TE Bvwg Erkenntnis 2024/7/11 L503 2277289-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.07.2024
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Entscheidungsdatum

11.07.2024

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


L503 2277289-1/17E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.7.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 5.6.2024, zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.7.2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 5.6.2024, zu Recht erkannt:

A.) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.A.) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.B.) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: „BF“) – eigenen Angaben zufolge ein syrischer Staatsangehöriger – stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 20.1.2022 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung am 20.1.2022 gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, in Syrien herrsche Bürgerkrieg; er sollte eigentlich als Reservist zum Militär einrücken. Die Wirtschaftslage sei sehr schlecht und es gebe keine Sicherheit. Er sei dreimal grundlos festgenommen worden. Auf die Frage nach seinen Rückkehrbefürchtungen gab der BF an, ihm drohe eine Strafe beim Militärgericht; er müsste zum Militär einrücken.

2. Am 26.1.2023 wurde der BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden kurz: „BFA“) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF an, er stamme aus dem Dorf XXXX (auch: XXXX , Anmerkung des BVwG) in der Provinz XXXX . Vorgelegt wurden vom BF sein syrischer Führerschein sowie verschiedene gerichtliche Dokumente bzw. Eingaben seinerseits an die Justiz in Syrien (Antrag auf Löschung der Eintragung „Aufscheinen als Terrorist“, Antrag auf Aufhebung eines Einreiseverbots, Bestätigung eines Richters betreffend Festnahme am 14.9.2015, Einvernahme am 3.11.2015 und Freilassung am 4.11.2015 sowie dass nichts gegen den BF vorliegt, Antrag auf Aufhebung eines Einreiseverbots). Hierzu gab der BF vorweg auf Nachfragen an, er sei wegen falscher Anschuldigungen mehrmals verhaftet worden, es sei aber „dabei nichts rausgekommen“ und er sei geflüchtet, es habe keine Verurteilungen gegeben. Er sei Angehöriger der Volksgruppe der Araber und sunnitischer Moslem. Er sei verheiratet und habe zwei Söhne und zwei Töchter; hierzu wurden vom BF diverse Personenstandsdokumente in Vorlage gebracht; seine Familie lebe im Heimatdorf. Dort würden ebenso seine Eltern, drei seiner vier Brüder und eine seiner zwei Schwestern leben, ein Bruder lebe in Deutschland, eine Schwester lebe in Österreich. Sein Herkunftsort stehe seit jeher unter Kontrolle des syrischen Regimes. Die eingangs gestellten Fragen nach Problemen mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen in Syrien bejahte der BF; es sei auch ein Gerichtsverfahren anhängig gewesen und er sei festgenommen worden.2. Am 26.1.2023 wurde der BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden kurz: „BFA“) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF an, er stamme aus dem Dorf römisch 40 (auch: römisch 40 , Anmerkung des BVwG) in der Provinz römisch 40 . Vorgelegt wurden vom BF sein syrischer Führerschein sowie verschiedene gerichtliche Dokumente bzw. Eingaben seinerseits an die Justiz in Syrien (Antrag auf Löschung der Eintragung „Aufscheinen als Terrorist“, Antrag auf Aufhebung eines Einreiseverbots, Bestätigung eines Richters betreffend Festnahme am 14.9.2015, Einvernahme am 3.11.2015 und Freilassung am 4.11.2015 sowie dass nichts gegen den BF vorliegt, Antrag auf Aufhebung eines Einreiseverbots). Hierzu gab der BF vorweg auf Nachfragen an, er sei wegen falscher Anschuldigungen mehrmals verhaftet worden, es sei aber „dabei nichts rausgekommen“ und er sei geflüchtet, es habe keine Verurteilungen gegeben. Er sei Angehöriger der Volksgruppe der Araber und sunnitischer Moslem. Er sei verheiratet und habe zwei Söhne und zwei Töchter; hierzu wurden vom BF diverse Personenstandsdokumente in Vorlage gebracht; seine Familie lebe im Heimatdorf. Dort würden ebenso seine Eltern, drei seiner vier Brüder und eine seiner zwei Schwestern leben, ein Bruder lebe in Deutschland, eine Schwester lebe in Österreich. Sein Herkunftsort stehe seit jeher unter Kontrolle des syrischen Regimes. Die eingangs gestellten Fragen nach Problemen mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen in Syrien bejahte der BF; es sei auch ein Gerichtsverfahren anhängig gewesen und er sei festgenommen worden.

