TE Bvwg Erkenntnis 2024/6/13 I419 2290645-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.06.2024
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Entscheidungsdatum

13.06.2024

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. AsylG 2005 § 2 heute
  2. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.07.2021 bis 23.12.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 69/2020
  3. AsylG 2005 § 2 gültig ab 24.12.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2020
  4. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.09.2018 bis 23.12.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018
  5. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.11.2017 bis 31.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  6. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  7. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.06.2016 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2016
  8. AsylG 2005 § 2 gültig von 20.07.2015 bis 31.05.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015
  9. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.01.2014 bis 19.07.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 144/2013
  10. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  11. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013
  12. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009
  13. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  14. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  15. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. AsylG 2005 § 75 heute
  2. AsylG 2005 § 75 gültig ab 01.09.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018
  3. AsylG 2005 § 75 gültig von 01.06.2016 bis 31.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2016
  4. AsylG 2005 § 75 gültig von 20.07.2015 bis 31.05.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015
  5. AsylG 2005 § 75 gültig von 01.01.2014 bis 19.07.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 144/2013
  6. AsylG 2005 § 75 gültig von 01.01.2014 bis 17.04.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013
  7. AsylG 2005 § 75 gültig von 18.04.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 144/2013
  8. AsylG 2005 § 75 gültig von 18.04.2013 bis 17.04.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013
  9. AsylG 2005 § 75 gültig von 26.07.2012 bis 17.04.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 67/2012
  10. AsylG 2005 § 75 gültig von 01.07.2011 bis 25.07.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 38/2011
  11. AsylG 2005 § 75 gültig von 01.01.2010 bis 30.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  12. AsylG 2005 § 75 gültig von 01.04.2009 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2009
  13. AsylG 2005 § 75 gültig von 01.07.2008 bis 31.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  14. AsylG 2005 § 75 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. BFA-VG § 21 heute
  2. BFA-VG § 21 gültig von 01.06.2018 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  3. BFA-VG § 21 gültig ab 01.06.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. BFA-VG § 21 gültig von 01.11.2017 bis 31.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  5. BFA-VG § 21 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  6. BFA-VG § 21 gültig von 20.07.2015 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015
  7. BFA-VG § 21 gültig von 01.01.2014 bis 19.07.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013
  8. BFA-VG § 21 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


I419 2290645-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. SYRIEN, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 04.03.2024, Zl. XXXX , zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von römisch XXXX alias römisch XXXX alias römisch XXXX , geb. römisch XXXX , StA. SYRIEN, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 04.03.2024, Zl. römisch XXXX , zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.A) Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer beantragte internationalen Schutz. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA den Antrag betreffend den Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I), zuerkannte dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkte II und III).1. Der Beschwerdeführer beantragte internationalen Schutz. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA den Antrag betreffend den Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins), zuerkannte dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkte römisch II und römisch III).

2. Gegen Spruchpunkt I richtet sich die Beschwerde. Darin wird vorgebracht, der Beschwerdeführer habe den Grundwehrdienst noch nicht abgeleistet und stamme aus einer vom syrischen Regime kontrollierten Region. Daher bestünde die Gefahr von Seiten des syrischen Regimes zwangsrekrutiert zu werden, sowie auf Grund seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung als Gegner gesehen und verfolgt zu werden.2. Gegen Spruchpunkt römisch eins richtet sich die Beschwerde. Darin wird vorgebracht, der Beschwerdeführer habe den Grundwehrdienst noch nicht abgeleistet und stamme aus einer vom syrischen Regime kontrollierten Region. Daher bestünde die Gefahr von Seiten des syrischen Regimes zwangsrekrutiert zu werden, sowie auf Grund seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung als Gegner gesehen und verfolgt zu werden.

Sein Vater sowie zwei Onkel seien vom syrischen Regime verhaftet worden und später verstorben. Wenn da BFA argumentiere, dass für den Beschwerdeführer die Möglichkeit bestünde, sich vom Wehrdienst freizukaufen, ließe es außer Acht, dass die Behörde für die Ermordung seines Vaters und der beiden Onkel verantwortlich sei und die monetäre Unterstützung des Regimes für den Beschwerdeführer weder in Frage komme noch zumutbar sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:Der unter Punkt römisch eins beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, Mitte 20 und Araber. Er spricht Arabisch als Muttersprache, Englisch, Thailändisch und etwas Türkisch, hat keine Kinder, ist ledig und Sunnit.

