Entscheidungsdatum
12.06.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L512 2280299-1/41E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , StA. Libanon, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , XXXX zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerden von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Libanon, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am römisch 40 , römisch 40 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46, § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.A) Die Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide werden gemäß Paragraph 3, Absatz eins,, Paragraph 8, Absatz eins,, Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3,, Paragraph 57, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG sowie Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2 und Absatz 9,, Paragraph 46,, Paragraph 55, FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein libanesischer Staatsangehöriger und Angehöriger der sunnitischen Religionsgemeinschaft stellte am 10.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.römisch eins.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein libanesischer Staatsangehöriger und Angehöriger der sunnitischen Religionsgemeinschaft stellte am 10.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 12.08.2022 zu seinen Ausreisegründen zusammengefasst vor, dass er im Libanon von der Amal-Bewegung und von der Hisbollah schikaniert und bedroht worden sei, weil er bei Demonstrationen mitgemacht habe. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor beiden Bewegungen [Aktenseite (AS) 11].römisch eins.2. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 12.08.2022 zu seinen Ausreisegründen zusammengefasst vor, dass er im Libanon von der Amal-Bewegung und von der Hisbollah schikaniert und bedroht worden sei, weil er bei Demonstrationen mitgemacht habe. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor beiden Bewegungen [Aktenseite (AS) 11].
I.3. Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte der BF am 04.07.2023 zu seinen Ausreisegründen im Wesentlichen vor, dass er im Libanon studiert habe, um sich ein faires Leben zu realisieren. Dies sei aber nicht möglich, weil die Hisbollah, die Amal-Bewegung und viele andere Bewegungen an der Regierung seien. Wenn man nicht zu einer dieser Bewegungen gehöre, werde man nie eine Chance bekommen, im Leben etwas zu erreichen. Er habe aus Protest gegen diese Bewegungen auf XXXX gepostet und familiäre Probleme bekommen. XXXX bei der Revolution sei er erstmals bedroht worden. Bei den Demonstrationen seien Leute von der Hisbollah und von der Amal-Bewegung gekommen. Sie seien die Mehrheit gewesen und hätten sie mit Knüppeln geschlagen. Es habe auch Drohungen via Chats auf seinem Handy gegeben. Er habe sich nicht mehr als Mensch gefühlt und hätten sich diese Demonstrationen mehrmals wiederholt. Im August habe es in Beirut die Explosion im Hafen gegeben, was der Hauptgrund für seine Ausreise gewesen sei. Wenn der Beschwerdeführer seine Meinung auf XXXX oder seine politische Meinung geäußert habe, sei er sofort bedroht worden. Der Vater des BF sei XXXX von der Hisbollah verhaftet und zum BF befragt worden. Sie hätten den BF sogar verdächtigt, zu den Israelis oder dem Mossad zu gehören. Der BF habe deswegen von XXXX bis XXXX für ca. XXXX das Haus nicht verlassen und in dieser Zeit viel mehr die Ortschaften wechseln müssen. Dadurch, dass sein Vater Geschäfte mit diesen Leuten gemacht habe, habe dieser seine Beziehungen eingesetzt und sie um das Leben des BF angefleht. Nach diesem Vorfall habe der BF fürchterliche Angst bekommen (AS 53 ff.). römisch eins.3. Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte der BF am 04.07.2023 zu seinen Ausreisegründen im Wesentlichen vor, dass er im Libanon studiert habe, um sich ein faires Leben zu realisieren. Dies sei aber nicht möglich, weil die Hisbollah, die Amal-Bewegung und viele andere Bewegungen an der Regierung seien. Wenn man nicht zu einer dieser Bewegungen gehöre, werde man nie eine Chance bekommen, im Leben etwas zu erreichen. Er habe aus Protest gegen diese Bewegungen auf römisch 40 gepostet und familiäre Probleme bekommen. römisch 40 bei der Revolution sei er erstmals bedroht worden. Bei den Demonstrationen seien Leute von der Hisbollah und von der Amal-Bewegung gekommen. Sie seien die Mehrheit gewesen und hätten sie mit Knüppeln geschlagen. Es habe auch Drohungen via Chats auf seinem Handy gegeben. Er habe sich nicht mehr als Mensch gefühlt und hätten sich diese Demonstrationen mehrmals wiederholt. Im August habe es in Beirut die Explosion im Hafen gegeben, was der Hauptgrund für seine Ausreise gewesen sei. Wenn der Beschwerdeführer seine Meinung auf römisch 40 oder seine politische Meinung geäußert habe, sei er sofort bedroht worden. Der Vater des BF sei römisch 40 von der Hisbollah verhaftet und zum BF befragt worden. Sie hätten den BF sogar verdächtigt, zu den Israelis oder dem Mossad zu gehören. Der BF habe deswegen von römisch 40 bis römisch 40 für ca. römisch 40 das Haus nicht verlassen und in dieser Zeit viel mehr die Ortschaften wechseln müssen. Dadurch, dass sein Vater Geschäfte mit diesen Leuten gemacht habe, habe dieser seine Beziehungen eingesetzt und sie um das Leben des BF angefleht. Nach diesem Vorfall habe der BF fürchterliche Angst bekommen (AS 53 ff.).