Auf die Frage nach seinen Fluchtgründen gab der BF an, er habe immer wieder Benachrichtigungen bekommen, dass er sich bei der „Behörde 221“ melden soll, da sein Name beim Terrorgericht aufscheine. Von 2018 bis zu seiner Ausreise 2020 habe er sich immer versteckt. Das erste Mal, als er habe ausreisen wollen, sei 2013 gewesen und bei der Ausstellung des Reisepasses sei er festgenommen worden. Danach habe für ihn „die Hölle“ begonnen. 2015 und 2016 sei er wieder verhaftet worden. Jedes Mal, sobald etwas passierte, sei er festgenommen worden, damit er „einen weiteren schwarzen Punkt erhalte“, was bedeute, dass er eine weitere Eintragung in das Strafregister erhalte. 2018 habe er einen Einberufungsbefehl erhalten und seither immer versteckt gelebt. Auf weiteres Nachfragen gab der BF an, nach seiner Verhaftung sei er von der politischen Polizei verhört und gefoltert worden. Er sei dazu gezwungen worden, auf einem Blanko-Zettel seine Fingerabdrücke abzugeben. Er sei zum Terrorgericht gebracht worden und sei dort sechs Monate in Gewahrsam gewesen; mit Hilfe eines Rechtsanwaltes sei er nach diesen sechs Monaten entlassen worden. Er sei wegen der Eintragungen immer wieder verhaftet worden. Auch sei er bereits zuvor für dreieinhalb Monate lang festgenommen worden. Trotz der Bescheinigung sei er dann im Jahr 2016 nochmals festgenommen worden. Die Anschuldigungen hätten auf Finanzierung von Terrorismus gelautet. Er wisse nicht, wie es zu diesen Anschuldigungen komme. Ausschlaggebend für seine Ausreise seien die fälschlichen Anschuldigungen gemeinsam mit der Einberufung zum Reservedienst gewesen. Im Fall seiner Rückkehr fürchte er die Hinrichtung, da er wegen der falschen Strafregistereintragungen und des Reservedienstes gesucht werde und illegal ausgereist sei. Durch die Beamten, die ihn einvernommen hätten, sei er auch mehrmals mit der Todesstrafe bedroht worden; freigelassen sei er jeweils erst worden, nachdem er gefoltert worden sei und man ihm Fingerabdrücke abgenommen habe. Auch habe seine Religion eine Rolle gespielt, da er Sunnit sei und der Beamte, der ihn mit der Todesstrafe bedroht habe, Alewit gewesen sei.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 26.7.2023 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem BF wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 26.7.2023 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Dem BF wurde gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend führte das BFA zusammengefasst im Wesentlichen aus, eine Einberufung des BF zum Reservedienst und eine daraus resultierende Verfolgung seien unglaubwürdig. Glaubhaft sei jedoch, dass es zu (Falsch)-Eintragungen im Strafregister des BF, verbunden mit der Unterstellung der Terrorismusfinanzierung und drei willkürlichen Inhaftierungen samt Folter gekommen sei. Allerdings folge aus den vorliegenden Dokumenten auch, dass sich der BF gegen die Vorwürfe zur Wehr gesetzt habe und seien die Missstände auch im Rahmen gerichtlicher Anhörungen offensichtlich bereinigt und ihm letztlich bestätigt worden, dass nichts gegen ihn vorliege. Vor allem aber stehe die Ausreise des BF nicht in zeitlichem Konnex zu seinen willkürlichen Inhaftierungen, von denen die letzte im Jahr 2015 erwiesen sei, sodass keine aktuelle, asylrelevante Gefahr einer Verfolgung vorliege. Auch habe der BF nicht entsprechend dargelegt, dass er vom syrischen Regime als oppositionell eingestuft würde und würde seine Familie weiterhin unbehelligt in Syrien leben und zum Teil über gut positionierte Arbeitsstellen verfügen, was ebenso dagegen spreche, dass nach dem BF gesucht werde, dies insbesondere vor dem Hintergrund der in Syrien praktizierten Sippenhaft. Allerdings drohe dem BF aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Gefahrenlage in Syrien eine Gefährdung im Sinne von Art. 3 EMRK, sodass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren sei.Begründend führte das BFA zusammengefasst im Wesentlichen aus, eine Einberufung des BF zum Reservedienst und eine daraus resultierende Verfolgung seien unglaubwürdig. Glaubhaft sei jedoch, dass es zu (Falsch)-Eintragungen im Strafregister des BF, verbunden mit der Unterstellung der Terrorismusfinanzierung und drei willkürlichen Inhaftierungen samt Folter gekommen sei. Allerdings folge aus den vorliegenden Dokumenten auch, dass sich der BF gegen die Vorwürfe zur Wehr gesetzt habe und seien die Missstände auch im Rahmen gerichtlicher Anhörungen offensichtlich bereinigt und ihm letztlich bestätigt worden, dass nichts gegen ihn vorliege. Vor allem aber stehe die Ausreise des BF nicht in zeitlichem Konnex zu seinen willkürlichen Inhaftierungen, von denen die letzte im Jahr 2015 erwiesen sei, sodass keine aktuelle, asylrelevante Gefahr einer Verfolgung vorliege. Auch habe der BF nicht entsprechend dargelegt, dass er vom syrischen Regime als oppositionell eingestuft würde und würde seine Familie weiterhin unbehelligt in Syrien leben und zum Teil über gut positionierte Arbeitsstellen verfügen, was ebenso dagegen spreche, dass nach dem BF gesucht werde, dies insbesondere vor dem Hintergrund der in Syrien praktizierten Sippenhaft. Allerdings drohe dem BF aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Gefahrenlage in Syrien eine Gefährdung im Sinne von Artikel 3, EMRK, sodass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren sei.

4. Mit Schriftsatz seiner bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation vom 23.8.2023 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des BFA vom 26.7.2023.4. Mit Schriftsatz seiner bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation vom 23.8.2023 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des BFA vom 26.7.2023.

5. Am 2.8.2023 wurde der Akt dem BVwG vorgelegt und am 5.2.2024 der gegenständlichen Abteilung zugewiesen.

6. Am 4.9.2023 brachte der BF in Kopie sein Militärbuch sowie einen Screenshot aus einer Abfrage des syrischen Verteidigungsministeriums in Vorlage, wonach er für den Reservedienst gesucht werde. Diese Dokumente wurden vom BVwG einer Übersetzung zugeführt (OZ 5).

7. Am 5.6.2024 führte das BVwG in der Sache des BF in dessen Beisein eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Ein Vertreter des BF sowie ein Behördenvertreter sind zur Verhandlung entschuldigt nicht erschienen. Im Zuge der Verhandlung wurden das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien (Stand 27.3.2024), der Themenbericht der Staatendokumentation „Syrien – Grenzübergänge“ vom 25.10.2023 und das Themendossier Wehrdienst der Staatendokumentation vom 20.3.2024 in das Verfahren eingebracht.

Der Rechtsvertretung des BF wurde eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt.

8. Mit Schreiben vom 11.6.2024 langte eine Stellungnahme des BF. Darin wurde insbesondere vorgebracht, dass vor dem Hintergrund, dass der BF in Syrien bereits Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei, eine erneute asylrelevante Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest. Er ist Staatsangehöriger von Syrien, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und bekennt sich zum Islam der sunnitischen Glaubensrichtung. Der BF spricht Arabisch.

Der BF stammt aus dem Dorf XXXX in der Provinz XXXX , wo er aufwuchs und bis zum Oktober 2021 im Elternhaus lebte. XXXX befindet sich unter Kontrolle des syrischen Regimes. Den Militärdienst hat der BF von 2003 bis 2005 abgeleistet. Der BF war in Syrien als Installateur erwerbstätig.Der BF stammt aus dem Dorf römisch 40 in der Provinz römisch 40 , wo er aufwuchs und bis zum Oktober 2021 im Elternhaus lebte. römisch 40 befindet sich unter Kontrolle des syrischen Regimes. Den Militärdienst hat der BF von 2003 bis 2005 abgeleistet. Der BF war in Syrien als Installateur erwerbstätig.

Aktuell leben noch seine Eltern, drei Brüder, zwei Schwestern sowie seine Frau und seine vier Kinder im Heimatdorf. Ein Bruder lebt in Deutschland und eine Schwester in Österreich. Sein Vater bezieht eine staatliche Pension als ehemaliger Beamter und betreibt eine Landwirtschaft sowie eine Fabrik für Ziegelsteine.

Der BF verließ Syrien schlepperunterstützt im Oktober 2021 und reiste im Jänner 2022 illegal nach Österreich ein.

Der BF hat in Österreich den Status eines subsidiär Schutzberechtigten. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

1.2.1. In den Jahren 2013, 2015 und 2016 wurde der BF jeweils inhaftiert (konkret: 2013 ca. 6 Monate lang, 2015 vom 14.9. bis 10.11.2015 und 2016 ca. 20 Tage lang, wobei die Inhaftierungen mit Folter verbunden waren), wobei sämtlichen Inhaftierungen der (seitens der Behörden vorgeschobene) Verdacht der Terrorismusfinanzierung zugrunde lag. Gegen diese Vorwürfe setzte sich der BF – teilweise auch mit einem Rechtsvertreter - jeweils erfolgreich gerichtlich zur Wehr, sodass er stets entlassen wurde. Dessen ungeachtet stand der BF durch diese Umstände im Visier der syrischen Sicherheitsbehörden und erhielt regelmäßig behördliche Vorladungen und kam es zu Razzien und Hausdurchsuchungen, auch noch nach dem Jahr 2016.

