Entscheidungsdatum
14.06.2024Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15Spruch
W127 2269279-1/7E
W127 2269280-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. FISCHER-SZILAGYI über die Beschwerden von 1. XXXX , geboren am XXXX und 2. XXXX , geboren am XXXX , beide Staatsangehörigkeit Syrien, beide vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BBU-GmbH), gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 09.02.2023, Zlen. XXXX und XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. FISCHER-SZILAGYI über die Beschwerden von 1. römisch XXXX , geboren am römisch XXXX und 2. römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , beide Staatsangehörigkeit Syrien, beide vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BBU-GmbH), gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 09.02.2023, Zlen. römisch XXXX und römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.römisch eins. Der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
II. Der Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 und Abs. 5 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.römisch II. Der Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 2 und Absatz 5, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der nunmehrige Zweitbeschwerdeführer ist im November 2021 in die Republik Österreich eingereist und hat am 05.11.2021 als unbegleiteter Minderjähriger einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Der Vater des Zweitbeschwerdeführers, der nunmehrige Erstbeschwerdeführer, ist im Jahr 2022 ins Bundesgebiet eingereist und hat am 05.05.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 10.11.2021 begründete der Zweitbeschwerdeführer seine Antragstellung dahingehend, dass sein Vater von der syrischen Armee gesucht werde. Ihr Haus sei bombardiert und zerstört worden und für den Fall einer Rückkehr nach Syrien habe er Angst vor dem Krieg.
Auch bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 02.11.2022 begründete der Zweitbeschwerdeführer seine Ausreise aus Syrien damit, dass sein Vater als Reservist gesucht worden sei. Wenn sein Vater nicht mehr in Syrien wäre, würde der Zweitbeschwerdeführer an dessen Stelle rekrutiert werden.
3. Der Erstbeschwerdeführer gab bei der Erstbefragung am 05.05.2022 befragt zu dem Grund seiner Flucht aus Syrien an, er habe seine Heimat wegen des Krieges verlassen. Er sei als Reservist vom syrischen Militär einberufen worden. Aus Angst um sein Leben sei er nicht eingerückt und geflohen.
Bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 02.11.2022 gab der Erstbeschwerdeführer insbesondere an, er sei im Jahr 2016 als Reservist einberufen worden, habe 2019 seinen Wohnort verlassen und sich bis zu seiner Ausreise aus Syrien im Jahr 2022 im Haus eines Freundes aufgehalten, das sich im kurdisch kontrollierten Gebiet befunden habe.
4. Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge des Erst- sowie des Zweitbeschwerdeführers auf internationalen Schutz jeweils hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Den Beschwerdeführern wurde jeweils gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).4. Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge des Erst- sowie des Zweitbeschwerdeführers auf internationalen Schutz jeweils hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.) abgewiesen. Den Beschwerdeführern wurde jeweils gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers stellte die belangte Behörde fest, dass dieser bis zu seiner Ausreise in einem kurdisch kontrollierten Gebiet gelebt habe und nicht als Reservist einberufen worden sei. Der Erstbeschwerdeführer sei zur Verbesserung seiner Lebensumstände nach Österreich gekommen.
Der Zweitbeschwerdeführer sei persönlich keiner Bedrohung oder Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen und selbst bei Berücksichtigung sämtlicher Tatsachen seien keine weiteren Ausreisegründe hervorgekommen.
5. Gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide wurde jeweils fristgerecht Beschwerde erhoben. Der Erstbeschwerdeführer führte begründend insbesondere aus, er lehne es ab, für jegliche Streitkraft in Syrien zu kämpfen. Durch eine Teilnahme am Krieg in Syrien wäre er einer erheblichen Gefahr für sein Leben ausgesetzt und sei davon auszugehen, dass er zu einer Beteiligung an schweren Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder an anderen Handlungen, die der Satzung der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, gezwungen wäre, da bekannt sei, dass alle Konfliktparteien im syrischen Bürgerkrieg derartige Handlungen bereits begangen hätten. Bei einer Weigerung müsse der Erstbeschwerdeführer mit einer Verfolgung aufgrund unterstellter oppositioneller Gesinnung und folglich mit unverhältnismäßig hohen Strafen rechnen. Zudem würde dem Erstbeschwerdeführer aufgrund der Asylantragstellung im Ausland sowie der illegalen Ausreise mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt.5. Gegen Spruchpunkt römisch eins. der angefochtenen Bescheide wurde jeweils fristgerecht Beschwerde erhoben. Der Erstbeschwerdeführer führte begründend insbesondere aus, er lehne es ab, für jegliche Streitkraft in Syrien zu kämpfen. Durch eine Teilnahme am Krieg in Syrien wäre er einer erheblichen Gefahr für sein Leben ausgesetzt und sei davon auszugehen, dass er zu einer Beteiligung an schweren Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder an anderen Handlungen, die der Satzung der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, gezwungen wäre, da bekannt sei, dass alle Konfliktparteien im syrischen Bürgerkrieg derartige Handlungen bereits begangen hätten. Bei einer Weigerung müsse der Erstbeschwerdeführer mit einer Verfolgung aufgrund unterstellter oppositioneller Gesinnung und folglich mit unverhältnismäßig hohen Strafen rechnen. Zudem würde dem Erstbeschwerdeführer aufgrund der Asylantragstellung im Ausland sowie der illegalen Ausreise mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt.
