Entscheidungsdatum
15.05.2024Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W168 2274250-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag.Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.05.2023, Zl. 1327041010/223085954, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.04.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag.Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch XXXX , geb. am römisch XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.05.2023, Zl. 1327041010/223085954, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.04.2024, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs.1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Der Beschwerde wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz , AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Syriens, reiste über mehrere Länder nach Österreich ein, wo er am 03.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Am selben Tag erfolgte die Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes.
Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF an, dass er befürchte in Syrien zum Militär eingezogen zu werden. Da er nicht kämpfen habe wollen, sei er geflohen. Zudem herrsche in seinem Herkunftsstaat Krieg und es gebe keine Sicherheit. In der Türkei habe er nicht bleiben können, da dort Syrer wieder nach Syrien abgeschoben werden würden und die Türken extreme Nationalisten seien. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor dem Militärdienst und Angst um sein Leben. Er rechne bei einer Rückkehr mit einer Haftstrafe und Folter.
Zu seinen persönlichen Umständen befragt, erklärte der BF, dass er in Aleppo geboren worden sei und der Religionszugehörigkeit des sunnitischen Islam und der Volksgruppe der Araber angehöre. Er habe im Herkunftsstaat sechs Jahre die Grundschule besucht, keine Berufsausbildung abgeschlossen und sei vor seiner Ausreise als Schweißer tätig gewesen. Seine Eltern, seine zwei Schwestern und seine Ehefrau sowie seine Tochter seien nach wie vor in Syrien aufhältig. Zwei Brüder seien in der Türkei wohnhaft, ein Bruder halte sich aktuell in Dubai auf.
2. Im Rahmen einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme am 17.05.2023 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gab der BF an, dass er in Aleppo geboren worden sei und der Volksgruppe der Araber und der Religionszugehörigkeit der sunnitischen Moslems angehöre. Sein Lebensmittelpunkt sei zuletzt Aleppo gewesen. Seine Eltern und drei seiner Geschwister seien nach wie vor in Syrien wohnhaft und der BF stehe mit diesen in regelmäßigen Kontakt. Die Fragen, ob er Familienangehörige in der EU habe oder von irgendeinem Familienmitglied regelmäßig finanziell unterstützt werde, wurden vom BF verneint. Seine Ehefrau und seine Tochter seien in der Türkei wohnhaft. Der BF habe sechs Jahre die Grundschule besucht und in Syrien seinen Lebensunterhalt als Schweißer bestritten. Nachgefragt, wann er Syrien konkret verlassen habe, welche Länder er durchquert habe und wann er in Österreich eingereist sei, replizierte der BF, dass er Syrien im Jahr 2015 illegal in die Türkei verlassen habe, dort sieben Jahre aufhältig gewesen sei und im September 2022 weiter nach Bulgarien sowie weitere Länder in Österreich eingereist sei. Die Frage, ob er in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt habe, wurde vom BF verneint.
Zum Fluchtgrund befragt, gab der BF zu Protokoll, dass er im Jahr 2015 aus Syrien ausgereist sei und den Angaben seines Vaters zufolge vom syrischen Regime gesucht werde, da er nicht zum Militärdienst einrücken wolle. Er habe auch an Demonstrationen teilgenommen werden, aufgrund derer er gesucht werde. Er werde (auch) von den Kurden gesucht. Auf Aufforderung, konkrete Angaben zu den Vorfällen zu machen, führte der BF an, dass er ca Mitte 2014- Anfang 2015 an einem anderen Ort übernachtet habe, wo er von den Kurden angegriffen und beschossen worden sei. Auf Vorhalt, dass er bereits 2013 volljährig geworden sei und auf die Frage, wie er sich bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 den Wehrdienst entziehen habe können, führte der BF aus, dass er von Aleppo zunächst nach XXXX geflohen sei. Er habe sich dort zwei Jahre aufgehalten, dann seien die Kurden dorthin gekommen. Er sei in Folge dann über die Türkei ausgereist. Der BF brachte überdies vor, sowohl vom Regime als auch von den Kurden gesucht zu werden. Zum Vorhalt des BFA, dass er bereits seit Jahren nicht mehr in seinem Herkunftsstaat lebe und sich in der Kriegszeit sich dem Anschluss an eine Militäreinheit entziehen habe können, weshalb davon auszugehen sei, dass es unwahrscheinlich sei, nunmehr einberufen zu werden, entgegnete der BF, dass sie ihn trotzdem rekrutieren wollen würden. Er habe die Türkei verlassen, da es dort schwierig sei. Die Frage, ob er irgendwelche speziellen Fähigkeiten im Hinblick auf den Militärdienst besitze, wurde vom BF verneint. Auf Aufforderung, nähere Angaben zu seiner Teilnahme an Demonstrationen zu machen, erklärte der BF, dass er zwar nicht an Demonstrationen teilgenommen habe, es jedoch in der Straße, wo er gelebt habe, zu Demonstrationen gekommen sei. Da man alle Leute der Straße kenne, sei er deshalb auch unter dem Personenkreis der Demonstranten erfasst worden. Ansonsten habe er keine weiteren Fluchtgründe. Die Fragen, ob er oder Familienangehörige sich in Syrien politisch oder religiös betätigt hätten oder ob er im Herkunftsstaat religiös, politisch oder konkret persönlich einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, wurde vom BF verneint. Er selbst sei aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder sozialen Stellung auch nie einer konkreten Verfolgung ausgesetzt gewesen. Im Falle einer Rückkehr würde man ihn festnehmen oder töten. Zum Fluchtgrund befragt, gab der BF zu Protokoll, dass er im Jahr 2015 aus Syrien ausgereist sei und den Angaben seines Vaters zufolge vom syrischen Regime gesucht werde, da er nicht zum Militärdienst einrücken wolle. Er habe auch an Demonstrationen teilgenommen werden, aufgrund derer er gesucht werde. Er werde (auch) von den Kurden gesucht. Auf Aufforderung, konkrete