Grund für diese (falschen) Anschuldigungen war mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit, dass der BF vor dem Bürgerkrieg ehrenamtlich für die Baath-Partei – hauptsächlich in Form von Wachdiensten - tätig war und dass er am Beginn des Bürgerkriegs seitens der Baath-Partei gedrängt – wenn auch nicht gezwungen - wurde, im Rahmen einer Art Miliz für das Regime zur Waffe zu greifen, was der BF ablehnte und was zur Unterstellung einer regimekritischen bzw. oppositionellen Gesinnung führte.

2018 erfolgte eine Einberufung des BF zum Reservedienst, die der BF zunächst ignorierte. Bei behördlichen Razzien verließ der BF in den folgenden ca. zwei Jahren kurzfristig das Elternhaus und versteckte sich jeweils. Ab Ende 2020 langten keine Vorladungen wegen des Terrorismusverdachts, sondern nur mehr Aufforderungen zum Antritt des Reservedienstes ein und beschloss der BF, die Rekrutierungsstelle aufzusuchen und den Reservedienst abzuleisten, um weitere Schwierigkeiten mit den Behörden zu vermeiden. Bei der Rekrutierungsstelle wurde der BF wieder mit den Terrorismusvorwürfen konfrontiert und wurde aus diesem Grunde ein „Ausschluss“ des BF vom Reservedienst aufgrund einer Anweisung der Generaldirektion für die Zeit vom 5.4.2021 bis 5.4.2022 in das Militärbuch eingetragen.

Der BF verließ sodann Syrien wegen des nach wie vor schwelenden Verdachts des Terrorismus und möglichen, diesbezüglichen Verfolgungshandlungen sowie einer allfällig künftigen tatsächlichen Einziehung zum Reservedienst.

1.2.2. Es wird für durchaus möglich bzw. wahrscheinlich gehalten, dass die bereits seinerzeit von den syrischen Behörden erhobenen, in Zusammenhang mit einer unterstellten oppositionellen Gesinnung zu sehenden, (fälschlichen) Terrorismusvorwürfe gegen den BF im Fall einer Rückkehr (wieder) zu behördlichen Anhaltungen und Inhaftierungen, verbunden mit Folter, führen.

1.3. Zur aktuellen Situation in Syrien:

Zur Lage in Syrien wird auf das vom BVwG in der mündlichen Verhandlung vom 5.6.2024 in das Verfahren eingebrachte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien (Version 11, Gesamtaktualisierung am 27.3.2024), in dem eine Vielzahl von Berichten diverser allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt werden und in welchem auch konkret auf die regelmäßig beauftragten Anfragebeantwortungen zur aktuellen Situation bzw. spezifischen Fragestellungen Bezug genommen wurde, verwiesen wird. Weiters wurden in der Beschwerdeverhandlung der Themenbericht der Staatendokumentation „Syrien-Grenzübergänge“ vom 25.10.2023 und das Themendossier Wehrdienst der Staatendokumentation vom 20.3.2024 in das Verfahren eingebracht und hatten der BF bzw. seien Rechtsvertretung keine Einwände. Gegen die Heranziehung der Berichte bestehen somit keine Bedenken. Im Übrigen wird auf die Berichte unten im Rahmen der Beweiswürdigung im jeweiligen Zusammenhang näher eingegangen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des BF:

Die zur Identität des BF getroffenen Feststellungen, wie auch zu seiner Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit, dem religiösen Bekenntnis und seinen Sprachkenntnissen beruhen auf den glaubwürdigen Angaben des BF im Verfahren sowie den von ihm vorgelegten Dokumenten, wie insbesondere seinem syrischen Führerschein. Seine Identität ist somit als geklärt anzusehen.

Die getroffenen Feststellungen zum bisherigen Leben des BF in Syrien und zu seinen dort lebenden Familienangehörigen beruhen unmittelbar auf seinen glaubhaften Angaben vor dem BFA und in der Beschwerdeverhandlung.

Divergiert haben seine Angaben lediglich insofern, als er seine Ausreise sowohl vor dem BFA, als auch in der Beschwerdeverhandlung teils mit Oktober 2020, teils mit Oktober 2021 datierte. Hierzu entstand in der Beschwerdeverhandlung der Eindruck, als würde der BF die Jahre schlicht verwechseln, ohne dass dies Auswirkungen auf seine sonstige Glaubwürdigkeit hätte (vgl. auch „Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht genau“ – VH S. 5). Aus einer Zusammenschau seiner Angaben in Verbindung mit der angegebenen Reisedauer muss die Ausreise jedenfalls im Oktober 2021 erfolgt sein, sodass zur diesbezüglichen Feststellung zu gelangen war.Divergiert haben seine Angaben lediglich insofern, als er seine Ausreise sowohl vor dem BFA, als auch in der Beschwerdeverhandlung teils mit Oktober 2020, teils mit Oktober 2021 datierte. Hierzu entstand in der Beschwerdeverhandlung der Eindruck, als würde der BF die Jahre schlicht verwechseln, ohne dass dies Auswirkungen auf seine sonstige Glaubwürdigkeit hätte vergleiche auch „Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht genau“ – VH Sitzung 5). Aus einer Zusammenschau seiner Angaben in Verbindung mit der angegebenen Reisedauer muss die Ausreise jedenfalls im Oktober 2021 erfolgt sein, sodass zur diesbezüglichen Feststellung zu gelangen war.