I.4. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon nicht zugesprochen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Libanon gemäß
§ 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist zur freiwilligen Ausreise im Ausmaß von vierzehn Tagen gewährt (Spruchpunkt VI.).römisch eins.4. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon nicht zugesprochen (Spruchpunkt römisch II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Libanon gemäß
§ 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG wurde eine Frist zur freiwilligen Ausreise im Ausmaß von vierzehn Tagen gewährt (Spruchpunkt römisch VI.).
I.4.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF als unglaubwürdig.römisch eins.4.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF als unglaubwürdig.
I.5. Gegen den Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist vollumfänglich wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, in Folge einer mangelhaften Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung Beschwerde erhoben.römisch eins.5. Gegen den Bescheid vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist vollumfänglich wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, in Folge einer mangelhaften Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung Beschwerde erhoben.
I.6. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den XXXX und XXXX eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an und übermittelte dem BF aktuelle Länderinformationen für den Libanon.römisch eins.6. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den römisch 40 und römisch 40 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an und übermittelte dem BF aktuelle Länderinformationen für den Libanon.
I.6.1. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hatte der BF die Möglichkeit zu seiner Integration, seinem Fluchtvorbringen und seiner Rückkehrsituation Stellung zu nehmen.römisch eins.6.1. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hatte der BF die Möglichkeit zu seiner Integration, seinem Fluchtvorbringen und seiner Rückkehrsituation Stellung zu nehmen.
1.7. Mit Schreiben vom 28.03.2024 wurde seitens der Vertretung des BF mitgeteilt, dass zu den übermittelten Länderinformationen sowie zum Sachverständigengutachten keine weitere Stellungnahme erstattet wird.
I.8. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.römisch eins.8. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
II.1.1. Der Beschwerdeführerrömisch II.1.1. Der Beschwerdeführer
Die Identität des BF steht fest. Der BF ist libanesischer Staatsangehöriger, Angehöriger der sunnitischen Glaubensgemeinschaft und wurde in XXXX geboren. Im Alter von XXXX Jahren zog der BF mit seinen Eltern und seiner Schwester nach XXXX im Gouvernement Libanonberg, wo er bis zu seiner Ausreise lebte. Der BF hat bis zur Matura die Schule besucht und anschließend bis zum XXXX im Jahr XXXX studiert.Die Identität des BF steht fest. Der BF ist libanesischer Staatsangehöriger, Angehöriger der sunnitischen Glaubensgemeinschaft und wurde in römisch 40 geboren. Im Alter von römisch 40 Jahren zog der BF mit seinen Eltern und seiner Schwester nach römisch 40 im Gouvernement Libanonberg, wo er bis zu seiner Ausreise lebte. Der BF hat bis zur Matura die Schule besucht und anschließend bis zum römisch 40 im Jahr römisch 40 studiert.
Der BF verfügt über bestehende familiäre Anknüpfungspunkte (Eltern, eine Schwester) im Herkunftsstaat und eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.
Der BF leidet an keinen schwerwiegenden lebensbedrohenden Krankheiten und ist arbeitsfähig.
Im XXXX reiste der BF legal in XXXX aus, hielt sich dort ca. ein Jahr auf und gelangte im XXXX illegal nach Österreich, wo er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.Im römisch 40 reiste der BF legal in römisch 40 aus, hielt sich dort ca. ein Jahr auf und gelangte im römisch 40 illegal nach Österreich, wo er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Seither hält sich der BF durchgehend in Österreich auf.
In Österreich leben weit entfernte Verwandte des BF. Mit diesen steht der BF nicht in Kontakt (VS 7, XXXX ).In Österreich leben weit entfernte Verwandte des BF. Mit diesen steht der BF nicht in Kontakt (VS 7, römisch 40 ).