Angaben zu den Vorfällen zu machen, führte der BF an, dass er ca Mitte 2014- Anfang 2015 an einem anderen Ort übernachtet habe, wo er von den Kurden angegriffen und beschossen worden sei. Auf Vorhalt, dass er bereits 2013 volljährig geworden sei und auf die Frage, wie er sich bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 den Wehrdienst entziehen habe können, führte der BF aus, dass er von Aleppo zunächst nach römisch XXXX geflohen sei. Er habe sich dort zwei Jahre aufgehalten, dann seien die Kurden dorthin gekommen. Er sei in Folge dann über die Türkei ausgereist. Der BF brachte überdies vor, sowohl vom Regime als auch von den Kurden gesucht zu werden. Zum Vorhalt des BFA, dass er bereits seit Jahren nicht mehr in seinem Herkunftsstaat lebe und sich in der Kriegszeit sich dem Anschluss an eine Militäreinheit entziehen habe können, weshalb davon auszugehen sei, dass es unwahrscheinlich sei, nunmehr einberufen zu werden, entgegnete der BF, dass sie ihn trotzdem rekrutieren wollen würden. Er habe die Türkei verlassen, da es dort schwierig sei. Die Frage, ob er irgendwelche speziellen Fähigkeiten im Hinblick auf den Militärdienst besitze, wurde vom BF verneint. Auf Aufforderung, nähere Angaben zu seiner Teilnahme an Demonstrationen zu machen, erklärte der BF, dass er zwar nicht an Demonstrationen teilgenommen habe, es jedoch in der Straße, wo er gelebt habe, zu Demonstrationen gekommen sei. Da man alle Leute der Straße kenne, sei er deshalb auch unter dem Personenkreis der Demonstranten erfasst worden. Ansonsten habe er keine weiteren Fluchtgründe. Die Fragen, ob er oder Familienangehörige sich in Syrien politisch oder religiös betätigt hätten oder ob er im Herkunftsstaat religiös, politisch oder konkret persönlich einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, wurde vom BF verneint. Er selbst sei aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder sozialen Stellung auch nie einer konkreten Verfolgung ausgesetzt gewesen. Im Falle einer Rückkehr würde man ihn festnehmen oder töten.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom BF ein syrischer Personalausweis, eine syrische Heiratsurkunde, eine syrische Geburtsurkunde des BF sowie seiner Familie, ein Auszug aus dem Melderegister des BF sowie seiner Familie, eine Geburtsurkunde des BF sowie seiner Familie und ein Auszug aus dem Familienregister in Vorlage gebracht.
3. Mit Bescheid des BFA vom 26.05.2023, Zl. 1327041010/223085954, wurde der Antrag des BF vom 3.10.2022 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte wurde dem BF für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). 3. Mit Bescheid des BFA vom 26.05.2023, Zl. 1327041010/223085954, wurde der Antrag des BF vom 3.10.2022 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte wurde dem BF für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend wurde ausgeführt, dass nicht glaubhaft sei, dass der BF kein Wehrdienstbuch oder sonstige gewichtige Beweismittel vorlegen habe können, konkret verfolgt wäre. Auch sonst habe er kein glaubwürdiges Vorbringen erstatten können. Zudem habe er sich vor seiner widerrechtlichen Einreise in das Bundesgebiet sieben Jahre in der Türkei aufgehalten, ohne einen Asylantrag zu stellen.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und führte aus, dass das von der Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren grob mangelhaft gewesen sei, da diese ihrer bestehenden und konkretisierten Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung des maßgebenden Sachverhalts nicht nachgekommen sei. Zudem falle der BF unter mehrere UNHCR Risikoprofile. Die von der Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen seien äußerst oberflächlich und mangelhaft. Einerseits sei nicht ausreichend ermittelt worden, andererseits seien zu bestimmten relevanten Sachverhaltselementen gar keine Feststellungen getroffen worden oder seien diese unrichtig. Die Behörde habe zu der Frage, ob dem BF aktuell bzw. in Zukunft eine Zwangsrekrutierung durch das syrische Militär drohe, keine Feststellungen getroffen. Die Feststellung der Behörde basiere auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung und verletze § 60 AVG. Es sei erkennbar, dass sich die belangte Behörde nicht ausreichend bzw. nicht unter Anwendung ihres Spezialwissens sowie der Berücksichtigung aktueller Länderberichte mit dem Fluchtvorbringen des BF auseinandergesetzt habe und diesem willkürlich die Glaubwürdigkeit bzw. Asylrelevanz des Vorbringens abgesprochen habe. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. 4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. und führte aus, dass das von der Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren grob mangelhaft gewesen sei, da diese ihrer bestehenden und konkretisierten Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung des maßgebenden Sachverhalts nicht nachgekommen sei. Zudem falle der BF unter mehrere UNHCR Risikoprofile. Die von der Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen seien äußerst oberflächlich und mangelhaft. Einerseits sei nicht ausreichend ermittelt worden, andererseits seien zu bestimmten relevanten Sachverhaltselementen gar keine Feststellungen getroffen worden oder seien diese unrichtig. Die Behörde habe zu der Frage, ob dem BF aktuell bzw. in Zukunft eine Zwangsrekrutierung durch das syrische Militär drohe, keine Feststellungen getroffen. Die Feststellung der Behörde basiere auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung und verletze Paragraph 60, AVG. Es sei erkennbar, dass sich die belangte Behörde nicht ausreichend bzw. nicht unter Anwendung ihres Spezialwissens sowie der Berücksichtigung aktueller Länderberichte mit dem Fluchtvorbringen des BF auseinandergesetzt habe und diesem willkürlich die Glaubwürdigkeit bzw. Asylrelevanz des Vorbringens abgesprochen habe. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 02.04.2024 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch im Beisein seines Rechtsvertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der BF wurde zu seinen Fluchtgründen befragt und es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe darzulegen.