2.2. Zum Fluchtvorbringen bzw. den Rückkehrbefürchtungen des BF:

2.2.1. Eingangs ist zu betonen, dass der BF seine Inhaftierungen in den Jahren 2013, 2015 und 2016 nicht nur im Wesentlichen gleich lautend vor dem BFA und in der Beschwerdeverhandlung schilderte, sondern vor allem auch entsprechende Dokumente und Eingaben seinerseits in Vorlage brachte, die vom BVwG allesamt einer Übersetzung zugeführt wurden und die die Angaben des BF gänzlich stützen. Ungeachtet des notorischen Umstands, dass in Syrien gefälschte Dokumente jedweder Art besorgt werden können, bestehen keine Zweifel an der Echtheit der vom BF diesbezüglich vorgelegten Dokumente und machte der BF in der Beschwerdeverhandlung auch insgesamt persönlich einen glaubwürdigen Eindruck. Zu betonen ist eingangs, dass sich diese Sichtweise auch gänzlich mit jener des BFA im angefochtenen Bescheid deckt, vgl. das BFA im Rahmen der Beweiswürdigung auf AS. 142 des bekämpften Bescheids: „Zur vorgebrachten Verfolgung durch die syrischen Behörden aufgrund Falscheintragungen im Strafregister: Sie gaben vor dem Bundesamt glaubhaft an, dass man Sie im Zuge der Passausstellung im Jahre 2013, mit (Falsch)Eintragungen im Strafregister konfrontiert habe, in welchen Sie der Terrorismusfinanzierung beschuldigt wurden und Sie daraufhin dreimalig willkürlichen Inhaftierungen und Folter ausgesetzt waren. Natürlich wird nicht verkannt, dass in Syrien zum Teil willkürliche Inhaftierungen stattfinden und eine Steigerung der Gewaltbereitschaft der Sicherheitskräfte und Gefängnisbediensteten zu verzeichnen ist, dennoch muss hierzu angemerkt werden, dass Sie über eine gerichtliche Bestätigung über eine stattgefundene Einvernahme sowie Entlassung im Jahre 2015 verfügen, aus welcher hervorgeht, dass gegen Sie strafrechtlich nichts vorliegen würde. Anhand dieser Bestätigung lässt sich erkennen, dass Ihnen durchaus die Möglichkeit eingeräumt wurde, die Missstände zu bereinigen und dies auch offensichtlich geschah.“2.2.1. Eingangs ist zu betonen, dass der BF seine Inhaftierungen in den Jahren 2013, 2015 und 2016 nicht nur im Wesentlichen gleich lautend vor dem BFA und in der Beschwerdeverhandlung schilderte, sondern vor allem auch entsprechende Dokumente und Eingaben seinerseits in Vorlage brachte, die vom BVwG allesamt einer Übersetzung zugeführt wurden und die die Angaben des BF gänzlich stützen. Ungeachtet des notorischen Umstands, dass in Syrien gefälschte Dokumente jedweder Art besorgt werden können, bestehen keine Zweifel an der Echtheit der vom BF diesbezüglich vorgelegten Dokumente und machte der BF in der Beschwerdeverhandlung auch insgesamt persönlich einen glaubwürdigen Eindruck. Zu betonen ist eingangs, dass sich diese Sichtweise auch gänzlich mit jener des BFA im angefochtenen Bescheid deckt, vergleiche das BFA im Rahmen der Beweiswürdigung auf AS. 142 des bekämpften Bescheids: „Zur vorgebrachten Verfolgung durch die syrischen Behörden aufgrund Falscheintragungen im Strafregister: Sie gaben vor dem Bundesamt glaubhaft an, dass man Sie im Zuge der Passausstellung im Jahre 2013, mit (Falsch)Eintragungen im Strafregister konfrontiert habe, in welchen Sie der Terrorismusfinanzierung beschuldigt wurden und Sie daraufhin dreimalig willkürlichen Inhaftierungen und Folter ausgesetzt waren. Natürlich wird nicht verkannt, dass in Syrien zum Teil willkürliche Inhaftierungen stattfinden und eine Steigerung der Gewaltbereitschaft der Sicherheitskräfte und Gefängnisbediensteten zu verzeichnen ist, dennoch muss hierzu angemerkt werden, dass Sie über eine gerichtliche Bestätigung über eine stattgefundene Einvernahme sowie Entlassung im Jahre 2015 verfügen, aus welcher hervorgeht, dass gegen Sie strafrechtlich nichts vorliegen würde. Anhand dieser Bestätigung lässt sich erkennen, dass Ihnen durchaus die Möglichkeit eingeräumt wurde, die Missstände zu bereinigen und dies auch offensichtlich geschah.“