Der BF besuchte in Österreich keine Deutschqualifizierungsmaßnahmen, hat bisher auch keine Deutschprüfungen abgelegt und verfügt über keine nennenswerten Deutschkenntnisse.
Der BF war vom XXXX bis XXXX bei der XXXX und vom XXXX bis XXXX bei der XXXX beschäftigt.Der BF war vom römisch 40 bis römisch 40 bei der römisch 40 und vom römisch 40 bis römisch 40 bei der römisch 40 beschäftigt.
Er verfügte von XXXX bis XXXX über eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als gastgewerblicher Hilfskraft (AS 33).Er verfügte von römisch 40 bis römisch 40 über eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als gastgewerblicher Hilfskraft (AS 33).
Seit XXXX bezieht der BF verschiedene Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber. Seit römisch 40 bezieht der BF verschiedene Leistungen aus der Grundversorgung für Asylwerber.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX wurde der BF wegen § 27 (2a) 2. Fall SMG, §§ 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG, § 27 (1) Z 1 2. Fall SMG zu einer bedingten Freiheitstrafe im Ausmaß von sechs Monaten (Probezeit drei Jahre) verurteilt.Mit Urteil des Landesgerichtes römisch 40 vom römisch 40 wurde der BF wegen Paragraph 27, (2a) 2. Fall SMG, Paragraphen 27, (1) Ziffer eins, 2. Fall, 27 (2) SMG, Paragraph 27, (1) Ziffer eins, 2. Fall SMG zu einer bedingten Freiheitstrafe im Ausmaß von sechs Monaten (Probezeit drei Jahre) verurteilt.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Libanonrömisch II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Libanon
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Libanon werden folgende Feststellungen getroffen:
1. COVID-19
Laut einem Bericht des libanesischen Gesundheitsministerium (MoPH) zur Beobachtung von COVID-19-Infektionen im Libanon betrug die COVID-19 bedingte Belegung der Intensivstationen in der Woche vom 13.2.2023 bis zum 20.2.2023 13 %. Die lokale PCR-Positivitätsrate lag bei 8,4 %. 71,2 % der Bevölkerung haben laut offiziellen Daten mindestens eine COVID-19 Impfdosis erhalten (MoPH 20.2.2023). Das Gesundheitsministerium hat eine Hotline für Aufklärung und Fragen zu COVID-19 eingerichtet (MoPH 2023). Der Libanon hat im Januar 2021 eine elektronische Plattform für Bürger und Einwohner eingerichtet, die sich gegen COVID-19 impfen lassen wollen (AN 29.1.2021; vgl. MoPH 28.1.2021). Ähnlich wie in vielen anderen Ländern wurde eine App zur Ermittlung von Kontaktpersonen, „Ma3an“, entwickelt, um Menschen zu benachrichtigen, die möglicherweise mit COVID-19 in Kontakt gekommen sind. Auf kommunaler Ebene haben die lokalen Gemeinden die Aufgabe der Nachverfolgung von Fällen und der Verhängung von Quarantänen übernommen (RAND 6.5.2022).Laut einem Bericht des libanesischen Gesundheitsministerium (MoPH) zur Beobachtung von COVID-19-Infektionen im Libanon betrug die COVID-19 bedingte Belegung der Intensivstationen in der Woche vom 13.2.2023 bis zum 20.2.2023 13 %. Die lokale PCR-Positivitätsrate lag bei 8,4 %. 71,2 % der Bevölkerung haben laut offiziellen Daten mindestens eine COVID-19 Impfdosis erhalten (MoPH 20.2.2023). Das Gesundheitsministerium hat eine Hotline für Aufklärung und Fragen zu COVID-19 eingerichtet (MoPH 2023). Der Libanon hat im Januar 2021 eine elektronische Plattform für Bürger und Einwohner eingerichtet, die sich gegen COVID-19 impfen lassen wollen (AN 29.1.2021; vergleiche MoPH 28.1.2021). Ähnlich wie in vielen anderen Ländern wurde eine App zur Ermittlung von Kontaktpersonen, „Ma3an“, entwickelt, um Menschen zu benachrichtigen, die möglicherweise mit COVID-19 in Kontakt gekommen sind. Auf kommunaler Ebene haben die lokalen Gemeinden die Aufgabe der Nachverfolgung von Fällen und der Verhängung von Quarantänen übernommen (RAND 6.5.2022).
