TE Bvwg Erkenntnis 2024/6/14 W280 2266054-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.06.2024
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Entscheidungsdatum

14.06.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W280 2266054-3/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1998, alias XXXX 1998, StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 08.2023, Zl. XXXX -, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX 06.2024 zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerde von römisch XXXX , geb. römisch XXXX 1998, alias römisch XXXX 1998, StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch XXXX 08.2023, Zl. römisch XXXX -, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am römisch XXXX 06.2024 zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. A)       Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. B)       Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein syrischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX 10.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein syrischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am römisch XXXX 10.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am darauffolgenden Tag fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch seine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Zum Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er Syrien verlassen habe, da die dortige Lage sehr schlecht sei. Es herrsche Krieg und sei er zum Militär einberufen worden. Er wolle keine Waffe tragen und keine Menschen töten. Sonst habe er keine weiteren Asylgründe. Bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat fürchte er um sein Leben und um das seiner Familie.

Zu seinen persönlichen Umständen befragt, erklärte der BF, dass er am XXXX 1998 in Deir Ez Zor geboren worden sei und dort neun Jahre die Grundschule besucht habe. Er gehöre der Volksgruppe der Araber und der Religionsgemeinschaft des Islam an. Seine Muttersprache sei arabisch. Er sei verheiratet und habe einen einjährigen Sohn sowie zwei Töchter im Alter von 2 ½ und 3 ½ Jahren. Seine Eltern, fünf Brüder und drei Schwestern würden sich in Syrien aufhalten. Ein Bruder lebe in Deutschland.Zu seinen persönlichen Umständen befragt, erklärte der BF, dass er am römisch XXXX 1998 in Deir Ez Zor geboren worden sei und dort neun Jahre die Grundschule besucht habe. Er gehöre der Volksgruppe der Araber und der Religionsgemeinschaft des Islam an. Seine Muttersprache sei arabisch. Er sei verheiratet und habe einen einjährigen Sohn sowie zwei Töchter im Alter von 2 ½ und 3 ½ Jahren. Seine Eltern, fünf Brüder und drei Schwestern würden sich in Syrien aufhalten. Ein Bruder lebe in Deutschland.

Von seinem Wohnort sei er vor drei Monaten (Anm.: sohin Ende Juli 2021) illegal zu Fuß nach der Türkei ausgereist. Dort habe er sich ca. einen Monat aufgehalten, bevor er über Griechenland (13 Tage), Mazedonien (5 Tage), Serbien (15 Tage) und Ungarn (Durchreise) nach Österreich gekommen sei. Für die mit Hilfe von Schleppern organisierte Reise habe er ca. EUR 10.500 bezahlt.Von seinem Wohnort sei er vor drei Monaten Anmerkung, sohin Ende Juli 2021) illegal zu Fuß nach der Türkei ausgereist. Dort habe er sich ca. einen Monat aufgehalten, bevor er über Griechenland (13 Tage), Mazedonien (5 Tage), Serbien (15 Tage) und Ungarn (Durchreise) nach Österreich gekommen sei. Für die mit Hilfe von Schleppern organisierte Reise habe er ca. EUR 10.500 bezahlt.

3. Am XXXX 10.2022 erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Vertreter eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht (nachfolgend als BVwG bezeichnet) möge in Stattgebung der Beschwerde in der Sache selbst erkennen und „dem gestellten, anhängigen Antrag“ stattgeben. Nach Vorlage durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge BFA oder belangte Behörde) an das BVwG wies dieses mit Beschluss vom 01.02.2023 zu GZ W276 2266054-1/3E, die Beschwerde zurück. 3. Am römisch XXXX 10.2022 erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Vertreter eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht (nachfolgend als BVwG bezeichnet) möge in Stattgebung der Beschwerde in der Sache selbst erkennen und „dem gestellten, anhängigen Antrag“ stattgeben. Nach Vorlage durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge BFA oder belangte Behörde) an das BVwG wies dieses mit Beschluss vom 01.02.2023 zu GZ W276 2266054-1/3E, die Beschwerde zurück.

