzehn Jahre alt gewesen sei. Hätte dies das BFA bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit berücksichtigt, wäre es zum Ergebnis gekommen, dass dem Beschwerdeführer asylrelevante Verfolgung in Pakistan drohe. Die Sicherheitslage in seinem Herkunftsgebiet sei zudem äußerst volatil und stelle sich die Lage von Kindern extrem gefährlich dar. Außerdem sei die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers und seiner Familie prekär und könne nicht ausgeschlossen werden, dass er bei seiner Ankunft im Heimatstaat gänzlich auf sich alleine gestellt wäre. Aufgrund dessen komme auch eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht und fehle es in Pakistan an geeigneten Betreuungs-, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen.
10. Am 14.06.2023 wurde die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt dem BVwG vorgelegt.
11. Am 17.04.2024 wurde vor dem BVwG in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner rechtlichen Vertretung und eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter. Es wurden mehrere Integrationsnachweise des Beschwerdeführers vorgelegt. Die Vertretung des Beschwerdeführers gab zudem bekannt, dass das Vollmachtsverhältnis zur Caritas inzwischen wieder aufgelöst worden sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan und stammt aus dem Distrikt Khyber in Khyber Pakhtunkhwa. Er bekennt sich zum sunnitischen Islam und gehört der Volksgruppe der Paschtunen sowie dem Stamm der Afridi an. Er ist ledig und kinderlos. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.
Seine Eltern sowie zwei Brüder und zwei Schwestern leben nach wie vor in Khyber Pakhtunkhwa. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Familie noch regelmäßig Kontakt. Er besuchte in Pakistan die Schule. Seine Muttersprache ist Paschtu. Er verfügt über grundlegende Deutschkenntnisse. Er ist gesund und arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer ist seit Oktober 2022 in einer sozialpädagogischen Wohngemeinschaft des Sozialwerkes XXXX untergebracht. Er besucht seit 01.12.2022 einen Deutschkurs. Seit 08.01.2024 nimmt er an einer Bildungsmaßnahme von XXXX teil, im Rahmen dessen auch Basiskenntnisse in Deutsch vermittelt werden. Weiters nimmt er an einem interkulturellen Kurs beim afghanischen Kulturverein XXXX teil und betätigt sich ehrenamtlich für die XXXX . Er besucht in Österreich nicht die Schule. Der Beschwerdeführer ist seit Oktober 2022 in einer sozialpädagogischen Wohngemeinschaft des Sozialwerkes römisch 40 untergebracht. Er besucht seit 01.12.2022 einen Deutschkurs. Seit 08.01.2024 nimmt er an einer Bildungsmaßnahme von römisch 40 teil, im Rahmen dessen auch Basiskenntnisse in Deutsch vermittelt werden. Weiters nimmt er an einem interkulturellen Kurs beim afghanischen Kulturverein römisch 40 teil und betätigt sich ehrenamtlich für die römisch 40 . Er besucht in Österreich nicht die Schule.
Der Beschwerdeführer hat keine Verwandte in Österreich. Der Beschwerdeführer hat einen Paten, mit welchem er sich ein bis zwei Mal die Woche trifft. Diese machen zusammen Sport und spielen Karten und kochen für einander.
Der Beschwerdeführer ist im Bundesgebiet unbescholten. Er bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Der Beschwerdeführer geht im Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit nach.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Pakistan einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat.
Weiters kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde.Weiters kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2,, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde.
1.3. Länderfeststellungen:
Länderspezifische Anmerkungen
Letzte Änderung 2023-04-12 10:32
In einigen Bereichen dieser Länderinformationen wurde auf das Taliban-Regime in Afghanistan bzw. seine Vertreter Bezug genommen. Dieses "Islamische Emirat Afghanistan" wurde mit Stand März 2023 von keinem Land der Welt anerkannt. Es gilt als eine de-facto-Regierung mit de-facto-Ministerien und de-facto-Ministern. Bezugnahmen, auch wenn sie sich auf staatliche Aufgaben (z.B. Botschaft in Pakistan, Grenzsicherung) beziehen, stellen keine Stellungnahme zur Anerkennung der Legitimation dar.
Der Konflikt um die Region Kaschmir wird kurz im entsprechenden Kapitel zur Sicherheitslage behandelt. Die Behandlung der von Pakistan kontrollierten Gebiete Kaschmirs stellt eine Beschreibung der de-facto-Situation bzw. de-facto-Administration und keine Stellungnahme dar.
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-02-01 11:02
Allgemeine Strukturen
Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa sowie dem Hauptstadtterritorium Islamabad (AA 27.10.2023). Die Stammesgebiete im Nordwesten des Landes, die ehemaligen Federally Administered Tribal Areas bzw. Stammesgebiete unter Bundesverwaltung und Provincially Administered Tribal Areas bzw. Stammesgebiete unter Provinzverwaltung, wurden nach einer Verfassungsänderung 2018 in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert und damit die nationalen und verfassungsmäßigen Rechte auf diese Gebiete ausgedehnt (ICG 14.2.2022). Pakistan kontrolliert außerdem die Gebiete Gilgit-Baltistan sowie Azad Jammu und Kaschmir auf der pakistanisch verwalteten Seite von Kaschmir (AA 27.10.2023).