Er wurde in der Stadt Damaskus geboren und wohnte mit seiner Mutter in der Stadt XXXX ( XXXX ), wo er auch aufwuchs, die im gleichnamigen Bezirk und 10 km südöstlich der Stadt Damaskus im Gouvernement Damaskus Land liegt. Nach sechs Jahren Schulbesuch arbeitete er dort in einer Fabrik. Seine Mutter arbeitete als Reinigungskraft, der Vater war Kleinbusfahrer.Er wurde in der Stadt Damaskus geboren und wohnte mit seiner Mutter in der Stadt römisch XXXX ( römisch XXXX ), wo er auch aufwuchs, die im gleichnamigen Bezirk und 10 km südöstlich der Stadt Damaskus im Gouvernement Damaskus Land liegt. Nach sechs Jahren Schulbesuch arbeitete er dort in einer Fabrik. Seine Mutter arbeitete als Reinigungskraft, der Vater war Kleinbusfahrer.

Er entschloss sich 2012 zur Ausreise und begab sich Ende des Jahres mit einem Touristenvisum nach Thailand. Dort arbeitete er als Ticketverkäufer in einer Diskothek, sammelte Berufserfahrung als Koch und blieb fünf Jahre. Nachdem seine Aufenthaltsberechtigung abgelaufen war, wurde er in den Sudan abgeschoben, von wo er bald in den Irak und durch illegale Einreise weiter in die Türkei gelangte. Dort arbeitete er auf Baustellen und als Fabrik-Hilfsarbeiter bis er nach dreijährigem Aufenthalt Ende 2021 nach Syrien abgeschoben wurde. Bereits spätestens im Jänner 2022 gelangte der Beschwerdeführer illegal nach Griechenland, wo er Asyl beantragte, Anfang März 2022 aber eine abweisende Entscheidung der Rechtsmittelinstanz erhielt. Anschließend begab er sich nach Albanien, Kosovo, Serbien, Ungarn und spätestens im Juli 2022 nach Österreich, wo er neuerlich internationalen Schutz beantragte.

Der Beschwerdeführer ist gesund, arbeitsfähig und strafrechtlich unbescholten. Er war ab 08.11.2023 geringfügig und ist seit Anfang Dezember vollversichert in einem Imbissbetrieb in seiner Wohngemeinde beschäftigt, wobei er in den ersten vier Monaten 2024 durchschnittlich Einkommen von € 734,36 erzielte, was (laut Brutto-netto-Rechner) € 658,41 netto entspricht.

Im Mai 2024 bezog er eine Privatunterkunft, zuvor hatte er lediglich eine Hauptwohnsitzbestätigung („Obdachlosenadresse“). Seit Anfang März 2023 bezieht er keine Leistungen der Grundversorgung mehr. Er besitzt seit Mai 2024 einen österreichischen Fremdenpass und hat seit dem Verlassen der Türkei keinen Reisepass des Herkunftsstaates mehr.

Im Herkunftsstaat lebt die Mutter des Beschwerdeführers, Mitte 40. Seine Schwester lebt in Deutschland, ein Bruder ist Asylwerber in Österreich.

1.2 Zur Situation im Herkunftsstaat:

Im angefochtenen Bescheid wurde das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Syrien auf Stand 17.07.2023 zitiert. Aktuell steht ein am 27.03.2024 erschienenes zur Verfügung. Das Gericht geht von den darin enthaltenen Länderfeststellungen aus und berücksichtigt ferner Publikationen des UNHCR und der EUAA (unten 1.2.8). Im gegebenen Zusammenhang sind davon die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:

1.2.1 Politische Lage

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016). [...]

Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024). [...]Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024). [...]

1.2.2 Sicherheitslage

Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022). [...]