In einer Stellungnahme des bevollmächtigten Vertreters wurde in der Verhandlung insbesondere auch ausgeführt, dass es sich beim BF um einen 28-jährigen syrischen Staatsangehörigen handle, der wehrpflichtig und wehrfähig sei und der den gesetzlich verpflichtenden Militärdienst in Syrien nicht abgeleistet habe. Zur Bescheinigung dieses Vorbringens hätte der BF auch ein entsprechendes Beweismittel vorgelegt. Der BF lehne aus asylrelevanten Gründen begründet die Ableistung des Wehrdienstes bei der syrischen Regimearmee ab, bzw. wäre dieser zudem besonders auch wegen seiner Zugehörigkeit zu seiner Großfamilie, bzw. auch wegen des Wehrdienstentzuges und der Tätigkeit von Familienmitgliedern bei oppositionellen Gruppierungen verfolgt. So sei einer seiner Brüder desertiert, bzw. ebenso vom Wehrdienst geflohen und seine Cousins seien aktive Mitglieder der FSA und oppositionell. Mit Dokumentenvorlage vom 04.01.2024 wurde vom bevollmächtigten Vertreter des BF ein Ansuchen der Mutter des BF um Ausstellung eines Strafregisterauszuges, ausgestellt durch die Kriminalpolizei Hama mitsamt einer Anmerkung auf Arabisch, wonach dem BF kein Strafregisterauszug ausgestellt werden könne, da dieser den Grundwehrdienst nicht abgeleistet habe, in Vorlage gebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Zur Person des BF und zu dessen Fluchtvorbringen:
Der BF wurde in der Provinz Aleppo geboren und ist dort auch aufgewachsen. Er ist Angehöriger der arabischen Volksgruppe und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch. Die Ehefrau und die Tochter des BF leben derzeit in der Türkei.
Der BF besuchte in Syrien sechs Jahre die Grundschule besucht, keine Berufsausbildung absolviert und war vor seiner Einreise in Österreich als Schweißer tätig.
Die konkrete Herkunftsregion und der Herkunftsort des BF XXXX befinden sich in der Provinz Aleppo. Die verfahrensgegenständliche Herkunftsregion des BF steht durchgehend nachweislich unter der Kontrolle syrischer Streitkräfte und des syrischen Regimes. Die konkrete Herkunftsregion und der Herkunftsort des BF römisch XXXX befinden sich in der Provinz Aleppo. Die verfahrensgegenständliche Herkunftsregion des BF steht durchgehend nachweislich unter der Kontrolle syrischer Streitkräfte und des syrischen Regimes.
Der BF leidet an keinen lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden psychischen oder physischen Erkrankungen und nimmt keine Medikamente ein.
Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Der BF ist bei einer Rückkehr nach Syrien gegenwärtig und auch zukünftig bis zum Überschreiten des Wehrpflichtaltes in seiner Herkunftsregion mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer Einziehung oder Zwangsrekrutierung zum Militärdienst durch die syrische Regimearmee bedroht.
Im gegenständlichen Verfahren hat es der BF ausreichend konkret aufzeigen können, dass dieser die Ableistung eines Militärdienstes bei dem syrischen Regimemilitär aus konkret dargelegten und glaubhaft gemachten und asylrelevanten (politischen) Gründen ablehnt. Der BF hat somit einen Konnex seiner Ablehnung der Ableistung des Wehrdienstes bei der syrischen Regimearmee mit den in der GFK verankerten Gründen herstellen und glaubhaft machen können.
Auch wurde im gegenständlichen Einzelfall ausreichend konkret aufgezeigt, dass die Großfamilie des BF besonders in den Fokus des syrischen Regimes geraten ist und Mitgliedern dieser in erhöhter Weise eine asylrelevante Bedrohung durch das syrische Regime droht. Zudem hat der BF dargelegt, dass dieser auch aufgrund anderer unmittelbarer Familienangehöriger einer erhöhten Gefährdung einer Gefährdung durch das syrische Regime unterliegt. So hat der BF konkret ausgeführt, dass ein Bruder des BF sich, wie auch der BF selbst, durch eine Ausreise dem Wehrdienst entzogen, bzw. ist ein anderer Bruder hat sich offen zur FSA bekannt und für diese Miliz in Syrien gegen das syrische Regime bzw. Militär aktiv gekämpft hat.
Der BF hat verfahrensgegenständlich durch sämtliche Ausführungen damit ausreichend glaubhaft machen können, bzw. kann es fallgegenständlich mit verfahrensrelevanter Wahrscheinlichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass der BF auch aufgrund seiner Zugehörigkeit zu seiner Großfamilie, als auch seiner unmittelbaren Familie eine oppositionelle Haltung seitens des syrischen Regime im Herkunftsland konkret unterstellt oder zugerechnet werden würde und er selbst auch deshalb einer besonderen ihn unmittelbar konkret betreffenden asylrelevanten Gefährdung oder Bedrohung bei einer Rückkehr aus politischen Gründen ausgesetzt wäre.
Dem Beschwerdeführer droht im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit eine ihn unmittelbar persönlich betreffende verfahrensrelevant asylrelevante Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr aufgrund einer ihn seitens des syrischen Regimes, wenn auch nur unterstellten, oppositionellen (politischen) Gesinnung.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Der BF hat damit im gegenständlichen Verfahren insgesamt ausreichend glaubhaft machen können, dass dieser in Syrien, in seiner Herkunftsregion mit verfahrensmaßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer ihn unmittelbar konkret persönlich betreffenden individuellen asylrelevanten Verfolgung oder Bedrohung iSd. §3 AsylG bei einer Rückkehr ausgesetzt wäre.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Das BVwG legt dem angefochtenen Bescheid folgende Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat Syrien zu Grunde (gekürzt durch das BVwG):
Politische Lage
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 25.2.2019). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, repressivem Zwang, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Obwohl das Regime oft als alawitisch und als Beschützer anderer religiöser Minderheiten bezeichnet wird, ist die Regierung kein wirkliches Instrument für die politischen Interessen der Minderheiten (FH 3.4.2020).