Pakistan ist eine föderale parlamentarische Republik (USDOS 20.3.2023). Es werden regelmäßig Wahlen im Wettbewerb eines Mehrparteiensystems abgehalten (FH 2023). Die Nationalversammlung besteht aus 342 Abgeordneten, die für fünf Jahre gewählt werden. Zehn der Sitze sind für Nicht-Muslime reserviert, 60 für Frauen. Der Senat hat 100 Mitglieder. Der Premierminister wird für fünf Jahre durch die Nationalversammlung gewählt (EB 19.1.2024). Der Präsident hat eher eine symbolische Funktion und wird ebenfalls für fünf Jahre durch ein Wahlkollegium aus den beiden Häusern des Parlaments und den Provinzversammlungen gewählt (FH 2023; vgl. EB 19.1.2024).Pakistan ist eine föderale parlamentarische Republik (USDOS 20.3.2023). Es werden regelmäßig Wahlen im Wettbewerb eines Mehrparteiensystems abgehalten (FH 2023). Die Nationalversammlung besteht aus 342 Abgeordneten, die für fünf Jahre gewählt werden. Zehn der Sitze sind für Nicht-Muslime reserviert, 60 für Frauen. Der Senat hat 100 Mitglieder. Der Premierminister wird für fünf Jahre durch die Nationalversammlung gewählt (EB 19.1.2024). Der Präsident hat eher eine symbolische Funktion und wird ebenfalls für fünf Jahre durch ein Wahlkollegium aus den beiden Häusern des Parlaments und den Provinzversammlungen gewählt (FH 2023; vergleiche EB 19.1.2024).
Trotz der Existenz formaler demokratischer Institutionen übt das mächtige militärische Establishment de facto einen starken Einfluss aus. Dies hemmt die Entwicklung der demokratischen Institutionen (BS 23.2.2022). Eine lange Reihe an politischen Domänen wird dem Militär überlassen - von der nationalen Sicherheitspolitik bis zur Außenpolitik. Dem Militär wird auch immer wieder vorgeworfen, sich in den Wahlprozess einzumischen (BS 23.2.2022; vgl. FH 2023). Auch Gruppen, die ökonomische Eliten vertreten, haben oft enge Verbindungen zum Staat. Ebenso profitieren religiöse Gruppen vom Zurückgreifen des Staates auf den Islam als ideologische Legitimation. Zwar gab es Fortschritte in einigen Bereichen, doch vieles in der Politik des Landes ist weiterhin an klientelistischen Diensten orientiert und von traditionellen Eliten aus den vermögenden Klassen dominiert (BS 23.2.2022).Trotz der Existenz formaler demokratischer Institutionen übt das mächtige militärische Establishment de facto einen starken Einfluss aus. Dies hemmt die Entwicklung der demokratischen Institutionen (BS 23.2.2022). Eine lange Reihe an politischen Domänen wird dem Militär überlassen - von der nationalen Sicherheitspolitik bis zur Außenpolitik. Dem Militär wird auch immer wieder vorgeworfen, sich in den Wahlprozess einzumischen (BS 23.2.2022; vergleiche FH 2023). Auch Gruppen, die ökonomische Eliten vertreten, haben oft enge Verbindungen zum Staat. Ebenso profitieren religiöse Gruppen vom Zurückgreifen des Staates auf den Islam als ideologische Legitimation. Zwar gab es Fortschritte in einigen Bereichen, doch vieles in der Politik des Landes ist weiterhin an klientelistischen Diensten orientiert und von traditionellen Eliten aus den vermögenden Klassen dominiert (BS 23.2.2022).
