TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/26 91/10/0165

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Veröffentlicht am 26.06.1995
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Index

82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §26 Abs1 litd;
LMG 1975 §26 Abs2;
LMG 1975 §7 Abs1 litc;
LMG 1975 §74 Abs1;
LMG 1975 §8 litf;
LMG 1975 §9 Abs1 lita;
LMG 1975 §9 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 91/10/0174

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien vom 3. Juni 1991,

1) Zl. MA 63-St 22/90/Str, und 2) Zl. MA 63-St 23/90/Str, betreffend Übertretungen des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 25.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer

schuldig erkannt, er "habe es als handelsrechtlicher

Geschäftsführer und somit als zur Vertretung

der ... Gesellschaft m.b.H. in ..., nach außen Berufener im

Sinne des § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes in der

Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 176/1983 zu verantworten,

daß diese Gesellschaft am 20. Dezember 1988 ein falsch

bezeichnetes kosmetisches Mittel, nämlich einen Tiegel "OAK

(gemeint: AOK) Nachtcreme mit natürlichem Vitamin E" mit den

auf der Verpackung aufscheinenden verbotenen

gesundheitsbezogenen Angaben "erhalten Sie die Gesundheit Ihrer

Haut ... sie bleibt länger jugendlich frisch ... schenkt

Vitalität und jugendliche Frische ... die Haut ... bleibt jung

und schön", durch Auslieferung an die Filiale der

DM-Drogeriemarkt Gesellschaft m.b.H. in ..., in Verkehr

gebracht habe".

    Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde der

Beschwerdeführer schuldig erkannt, er "habe als

handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung

der ... Gesellschaft m.b.H. in ..., nach außen Berufener im

Sinne des § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 176/1983 zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 11. November 1988 um 9.15 Uhr falsch bezeichnete kosmetische Mittel, nämlich drei Tiegel "AOK Nachtcreme mit natürlichem Vitam E" mit den auf der Verpackung aufscheinenden verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben "Mit einer fein abgestimmten Rezeptur natürlicher Wirkstoffe erhalten Sie die Gesundheit Ihrer Haut" und "Die Haut bewahrt ihre Elastizität, bleibt jung und schön", durch Lagern in ..., in Verkehr gebracht habe".

Der Beschwerdeführer habe dadurch jeweils § 26 Abs. 1 lit. d und § 9 Abs. 1 lit. a des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG 1975) verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde über den Beschwerdeführer jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 24 Stunden) verhängt.

Nach der - im wesentlichen gleichlautenden - Begründung der angefochtenen Bescheide handle es sich bei den inkriminierten Anpreisungen nicht um eine nach § 26 Abs. 2 LMG 1975 zulässigen nicht irreführenden Hinweise auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen, weil darin solche Wirkungen auf den Organismus nicht konkret behauptet würden; vielmehr handle es sich um allgemeine Hinweise auf gesunderhaltende und jungerhaltende Wirkungen, die ohne Einschränkung unter das Verbot des § 9 Abs. 1 lit. a leg. cit. fielen. Damit erübrige sich ein Eingehen auf das Berufungsvorbringen, wonach die genannten Hinweise nicht irreführend seien.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Beschwerdeführer hat dazu eine Replik erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:

Nach dem mit "Verbote gesundheitsbezogener Angaben" überschriebenen § 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken.

Gemäß § 26 Abs. 1 lit. d LMG 1975 ist es verboten, kosmetische Mittel in Verkehr zu bringen, die falsch bezeichnet sind.

Nach § 26 Abs. 2 leg. cit. gilt u.a. § 9 mit der Maßgabe, daß nicht irreführende Hinweise auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen sowie bildliche Darstellungen zur Erläuterung des Anwendungsbereiches zulässig sind.

Wer dagegen verstößt, macht sich nach § 74 Abs. 1 LMG 1975 einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen.

Die Bestimmung des § 9 Abs. 1 LMG 1975 wurde geschaffen, weil durch gesundheitsbezogene Anpreisungen und gesundheitsbezogene Werbung eine Irreführung der Konsumenten im breiten Ausmaß erfolgen kann. Durch besondere, einseitige Hervorhebung der jedem Lebensmittel innewohnenden physiologischen Wirkung (normales Stoffwechselgeschehen) auf den Organismus ist es möglich, beim Laien völlig falsche Vorstellungen über den wahren Wert und die Bedeutung eines bestimmten Lebensmittels zu erwecken (z. B. "Lucose zum Brennstoffbedarf Ihrer Zellen notwendig"). Zu den unzulässigen Anpreisungen gehören auch Hinweise auf pharmakologische Wirkungen, wie z. B. "für guten Schlaf" oder "zur Senkung des Blutdruckes". Dabei ist es für das Verbot unerheblich, ob die Angaben wahr oder unwahr sind (vgl. dazu z. B.

Brustbauer-Jesionek-Petuely-Wrabetz, Das Lebensmittelgesetz 1975, S. 49 ff; ferner Barfuß-Smolka-Onder, Österreichisches Lebensmittelrecht2, Abschn. I A, Kommentar zu § 9). Mit der Ausnahmebestimmung des § 26 Abs. 2 LMG 1975 hat der Gesetzgeber allerdings der Notwendigkeit Rechnung getragen, daß bei kosmetischen Mitteln die physiologischen und pharmakologischen Wirkungen der darin enthaltenen Stoffe angegeben werden müssen, weil sonst die Mittel nicht charakterisiert werden können (vgl. z. B. Brustbauer u.a., a. a.O., S. 123).

Nach § 26 Abs. 2 leg. cit. ist daher der Hinweis auf einzelne physiologische oder pharmakologische Wirkungen eines kosmetischen Mittels auf den Organismus erlaubt. Als Beispiele (arg.: "insbesondere") werden dabei im § 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen genannt.

Die im Beschwerdefall inkriminierten Anpreisungen sind nach Auffassung des Gerichtshofes geeignet, bei flüchtigem Lesen bei einem nicht unbeträchtlichen Teil der Interessenten den Eindruck zu erwecken (vgl. dazu z. B. das Erkenntnis vom 26. September 1994, Zl. 92/10/0468), die Verwendung des genannten Produktes diene der Gesund- bzw. Jungerhaltung der Haut.

Die gegenständlichen Anpreisungen stellen somit unabhängig davon, ob sie nun - wie die belangte Behörde meint - allgemein gehalten sind, jedenfalls eine Unterform der physiologischen bzw. pharmakologischen Wirkung dar. Ein solcher Hinweis ist jedoch - unter der Voraussetzung, daß er nicht irreführend ist - nach § 26 Abs. 2 LMG 1975 zulässig (vgl. das Erkenntnis vom 30. September 1992, Zlen. 92/10/0095, 0112).

Mit dieser Frage hat sich die belangte Behörde jedoch auf Grund ihrer verfehlten Rechtsansicht nicht mehr auseinandergesetzt. Dabei könnte dieser Tatbestand nach der in den Verwaltungsakten erliegenden Stellungnahme der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung vom 22. Dezember 1989 etwa allein schon deshalb gegeben sein, da es keine Wirkstoffgruppe pharmakologischer Stoffe in der Kosmetikverordnung gibt, für die eine der beanstandeten Anpreisungen zulässig wäre.

Die belangte Behörde belastete daher die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes; diese waren somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, wobei es sich erübrigte, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG (insbesondere § 52 Abs. 1) in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1991100165.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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