2.2.2. Zutreffend ist, dass der BF vor dem BFA keine Angaben dahingehend machte, worauf diese (falschen) Anschuldigungen zurückzuführen waren (z. B. AS. 54: „Ich habe keine Ahnung. Es sagt niemand etwas. Keiner traut sich auch nachzufragen“). In der Beschwerdeverhandlung gab der BF dann diesbezüglich sinngemäß an, dass er vor dem Bürgerkrieg ehrenamtlich für die Baath-Partei – hauptsächlich in Form von Wachdiensten - tätig gewesen sei, weil die Unterstützung der Baath-Partei einfach (sinngemäß) „normal“ gewesen sei, und dass er am Beginn des Bürgerkriegs seitens der Baath-Partei gedrängt – wenn auch nicht gezwungen – worden sei, im Rahmen einer Art Miliz für das Regime zur Waffe zu greifen, was er abgelehnt habe (VH S. 8): „BF: … Ich habe vor dem Krieg als Wachpersonal in der Sektion der Partei bei uns gearbeitet und zwar ohne Lohn. RI: Wie muss man sich das vorstellen: wer wollte, dass sie wo zur Waffe greifen? BF: Die Baath-Partei. Es ist die regierende Partei, die für alle Sicherheitsbehörden zuständig und verantwortlich ist. Um ehrlich zu sein wurde uns dies lediglich angeboten und man hat uns nicht gezwungen. Manche sind dieser Aufforderung nachgekommen. Ich und andere haben abgelehnt und ich wurde einige Zeit später inhaftiert. RI: Nochmals: Wenn Sie zugestimmt hätten, hätten Sie im Rahmen des syrischen Militärs gekämpft? BF: Nein, wir hätten schon Ausweise als Angehörige des Sicherheitsdienstes erhalten, aber wir wären um ehrlich zu sein, Mitglieder einer Miliz geworden, im Volksmund sagt man Schibiha. RI: Sie haben vorher gesagt, Sie seien freiwillig und unentgeltlich Wächter für die Baath-Partei gewesen. Waren Sie ein Anhänger der Partei bzw. des Regimes? BF: Wir hatten keine Probleme mit dem Regime vor dem Krieg. In Syrien war es vor dem Krieg so, dass jeder sich der herrschenden oder regierenden Partei anschließen musste. Es war ja ehrenamtlich, aber, wenn man zu Treffen der Partei geladen wurde, dann hat man keine Wahl gehabt außer hinzugehen. RI: Worauf führen sie nun die gegen sie erhobenen Terrorvorwürfe zurück? BF: Ich glaube, dass jeder der sich nicht freiwillig gemeldet hat als Gegner des Regimes eingestuft wurde.“ Hierzu ist anzumerken, dass der BF ein derartiges Vorbringen bislang tatsächlich nicht in dieser Form erstattet hatte, allerdings wirkte es in der Beschwerdeverhandlung durchaus plausibel und entstand keinesfalls der Eindruck, als handle es sich um ein Konstrukt. Auch muss dem BF zugutegehalten werden, dass er diese Thematik nicht gänzlich das erste Mal in der Beschwerdeverhandlung zur Sprache gebracht hat, wenn damals vor dem BFA auch weniger deutlich (AS. 56): „LA: Wollte man Sie jemals persönlich zum Kampf rekrutieren? VP: Nein, es wurde uns angeboten wir wurden aber nie dazu gezwungen. LA: Durch wen wurde dies angeboten? VP: Durch Anhänger des Regimes. LA: Wann fanden solche Rekrutierungsversuche statt? VP: Das war Anfang 2013, kurz vor meiner Verhaftung.“ Insofern ist dem BF durchaus Glauben zu schenken und liegt es auf der Hand, dass die (fälschlichen) Anschuldigungen der Behörden auf eine dem BF unterstellte regimefeindliche bzw. oppositionelle Gesinnung zurückzuführen waren. Dafür, dass der BF tatsächlich terroristische Handlungen gesetzt hätte, bestehen im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte.2.2.2. Zutreffend ist, dass der BF vor dem BFA keine Angaben dahingehend machte, worauf diese (falschen) Anschuldigungen zurückzuführen waren (z. B. AS. 54: „Ich habe keine Ahnung. Es sagt niemand etwas. Keiner traut sich auch nachzufragen“). In der Beschwerdeverhandlung gab der BF dann diesbezüglich sinngemäß an, dass er vor dem Bürgerkrieg ehrenamtlich für die Baath-Partei – hauptsächlich in Form von Wachdiensten - tätig gewesen sei, weil die Unterstützung der Baath-Partei einfach (sinngemäß) „normal“ gewesen sei, und dass er am Beginn des Bürgerkriegs seitens der Baath-Partei gedrängt – wenn auch nicht gezwungen – worden sei, im Rahmen einer Art Miliz für das Regime zur Waffe zu greifen, was er abgelehnt habe (VH Sitzung 8): „BF: … Ich habe vor dem Krieg als Wachpersonal in der Sektion der Partei bei uns gearbeitet und zwar ohne Lohn. RI: Wie muss man sich das vorstellen: wer wollte, dass sie wo zur Waffe greifen? BF: Die Baath-Partei. Es ist die regierende Partei, die für alle Sicherheitsbehörden zuständig und verantwortlich ist. Um ehrlich zu sein wurde uns dies lediglich angeboten und man hat uns nicht gezwungen. Manche sind dieser Aufforderung nachgekommen. Ich und andere haben abgelehnt und ich wurde einige Zeit später inhaftiert. RI: Nochmals: Wenn Sie zugestimmt hätten, hätten Sie im Rahmen des syrischen Militärs gekämpft? BF: Nein, wir hätten schon Ausweise als Angehörige des Sicherheitsdienstes erhalten, aber wir wären um ehrlich zu sein, Mitglieder einer Miliz geworden, im Volksmund sagt man Schibiha. RI: Sie haben vorher gesagt, Sie seien freiwillig und unentgeltlich Wächter für die Baath-Partei gewesen. Waren Sie ein Anhänger der Partei bzw. des Regimes? BF: Wir hatten keine Probleme mit dem Regime vor dem Krieg. In Syrien war es vor dem Krieg so, dass jeder sich der herrschenden oder regierenden Partei anschließen musste. Es war ja ehrenamtlich, aber, wenn man zu Treffen der Partei geladen wurde, dann hat man keine Wahl gehabt außer hinzugehen. RI: Worauf führen sie nun die gegen sie erhobenen Terrorvorwürfe zurück? BF: Ich glaube, dass jeder der sich nicht freiwillig gemeldet hat als Gegner des Regimes eingestuft wurde.“ Hierzu ist anzumerken, dass der BF ein derartiges Vorbringen bislang tatsächlich nicht in dieser Form erstattet hatte, allerdings wirkte es in der Beschwerdeverhandlung durchaus plausibel und entstand keinesfalls der Eindruck, als handle es sich um ein Konstrukt. Auch muss dem BF zugutegehalten werden, dass er diese Thematik nicht gänzlich das erste Mal in der Beschwerdeverhandlung zur Sprache gebracht hat, wenn damals vor dem BFA auch weniger deutlich (AS. 56): „LA: Wollte man Sie jemals persönlich zum Kampf rekrutieren? VP: Nein, es wurde uns angeboten wir wurden aber nie dazu gezwungen. LA: Durch wen wurde dies angeboten? VP: Durch Anhänger des Regimes. LA: Wann fanden solche Rekrutierungsversuche statt? VP: Das war Anfang 2013, kurz vor meiner Verhaftung.“ Insofern ist dem BF durchaus Glauben zu schenken und liegt es auf der Hand, dass die (fälschlichen) Anschuldigungen der Behörden auf eine dem BF unterstellte regimefeindliche bzw. oppositionelle Gesinnung zurückzuführen waren. Dafür, dass der BF tatsächlich terroristische Handlungen gesetzt hätte, bestehen im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte.

