Entscheidungsdatum
11.06.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L516 2289453-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, vertreten durch Mag. Hubert WAGNER LLM, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2024, Zahl 1368018009/231770402, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb römisch 40 , StA Pakistan, vertreten durch Mag. Hubert WAGNER LLM, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2024, Zahl 1368018009/231770402, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs 1, § 8 Abs 1, § 57, § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs 2 Z 2 und Abs 9 sowie § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins,, Paragraph 8, Absatz eins,, Paragraph 57,, Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG sowie Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2 und Absatz 9, sowie Paragraph 46 und Paragraph 55, FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.B) Die ordentliche Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 06.09.2023 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 19.02.2024 (I.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG sowie (II.) des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG ab. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ (IV.) gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte (V.) gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und sprach (VI.) aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 06.09.2023 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 19.02.2024 (römisch eins.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, AsylG sowie (römisch II.) des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, AsylG ab. Das BFA erteilte unter einem (römisch III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG, erließ (römisch IV.) gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG, stellte (römisch fünf.) gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei und sprach (römisch VI.) aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bescheid wird zur Gänze angefochten.
1. Sachverhaltsfeststellungen:
[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: S=Seite; AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; NS=Niederschrift; VS=Verhandlungsschrift; SN=schriftliche Stellungnahme; EG=Eingabe; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich]
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensverhältnissen in Pakistan
Der Beschwerdeführer führt in Österreich die im Spruch angeführten Namen und sowie die ebenso dort angeführten Geburtsdaten. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan, gehört der Volksgruppe der Punjabi, Kaste Mughal und der Glaubensgemeinschaft der Sunniten an. Seine Identität steht fest. (NS EB 07.09.2023, S 1f; NS EV 14.09.2023, S 10)
Der Beschwerdeführer wurde in Gujranwala in der pakistanischen Provinz Punjab geboren und lebte dort bis zu seiner Ausreise mit seinen Eltern in einem Eigentumshaus, das die Eltern des Beschwerdeführers nach wie vor bewohnen. Er besuchte in Pakistan neun Jahre lang die Grundschule, absolvierte eine Berufsausbildung zum Frisör und arbeitete rund sechs Jahre in seinem eigenen Frisörsalon. Die erwachsenen Geschwister des Beschwerdeführers (eine Schwester und zwei Brüder) leben ebenfalls im Heimatort des Beschwerdeführers; die Schwester des Beschwerdeführers ist verheiratet und lebt vom Einkommen ihres Ehemannes, die Brüder des Beschwerdeführers sind als Tagelöhner tätig. Vor seiner Ausreise finanzierte der Beschwerdeführer den Lebensunterhalt seiner Eltern, aktuell werden diese von den Nachbarn unterstützt. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Mutter. (NS EB 07.09.2023, S 1f; NS EV 14.09.2023, S 6-8)
Der Beschwerdeführer verließ seine Heimat Ende August 2023 legal mit dem Flugzeug und flog über Saudi-Arabien nach Wien-Schwechat, wo er versuchte unter Vorlage eines gefälschten italienischen Dokumentes in das österreichische Bundesgebiet einzureisen. (NS EB 07.09.2023, S 5f; NS EV 14.09.2023, S 9; AS 17f)
1.2 Zur Lebenssituation des Beschwerdeführers in Österreich
Der Beschwerdeführer stellte am 06.09.2023 am Flughafen Wien-Schwechat den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Sein aktueller Aufenthalt ist seit 08.01.2024 unbekannt, er verfügt seither über keine aufrechte Wohnsitzmeldung im Zentralen Melderegister (ZMR).
Der Beschwerdeführer bezieht aktuell keine Leistungen aus der Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich Er verfügt seit 13.01.2024 über eine Gewerbeberechtigung für das freie Gewerbe „Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten“. Von 13.01.2024 bis 31.03.2024 war als gewerbl. selbständiger Erwerbstätiger sozialversichert, aktuell ist er nicht versichert (AJ-WEB, GISA, GVS [OZ 2, 3]).
Der Beschwerdeführer besuchte bisher keine (Deutsch-)Kurse und hat auch sonst keine Deutschkenntnisse nachgewiesen oder behauptet. Er lebt nicht in einer Lebensgemeinschaft und führt auch sonst keine intensiven Beziehungen zu in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigten Personen. (NS EV 14.09.2023, S 10)
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten (Strafregister der Republik Österreich).