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba?ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weit verbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die syrische Verfassung sieht die Ba?ath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat (USDOS 30.3.2021). Die Verfassungsreform von 2012 lockerte die Regelungen bezüglich der politischen Partizipation anderer Parteien. In der Praxis unterhält die Regierung jedoch noch immer einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat zur Überwachung von Oppositionsbewegungen, die sich zu ernstzunehmenden Konkurrenten der Regierung Assads entwickeln könnten. Ausländische Akteure wie Russland, der Iran und die libanesische schiitische Miliz Hizbollah üben aufgrund ihrer Beteiligung am Krieg und ihrer materiellen Unterstützung für die Regierung ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den vom Regime kontrollierten Gebieten aus. In anderen Gebieten wird die zivile Politik häufig den von der Türkei unterstützten bewaffneten Gruppen untergeordnet. Die PYD dominierte politisch sowohl die Araber als auch die Kurden in den kurdischen Gebieten, während die USA dort militärisch präsent waren. Der Abzug der USA im Oktober 2019 und der anschließende Einmarsch der türkischen Streitkräfte hat der Türkei seitdem die Möglichkeit gegeben, stattdessen mehr Einfluss auszuüben (FH 4.3.2020).
Territorien
Durch massive syrische und russische Luftangriffe und das Eingreifen Irans bzw. durch Iran unterstützter Milizen hat das syrische Regime mittlerweile alle Landesteile außer Teile des Nordwestens, Nordens und Nordostens von der bewaffneten Opposition zurückerobert. Die Anzahl der Kampfhandlungen ist nach Rückeroberung weiter Landesteile zurückgegangen, jedoch besteht die Absicht des syrischen Regimes, das gesamte Staatsgebiet zurückerobern und "terroristische" Kräfte vernichten zu wollen, unverändert fort. Zuletzt erklärte Assad im August 2020 bei einer Rede vor dem syrischen Parlament die "Befreiung" aller syrischen Gebiete zum prioritären Ziel. Trotz der großen Gebietsgewinne durch das Regime besteht die Fragmentierung des Landes in Gebiete, in denen die territoriale Kontrolle von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt wird, fort. Dies gilt insbesondere für den Nordwesten und Nordosten des Landes (AA 4.12.2020). [Anm.: Nähere Informationen finden sich im Kapitel "Sicherheitslage".] Die Präsenz ausländischer Streitkräfte, die ihren politischen Willen geltend machen, untergräbt weiterhin die staatliche Souveränität, und Zusammenstöße zwischen bewaffneten regimefreundlichen Gruppen deuten darauf hin, dass die Regierung nicht in der Lage ist, die Akteure vor Ort zu kontrollieren. Darüber hinaus hat eine aufstrebende Klasse wohlhabender Kriegsprofiteure begonnen, ihren wirtschaftlichen Einfluss und den Einfluss von ihnen finanzierter Milizen zu nutzen, und innerhalb der staatlichen Strukturen nach legitimen Positionen zu streben (BS 29.4.2020).
Durch die Eskalation des Syrien-Konfliktes verlagerte sich die Macht zu regieren in den von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten zunehmend auf die Sicherheitskräfte. In Gebieten außerhalb der Kontrolle der Regierung ist dies nicht anders. Extremistische Rebellengruppierungen, darunter vor allem Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), haben die Vorherrschaft in Idlib. Lokalräte werden von militärischen Einheiten beherrscht, die momentan unter der Kontrolle von HTS stehen. In den kurdischen Gebieten in Nordsyrien dominiert die Partei der Demokratischen Union (PYD). Obwohl es Lippenbekenntnisse zur Integration arabischer Vertreter in Raqqa und Deir ez-Zour gibt, ist die Dominanz der PYD bei der Entscheidungsfindung offensichtlich. Die PYD hat zwar eine Reihe von Verwaltungsorganen auf verschiedenen Ebenen eingerichtet, es ist jedoch ein kompliziertes System mit sich überschneidenden Zuständigkeiten, das es für die Bürger schwierig macht, sich an der Politik zu beteiligen, wenn sie nicht bereits in die Parteikader integriert sind (BS 29.4.2020). Die PYD [ihrerseits nicht von EU oder USA verboten, Anm.] gilt als syrischer Ableger der verbotenen türkisch-kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) (KAS 4.12.2018a).
Der sogenannte Islamische Staat (IS) wurde im März 2019 aus seinem Gebiet in Syrien zurückgedrängt, nachdem kurdische Kräfte seine letzte Hochburg erobert hatten (FH 4.3.2020). Im Nordosten aber auch in anderen Teilen des Landes verlegt sich der IS verstärkt auf Methoden der asymmetrischen Kriegsführung. Hauptziele sind Einrichtungen und Kader der SDF sowie der syrischen Armee (ÖB 1.10.2021).
Wehrpflicht
Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet (DIS 5.2020). Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (STDOK 8.2017).