2.2.3. Als glaubwürdig erwies sich in der Beschwerdeverhandlung – im Unterschied zur Argumentation des BFA im angefochtenen Bescheid, welche sich hauptsächlich auf das fortgeschrittene Alter des BF und das Fehlen einer spezifischen militärischen Ausbildung beschränkte, wodurch ein Interesse des syrischen Staates an der Einziehung des BF zum Reservedienst als wenig wahrscheinlich erscheine – auch das Vorbringen des BF bezüglich einer Einberufung zum Reservedienst im Jahr 2018. So hat der BF nicht nur einen Screenshot einer Abfrage der Website des syrischen Verteidigungsministeriums unter Eingabe seiner Daten in Vorlage gebracht, wobei er als gesucht für den Reservedienst aufscheint, sondern erschienen seine diesbezüglichen Angaben in der Beschwerdeverhandlung auch plausibel. So gab der BF in der Beschwerdeverhandlung – durchaus unüblich für ähnlich gelagerte Verfahren, aber ehrlich wirkend – an, er habe letztlich dann ohnedies den Entschluss gefasst, den Reservedienst zu leisten, um weitere Probleme mit den Behörden zu vermeiden. Jedoch sei er, als er im Jahr 2021 zu diesem Zwecke bei der Rekrutierungsstelle gewesen sei, wieder mit den Terrorismusvorwürfen konfrontiert worden und sei angeordnet worden, dass man aus diesem Grunde zunächst für ein Jahr lang auf ihn „verzichte“ und er bei der Sektion des Sicherheitsdienstes vorsprechen müsse (VH S. 13). Hierzu ist anzumerken, dass das (umfangreiche) Militärbuch des BF vom BVwG – ohne Wissen des BF – zur Gänze einer Übersetzung zugeführt worden war und sich darin tatsächlich ein – bis dato aus anderen Verfahren nicht bekannter – Eintrag befindet, wonach der BF „für ein Jahr lang ab 5.4.2021 bis 5.4.2022 laut der von der Generaldirektion erlassenen Anordnung mit der Nummer 5343 vom 4.4.2021 [vom Reservedienst] ausgeschlossen ist“, was für die Glaubwürdigkeit des BF spricht. Zwar befindet sich im Militärbuch kein expliziter Hinweis darauf, dass dies auf Vorwürfe des Terrorismus zurückzuführen ist, allerdings ist dieses Vorbringen – vor dem Hintergrund der als erwiesen anzusehenden, früheren Verfolgungshandlungen - nicht von der Hand zu weisen. Durchaus möglich ist vor diesem Hintergrund – vor allem in Zusammenschau mit dem vom BF vorgelegten Screenshot einer Abfrage beim syrischen Verteidigungsministerium –, dass ihn aktuell sehr wohl wieder eine Verpflichtung zur Ableistung des Reservedienstes treffen würde.2.2.3. Als glaubwürdig erwies sich in der Beschwerdeverhandlung – im Unterschied zur Argumentation des BFA im angefochtenen Bescheid, welche sich hauptsächlich auf das fortgeschrittene Alter des BF und das Fehlen einer spezifischen militärischen Ausbildung beschränkte, wodurch ein Interesse des syrischen Staates an der Einziehung des BF zum Reservedienst als wenig wahrscheinlich erscheine – auch das Vorbringen des BF bezüglich einer Einberufung zum Reservedienst im Jahr 2018. So hat der BF nicht nur einen Screenshot einer Abfrage der Website des syrischen Verteidigungsministeriums unter Eingabe seiner Daten in Vorlage gebracht, wobei er als gesucht für den Reservedienst aufscheint, sondern erschienen seine diesbezüglichen Angaben in der Beschwerdeverhandlung auch plausibel. So gab der BF in der Beschwerdeverhandlung – durchaus unüblich für ähnlich gelagerte Verfahren, aber ehrlich wirkend – an, er habe letztlich dann ohnedies den Entschluss gefasst, den Reservedienst zu leisten, um weitere Probleme mit den Behörden zu vermeiden. Jedoch sei er, als er im Jahr 2021 zu diesem Zwecke bei der Rekrutierungsstelle gewesen sei, wieder mit den Terrorismusvorwürfen konfrontiert worden und sei angeordnet worden, dass man aus diesem Grunde zunächst für ein Jahr lang auf ihn „verzichte“ und er bei der Sektion des Sicherheitsdienstes vorsprechen müsse (VH Sitzung 13). Hierzu ist anzumerken, dass das (umfangreiche) Militärbuch des BF vom BVwG – ohne Wissen des BF – zur Gänze einer Übersetzung zugeführt worden war und sich darin tatsächlich ein – bis dato aus anderen Verfahren nicht bekannter – Eintrag befindet, wonach der BF „für ein Jahr lang ab 5.4.2021 bis 5.4.2022 laut der von der Generaldirektion erlassenen Anordnung mit der Nummer 5343 vom 4.4.2021 [vom Reservedienst] ausgeschlossen ist“, was für die Glaubwürdigkeit des BF spricht. Zwar befindet sich im Militärbuch kein expliziter Hinweis darauf, dass dies auf Vorwürfe des Terrorismus zurückzuführen ist, allerdings ist dieses Vorbringen – vor dem Hintergrund der als erwiesen anzusehenden, früheren Verfolgungshandlungen - nicht von der Hand zu weisen. Durchaus möglich ist vor diesem Hintergrund – vor allem in Zusammenschau mit dem vom BF vorgelegten Screenshot einer Abfrage beim syrischen Verteidigungsministerium –, dass ihn aktuell sehr wohl wieder eine Verpflichtung zur Ableistung des Reservedienstes treffen würde.

2.2.4. Letztlich hat das BFA eine fehlende, aktuelle Verfolgungsgefahr für den BF im Wesentlichen damit begründet, dass es seit 2016 keine Inhaftierungen oder sonstigen Verfolgungshandlungen gegeben den BF gegeben habe. Sein in den letzten Jahren unbehelligter Aufenthalt in Syrien spreche gegen ein (nach wie vor) bestehendes Interesse der syrischen Behörden am BF. Es ist zwar zutreffend, dass der BF vor dem BFA hinsichtlich dieses Zeitraums von keinen konkreten Verfolgungshandlungen berichtet hatte, dessen ungeachtet gab er aber an, ausschlaggebend für seine Ausreise seien die „Benachrichtigungen“ sowie der Militärdienst und der Einberufungsbefehl gewesen, weshalb er sich eben versteckt gehalten habe (AS. 54); auch formulierte der BF vor dem BFA offen: „LA: Wurde Ihnen jemals persönlich eine Benachrichtigung übergeben? VP: Nein, niemals. Ich war immer versteckt. Immer wieder kamen sie zu meinem Vater oder meinem Bruder. LA: Wie reagierten Ihre Familienmitglieder? Erfuhren Sie deswegen Probleme? VP: Mein Vater wurde deswegen einmal mitgenommen zur Polizei. Sie wollte ihn unter Druck setzen, aber er wurde zwei Tage später wieder freigelassen.“ (AS. 54). Insofern kann es dem BF aber nicht als Steigerung seines Vorbringens angelastet werden, wenn er etwa in der Beschwerdeverhandlung vorbringt, es habe auch in dieser Zeit Hausdurchsuchungen und Vorladungen gegeben, welche er nie persönlich entgegengenommen habe; bis 2020 sei „alles ruhiger geworden“ und er habe „weniger Verständigungen“ erhalten; ab Ende 2020 sei zwar niemand mehr gekommen, er habe aber immer wieder Aufforderungen wegen des Reservedienstes bekommen (VS. 12).

2.2.5. Wesentlich für die Situation des BF im Fall einer Rückkehr ist nach Auffassung des BVwG, dass der BF wegen (unterstellter) Terrorismusvorwürfe unzweifelhaft in das Visier des syrischen Regimes gelangt ist und diesbezüglich – wenn auch etwas zurück liegenden - Inhaftierungen samt Folter ausgesetzt war. Es ist zwar zutreffend, dass sich der BF gegen die Inhaftierungen letztlich erfolgreich gerichtlich zur Wehr gesetzt hat; dessen ungeachtet ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass der BF auch die letzten Jahre seines Aufenthalts in Syrien weiterhin – und zwar wegen einer (unterstellten) regimefeindlichen Einstellung - unter besonderer Beobachtung der Sicherheitsbehörden stand und mit Schikanen in Form von Vorladungen, Razzien und Hausdurchsuchungen konfrontiert war.

In diesem Zusammenhang sei zunächst auszugweise auf das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Stand 27.3.2024, verwiesen:

Anti-Terror-Gerichte (CTC)

2012 wurde in Syrien ein Anti-Terror-Gericht (Counter Terrorism Court - CTC) eingerichtet. Dieses soll Verhandlungen aufgrund „terroristischer Taten“ gegen Zivilisten und Militärpersonal führen, wobei die Definition von Terrorismus im entsprechenden Gesetz sehr weit gefasst ist (SJAC 9.2018). Die „Terrorismus-Gerichte“ sind außerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens tätig (ÖB Damaskus 1.10.2021). Anklagen gegen Personen, die vor das CTC gebracht werden, beinhalten: das Finanzieren, Fördern und Unterstützen von Terrorismus; die Teilnahme an Demonstrationen; das Schreiben von Stellungnahmen auf Facebook; die Kontaktierung von Oppositionellen im Ausland; den Waffenschmuggel an bewaffnete Oppositionelle; das Liefern von Nahrungsmitteln, Hilfsgütern und Medizin in von der Opposition kontrollierte Gebiete (NMFA 5.2020).