1.3 Zum Gesundheitszustand
Der Beschwerdeführer ist gesund und nimmt keine Medikamente ein. (NS EV 14.09.2023, S 2)
1.4 Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung seines Antrages auf internationalen Schutz zusammengefasst im Wesentlichen Folgendes vor:
Anlässlich der Erstbefragung am 07.09.2023 gab der Beschwerdeführer an, Mitglied der Partei PTI gewesen und deswegen vom Militär für 2 Tage mitgenommen worden zu sein. Er sei dort geschlagen und ihm gedroht worden, dass er nicht mehr mit dieser Partei zusammenarbeiten soll. Aus Angst um sein Leben und dass er wieder festgenommen werde, habe er das Land verlassen. (NS EB 07.09.2023 S 7)
Bei der Einvernahme vor dem BFA am 14.09.2023 gab der Beschwerdeführer – zusammengefasst – an, etwas ergänzen zu wollen. Bei der ersten Einvernahme habe ihn der Dolmetscher gedrängt, seine Sachen schnell anzugeben und sei nicht alles aufgenommen worden. Am 16.08. [2023] sei die Kirche in Jaranwala angezündet und verbrannt worden. Der Beschwerdeführer selbst habe einen Friseurladen in Gujranwala gehabt, was eineinhalb bis zwei Stunden entfernt sei. Ein Großteil seiner Kunden seien Christen gewesen, die mittlerweile auch seine Freunde seien. Am 17.08. sei er gebeten worden, ein Teil des Protests für die verbrannte Kirche zu sein. Am 17.08. habe er vormittags mit ihnen in Gujranwala protestiert. Am Abend desselben Tages sei sein Geschäft von den Taliban mit Maschinengewehren durchlöchert worden. Sie hätten laut geschrien, dass er ein Ungläubiger sei, weil er die Christen unterstützt habe. Während sie abgefeuert hätten, hätten sie geschrien, dass er es nicht verdient habe, zu leben. Der Beschwerdeführer und sein Freund hätten noch durch die Hintertüre flüchten können und seien durch ein Wunder weder verletzt noch getroffen worden. Vom 17.08. bis zum 31.08. bis zu seiner Flucht aus Pakistan habe sich der Beschwerdeführer bei einem Freund namens Ali versteckt. Beim Protest seien insgesamt 4 Moslems anwesend gewesen, neben dem Beschwerdeführer noch sein Freund und zwei weitere. Am 26.08. habe ihn seine Mutter kontaktiert und ihm mitgeteilt, dass die anderen zwei von den Taliban umgebracht worden seien und sie nach ihnen suchen würden. Am 26.08. habe Ali seinen Freund namens Asif kontaktiert, der in Gujrat lebe und ein Schlepper sei. Asif habe ihnen mitgeteilt, dass er ihnen für € 12.000 zur Flucht nach Europa helfe. Die Mutter des Beschwerdeführers habe dann Schmuck und diverse Dinge vom Haushalt verkauft, um das Geld zusammenzubekommen. Schließlich sei der Beschwerdeführer mit dem Flugzeug nach Saudi-Arabien ausgereist. (NS EV 14.09.2023, S 4f., 11)
Er halte zudem seine Fluchtgründe aus der Erstbefragung aufrecht. Am 12. Mai sei das Militär zu ihm ins Geschäft gekommen und habe ihn geschlagen bzw. habe ihn das Militär mitgenommen und auf dem Weg geschlagen. Er sei Unterstützer der PTI und werde von der Miliz verfolgt seit Imran Khan inhaftiert worden sei und der Beschwerdeführer und sein Freund am 09.05. bei diesem großen Protest teilgenommen habe. Die Miliz habe die Schaufenster von seinem Geschäft kaputt geschlagen und ihm Ohrfeigen gegeben. Sie habe ihn und seinen Freund vom 12.05. bis zum 14.05 mitgenommen. In dieser Zeit hätten sie weiterhin Ohrfeigen bekommen, seien bedroht und eingeschüchtert worden. Bei seiner Entlassung am 14.05. habe die Miliz lautstark gesagt, dass sie von der Miliz erschossen werden würden, falls sie die PTI nochmals unterstützen würden. Weitere Vorfälle mit der Miliz habe es nicht gegeben. Die Polizei sei danach öfter zu ihnen gekommen. Die Polizei würde mit der Miliz unter einer Decke stecken. Die Polizei habe sie immer gratis arbeiten lassen und ihnen immer wieder gedroht. (NS EV 14.09.2023, S 11, 16-18)