Wahlen 2018 und PTI-Regierung
Die Aufdeckung der Übersee-Konten des zu diesem Zeitpunkt amtierenden Premierministers Nawaz Sharif und seiner Familie im Zuge von internationalen Ermittlungen von Journalisten, den "Panama Papers", führte zu einer gerichtlichen Verurteilung und dessen Amtsenthebung (ICIJ 3.4.2023). Bei den folgenden Parlamentswahlen 2018 gewann die Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) die meisten Sitze in der Nationalversammlung, und der Parteivorsitzende, Imran Khan, wurde Premierminister. Während unabhängige Beobachter einerseits technische Verbesserungen in der Durchführung des Wahlprozesses festgestellt haben, äußerten Beobachter, zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Parteien Bedenken hinsichtlich Einflussnahmen durch Militär und Geheimdienst im Vorfeld der Wahlen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2022a). So dokumentierten Beobachter konzertierte Anstrengungen von Teilen des militärischen und richterlichen Establishments, die Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N) des abgesetzten Premierministers Nawaz Sharif zu behindern (FH 2022a; vgl. BS 25.2.2022). Dies beinhaltete Strafverfahren u.a. in Bezug auf Korruption und Terrorismus sowie die Ablehnung von Entlassungen gegen Kaution bis nach den Wahlen. Außerdem berichteten Beobachter von Druck und Einflussnahme auf die Medien durch den Sicherheitsapparat, der zu einer gedämpften Berichterstattung über den Wahlkampf der PML-N geführt hat (FH 2022a). Imran Khan wurde, Berichten zufolge, damals vom Militär gestützt (Guardian 24.5.2023; vgl. SZ 13.6.2023, BS 23.2.2022, FH 2022a, Guardian/Khokhar 24.5.2023).Die Aufdeckung der Übersee-Konten des zu diesem Zeitpunkt amtierenden Premierministers Nawaz Sharif und seiner Familie im Zuge von internationalen Ermittlungen von Journalisten, den "Panama Papers", führte zu einer gerichtlichen Verurteilung und dessen Amtsenthebung (ICIJ 3.4.2023). Bei den folgenden Parlamentswahlen 2018 gewann die Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) die meisten Sitze in der Nationalversammlung, und der Parteivorsitzende, Imran Khan, wurde Premierminister. Während unabhängige Beobachter einerseits technische Verbesserungen in der Durchführung des Wahlprozesses festgestellt haben, äußerten Beobachter, zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Parteien Bedenken hinsichtlich Einflussnahmen durch Militär und Geheimdienst im Vorfeld der Wahlen (USDOS 20.3.2023; vergleiche FH 2022a). So dokumentierten Beobachter konzertierte Anstrengungen von Teilen des militärischen und richterlichen Establishments, die Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N) des abgesetzten Premierministers Nawaz Sharif zu behindern (FH 2022a; vergleiche BS 25.2.2022). Dies beinhaltete Strafverfahren u.a. in Bezug auf Korruption und Terrorismus sowie die Ablehnung von Entlassungen gegen Kaution bis nach den Wahlen. Außerdem berichteten Beobachter von Druck und Einflussnahme auf die Medien durch den Sicherheitsapparat, der zu einer gedämpften Berichterstattung über den Wahlkampf der PML-N geführt hat (FH 2022a). Imran Khan wurde, Berichten zufolge, damals vom Militär gestützt (Guardian 24.5.2023; vergleiche SZ 13.6.2023, BS 23.2.2022, FH 2022a, Guardian/Khokhar 24.5.2023).
Khan hatte die Korruptionsbekämpfung zu seiner politischen Botschaft erhoben. Doch nach seinem Sieg konzentrierte sich die folgende Korruptionsbekämpfung auf die vorangegangenen Regierungsparteien Pakistan Peoples Party (PPP) und PML-N bzw. die sie dominierenden Familiendynastien (DIP 9.10.2021; vgl. ICIJ 3.10.2021, BS 23.2.2022). Die Korruptionsermittlungen gegen führende Mitglieder und Parlamentarier der großen Oppositionsparteien und der Unwillen, sie hinzuzuziehen, führten zu einer Hemmung der parlamentarischen Arbeit und der Gesetzgebung (DAWN 17.3.2022).Khan hatte die Korruptionsbekämpfung zu seiner politischen Botschaft erhoben. Doch nach seinem Sieg konzentrierte sich die folgende Korruptionsbekämpfung auf die vorangegangenen Regierungsparteien Pakistan Peoples Party (PPP) und PML-N bzw. die sie dominierenden Familiendynastien (DIP 9.10.2021; vergleiche ICIJ 3.10.2021, BS 23.2.2022). Die Korruptionsermittlungen gegen führende Mitglieder und Parlamentarier der großen Oppositionsparteien und der Unwillen, sie hinzuzuziehen, führten zu einer Hemmung der parlamentarischen Arbeit und der Gesetzgebung (DAWN 17.3.2022).
Im Oktober 2020 gelang es den beiden Großparteien PPP und PML-N, sich unter dem Namen Pakistan Democratic Movement zu einer Allianz aus insgesamt elf Oppositionsparteien zu vereinen und zu breiten Demonstrationen zu mobilisieren (BS 23.2.2022; vgl. FH 2022a).Im Oktober 2020 gelang es den beiden Großparteien PPP und PML-N, sich unter dem Namen Pakistan Democratic Movement zu einer Allianz aus insgesamt elf Oppositionsparteien zu vereinen und zu breiten Demonstrationen zu mobilisieren (BS 23.2.2022; vergleiche FH 2022a).
Die starke politische Polarisierung erhöhte außerdem den Einfluss des militärischen Establishments weiter. Gleichzeitig war die PTI-Regierung auch selbst in der Umsetzung ihrer Politik durch dieselben Hindernisse gehemmt wie frühere Regierungen. Der Großteil der Abgeordneten der PTI setzte sich aus den traditionellen politischen und ökonomischen Eliten zusammen, die als Hemmschuh für Änderungen agieren, die ihre Interessen gefährden (BS 23.2.2022). Im Oktober 2021 wurden so auch Verstrickungen von Mitgliedern bzw. Geldgebern des PTI-Kabinetts, aber auch hoher Militärs, in illegale Geldgeschäfte durch die internationalen