Vor 2011 lag die Dauer der Wehrpflicht zwischen eineinhalb und zweieinhalb Jahren. Seit 2011 leisten die meisten Reservisten und Militärangehörigen ihren Dienst auf unbestimmte Zeit (NMFA 6.2021), nachdem die syrische Regierung die Abrüstung von Rekruten einstellte (DIS 5.2020; vgl. ÖB 7.2019). Nachdem die Regierung große Teile des Gebiets von bewaffneten Oppositionellen zurückerobert hatte, wurde mit der Entlassung der ältesten Rekrutenklassen begonnen, welche seit 2011 im Dienst waren. Zahlreiche Männer leisten ihren Wehrdienst jedoch weiterhin über den verpflichtenden Zeitraum hinaus ab (DIS 5.2020, vgl. NMFA 6.2021)Vor 2011 lag die Dauer der Wehrpflicht zwischen eineinhalb und zweieinhalb Jahren. Seit 2011 leisten die meisten Reservisten und Militärangehörigen ihren Dienst auf unbestimmte Zeit (NMFA 6.2021), nachdem die syrische Regierung die Abrüstung von Rekruten einstellte (DIS 5.2020; vergleiche ÖB 7.2019). Nachdem die Regierung große Teile des Gebiets von bewaffneten Oppositionellen zurückerobert hatte, wurde mit der Entlassung der ältesten Rekrutenklassen begonnen, welche seit 2011 im Dienst waren. Zahlreiche Männer leisten ihren Wehrdienst jedoch weiterhin über den verpflichtenden Zeitraum hinaus ab (DIS 5.2020, vergleiche NMFA 6.2021)
Reservedienst
Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden (TIMEP 22.8.2019; vgl. STDOK 8.2017). Es liegen einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis zu einem Alter von 27 Jahren ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise angehoben und auch Männer bis zu einem Alter von 55 oder sogar 62 Jahren, abhängig vom Rang, eingezogen, bzw. konnten Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen (ÖB 29.9.2020; vgl. FIS 14.12.2018, vgl. NMFA 5.2020). Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab als von allgemeinen Einberufungsregelungen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018). Manche Quellen berichten, dass ihnen keine Fälle von Rekrutierungen über-42-Jähriger nach 2016 bzw. 2018 bekannt seien. Gemäß anderen Quellen soll es jedoch zu Einberufungen von über-42-jährigen Rückkehrern aus dem Libanon und Jordanien als Reservisten gekommen sein, wobei es sich nicht um Zwangsrekrutierungen handelte (DIS 5.2020).Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden (TIMEP 22.8.2019; vergleiche STDOK 8.2017). Es liegen einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis zu einem Alter von 27 Jahren ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise angehoben und auch Männer bis zu einem Alter von 55 oder sogar 62 Jahren, abhängig vom Rang, eingezogen, bzw. konnten Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen (ÖB 29.9.2020; vergleiche FIS 14.12.2018, vergleiche NMFA 5.2020). Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab als von allgemeinen Einberufungsregelungen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018). Manche Quellen berichten, dass ihnen keine Fälle von Rekrutierungen über-42-Jähriger nach 2016 bzw. 2018 bekannt seien. Gemäß anderen Quellen soll es jedoch zu Einberufungen von über-42-jährigen Rückkehrern aus dem Libanon und Jordanien als Reservisten gekommen sein, wobei es sich nicht um Zwangsrekrutierungen handelte (DIS 5.2020).
Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (TIMEP 6.12.2018). Die syrische Regierung hat das syrische Militärdienstgesetz während des Konflikts mehrfach geändert, um die Zahl der Rekruten zu erhöhen (DIS 10.2019). Glaubhaften Berichten zufolge gibt es Zwangsrekrutierungen junger Männer durch syrische Streitkräfte auch unmittelbar im Kampfgebiet. Der Personalbedarf des syrischen Militärs bleibt unverändert hoch, und seit Dezember 2018 haben sich die Rekrutierungsbemühungen aufgrund dessen sogar noch verstärkt (AA 4.12.2020). Während ein Abkommen zwischen den überwiegend kurdischen Syrian Democratic Forces (SDF) und der syrischen Regierung vom November 2019 die Stationierung von Truppen der syrischen Streitkräfte in vormals kurdisch kontrollierten Gebieten vorsieht, hat die syrische Regierung aufgrund von mangelnder Verwaltungskompetenz bislang keinen verpflichtenden Wehrdienst in diesen Gebieten wiedereingeführt (DIS 5.2020) [Anm.: zum Wehrdienst bei Einheiten der SDF siehe Kapitel Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen - „Nordost-Syrien“.]
Rekrutierung und Verfolgung
Die Regierung hat in vormals unter der Kontrolle der Oppositionskräfte stehenden Gebieten, wie zum Beispiel Ost-Ghouta, Zweigstellen zur Rekrutierung geschaffen. Wehrdienstverweigerer und Deserteure können sich in diesen Rekrutierungszentren melden, um nicht länger von den Sicherheitskräften gesucht zu werden. In vormaligen Oppositionsgebieten werden Listen mit Namen von Personen, welche zur Rekrutierung gesucht werden, an lokale Behörden und Sicherheitskräfte an Checkpoints verteilt (DIS 5.2020).
Unbestätigten Berichten zufolge wird der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit informiert, wenn die Gründe für einen Aufschub nicht mehr gegeben sind, und diese werden auch digital überprüft. Früher mussten die Studenten den Status ihres Studiums selbst an das Militär melden, doch jetzt wird der Status der Studenten aktiv überwacht. Generell werden die Universitäten nun strenger überwacht und sind verpflichtet, das Militär über die An- oder Abwesenheit von Studenten zu informieren (STDOK 8.2017). Berichten zufolge wurden Studenten trotz einer Ausnahmegenehmigung gelegentlich an Kontrollpunkten rekrutiert (FIS 14.12.2018).
Ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet (FIS 14.12.2018). In Homs führt die Militärpolizei beispielsweise stichprobenartig unvorhersehbare Straßenkontrollen durch. Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden (EB 3.6.2020). Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben. Nach Angaben einer Quelle fürchten auch Männer im wehrfähigen Alter, welche vom Militärdienst laut Gesetz ausgenommen sind oder von einer zeitweisen Amnestie vom Wehrdienst Gebrauch machen wollen, an der Grenze eingezogen zu werden (DIS 5.2020). Während manche Quellen davon ausgehen, dass insbesondere in vormaligen Oppositionsgebieten (z.B. dem Umland von Damaskus, Aleppo, Dara‘a und Homs) immer noch Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen stattfinden (DIS 5.2020; vgl. EB 3.6.2020), berichten andere Quellen, dass die Regierung nun weitgehend davon absieht, um erneute Aufstände zu vermeiden. Weiters rekrutieren die syrischen Streitkräfte in Lagern für Binnenvertriebene (DIS 5.2020).Ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet (FIS 14.12.2018). In Homs führt die Militärpolizei beispielsweise stichprobenartig unvorhersehbare Straßenkontrollen durch. Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden (EB 3.6.2020). Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben. Nach Angaben einer Quelle fürchten auch Männer im wehrfähigen Alter, welche vom Militärdienst laut Gesetz ausgenommen sind oder von einer zeitweisen Amnestie vom Wehrdienst Gebrauch machen wollen, an der Grenze eingezogen zu werden (DIS 5.2020). Während manche Quellen davon ausgehen, dass insbesondere in vormaligen Oppositionsgebieten (z.B. dem Umland von Damaskus, Aleppo, Dara‘a und Homs) immer noch Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen stattfinden (DIS 5.2020; vergleiche EB 3.6.2020), berichten andere Quellen, dass die Regierung nun weitgehend davon absieht, um erneute Aufstände zu vermeiden. Weiters rekrutieren die syrischen Streitkräfte in Lagern für Binnenvertriebene (DIS 5.2020).
Mitte Oktober 2018 berichteten regierungsnahe Medien, dass etwa 800.000 Männer nicht mehr für den Reservedienst benötigt werden. Eine Reihe Syrer kehrten daraufhin nach Syrien zurück, wobei manche über Beziehungen in der Heimat ihren Wehrdienststatus überprüfen ließen und sich versicherten, dass sie tatsächlich nicht mehr gesucht werden. Zumindest manche der Rückkehrer wurden wenige Wochen später eingezogen, nachdem das Verteidigungsministerium im Dezember 2018 neue Einberufungslisten für den Reservedienst veröffentlichte und so die vorherige Entscheidung aufhob. Die Gründe für diese Verkettung von Ereignissen ist jedoch laut International Crisis Group schwer zu ermitteln (ICG 13.2.2020).
Befreiung, Aufschub und Reservisten
Das syrische Wehrdienstgesetz sieht vor, dass bestimmte Personengruppen, wie zum Beispiel der einzige Sohn einer Familie, aus medizinischen Gründen Untaugliche (DIS 5.2020; vgl. FIS 14.12.2018), manche Regierungsangestellte (FIS 14.12.2018) und Personen, welche eine Befreiungsgebühr bezahlen, vom Wehrdienst ausgenommen sind. Manche Studenten und Personen mit bestimmten Abschlüssen, wie auch Personen mit vorübergehenden Erkrankungen können den Wehrdienst aufschieben, wobei die Rückstellungen jedes Jahr erneuert werden müssen (DIS 5.2020). Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, in der Praxis gibt es jedoch mittlerweile mehr Beschränkungen und es ist unklar, wie die entsprechenden Gesetze derzeit umgesetzt werden (FIS 14.12.2018). Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert (STDOK 8.2017; vgl. FIS 14.12.2018). Das Risiko der Willkür ist immer gegeben (STDOK 8.2017; vgl. DRC/DIS 8.2017).Befreiung, Aufschub und Reservisten
Das syrische Wehrdienstgesetz sieht vor, dass bestimmte Personengruppen, wie zum Beispiel der einzige Sohn einer Familie, aus medizinischen Gründen Untaugliche (DIS 5.2020; vergleiche FIS 14.12.2018), manche Regierungsangestellte (FIS 14.12.2018) und Personen, welche eine Befreiungsgebühr bezahlen, vom Wehrdienst ausgenommen sind. Manche Studenten und Personen mit bestimmten Abschlüssen, wie auch Personen mit vorübergehenden Erkrankungen können den Wehrdienst aufschieben, wobei die Rückstellungen jedes Jahr erneuert werden müssen (DIS 5.2020). Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, in der Praxis gibt es jedoch mittlerweile mehr Beschränkungen und es ist unklar, wie die entsprechenden Gesetze derzeit umgesetzt werden (FIS 14.12.2018). Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert (STDOK 8.2017; vergleiche FIS 14.12.2018). Das Risiko der Willkür ist immer gegeben (STDOK 8.2017; vergleiche DRC/DIS 8.2017).