In der Beschwerde vom 22.03.2024 wird zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer als Fluchtgrund vorgebracht habe, von den Taliban verfolgt worden zu sein. Dies habe die belangte Behörde nicht für glaubhaft gehalten. Da es jedoch dennoch zutreffe, hätte der Beschwerdeführer in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren beweisen können. Diese sei jedoch mangelhaft geblieben und seien dem Beschwerdeführer zu Unrecht Widersprüche in seinen Aussagen unterstellt worden, die erklärbar seien bzw. eigentlich nicht vorliegen würden. Die Feststellungen des BFA würden auf einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung und einer unschlüssigen Beweiswürdigung basieren und § 60 AVG verletzen. Das BFA habe nicht durch eigene Ermittlungsschritte wie zB konkretere Fragen bezüglich relevanter Sachverhaltselemente darauf hingewirkt, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht werden würden. Eine fehlerfreie Beweiswürdigung habe bereits auf Grund der festgestellten Verletzung der Ermittlungspflicht und der nicht einschlägigen Länderberichte nicht erfolgenn können. Das BFA habe im gegenständlichen Fall insbesondere den Umstand, dass dem Beschwerdeführer sowohl eine Zwangsrekrutierung als auch Verfolgung und Bedrohung durch die Taliban wegen seiner Flucht und der Stellung eines Asylantrags drohe, nicht entsprechend berücksichtigt. (Beschwerde S 2-4)In der Beschwerde vom 22.03.2024 wird zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer als Fluchtgrund vorgebracht habe, von den Taliban verfolgt worden zu sein. Dies habe die belangte Behörde nicht für glaubhaft gehalten. Da es jedoch dennoch zutreffe, hätte der Beschwerdeführer in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren beweisen können. Diese sei jedoch mangelhaft geblieben und seien dem Beschwerdeführer zu Unrecht Widersprüche in seinen Aussagen unterstellt worden, die erklärbar seien bzw. eigentlich nicht vorliegen würden. Die Feststellungen des BFA würden auf einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung und einer unschlüssigen Beweiswürdigung basieren und Paragraph 60, AVG verletzen. Das BFA habe nicht durch eigene Ermittlungsschritte wie zB konkretere Fragen bezüglich relevanter Sachverhaltselemente darauf hingewirkt, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht werden würden. Eine fehlerfreie Beweiswürdigung habe bereits auf Grund der festgestellten Verletzung der Ermittlungspflicht und der nicht einschlägigen Länderberichte nicht erfolgenn können. Das BFA habe im gegenständlichen Fall insbesondere den Umstand, dass dem Beschwerdeführer sowohl eine Zwangsrekrutierung als auch Verfolgung und Bedrohung durch die Taliban wegen seiner Flucht und der Stellung eines Asylantrags drohe, nicht entsprechend berücksichtigt. (Beschwerde S 2-4)
1.5 Zur Glaubhaftigkeit der vorgebrachten Antragsgründe und Rückkehrbefürchtung
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er aufgrund der Teilnahme an einer von Christen organisierten Demonstration von den Taliban sowie aufgrund seiner politischen Betätigung für die PTI von der Miliz und der Polizei verfolgt worden sei und ihm bei einer Rückkehr Verfolgung durch die Taliban, die Miliz und die Polizei drohe, ist nicht glaubhaft.
Der Beschwerdeführer hat somit nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung oder Bedrohung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.
1.6 Zur Lage in Pakistan
(Quelle: Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation aus dem COI-CMS, Version 7, Stand 01.02.2024)
Sicherheitslage
Allgemeine Entwicklungen in Bezug auf Terrorismus
Pakistan konnte ab 2014 bedeutenden Erfolg in seiner Terrorbekämpfung aufweisen. Sie führten zu einer verbesserten allgemeinen Sicherheitslage, die allerdings aktuell wieder vor Herausforderungen steht (PIPS 10.1.2024).
Konstante Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte und polizeilichen Anti-Terrorabteilungen, darunter die groß angelegten Militäroperationen Zarb-e-Azb, Khyber I-IV und Radd-ul-Fasaad sowie einige Anti-Extremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, NAP, trugen zu einem kontinuierlichen Rückgang terroristischer Anschläge von 2009 bis 2020 - mit Ausnahme des Jahres 2013 - bei (PIPS 15.6.2021).