Im Libanon traf die Pandemie mit der Wirtschaftskrise zusammen. Die Krankenhäuser befanden sich bereits in einer schwierigen Situation, was sich auf alle gesundheitsbezogenen Aspekte, auch auf COVID-19 Patienten, auswirkte. Unmittelbar nach Ausbruch der Pandemie wurde deutlich, dass private Krankenhäuser keine Abteilung für COVID-19 Patienten öffnen wollten, und der libanesische Staat war nicht in der Lage, sie dazu zu verpflichten, zumal die für die Gesundheitsversorgung bereitgestellten öffentlichen Gelder aufgebraucht waren und in der Vergangenheit nicht vollständig an diese Krankenhäuser gezahlt wurden. Es dauerte Wochen, bis einige private Krankenhäuser beschlossen, einige Abteilungen für COVID-19-Patienten zu öffnen (HBS 2.12.2022). Die COVID-19-Krise verschärfte auch die bereits bestehenden Ungleichheiten in den Bereichen Beschäftigung und Bildung und verringerte die Chancen für viele der am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen (UNICEF 6.2022). Besonders schwerwiegende Auswirkungen hatte COVID-19 auf Flüchtlingsgemeinschaften, insbesondere auf Frauen und Mädchen, was durch die grundlegenden Hindernisse, mit denen sie konfrontiert sind, noch verstärkt wurde: Bewegungsfreiheit, Schutz, Zugang zu Gesundheitsdiensten und Beschäftigung. Auch über die Pandemie hinaus deuten Schätzungen von Hilfsstudien darauf hin, dass COVID-19 noch lange Zeit unverhältnismäßig starke Auswirkungen auf Flüchtlingsfrauen im Libanon haben wird, insbesondere auf diejenigen, die Gewalt ausgesetzt waren (HBS 2.12.2022).
Quellen:
- AN - Arab News (29.1.2021): Lebanon launches online platform for vaccine registration, https://www.arabnews.com/node/1800166/middle-east, Zugriff 21.2.2023
- HBS - Heinrich Böll Stiftung – Beirut Office (2.12.2022): https://lb.boell.org/sites/default/files/2022-12/fqml-en-e.pdf, Zugriff 30.1.2023
- MoPH - Ministry of Public Health [Libanon] (20.2.2023): Monitoring of COVID-19 Infection In Lebanon – 20/2/2023, https://www.moph.gov.lb/en/Pages/127/43750/monitoring-of-covid-19-, Zugriff 21.2.2023
- MoPH - Ministry of Public Health [Libanon] (2023): Novel Coronavirus 2019, https://www.moph.gov.lb/en/Pages/2/24870/novel-coronavirus-2019-, Zugriff 21.2.2023
- MoPH - Ministry of Public Health [Libanon] (28.1.2021):
COVID-19 Vaccine Platform (Presentation), https://www.moph.gov.lb/userfiles/files/Prevention/nCoV-%202019/Covid19_Vaccine_Process(2020)-1-1.pdf, Zugriff 21.2.2023
- RAND (6.5.2022): Lebanon: Challenges and Successes in COVID-19 Pandemic Response, https://www.rand.org/blog/2022/05/lebanon-challenges-and-successes-in-covid-19-pandemic.html, Zugriff 21.2.2023
- UNICEF - United Nations International Children's Emergency Fund (6.2022): Synthesis of the crisis impact on the Lebanese labour market and potential business, employment and training opportunities, https://www.unicef.org/lebanon/media/8726/file/ILO%20UNICEF%20Synthesis%20report%20EN%20.pdf, Zugriff 21.2.2023
2. Politische Lage
Der Libanon ist eine parlamentarische Demokratie nach konfessionellem Proporzsystem. Das politische System basiert auf der Verfassung von 1926, dem ungeschriebenen Nationalpakt von 1943 und dem im Gefolge der Ta’if-Verhandlungen am 30. September 1989 verabschiedeten „Dokument der Nationalen Versöhnung“ (AA 5.12.2022). Der Nationalpakt verteilt die Regierungsgewalt auf einen maronitischen christlichen Präsidenten, einen schiitischen Sprecher der Abgeordnetenkammer (Parlament) und einen sunnitischen Premierminister (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022, AA 5.12.2023). Bei der im Abkommen von Ta’if vorgesehenen allmählichen Entkonfessionalisierung des politischen Systems gibt es keine Fortschritte (AA 5.12.2022). Die libanesische Elite ist nicht bereit, ein System abzuschaffen, das ihre Macht garantiert, oder sich der Kontrolle durch ein neues, demokratischeres und rechenschaftspflichtiges Parlament zu stellen (CH 11.8.2021).Der Libanon ist eine parlamentarische Demokratie nach konfessionellem Proporzsystem. Das politische System basiert auf der Verfassung von 1926, dem ungeschriebenen Nationalpakt von 1943 und dem im Gefolge der Ta’if-Verhandlungen am 30. September 1989 verabschiedeten „Dokument der Nationalen Versöhnung“ (AA 5.12.2022). Der Nationalpakt verteilt die Regierungsgewalt auf einen maronitischen christlichen Präsidenten, einen schiitischen Sprecher der Abgeordnetenkammer (Parlament) und einen sunnitischen Premierminister (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 28.2.2022, AA 5.12.2023). Bei der im Abkommen von Ta’if vorgesehenen allmählichen Entkonfessionalisierung des politischen Systems gibt es keine Fortschritte (AA 5.12.2022). Die libanesische Elite ist nicht bereit, ein System abzuschaffen, das ihre Macht garantiert, oder sich der Kontrolle durch ein neues, demokratischeres und rechenschaftspflichtiges Parlament zu stellen (CH 11.8.2021).