Das Syrian Network for Human Rights (SNHR) und andere Quellen betonen, dass sowohl der Gerichtsprozess im CTC als auch die Gesetzgebung, auf deren Basis dieser Gerichtshof agiert offenkundig internationales Menschenrecht und fundamentale rechtliche Standards verletzen. Diese Verletzungen beinhalten: willkürliche Verhaftungen, unter Folter erzwungene Geständnisse als Beweismittel, geschlossene Gerichtssitzungen unter Ausschluss der Medien, das Urteilen des Gerichts über Zivilisten, Minderjährige und Militärangehörige gleichermaßen, die Ernennung der Richter durch den Präsidenten, die Nicht-Zulässigkeit von ZeugInnen der/des Angeklagten, usw. (NMFA 6.2021). Das normale juristische Prozedere gilt bei keinem der Fälle vor den CTCs. Eine Berufung gegen Urteile ist nicht möglich (BS 23.2.2022).

Mangels Definition von „Terrorismus“ und mit „Terrorismus“ als Generalvorwurf gegen jede Form von abweichender Meinung werden die Anti-Terrorismus-Gerichte als „politisch“ kategorisiert (BS 23.3.2022), und vor allem auch viele Oppositionelle werden dabei als „Terroristen“ angeführt (ÖB Damaskus 1.10.2021). Die Anti-Terror-Gerichte dienen insbesondere dem Zweck, politische Gegner und Personen, die sich für politischen Wandel und Menschenrechte einsetzen, auszuschalten. Demnach sollen seit Errichtung dieser Gerichte bis Oktober 2020 schätzungsweise mindestens 90.560 Fälle vor diesen Gerichten verhandelt worden sein. Dabei sollen mindestens 20.641 Gefängnisstrafen und mehr als 2.147 Todesurteile verhängt worden sein, davon der Großteil in Abwesenheit der Angeklagten. Vor diesen Gerichten sei Angeklagten in Verfahren, die oftmals nur wenige Minuten dauern, ein Rechtsbeistand verwehrt; sie würden nach glaubhaften Aussagen ehemaliger Häftlinge oftmals gezwungen, Geständnisse ohne Kenntnis des Textes blind zu unterschreiben. Viele der von diesen Gerichten Verurteilten erhielten laut SNHR Haftstrafen zwischen 10 und 20 Jahren, politische Dissidenten häufig bis zu 30 Jahre. 87 In letzteren Fällen sei es wiederholt auch zu außergerichtlichen Hinrichtungen gekommen (AA 2.2.2024).

Allgemeine Menschenrechtslage

Regierungsgebiete

Die CoI geht davon, dass die syrische Regierung weiterhin Morde, Folter und Misshandlungen begeht, die sich gegen Personen in Haft richten, darunter auch Praktiken, welche zum Tod in 162 der Haft führen. Hinzukommen willkürliche Haft und Verschwindenlassen. Die UN-Kommission sieht hierin ein Muster von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Im Berichtszeitraum wurden auch Fälle umfassender Verletzungen von Prozessrechten und des Rechts auf ein faires Verfahren im syrischen Justizstrafsystem dokumentiert (UNCOI 7.2.2023). Nach Einschätzung der UN-Kommission liegt die Verantwortung für die - in absoluten Zahlen betrachtet - große Mehrzahl der Menschenrechtsverletzungen bei Kräften des syrischen Regimes und seinen Verbündeten. Darüber hinaus verweist die CoI auf massive Behinderungen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben, sowohl durch die Verweigerung des Zugangs nach Syrien als auch durch erhebliche Sicherheitsbedenken für die zu Befragenden. In ihrem Bericht von September 2022 vermerkte die CoI eine Verschärfung des staatlichen Vorgehens gegen die Zivilgesellschaft. Herauszuheben sind ein im April 2022 verabschiedetes Gesetz gegen Cyberkriminalität, welches für regierungs- und verfassungskritische Äußerungen im Internet Haftstrafen von sieben bis 15 Jahren vorsieht und welches laut dem jüngsten Bericht der CoI vom August 2023 weiter zur Anwendung kommt (AA 2.2.2024). Mit dem Regime verbündete paramilitärische Gruppen begehen Berichten zufolge häufig Menschenrechtsverletzungen, darunter Massaker, willkürliches Töten, Entführungen von Zivilisten, sexuelle Gewalt und ungesetzliche Haft. Alliierte Milizen des Regimes, darunter die Hizbollah, führen etwa zahlreiche Angriffe aus, die Zivilisten töten (USDOS 20.3.2023).

Die systematische Verfolgung von Oppositionsgruppen und anderen regimekritischen/-feindlichen Akteuren dauert unverändert an. Der Einsatz für eine Abschaffung des von Staatspräsident Assad geführten Baath-Regimes und die Neuordnung Syriens nach demokratischen, pluralistischen und rechtsstaatlichen Prinzipien werden vom Regime regelmäßig als „terroristische Aktivitäten“, „Verschwörung gegen den Staat“, „Hochverrat“ oder ähnlich gravierende Verbrechen behandelt und entsprechend geahndet. In der Anwendungspraxis der regimekontrollierten syrischen Justiz reicht der Verdacht hierauf aus, um willkürlich vor Militärgerichtshöfen oder gesonderten Gerichtshöfen der Anti-Terror-Gesetzgebung von 2012 verfolgt zu werden, in denen im Grunde keinerlei Rahmenbedingungen eines fairen Rechtsverfahrens bestehen. Die Anti-Terror-Gesetze werden unverändert auch dazu missbraucht, gegen in Syrien und im Ausland lebende Regimegegner und -gegnerinnen ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand und auch in Abwesenheit höchste Strafen zu verhängen (AA 2.2.2024). Gesetze, welche die Mitgliedschaft in illegalen Organisationen verbieten, wurden auch verwendet, um Personen mit Verbindungen zu lokalen Menschenrechtsorganisationen, pro-demokratischen Studentenvereinigungen und anderer Organisationen zu verhaften, welche als Unterstützer der Opposition wahrgenommen werden - einschließlich humanitärer Organisationen (USDOS 20.3.2023). Gemäß dem Bericht der CoI von September 2022 sollen Mitarbeitende von zivilgesellschaftlichen Nichtregierungsorganisationen (NRO) verhaftet, die NROs selbst streng reguliert oder ohne ordentliches Verfahren aufgelöst und ihre Ressourcen eingefroren worden sein. Es bleibt dabei, dass sich die Risiken politischer Oppositionstätigkeit nicht auf eine mögliche strafrechtliche Verfolgung beschränken. Die seit Beginn des Konflikts dokumentierten zahllosen Fälle von willkürlicher Verhaftung, Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren, „Verschwindenlassen“, tätlichen Angriffen, sexualisierter Gewalt, Folter und Tötung im Gewahrsam der Sicherheitskräfte sowie Mordanschlägen, stehen immer wieder in offensichtlichen Zusammenhängen zu regimekritischen Tätigkeiten der Betroffenen. Gewaltsame Unterdrückung jeglichen Widerspruchs bleibt das Mittel der Wahl für den Machterhalt des Regimes (AA 2.2.2024).

