TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/26 95/10/0008

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Veröffentlicht am 26.06.1995
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
80/02 Forstrecht;

Norm

B-VG Art131 Abs1 Z1;
ForstG 1975 §62;
ForstG 1975 §63 Abs2;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der T in O, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in J, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 24. November 1994, Zl. 8 - 31 Ha 28/5 - 94, betreffend Bewilligung zur Errichtung einer Forststraße, (mitbeteiligte Partei: C in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in J), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. November 1994 wurde der mitbeteiligten Partei (mP) gemäß den §§ 62 und 63 des Forstgesetzes 1975 (ForstG) die Errichtungsbewilligung für die Forststraße "U-Weg" auf den Grundstücken Nr. 760/1, 760/3 und 758/4, KG O, mit einer Gesamtlänge von rund 260 lfm erteilt. In der Begründung wird - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung - ausgeführt, die Parteistellung der Beschwerdeführerin ergebe sich in erster Linie aus § 63 Abs. 2 ForstG, wonach Eigentümer solcher Liegenschaften, die durch die Bringungsanlage in Nutzung oder Produktionskraft beeinträchtigt werden können, dem Verfahren beizuziehen seien. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Gefahr der Winderosion sei gemäß dem Antrag der Beschwerdeführerin an Ort und Stelle geprüft worden; der Amtssachverständige für Forsttechnik habe eine derartige Winderosionsgefahr ausgeschlossen. Weiters habe eine Windwurfgefahr für die benachbarten Grundstücke bzw. Waldbestände der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden können, da sich auf den benachbarten Flächen nur Jungkulturen befänden und keine Bäume, die vom Wind gefährdet werden könnten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, daß eine Errichtungsbewilligung nur dann erteilt werden darf, wenn die mögliche Nutzung oder Produktionskraft im Eigentum Dritter stehender Liegenschaften durch die geplante Bringungsanlage nicht beeinträchtigt wird, sowie weiters in ihrem Recht, daß eine Errichtungsbewilligung schlechthin nur nach den Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 ForstG erteilt werden darf, verletzt.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, ihrem Einwand einer erhöhten Windwurfgefahr für ihre Waldbestände halte die belangte Behörde nur entgegen, eine solche bestehe nicht, da sich auf den benachbarten Flächen nur Jungkulturen, jedoch keine Bäume, die vom Wind gefährdet werden könnten, befänden. Da aber davon auszugehen sei, daß aus jeder Jungkultur in nur wenigen Jahrzehnten Altholz erwachse und daher in absehbarer Zeit sehr wohl Bäume vorhanden sein würden, die vom Wind gefährdet werden könnten, wäre es Pflicht der belangten Behörde gewesen, im Zusammenhang mit dem Einwand der Windwurfgefahr nicht nur auf den derzeitigen Zustand, sondern auch auf die zukünftige Entwicklung des Jungbestandes abzustellen und ein diesbezügliches Gutachten einzuholen.

Gänzlich außer acht gelassen habe die belangte Behörde den Berufungseinwand der Beschwerdeführerin, wonach der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides samt Auflagen derart unbestimmt gefaßt sei, daß daraus nicht einmal hervorgehe, welchen Verlauf, welche Steigung und vor allem auch welche Höchstbreite die geplante Forststraße aufzuweisen habe. Diesbezüglich erweise sich der angefochtene Bescheid auch in seiner Begründung als völlig mangelhaft. Da es insofern offenbar im Belieben der mP stehe, den Verlauf und die Breite der Forststraße zu bestimmen, sei natürlich schon von daher gesehen eine erhebliche Beeinträchtigung der möglichen Nutzung oder Produktionskraft der Grundstücke der Beschwerdeführerin zu befürchten.

Weiters richtet die Beschwerdeführerin eine Reihe von Einwendungen gegen die Notwendigkeit der geplanten Forststraße.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mP hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 63 Abs. 2 ForstG sind dem Verfahren zur Bewilligung einer forstlichen Bringungsanlage als Partei auch die Eigentümer solcher Liegenschaften beizuziehen, die durch die Bringungsanlage in Nutzung oder Produktionskraft beeinträchtigt werden können.

Soweit sich die Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen die Notwendigkeit der geplanten Forststraße richten, welche mit der Begründung bestritten wird, daß durch diese Forststraße eine Übererschließung entstehe, ist auf dieses Vorbringen nicht näher einzugehen, da es nicht im Zusammenhang mit der Frage der Beeinträchtigung von Nutzung oder Produktionskraft von Liegenschaften der Beschwerdeführerin steht und daher deren subjektiv-öffentliche Rechte nicht berührt.

Die Beschwerdeführerin behauptet das Entstehen einer Windwurfgefahr durch die geplante Forststraße.