Die Operation Zarb-e-Azb 2014 war in erster Linie auf die Provinz Khyber Pakhtunkhwa und die damaligen Federal Administered Tribal Areas, FATA, ausgerichtet, um Terrorgruppen in Nord-Waziristan zu bekämpfen. Aus den meisten Gebieten konnten die militanten Extremisten vertrieben werden. Unter den Militäroperationen litt allerdings auch die Zivilbevölkerung vor Ort, eine hohe Anzahl an Personen wurde zu intern Vertriebenen. Die darauffolgende Operation Radd-ul-Fasaad involviert auch zivile Einsatzkräfte und konzentrierte sich auf geheimdienstliche Operationen im gesamten Land, um Schläferzellen und Verstecke militanter Extremisten auszuheben (EASO 10.2021)
Auch wurden signifikante Maßnahmen zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung unternommen (FES 12.2020; vgl. PIPS 24.2.2023). Bei der Bekämpfung des Extremismus hat der NAP allerdings nur geringe Erfolge erzielt. Die Verbreitung extremistischer Literatur, extremistische Kundgebungen und die Verherrlichung von Terroristen hielten an (FES 12.2020). Ebenso zeigten sich wenige Fortschritte bei der Regulierung von Madrassen oder des Internets, um dem Extremismus entgegenzutreten (PIPS 18.2.2022).Auch wurden signifikante Maßnahmen zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung unternommen (FES 12.2020; vergleiche PIPS 24.2.2023). Bei der Bekämpfung des Extremismus hat der NAP allerdings nur geringe Erfolge erzielt. Die Verbreitung extremistischer Literatur, extremistische Kundgebungen und die Verherrlichung von Terroristen hielten an (FES 12.2020). Ebenso zeigten sich wenige Fortschritte bei der Regulierung von Madrassen oder des Internets, um dem Extremismus entgegenzutreten (PIPS 18.2.2022).
Ab Mitte 2020 kam es zu einem Wiederaufleben jihadistischer militanter Gruppen in Gebieten wie Nord-Waziristan und Bajaur in Khyber Pakhtunkhwa (FES 12.2020). Der Regimewechsel in Afghanistan hat diese Gruppen bekräftigt. Dies wird besonders in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan sichtbar (PIPS 4.1.2022).
Trendumkehr bei den Anschlagszahlen seit 2021
Bereits das Jahr 2021 war von einem 42-prozentigen Anstieg der Zahl an Anschlägen im Vergleich zum Jahr 2020 auf 207 Terrorakte gezeichnet (PIPS 4.1.2022). Im Jahr 2022 stieg das zweite Jahr in Folge die Zahl der Anschläge, und zwar um 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 262 Terrorakte. Diese forderten zusammen 419 Menschenleben, ein Anstieg von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ungefähr die Hälfte der Todesopfer 2022, 206, waren - laut Daten des Analyseinstituts Pak Institute for Peace Studies, PIPS, - Mitglieder der Sicherheitskräfte bzw. Exekutivbehörden, 152 waren Zivilisten und 61 Terroristen (PIPS 24.2.2023).
Das Jahr 2023 verzeichnete als drittes Jahr in Folge einen neuerlichen Anstieg in den Erhebungen von PIPS: um 17 Prozent in der Zahl der Anschläge auf 306; und um 65 Prozent in der Zahl der Todesopfer auf 693. Von den Todesopfern waren 330 - erneut beinahe die Hälfte - Sicherheitskräfte, 260 Zivilisten und 103 Terroristen (PIPS 10.1.2024).
Das Center for Research and Security Studies, CRSS, als Vergleichsquelle, verzeichnet in einer ersten Gesamtauswertung für das Jahr 2023 586 terroristische Anschläge mit 986 Toten (CRSS 31.12.2023). In der vertieften Auswertung für 2022 waren es 378 Anschläge mit 602 Todesopfern, davon 291 Mitglieder der Sicherheitskräfte, 297 Zivilisten und 14 Terroristen (CRSS 19.5.2023). Für das Jahr 2021 verzeichnete es 403 Terrorakte mit 555 Toten, davon 330 Zivilisten (CRSS 3.1.2022).