Informationen zur Untersuchung von Chemiewaffeneinsätzen in Syrien

Die syrische Regierung wird beschuldigt mehrmals chemische Waffen eingesetzt zu haben, was zu internationalen Verurteilungen in den Jahren 2013, 2017 und 2018 führte (CFR 24.1.2024). Seit der im November 2017 an russischen Vetos im VN-Sicherheitsrat gescheiterten Verlängerung des Mandats des „Joint Investigative Mechanism“ (JIM) fehlte ein Mechanismus, der die Urheberschaft von Chemiewaffeneinsätzen feststellt. Ein gegen heftigen Widerstand Russlands im Juni 2018 angenommener Beschluss erlaubt nun der Organisation für das Verbot von Chemischen Waffen (OPCW), die Verantwortlichen der Chemiewaffenangriffe in Syrien im Rahmen eines hierfür neu gebildeten „Investigation and Identification Teams“ (IIT) zu ermitteln. Im April 2021 legte das IIT seinen zweiten Ermittlungsbericht vor, demzufolge hinreichende Belege vorliegen, dass der Chemiewaffeneinsatz in der Stadt Saraqib im Februar 2018 auf Kräfte des syrischen Regimes zurückzuführen ist. Die Untersuchung dreier Angriffe im März 2017 kam zu dem Ergebnis, dass hinreichende Belege vorliegen, dass die syrischen Luftstreitkräfte für den Einsatz von Sarin am 24. und 30.3.2017 sowie Chlorgas am 25.3.2017 in Latamenah verantwortlich sind. Die unabhängigen internationalen Experten der FFM gehen, davon unabhängig, weiter Meldungen zu mutmaßlichen Chemiewaffeneinsätzen nach. So kommt der FFM-Bericht vom 1.3.2019 zu dem Ergebnis, dass bei der massiven Bombardierung von Duma am 7.4.2018 erneut Chemiewaffen (Chlor) eingesetzt wurden („reasonable grounds“). Auch eine Untersuchungskommission des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen kam zu diesem Ergebnis. Pressemeldungen zufolge soll das Assad-Regime am 19.5.2019 wiederholt Chlorgas in Kabana/Jabal al-Akrad im Gouvernement Lattakia eingesetzt haben. Die US-Regierung hat hierzu erklärt, dass auch sie über entsprechende Hinweise verfüge, um den Chlorgaseinsatz entsprechend zuzuordnen. Untersuchungen durch FFM bzw. IIT stehen noch aus. Am 1.10.2020 veröffentlichte die FFM zwei weitere Untersuchungsberichte zu vermuteten Chemiewaffeneinsätzen in Saraqib (1.8.2016) und Aleppo (24.11.2018). In beiden Fällen konnte die OPCW angesichts der vorliegenden Informationslage nicht sicher feststellen, ob chemische Waffen zum Einsatz gekommen sind (AA 29.11.2021). Am 26.1.2022 veröffentlichte die Untersuchungskommission der OPCW einen Bericht, in dem sie zu dem Schluss kommt, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass am 1.9.2015 in Marea, Syrien, ein chemischer Blisterstoff als Waffe eingesetzt wurde (OPCW 26.1.2022). In einem weiteren Bericht vom 1.2.2022 kommt die OPCW zu dem Schluss, dass es außerdem hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass am 1.10.2016 in Kafr Zeita eine industrielle Chlorflasche als chemische Waffe eingesetzt wurde (OPCW 1.2.2022)

Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien

Mittlerweile hat das Assad-Regime, unterstützt von Russland und Iran, unterschiedlichen Quellen zu Folge zwischen 60 Prozent (INSS 24.4.2022; vgl. GIS 23.5.2022) und 70 Prozent des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle gebracht (USCIRF 11.2022; EUAA 9.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; vgl. SWP 3.2020, FP 15.3.2021, EUI 13.3.2020) [...].Mittlerweile hat das Assad-Regime, unterstützt von Russland und Iran, unterschiedlichen Quellen zu Folge zwischen 60 Prozent (INSS 24.4.2022; vergleiche GIS 23.5.2022) und 70 Prozent des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle gebracht (USCIRF 11.2022; EUAA 9.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; vergleiche SWP 3.2020, FP 15.3.2021, EUI 13.3.2020) [...].