Die belangte Behörde hat diesen Einwand mit einem Hinweis auf den derzeitigen Zustand der Waldflächen der Beschwerdeführerin (Jungkultur) abgetan.

Nun gilt zwar im Verwaltungsverfahren (grundsätzlich) das Prinzip der Maßgeblichkeit des bei Erlassung des (letztinstanzlichen) Bescheides gegebenen Sachverhaltes; was aber der zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides maßgebliche Sachverhalt ist, ergibt sich erst anhand der im konkreten Fall anzuwendenden Verwaltungsvorschriften. Im Beschwerdefall ist nach § 63 Abs. 2 ForstG Thema des Ermittlungsverfahrens, ob durch die geplante Forststraße die Liegenschaft der Beschwerdeführerin in Nutzung oder Produktionskraft beeinträchtigt wird. Eine Beeinträchtigung von Nutzung oder Produktionskraft von Liegenschaften liegt aber nicht nur dann vor, wenn eine solche Beeinträchtigung sofort mit der Errichtung der forstlichen Bringungsanlage eintritt, da den Begriffen Nutzung und Produktionskraft das Element der Dauer immanent ist. Die Annahme, daß lediglich sofort, d.h. mit der Errichtung der Forststraße wirksam werdende Beeinträchtigungen von Nutzung und Produktionskraft zu berücksichtigen seien, wäre mit dem Zweck des ForstG, Nutzung und Produktionskraft des Waldes möglichst auf Dauer zu erhalten, unvereinbar, da bei einer solchen Betrachtungsweise Langzeitschäden, welche Nutzung und Produktionskraft u.U. nachhaltiger beeinträchtigen können als sofort wirksam werdende Einflüsse, außer Betracht blieben.

Da die Dispositionsmöglichkeiten der Beschwerdeführerin über den heranwachsenden Jungwald durch die Beschränkungen des ForstG (Rodungsverbot, Schutz hiebsunreifer Bestände, etc.) weitgehend eingeschränkt sind, kann für einen absehbaren Zeitraum auch die Entwicklung des Waldes der Beschwerdeführerin abgeschätzt werden; insbesondere kann davon ausgegangen werden, daß die betreffende Fläche ihre Waldeigenschaft beibehalten wird.

Es wäre daher zu ermitteln gewesen, ob durch die Errichtung der Forststraße der heranwachsende Jungwald in Nutzung oder Produktionskraft beeinträchtigt wird.

Auf die von der belangten Behörde in der Gegenschrift vorgetragenen Argumente, wonach auch in Zukunft für den heranwachsenden Wald der Beschwerdeführerin keine Windwurfgefahr bestehe, kann auf Grund des Neuerungsverbotes des § 41 Abs. 1 VwGG nicht eingegangen werden.

Die Beschwerdeführerin ist im Ergebnis auch im Recht, wenn sie bemängelt, der angefochtene Bescheid lasse eine ausreichende Konkretisierung der bewilligten Forststraße vermissen.

Der von der belangten Behörde bestätigte und damit zum Inhalt ihrer Entscheidung gemachte Spruch des erstinstanzlichen Bescheides erwähnt lediglich jene Parzellen, auf denen die Forststraße errichtet werden soll. Eine nähere Beschreibung der Forststraße oder der Verweis auf eine Plandarstellung fehlen. In der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides finden sich Ansätze einer Beschreibung, die allerdings im Zusammenhalt mit dem Spruch und dem Ansuchen der mP zur Unklarheit über den Trassenverlauf führen. Die mP hat um die Bewilligung zur Errichtung eines Weges über die Parzellen 760/3 und 758/4 angesucht. Die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides spricht davon, daß die geplante Forststraße im Grenzbereich der Grundstücke 760/1 und 758/4 von einem bestehenden Weg abzweige, was offenläßt, ob Parzelle 760/1 für die Errichtung der Forststraße in Anspruch genommen wird oder nicht. Der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides aber führt die Parzelle 760/1 als eine jener Parzellen an, auf denen die Forststraße errichtet werden soll. Diese Parzelle steht im Eigentum der Beschwerdeführerin. Anhaltspunkte dafür, daß für diese Inanspruchnahme ein Rechtstitel besteht, sind im Akt nicht aufzufinden. Die Urteile des Kreisgerichtes Leoben bzw. des Oberlandesgerichtes Graz beziehen sich lediglich auf die Parzelle 758/4.

Da der Spruch des angefochtenen Bescheides die dem erstinstanzlichen Bescheid anhaftende Unklarheit nicht beseitigt hat, erweist er sich als inhaltlich rechtswidrig.

Da eine inhaltliche Rechtswidrigkeit einer solchen infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995100008.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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