Eine spezifische Analyse des PIPS verdeutlicht konkret, dass im Zeitraum der 21 Monate zwischen der Machtübernahme der Taliban in Kabul vom August 2021 bis zum Stand der Auswertung im April 2023 im Vergleich zu den 21 Monaten davor eine Steigerung der Anschläge um 73 Prozent festgestellt werden kann, während die Todeszahlen eine Steigerung um 138 Prozent erfuhren. In diesem Vergleich zeigt sich allerdings auch eine starke Konzentration. Während Khyber Pakhtunkhwa einen Anstieg an Anschlägen um 92 Prozent in diesem Zeitraum erfuhr 11 und Belutschistan um 81 Prozent, gingen die Anschläge im Punjab, Islamabad und Sindh im selben Zeitraum zurück (PIPS 30.5.2023).
Regionale Konzentration der Anschläge
Seit vielen Jahren ist sichtbar, dass die terroristische Gewalt hauptsächlich auf Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa konzentriert bleibt (PIPS 4.1.2022). Regional aufgeschlüsselt betrafen im Jahr 2023 93 Prozent aller Anschläge in Pakistan diese beiden Provinzen. Wie zuvor entfiel die Mehrheit - konkret 174 der 306 landesweiten Anschläge und damit 57 Prozent auf Khyber Pakhtunkhwa. 422 der landesweit 693 Todesopfer entfielen auf die Provinz. Belutschistan verzeichnete 110 der Anschläge mit 229 Todesopfern (PIPS 10.1.2024).
Im Vorjahr, 2022, entfielen 95 Prozent aller Anschläge auf diese beiden Provinzen und hier wiederum allein 64 Prozent - beinahe zwei Drittel - auf Khyber Pakhtunkhwa mit 169 Anschlägen. Hier waren auch 294 der 419 Todesopfer des Jahres 2022 zu beklagen. Mehr noch ließ sich der Gesamtanstieg der Anschlagszahlen 2022 allein auf einen Anstieg der Anschläge um 52 Prozent in dieser Provinz zurückführen. In den übrigen Provinzen gingen 2022 die Anschläge zurück oder blieben auf gleichem Niveau. In Belutschistan, das von der zweithöchsten Zahl an Anschlägen betroffen war, wurden im Jahr 2022 79 Anschläge durchgeführt - im Vergleich zu 81 des Vorjahres. Dabei wurden 106 Menschen getötet (PIPS 24.2.2023). In der Auswertung von CRSS betrafen 303 von 378 Anschlägen im Jahr 2022 allein diese beiden Provinzen (CRSS 19.5.2023).
Im Jahr 2021 trafen 93 Prozent der gesamten von PIPS erfassten Anschläge die beiden Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan zusammengenommen, die meisten mit 111 von insgesamt 207 Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 4.1.2022).
Reaktion der Sicherheitskräfte
Auf den Anstieg der terroristischen Gewalt reagierten die Streitkräfte mit geheimdienstlichen Operationen, der Fortführung der Operation Radd-ul-Fasaad und in den Grenzregionen mit der Stationierung regulärer Armeetruppen (EASO 10.2021).
Die Sicherheitskräfte führten im Jahr 2023 129 Anti-Terror-Operationen in 31 Distrikten des Landes durch. Bei diesen starben - laut den Erhebungen von PIPS - 373 Terroristen, 50 Sicherheitskräfte und zwei Zivilisten. Zusätzlich kam es zu 24 bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Terroristen, bei denen 37 Terroristen und 18 Mitglieder der Sicherheitskräfte starben. 21 dieser Auseinandersetzungen betrafen Khyber Pakhtunkhwa. Außerdem nahmen die Sicherheitskräfte bei 87 Suchoperationen im gesamten Land 377 des Terrorismus Verdächtigte bzw. Mitglieder militanter Gruppen fest. Diese Zahl umfasst keine Personen, die nach ersten Untersuchungen wieder freigelassen wurden (PIPS 10.1.2024).
Im Vergleich wurden 2022 87 Anti-Terror-Operationen in 25 Distrikten durchgeführt. Diese forderten 327 Tote, laut Daten von PIPS 302 Terroristen, 24 Sicherheitskräfte und ein Zivilist. 57 der Sicherheitsoperationen des Jahres 2022 wurden in Khyber Pakhtunkhwa durchgeführt, 28 in Belutschistan. In 66 Suchoperationen wurden im Rahmen der Operation Radd-ul-Fasaad laut PIPS 129 des Terrorismus Verdächtigte festgenommen. Außerdem kam es zu elf bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Militanten/Terroristen in Khyber Pakhtunkhwa mit 25 Toten, davon 13 Terroristen und zwölf Soldaten. Für das Jahr 2021 wurden sechs derartige Zusammenstöße und 63 Anti-Terror-Operationen aufgezeichnet (PIPS 24.2.2023).