Unabhängig von militärischen Entwicklungen kommt es laut Vereinten Nationen (VN) und Menschenrechtsorganisationen zu massiven Menschenrechtsverletzungen durch verschiedene Akteure in allen Landesteilen, insbesondere auch in Gebieten unter Kontrolle des Regimes (AA 29.11.2021) [Anm.: Siehe dazu Kapitel Allgemeine Menschenrechtslage]. Die VN-Untersuchungskommission für Syrien hält es für wahrscheinlich, dass das Regime, seine russischen Verbündeten und andere regimetreue Kräfte Angriffe begangen haben, die durch Kriegsverbrechen gekennzeichnet sind und möglicherweise auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen. Dem Regime nahestehende paramilitärische Gruppen begehen Berichten zufolge häufige Verstöße und Misshandlungen, darunter Massaker, wahllose Tötungen, Entführungen von Zivilisten, extreme körperliche Misshandlungen, einschließlich sexueller Gewalt, und rechtswidrige Festnahmen (USDOS 20.3.2023). Die syrische Regierung und andere Konfliktparteien setzen weiterhin Verhaftungen und das Verschwindenlassen von Personen als Strategie zur Kontrolle und Einschüchterung der Zivilbevölkerung ein (GlobalR2P 31.5.2023; vgl. CC 3.11.2022). In Zentral-, West- und Südsyrien kommt es in den von der Regierung kontrollierten Gebieten systematisch zu willkürlichen Verhaftungen, Folterungen und Misshandlungen (GlobalR2P 1.12.2022) [...].Unabhängig von militärischen Entwicklungen kommt es laut Vereinten Nationen (VN) und Menschenrechtsorganisationen zu massiven Menschenrechtsverletzungen durch verschiedene Akteure in allen Landesteilen, insbesondere auch in Gebieten unter Kontrolle des Regimes (AA 29.11.2021) [Anm.: Siehe dazu Kapitel Allgemeine Menschenrechtslage]. Die VN-Untersuchungskommission für Syrien hält es für wahrscheinlich, dass das Regime, seine russischen Verbündeten und andere regimetreue Kräfte Angriffe begangen haben, die durch Kriegsverbrechen gekennzeichnet sind und möglicherweise auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen. Dem Regime nahestehende paramilitärische Gruppen begehen Berichten zufolge häufige Verstöße und Misshandlungen, darunter Massaker, wahllose Tötungen, Entführungen von Zivilisten, extreme körperliche Misshandlungen, einschließlich sexueller Gewalt, und rechtswidrige Festnahmen (USDOS 20.3.2023). Die syrische Regierung und andere Konfliktparteien setzen weiterhin Verhaftungen und das Verschwindenlassen von Personen als Strategie zur Kontrolle und Einschüchterung der Zivilbevölkerung ein (GlobalR2P 31.5.2023; vergleiche CC 3.11.2022). In Zentral-, West- und Südsyrien kommt es in den von der Regierung kontrollierten Gebieten systematisch zu willkürlichen Verhaftungen, Folterungen und Misshandlungen (GlobalR2P 1.12.2022) [...].

Seit der Rückeroberung der größtenteils landwirtschaftlich geprägten Provinz um Damaskus im Jahr 2018 versucht der syrische Präsident Bashar al-Assad, die Hauptstadt als einen ‚Hort der Ruhe‘ in einem vom Konflikt zerrissenen Land darzustellen (AN 1.7.2022; vgl. EUAA 9.2022). Nach mehreren Anschlägen in den Jahren zwischen 2020 bis 2023, bei denen bestimmte Personen (Zivilisten oder Militärpersonal) mittels Autobomben ins Visier genommen wurden (TSO 10.3.2020; vgl. COAR 25.10.2021) und mehreren Anschlägen im Zeitraum von April 2022 bis Juli 2022, bei denen mehrere Personen mit Regimenähe ins Visier genommen wurden (AN 1.7.2022), ist die Sicherheitslage vertraulichen Quellen des niederländischen
Außenministeriums zufolge in Damaskus Stadt mit Stand August 2023 relativ stabil. Die Syrische Regierung hat sogar alle Checkpoints aus der Innenstadt entfernt, weil die Sicherheitslage sich insbesondere im Zentrum so stark gebessert hat (NMFA 8.2023). [...]
Seit der Rückeroberung der größtenteils landwirtschaftlich geprägten Provinz um Damaskus im Jahr 2018 versucht der syrische Präsident Bashar al-Assad, die Hauptstadt als einen ‚Hort der Ruhe‘ in einem vom Konflikt zerrissenen Land darzustellen (AN 1.7.2022; vergleiche EUAA 9.2022). Nach mehreren Anschlägen in den Jahren zwischen 2020 bis 2023, bei denen bestimmte Personen (Zivilisten oder Militärpersonal) mittels Autobomben ins Visier genommen wurden (TSO 10.3.2020; vergleiche COAR 25.10.2021) und mehreren Anschlägen im Zeitraum von April 2022 bis Juli 2022, bei denen mehrere Personen mit Regimenähe ins Visier genommen wurden (AN 1.7.2022), ist die Sicherheitslage vertraulichen Quellen des niederländischen
Außenministeriums zufolge in Damaskus Stadt mit Stand August 2023 relativ stabil. Die Syrische Regierung hat sogar alle Checkpoints aus der Innenstadt entfernt, weil die Sicherheitslage sich insbesondere im Zentrum so stark gebessert hat (NMFA 8.2023). [...]