Rechtliche Situation
Das syrische Militärdienstgesetz erlaubt es syrischen Männern und registrierten Palästinensern aus Syrien im Militärdienstalter (18-42 Jahre) und mit Wohnsitz im Ausland, eine Gebühr ("badal an-naqdi") zu entrichten, um von der Wehrpflicht befreit und nicht wieder einberufen zu werden. Bis 2020 konnten Männer, die sich mindestens vier aufeinanderfolgende Jahre außerhalb Syriens aufgehalten haben, einen Betrag von 8.000 US-Dollar zahlen, um vom Militärdienst befreit zu werden (NMFA 6.2021 vgl. DIS 5.2020, vgl. EB 9.2.2019), wobei noch weitere Konsulargebühren anfallen (EB 9.2.2019). Im November 2020 wurde die Dauer des erforderlichen Auslandaufenthalts auf ein Jahr reduziert und die Gebühr auf 10.000 USD erhöht. Wer zwei, drei, vier oder mehr Jahre im Ausland wohnhaft ist, muss 9.000, 8.000 bzw. 7.000 USD bezahlen, um befreit zu werden. Wer außerhalb Syriens lebt und als Reservist einberufen wird, kann eine Befreiung erhalten, indem er 5.000 USD bezahlt (NMFA 6.2021). Für außerhalb Syriens geborene Syrer im wehrpflichtigen Alter, welche bis zum 19. Lebensjahr im Ausland lebten, gilt bis zum Alter von 25 Jahren eine Befreiungsgebühr von 2.500 USD (DIS 5.2020; vgl. AA 13.11.2018). Ein Besuch von bis zu drei Monaten in Syrien wird dabei nicht als Unterbrechung des Aufenthalts einer Person in dem fremden Land gewertet. Für jedes Jahr, in welchem ein Wehrpflichtiger weder eine Befreiungsgebühr bezahlt, noch den Wehrdienst aufschiebt oder sich zu diesem meldet, fallen zusätzliche Gebühren an. Eine Quelle berichtet, dass auch Männer, die Syrien illegal verlassen haben, durch die Zahlung der Gebühr von 8.000 USD vom Militärdienst befreit werden können (DIS 5.2020). Diese müssen ihren rechtlichen Status allerdings zuvor bei einer syrischen Auslandsvertretung bereinigen (DIS 10.2019). Das deutsche Auswärtige Amt berichtet dagegen, dass nicht bekannt sei, ob diese Regelung auch für syrische Männer gilt, die seit Beginn des Bürgerkriegs ins Ausland geflüchtet sind (AA 13.11.2018). Informationen über den Prozess der Kompensationszahlung können auf den Webseiten der syrischen Botschaften in Ländern wie Deutschland, Ägypten, Libanon und der Russischen Föderation aufgerufen werden. Bevor die Zahlung durchgeführt wird, kontaktiert die Botschaft das syrische Verteidigungsministerium, um eine Genehmigung zu erhalten. Dabei wird ermittelt, ob die antragstellende Person sich vom Wehrdienst freikaufen kann (NMFA 5.2020). Offiziell ist dieser Prozess relativ einfach, jedoch dauert er in Wirklichkeit sehr lange, und es müssen viele zusätzliche Kosten gezahlt werden, unter anderem Bestechungsgelder für die Bürokratie. Beispielsweise müssen junge Männer, die mit der Opposition in Verbindung standen, aber aus wohlhabenden Familien kommen, wahrscheinlich mehr bezahlen, um vorab ihre Akte zu bereinigen (Balanche 13.12.2021).Das syrische Militärdienstgesetz erlaubt es syrischen Männern und registrierten Palästinensern aus Syrien im Militärdienstalter (18-42 Jahre) und mit Wohnsitz im Ausland, eine Gebühr ("badal an-naqdi") zu entrichten, um von der Wehrpflicht befreit und nicht wieder einberufen zu werden. Bis 2020 konnten Männer, die sich mindestens vier aufeinanderfolgende Jahre außerhalb Syriens aufgehalten haben, einen Betrag von 8.000 US-Dollar zahlen, um vom Militärdienst befreit zu werden (NMFA 6.2021 vergleiche DIS 5.2020, vergleiche EB 9.2.2019), wobei noch weitere Konsulargebühren anfallen (EB 9.2.2019). Im November 2020 wurde die Dauer des erforderlichen Auslandaufenthalts auf ein Jahr reduziert und die Gebühr auf 10.000 USD erhöht. Wer zwei, drei, vier oder mehr Jahre im Ausland wohnhaft ist, muss 9.000, 8.000 bzw. 7.000 USD bezahlen, um befreit zu werden. Wer außerhalb Syriens lebt und als Reservist einberufen wird, kann eine Befreiung erhalten, indem er 5.000 USD bezahlt (NMFA 6.2021). Für außerhalb Syriens geborene Syrer im wehrpflichtigen Alter, welche bis zum 19. Lebensjahr im Ausland lebten, gilt bis zum Alter von 25 Jahren eine Befreiungsgebühr von 2.500 USD (DIS 5.2020; vergleiche AA 13.11.2018). Ein Besuch von bis zu drei Monaten in Syrien wird dabei nicht als Unterbrechung des Aufenthalts einer Person in dem fremden Land gewertet. Für jedes Jahr, in welchem ein Wehrpflichtiger weder eine Befreiungsgebühr bezahlt, noch den Wehrdienst aufschiebt oder sich zu diesem meldet, fallen zusätzliche Gebühren an. Eine Quelle berichtet, dass auch Männer, die Syrien illegal verlassen haben, durch die Zahlung der Gebühr von 8.000 USD vom Militärdienst befreit werden können (DIS 5.2020). Diese müssen ihren rechtlichen Status allerdings zuvor bei einer syrischen Auslandsvertretung bereinigen (DIS 10.2019). Das deutsche Auswärtige Amt berichtet dagegen, dass nicht bekannt sei, ob diese Regelung auch für syrische Männer gilt, die seit Beginn des Bürgerkriegs ins Ausland geflüchtet sind (AA 13.11.2018). Informationen über den Prozess der Kompensationszahlung können auf den Webseiten der syrischen Botschaften in Ländern wie Deutschland, Ägypten, Libanon und der Russischen Föderation aufgerufen werden. Bevor die Zahlung durchgeführt wird, kontaktiert die Botschaft das syrische Verteidigungsministerium, um eine Genehmigung zu erhalten. Dabei wird ermittelt, ob die antragstellende Person sich vom Wehrdienst freikaufen kann (NMFA 5.2020). Offiziell ist dieser Prozess relativ einfach, jedoch dauert er in Wirklichkeit sehr lange, und es müssen viele zusätzliche Kosten gezahlt werden, unter anderem Bestechungsgelder für die Bürokratie. Beispielsweise müssen junge Männer, die mit der Opposition in Verbindung standen, aber aus wohlhabenden Familien kommen, wahrscheinlich mehr bezahlen, um vorab ihre Akte zu bereinigen (Balanche 13.12.2021).