CRSS berichtet von 197 Operationen gegen Militante und Aufständische durch die Sicherheitskräfte im Jahr 2023 mit 537 Toten (CRSS 31.12.2023).
Für das Jahr 2022 zählte CRSS 128 Operationen, bei denen 368 Menschen getötet und 102 mutmaßliche Terroristen verhaftet worden sind. Die Mehrheit der Sicherheitsoperationen zeichnete CRSS in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan auf (CRSS 19.5.2023). Für das Jahr 2021 registrierte CRSS 146 Sicherheitsoperationen (CRSS 3.1.2022).
In den letzten Jahren hat Pakistan außerdem mehrere rechtliche, administrative und operative Maßnahmen gegen Terrorfinanzierung gesetzt und 26 der 27 Bedingungen des Aktionsplanes der Financial Action Task Force, einer internationalen Organisation gegen Terrorismusfinanzierung, erfüllt (PIPS 24.2.2023).
Kommunale Gewalt aufgrund religiösen Fundamentalismus
Weiters zeigt sich, dass der religiöse Extremismus, auch abseits der Terrorgruppen, eine große Herausforderung darstellt. Zum einen ist dies in den Gewalttaten von aufgestachelten Menschenmengen, sogenannten Mobs, erkennbar [Anm. siehe dazu auch Kap. Religionsfreiheit]. Zum anderen manifestiert sich dies in den gewalttätigen Protesten der politisch-religiösen Bewegung Tehreek-e-Labbaik Pakistan, TLP. Die Gewalt der TLP erreichte 2021 einen Höhepunkt, als bei Demonstrationen in den Städten des Punjab 24 Menschen ums Leben kamen, 10 davon Polizisten, und eine Polizeistation gestürmt und besetzt wurde. Sie wurden erst beigelegt, nachdem 19 die Regierung dem Druck nachgab, den Anführer freiließ und das Verbot der Gruppe aufhob (PIPS 4.1.2022). Für 2022 zählte das Sicherheitsanalyseinstitut PIPS zwei Gewaltvorfälle auf, in denen Anhänger der TLP involviert waren und bei denen jeweils eine Person getötet wurde (PIPS 24.2.2023). 2023 war die TLP in zwei Gewaltakte durch aufgehetzte Menschenmengen gegen Minderheiten involviert (PIPS 10.1.2024).
Für das Jahr 2023 verzeichnete PIPS folgende Vorfälle kommunaler religiös-motivierter Gewaltausbrüche, also Gewalt durch religiös motiviert aufgehetzte Menschenmengen:
• Im Februar stürmte im Punjab eine aufgebrachte Menschenmenge einen Polizeiposten und tötete einen inhaftierten Blasphemiebeschuldigten (AJ 16.8.2023; vgl. PIPS 8.3.2023). Ein weiterer Mob verwüstete im Sindh eine Glaubensstätte der Ahmadi in Karatschi (PIPS 8.3.2023). • Im Februar stürmte im Punjab eine aufgebrachte Menschenmenge einen Polizeiposten und tötete einen inhaftierten Blasphemiebeschuldigten (AJ 16.8.2023; vergleiche PIPS 8.3.2023). Ein weiterer Mob verwüstete im Sindh eine Glaubensstätte der Ahmadi in Karatschi (PIPS 8.3.2023).
• Im März attackierten Anhänger einer islamistischen Partei Hindu-Studenten an einer Universität im Punjab bei einem religiösen Fest und verletzten 15 von ihnen (WION 7.3.2023; vgl. PIPS 5.4.2023). • Im März attackierten Anhänger einer islamistischen Partei Hindu-Studenten an einer Universität im Punjab bei einem religiösen Fest und verletzten 15 von ihnen (WION 7.3.2023; vergleiche PIPS 5.4.2023).
• Im Mai wurde eine Person nach angeblicher Blasphemie durch eine Menschenmenge in Khyber Pakhtunkhwa getötet (PIPS 8.6.2023).
• Im August verzeichnete PIPS zwei Mob-Vorfälle mit einem Toten (PIPS 6.9.2023): Im Punjab randalierte ein aufgebrachter Mob nach Blasphemievor