Weiterhin besteht laut deutschem Auswärtigem Amt in keinem Teil des Landes ein umfassender, langfristiger und verlässlicher Schutz für verfolgte Personen und Rückkehrende. Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar. Auch erschienen Berichte über erneute Vertreibung, Sanktionen bzw. Repressionen, bis hin zu einer unmittelbaren Gefährdung für Leib und Leben von Rückkehrenden. Berichte deuten jedoch darauf hin, dass selbst regimenahe Personen Opfer von Repressionen werden können. Vergleichbare Menschenrechtsverletzungen und Repressionen durch lokale Akteure wurden im Berichtszeitraum, in absoluten Zahlen betrachtet in geringerem Umfang, auch in Nicht-Regimegebieten dokumentiert (AA 2.2.2024). Im Rahmen der systematischen Gewalt, die von allen bewaffneten Akteuren gegenüber der Zivilbevölkerung angewandt wurde, wurden insbesondere Frauen Opfer sexueller Gewalt. Regierungstruppen und der Regierung zurechenbare Milizkräfte übten bei Hausdurchsuchungen, im Rahmen von Internierungen sowie im Rahmen von Kontrollen an Checkpoints Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt an Frauen und teilweise auch Männern aus (ÖB Damaskus 1.10.2021).

Personen, die unter dem Verdacht stehen, sich oppositionell zu engagieren, oder als regimekritisch wahrgenommen werden, unterliegen einem besonders hohen Folterrisiko. Daneben sind zahllose Fälle dokumentiert, in denen Familienmitglieder, nicht selten Frauen oder Kinder, oder auch Nachbarn als vermeintliche Mitwisser oder für vermeintliche Verbrechen anderer inhaftiert und gefoltert werden. Solche Kollektivhaft wird Berichten zufolge in einigen Fällen auch angewendet, wenn vom Regime als feindlich angesehene Personen Zuflucht im Ausland gesucht haben (AA 2.2.2024). Außerdem sind Fälle von verhafteten Personen wegen ihres Kontakts zu Verwandten oder Freunden in von der Opposition kontrollierten Gebieten bekannt, bzw. wegen des Reisens zwischen den Gebieten der Regierung und anderer Organisationen. Es gibt auch Beispiele für Verhaftungen zwecks Rekrutierung (SNHR 17.1.2023).

Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind keine Neuerung der letzten Jahre seit Ausbruch des Konflikts, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 1.2019). Ungeachtet des in der syrischen Verfassung verankerten Verbots von Folter wenden Polizei, Justizvollzugsorgane und vor allem Sicherheits- und Geheimdienste systematisch Folterpraktiken an. Der bei Weitem größte Teil dokumentierter Anwendung von Folter wurde in Einrichtungen des Regimes begangen. Besonders hoch ist dabei die Gefahr körperlicher und seelischer Misshandlung, inklusive sexualisierter Gewalt, in den Verhöreinrichtungen der Sicherheitsdienste. Die CoI und das SNHR dokumentierten indes Fälle von Folter für den gesamten Konfliktzeitraum einschließlich des Berichtszeitraums auch durch oppositionelle bewaffnete Gruppierungen und terroristische Organisationen. Laut dem jüngsten Bericht von SNHR zu Folter von Juni 2022 und daran anschließenden Erhebungen sind seit Beginn des Konflikts mindestens 15.301 Menschen unter Folter zu Tode gekommen (AA 2.2.2024).

Wie diesen Berichten im Ergebnis zu entnehmen ist, unterliegen Personen, die als regimekritisch wahrgenommen werden, einem besonders hohen Risiko, Opfer staatlicher Repressionen und Willkür zu werden. Dies gilt freilich umso mehr für eine Person mit dem Profil des BF, der wegen des (unterstellten) Verdachts des Terrorismus bereits konkret in das Visier der Sicherheitsbehörden gelangt ist und aus diesem Grunde mehrere Inhaftierungen samt Folter erlitten hat. Selbst wenn der BF – durchaus ehrlich – angibt, dass später im Jahr 2020 „alles ruhiger“ geworden sei (VH S. 12) und auf die Frage, was im Fall der Rückkehr passieren würde, ehrlich und in Übereinstimmung mit der Berichtslage angibt, was konkret passieren würde, könne er selbst nicht sagen - „Es ist möglich, dass das Regime mich umbringt oder mir nichts antut“ (VH S. 12) -, so ist in Anbetracht der Berichtslage aber durchaus mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass die in Zusammenhang mit einer unterstellten oppositionellen Gesinnung zu sehenden, (fälschlichen) Terrorismusvorwürfe gegen den BF im Fall eine Rückkehr (wieder) zu behördlichen Anhaltungen und Inhaftierungen, verbunden mit Folter, führen könnten, sodass zu den diesbezüglichen Feststellungen zu gelangen war.Wie diesen Berichten im Ergebnis zu entnehmen ist, unterliegen Personen, die als regimekritisch wahrgenommen werden, einem besonders hohen Risiko, Opfer staatlicher Repressionen und Willkür zu werden. Dies gilt freilich umso mehr für eine Person mit dem Profil des BF, der wegen des (unterstellten) Verdachts des Terrorismus bereits konkret in das Visier der Sicherheitsbehörden gelangt ist und aus diesem Grunde mehrere Inhaftierungen samt Folter erlitten hat. Selbst wenn der BF – durchaus ehrlich – angibt, dass später im Jahr 2020 „alles ruhiger“ geworden sei (VH Sitzung 12) und auf die Frage, was im Fall der Rückkehr passieren würde, ehrlich und in Übereinstimmung mit der Berichtslage angibt, was konkret passieren würde, könne er selbst nicht sagen - „Es ist möglich, dass das Regime mich umbringt oder mir nichts antut“ (VH Sitzung 12) -, so ist in Anbetracht der Berichtslage aber durchaus mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass die in Zusammenhang mit einer unterstellten oppositionellen Gesinnung zu sehenden, (fälschlichen) Terrorismusvorwürfe gegen den BF im Fall eine Rückkehr (wieder) zu behördlichen Anhaltungen und Inhaftierungen, verbunden mit Folter, führen könnten, sodass zu den diesbezüglichen Feststellungen zu gelangen war.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich entscheidet das Bundesverwaltungsgericht mangels anderer Regelung somit durch Einzelrichter.Gemäß Paragraph 6, BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich entscheidet das Bundesverwaltungsgericht mangels anderer Regelung somit durch Einzelrichter.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gemäß Paragraph 28, Absatz eins, VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.

Das Verfahre

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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