Minderheiten
Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin aus Gewissensgründen vom Militärdienst befreit werden, wobei muslimische Führer dafür eine Abgabe bezahlen müssen (USDOS 12.5.2021). Es gibt Berichte, dass in einigen ländlichen Gebieten Mitgliedern von religiösen Minderheiten die Möglichkeit geboten wurde, sich lokalen regierungsnahen Milizen anzuschließen, anstatt ihren Wehrdienst abzuleisten. In den Städten gab es diese Möglichkeit im Allgemeinen jedoch nicht und Mitglieder von Minderheiten wurden unabhängig von ihrem religiösen Hintergrund zum Militärdienst eingezogen (FIS 14.12.2018). Obwohl die Wehrpflicht laut Verfassung auch für die drusische Gemeinschaft gilt, wurde sie von der Regierung im Gegenzug für die Unterstützung durch die Gemeinschaft weitgehend ausgeklammert. Seit Mai 2020 waren die syrischen Sicherheitskräfte jedoch bestrebt, diejenigen zu verfolgen, die vor dem Militärdienst geflohen waren. Im Februar 2021 wurden in Sweida schätzungsweise 20.000 Personen zum Militärdienst gesucht, die unter dem Schutz bewaffneter Gruppierungen standen (COAR 24.11.2020).
Gesetzliche Änderungen der letzten Jahre
Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, aber auch nicht aus etwaigen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2.000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert, den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017, PAR 15.11.2017).Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, aber auch nicht aus etwaigen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2.000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert, den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vergleiche SLJ 10.11.2017, PAR 15.11.2017).
Seit einer Änderung des Wehrpflichtgesetzes im Juli 2019 ist die Aufschiebung des Militärdienstes jedenfalls nur bis zum Alter von 37 Jahren möglich und kann durch Befehl des Oberbefehlshabers beendet werden (ÖB 29.9.2020). Es gibt Beispiele, wo Männer sich durch die Bezahlung von Bestechungsgeldern vom Wehrdienst freigekauft haben, was jedoch keineswegs als einheitliche Praxis betrachtet werden kann. So war es vor dem Konflikt gängige Praxis, sich vom Wehrdienst freizukaufen, was einen aber nicht davor schützt – manchmal sogar Jahre danach – trotzdem eingezogen zu werden (STDOK 8.2017). Auch berichtet eine Quelle, dass Grenzbeamte von Rückkehrern trotz entrichteter Befreiungsgebühr Bestechungsgelder verlangen könnten (DIS 5.2020).
Im November 2020 erließ die Armeeführung der syrischen Regierung zwei Verwaltungserlässe, mit denen der Militärdienst für bestimmte Kategorien von Offizieren und Ärzten, die bis Januar 2021 zwei bzw. siebeneinhalb Jahre als Reservisten gedient haben, faktisch beendet wird. Nur wenige Reservisten werden von den Erlassen profitieren, die wahrscheinlich in erster Linie dazu dienen, das Image des Regimes aufzupolieren, um Anreize für eine Rückkehr zu schaffen. Die Demobilisierung wird keine nennenswerte Wirkung erzielen (COAR 24.11.2020).
Amnestien
Seit 2011 hat der syrische Präsident für Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen, Wehrdienstverweigerer und Deserteure eine Reihe von Amnestien erlassen, die Straffreiheit vorsahen, wenn sie sich innerhalb einer bestimmten Frist zum Militärdienst melden (STDOK 8.2017; vgl. TIMEP 6.12.2018, SHRC 24.1.2019, AA 4.12.2020, DIS 5.2020).Amnestien
Seit 2011 hat der syrische Präsident für Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen, Wehrdienstverweigerer und Deserteure eine Reihe von Amnestien erlassen, die Straffreiheit vorsahen, wenn sie sich innerhalb einer bestimmten Frist zum Militärdienst melden (STDOK 8.2017; vergleiche TIMEP 6.12.2018, SHRC 24.1.2019, AA 4.12.2020, DIS 5.2020).
Über die Umsetzung und den Umfang der Amnestien für Wehrdienstverweigerer und Deserteure ist nur sehr wenig bekannt (DIS 5.2020). Menschenrechtsorganisationen und Beobachter haben die Amnestien wiederholt als intransparent und unzureichend kritisiert (STDOK 8.2017; vgl. EB 3.4.2020), sowie als bisher wirkungslos (AA 4.12.2020; vgl. DIS 5.2020) und als ein Propagandainstrument der Regierung (DIS 5.2020; vgl. EB 3.4.2020). Im Laufe des Jahres 2019 häuften sich Berichte über Regimekräfte, die gegen frühere Amnestievereinbarungen verstießen, indem sie Razzien und Verhaftungskampagnen durchführten, die sich auf Zivilisten und ehemalige Angehörige bewaffneter Oppositionsfraktionen in Gebieten konzentrierten, die zuvor Versöhnungsvereinbarungen mit dem Regime unterzeichnet hatten (USDOS 11.3.2020; vgl. DIS 5.2020). Es gibt auch
Hinweise darauf, dass die Namen von Personen, die sich im Rahmen einer Amnestie gemeldet haben, fast sofort auf Listen gesetzt werden, um zum Militärdienst einberufen zu werden (DIS 5.2020, vgl. NMFA 6.2021). Einer Quelle zufolge respektiere die syrische Regierung Amnestien nun eher als früher (DIS 5.2020). Das Narrativ der Amnestie oder der milden Behandlung ist höchst zweifelhaft. Es spielt nicht nur eine Rolle, ob zum Beispiel Familienmitglieder für die FSA (Freie Syrische Armee) oder unter den Rebellen gekämpft haben, sondern das Regime hegt auch ein tiefes geografisches Misstrauen. Es spielt eine große Rolle, woher man kommt, ob man aus Gebieten mit vielen Demonstrationen oder Rebellenaktivitäten geflohen ist, zum Beispiel Ost-Ghouta, Damaskus oder Homs (Üngör 15.12.2021). Auch wenn Assad allen gesagt hat, dass es eine Amnestie geben wird, kann er nicht kontrollieren, was vor Ort passiert, und Vergeltung ist ein weit verbreitetes Phänomen (Balanche 13.12.20