Die 128 Abgeordnetensitze im Parlament werden nach einem detaillierten Schlüssel für die 18 anerkannten Religionsgemeinschaften je zur Hälfte von Christen (zwölf anerkannte christliche
Konfessionen) bzw. Muslimen (Sunniten, Schiiten, Drusen, Alawiten und Ismailiten) besetzt.
Das libanesische System wird von der Zusammenarbeit der verschiedenen religiösen Gruppen getragen; daneben spielen Familien- und regionale Interessen eine große Rolle (AA 5.12.2023). Das komplizierte konfessionelle Proporzsystem, das Christen, Schiiten und Sunniten gleichermaßen Zugang zu Macht und Ämtern sichern soll, hat in den vergangenen Jahren zu einer vollständigen Blockade des politischen Prozesses geführt (WZ 15.1.2023). In der libanesischen Politik bestehen formelle und informelle Allianzen, allerdings häufig auch über die religiöse Kluft hinweg. Die „Allianz des 8. März“ ist eine Koalition, deren zwei führende Parteien schiitische Muslime (Hizbollah) und Christen (Freie Patriotische Bewegung) sind, die durch eine pro-syrische Agenda vereint sind. Ihnen gegenüber steht die „Allianz des 14. März“, eine anti-syrische Gruppe, die von sunnitischen Muslimen und christlichen Maroniten dominiert wird. Die ungewöhnliche und mangelhafte politische Struktur des Libanon ermöglicht es der Hizbollah, über die Allianz des 8. März enorme Macht und parlamentarische Kontrolle auszuüben, ohne selbst über eine hohe Anzahl von Sitzen im Parlament zu verfügen (CH 11.8.2021). Außerdem hat die Hizbollah im Laufe der Jahre eine mehrdimensionale Strategie verfolgt, die neben ihrem Militärapparat auch mehrere politische Mittel umfasst. Neben der Bildung eines politischen Gürtels aus nicht-schiitischen Verbündeten (Christen, Alawiten, Drusen und Sunniten) gehörte auch die massive Unterwanderung der öffentlichen Verwaltung und anderer Einrichtungen wie der allgemeinen Gewerkschaft und der Verkehrsgewerkschaft dazu (USIP 8.6.2022). Zumindest in ihren Hochburgen (Teile der Bekaa-Ebene, südliche Beiruter Vororte, Teilgebiete des Südens) stellt die Hizbollah auch weiterhin eine Art Staat im Staat dar und übernimmt dort die sozialen und politischen Aufgaben (AA 5.12.2022). In der Europäischen Union wird bislang lediglich der „militärische Arm“ der Hizbollah als Terrororganisation gelistet. Diese künstliche Unterscheidung zwischen einem militärischen und dem politischen Arm, die von der Hizbollah selbst negiert wird, ist international umstritten (ELNET 5.5.2021; vgl. ST 12.5.2021). Neben Deutschland, den USA, Kanada und den Niederlanden hat auch Großbritannien die Hizbollah als Ganzes verboten. In Österreich gilt für die Hizbollah – also auch für den politischen Arm – ein Symbole-Verwendungsverbot (ST 12.5.2021).Die 128 Abgeordnetensitze im Parlament werden nach einem detaillierten Schlüssel für die 18 anerkannten Religionsgemeinschaften je zur Hälfte von Christen (zwölf anerkann