Ergänzend brachte der Erstbeschwerdeführer vor, im Februar 2023 habe das syrische Militär seine in XXXX lebenden Eltern aufgesucht und einen Einberufungsbefehl hinterlassen (Anm.: das Schreiben wurde der Beschwerde beigeschlossen).Ergänzend brachte der Erstbeschwerdeführer vor, im Februar 2023 habe das syrische Militär seine in römisch XXXX lebenden Eltern aufgesucht und einen Einberufungsbefehl hinterlassen Anmerkung, das Schreiben wurde der Beschwerde beigeschlossen).
Hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers wurde in der Rechtsmittelschrift begründend vorgebracht, dass dieser in Syrien auch als Minderjähriger dem Risiko einer Zwangsrekrutierung ausgesetzt sei und ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellt würde.
6. Die Beschwerden und die bezughabenden Verwaltungsakten langten am 28.03.2023 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
7. Mit Schreiben vom 19.03.2024 brachte der Erstbeschwerdeführer vor, an mehreren Demonstrationen in Österreich gegen das syrische Regime teilgenommen zu haben. Der Erstbeschwerdeführer habe damit seine oppositionelle Gesinnung zum Ausdruck gebracht und seien Bilder und Videos von den Demonstrationen auch auf sozialen Medien veröffentlicht worden.
Die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers und die gemeinsame Tochter würden sich in XXXX bei den Eltern des Erstbeschwerdeführers aufhalten und habe die Ehefrau große Probleme mit dem syrischen Regime. Sie werde oft von Soldaten des Regimes zuhause aufgesucht, attackiert und gefragt, wo sich ihr Mann aufhalte. Vor etwa drei Monaten sei sie nachts von Soldaten zuhause aufgesucht und nach dem Erstbeschwerdeführer gefragt worden. Die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers sei bei diesem Vorfall geschlagen worden und sei ihr dabei die Nase gebrochen worden und habe sie ein „blaues Auge“ davongetragen.Die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers und die gemeinsame Tochter würden sich in römisch XXXX bei den Eltern des Erstbeschwerdeführers aufhalten und habe die Ehefrau große Probleme mit dem syrischen Regime. Sie werde oft von Soldaten des Regimes zuhause aufgesucht, attackiert und gefragt, wo sich ihr Mann aufhalte. Vor etwa drei Monaten sei sie nachts von Soldaten zuhause aufgesucht und nach dem Erstbeschwerdeführer gefragt worden. Die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers sei bei diesem Vorfall geschlagen worden und sei ihr dabei die Nase gebrochen worden und habe sie ein „blaues Auge“ davongetragen.
Weiters werde der Erstbeschwerdeführer laut einer von ihm selbst durchgeführten Abfrage auf der staatlichen Homepage des syrischen Verteidigungsministeriums zum Reservedienst gesucht. Screenshots dieses Abfrageergebnisses sowie Fotos von Demonstrationen und der augenscheinlich verletzten Frau des Erstbeschwerdeführers wurden dem Schreiben beigeschlossen.
8. Am 09.04.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht im Beisein eines Vertreters der Beschwerdeführer und eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch eine mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm. Die Beschwerdeführer wurden jeweils insbesondere zu ihren Fluchtgründen und ihren Lebensumständen in Syrien befragt. Im Rahmen der Verhandlung wurden überdies aktuelle Länderberichte zu Syrien ins Verfahren eingebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die vorliegenden Verwaltungsakten und in die Gerichtsakten, durch Befragung der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und Einsichtnahme in die vorgelegten Dokumente sowie insbesondere in folgende Länderberichte: Länderinformation der Staatendokumentation: Syrien, Version 11, 27.03.2024; EUAA, Country Guidance: Syria, April 2024; EUAA, Country of Origin Information – Syria: Targeting of Individuals, September 2022; EUAA, Country of Origin Information – Syria: Country Focus, Oktober 2023; Ministerie van Buitenlandse Zaken, Allgemeiner Herkunftsland-Informationsbericht zu Syrien, August 2023; Danish Immigration Service, Syria – Militäry Service, Jänner 2024; Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, 29.03.2023; UNHCR, Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. aktualisierte Fassung, März 2021.
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Syrien, Angehörige der Volksgruppe der Araber und bekennen sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben.
Der Erstbeschwerdeführer ist am XXXX in XXXX geboren und hat von 2009 bis 2019 in der Stadt XXXX gelebt. Anschließend hielt sich der Erstbeschwerdeführe