1.2.3 Sicherheitsbehörden und regierungstreue Milizen

Der Präsident stützt seine Herrschaft auf die Loyalität der Streitkräfte sowie die militärischen und zivilen Geheimdienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen (AA 29.3.2023). Die Regierung hat die effektive Kontrolle über die uniformierten Polizei-, Militär- und Staatssicherheitskräfte, und setzt diese zur Ausübung von Menschenrechtsverletzungen ein. Sie hat jedoch nur beschränkten Einfluss auf ausländische militärische oder paramilitärische Einheiten, z. B. russische Streitkräfte, die mit dem Iran verbündete Hizbollah und die iranischen Islamischen Revolutionsgarden, deren Mitglieder ebenfalls zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begingen (USDOS 20.3.2023). [...]

Streitkräfte

Die syrischen Streitkräfte bestehen aus dem Heer, der Marine, der Luftwaffe, den Luftabwehrkräften und den National Defense Forces (NDF, regierungstreue Milizen und Hilfstruppen). Aktuelle Daten zur Anzahl der Soldaten in der syrischen Armee existieren nicht. Vor dem Konflikt soll die aktive Truppenstärke geschätzt 300.000 Personen umfasst haben (CIA 7.2.2023). [...]

Das syrische Regime und damit auch die militärische Führung unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und ‚rein militärischen Zielen‘ (BMLV 12.10.2022). Nach Experteneinschätzung trägt jeder, der in der syrischen Armee oder Luftwaffe dient, per definitionem zu Kriegsverbrechen bei, denn das Regime hat in keiner Weise gezeigt, dass es das Kriegsrecht oder das humanitäre Recht achtet. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass eine Person in eine Einheit eingezogen wird, auch wenn sie das nicht will, und somit in einen Krieg, in dem die Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kämpfern nicht wirklich ernst genommen wird (Üngör 15.12.2021). Soldaten können in Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen verwickelt sein, weil das Militär in Syrien auf persönlichen Vertrauensbeziehungen, manchmal auch auf familiären Netzwerken innerhalb des Militärs beruht. Diejenigen, die Verbrechen begehen, handeln innerhalb eines vertrauten Netzwerks von Soldaten, Offizieren, Personen mit Verträgen mit der Armee und Zivilisten, die mit ihnen als nationale Verteidigungskräfte oder lokale Gruppen zusammenarbeiten (Khaddour, Kheder 24.12.2021).

1.2.4 Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Rechtliche Bestimmungen

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben (PAR 1.6.2011). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt (AA 2.2.2024). In der Vergangenheit wurde es auch akzeptiert, sich, statt den Militärdienst in der syrischen Armee zu leisten, einer der bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppierung anzuschließen. Diese werden inzwischen teilweise in die Armee eingegliedert, jedoch ohne weitere organisatorische Integrationsmaßnahmen zu setzen oder die Kämpfer auszubilden (ÖB Damaskus 12.2022). Wehrpflichtige und Reservisten können im Zuge ihres Wehrdienstes bei der Syrischen Arabischen Armee (SAA) auch den Spezialeinheiten (Special Forces), der Republikanischen Garde oder der Vierten Division zugeteilt werden, wobei die Rekruten den Dienst in diesen Einheiten bei Zuteilung nicht verweigern können (DIS 4.2023). Um dem verpflichtenden Wehrdienst zu entgehen, melden sich manche Wehrpflichtige allerdings aufgrund der höheren Bezahlung auch freiwillig zur Vierten Division, die durch die von ihr kontrollierten Checkpoints Einnahmen generiert (EB 17.1.2023). Die 25. (Special Tasks) Division (bis 2019: Tiger Forces) rekrutiert sich dagegen ausschließlich aus Freiwilligen (DIS 4.2023).Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Artikel 4, Litera b, gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben (PAR 1.6.2011). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Män

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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