4. Am XXXX 02.2023 erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Vertreter eine weitere Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht und beantragte neuerlich, das BVwG möge in Stattgebung dieser Beschwerde in der Sache selbst erkennen und „dem gestellten, anhängigen Antrag“ stattgeben. 4. Am römisch XXXX 02.2023 erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Vertreter eine weitere Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht und beantragte neuerlich, das BVwG möge in Stattgebung dieser Beschwerde in der Sache selbst erkennen und „dem gestellten, anhängigen Antrag“ stattgeben.

5.Am XXXX 04.2023 wurde der BF bei der XXXX vorstellig, die mit E-Mail vom selben Tag um seine Einvernahme im Asylverfahren bat. Am Abend desselben Tages übermittelte auch der BF selbst dem BFA ein E-Mail mit der Bitte um einen Termin. Einlangend mit XXXX 04.2023 wandte sich der BF erneut per E-Mail an die belangte Behörde und ersuchte um Mitteilung des Verfahrensstandes. 5.Am römisch XXXX 04.2023 wurde der BF bei der römisch XXXX vorstellig, die mit E-Mail vom selben Tag um seine Einvernahme im Asylverfahren bat. Am Abend desselben Tages übermittelte auch der BF selbst dem BFA ein E-Mail mit der Bitte um einen Termin. Einlangend mit römisch XXXX 04.2023 wandte sich der BF erneut per E-Mail an die belangte Behörde und ersuchte um Mitteilung des Verfahrensstandes.

6. Mit Schreiben vom XXXX 05.2023, legte das BFA dem BVwG die Säumnisbeschwerde vom XXXX 02.2023 unter Anschluss des Aktes des verwaltungsbehördlichen Verfahrens einschließlich der Mitteilung, dass „nach individueller Prüfung des Verwaltungsaktes“ eine Erledigung nicht innerhalb der 3-Monatsfrist erfolgen könne, vor. Eine Nachreichung des BFA langte mit XXXX 05.2023 ein.6. Mit Schreiben vom römisch XXXX 05.2023, legte das BFA dem BVwG die Säumnisbeschwerde vom römisch XXXX 02.2023 unter Anschluss des Aktes des verwaltungsbehördlichen Verfahrens einschließlich der Mitteilung, dass „nach individueller Prüfung des Verwaltungsaktes“ eine Erledigung nicht innerhalb der 3-Monatsfrist erfolgen könne, vor. Eine Nachreichung des BFA langte mit römisch XXXX 05.2023 ein.

7. Mit Parteiengehör vom XXXX 06.2023 wurde dem rechtsvertretenen BF die Stellungnahme der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, binnen Wochenfrist zum Schreiben des BFA schriftlich Stellung zu nehmen. Eine solche langte mit XXXX 06.2023 ein.7. Mit Parteiengehör vom römisch XXXX 06.2023 wurde dem rechtsvertretenen BF die Stellungnahme der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, binnen Wochenfrist zum Schreiben des BFA schriftlich Stellung zu nehmen. Eine solche langte mit römisch XXXX 06.2023 ein.

8. Das BVwG gab folglich mit Erkenntnis vom 03.07.2023, GZ I 423 2266054-2/6E, der Säumnisbeschwerde Folge und trug gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG dem BFA auf, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der näher ausgeführten Rechtsanschauung binnen acht Wochen ab Zustellung des Erkenntnisses zu erlassen.8. Das BVwG gab folglich mit Erkenntnis vom 03.07.2023, GZ römisch eins 423 2266054-2/6E, der Säumnisbeschwerde Folge und trug gemäß Paragraph 28, Absatz 7, VwGVG dem BFA auf, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der näher ausgeführten Rechtsanschauung binnen acht Wochen ab Zustellung des Erkenntnisses zu erlassen.

9. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde der BF folglich vor dem BFA am XXXX 07.2023 niederschriftlich zu seinen Fluchtgründen befragt. Hierbei gab der BF zusammengefasst an, dass er schon lange, sohin 2018 oder 2019, aus Syrien weg habe wolle. Er habe jedoch nicht ausreisen können, da es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht so verbreitet gewesen sei, dass es in Europa Asyl gebe. Nunmehr habe er sich wegen der Zwangsrekrutierung durch die Kurden und durch das syrische Regime zur Ausreise entschlossen. Für die Schleppung habe er ca. EUR 10.500 bezahlt. Der konkrete Fluchtgrund bestehe darin, dass er aufgrund seines Alters sowohl von den Kurden als auch vom syrischen Regime wegen der Zwangsrekrutierung gesucht werde. Er sei von den kurdischen Streitkräften (SDF) zu einer Ausbildung gebracht worden und dort für 45 Tage verblieben. Dann habe er einen einwöchigen Urlaub bekommen, bevor er sodann seinen Dienst wiederum antreten und an jene Orte gehen hätte müssen, wo er – an der Grenze zur Türkei – kämpfen hätte müssen. Er sei dann nach einer Woche an die Grenze zur Türkei gegangen und dann ausgereist. Er sei an der Kalaschnikow und an einem Maschinengewehr ausgebildet worden. Beweise für die Absolvierung dieser militärischen Ausbildung habe er nicht. Er habe 2012 in Syrien an Demos gegen das Regime teilgenommen. Eine Verfolgung wegen seiner politischen Gesinnung, der Rasse, der Religion oder seiner Nationalität und Volksgruppenzugehörigkeit bzw. der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe wurde von ihm verneint. 9. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde der BF folglich vor dem BFA am römisch XXXX 07.2023 niederschriftlich zu seinen Fluchtgründen befragt. Hierbei gab der BF zusammengefasst an, dass er schon lange, sohin 2018 oder 2019, aus Syrien weg habe wolle. Er habe jedoch nicht ausreisen können, da es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht so verbreitet gewesen sei, dass es in Europa Asyl gebe. Nunmehr habe er sich wegen der Zwangsrekrutierung durch die Kurden und durch das syrische Regime zur Ausreise entschlossen. Für die Schleppung habe er ca. EUR 10.500 bezahlt. Der konkrete Fluchtgrund bestehe darin, dass er aufgrund seines Alters sowohl von den Kurden als auch vom syrischen Regime wegen der Zwangsrekrutierung gesucht werde. Er sei von den kurdischen Streitkräften (SDF) zu einer Ausbildung gebracht worden und dort für 45 Tage verblieben. Dann habe er einen einwöchigen Urlaub bekommen, bevor er sodann seinen Dienst wiederum antreten und an jene Orte gehen hätte müssen, wo er – an der Grenze zur Türkei – kämpfen hätte müssen. Er sei dann nach einer Woche an die Grenze zur Türkei gegangen und dann ausgereist. Er sei an der Kalaschnikow und an einem Maschinengewehr ausgebildet worden. Beweise für die Absolvierung dieser militärischen Ausbildung habe er nicht. Er habe 2012 in Syrien an Demos gegen das Regime teilgenommen. Eine Verfolgung wegen seiner politischen Gesinnung, der Rasse, der Religion oder seiner Nationalität und Volksgruppenzugehörigkeit bzw. der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe wurde von ihm verneint.

10. Am XXXX 08.2023 erging seitens des BFA der verfahrensgegenständliche Bescheid, mit welchem dem BF sein Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX 10.2021 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Zif. 13 AsylG abgewiesen wurde (Spruchpunkt I.), diesem gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde (Spruchpunkt II.) und unter einem eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte erteilt wurde (Spruchpunkt III.).10. Am römisch XXXX 08.2023 erging seitens des BFA der verfahrensgegenständliche Bescheid, mit welchem dem BF sein Antrag auf internationalen Schutz vom römisch XXXX 10.2021 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Zif. 13 AsylG abgewiesen wurde (Spruchpunkt römisch eins.), diesem gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde (Spruchpunkt römisch II.) und unter einem eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte erteilt wurde (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend führte das BFA zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen aus, dass der BF nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in seinem Herkunftsstaat als Wehrpflichtiger aufgrund einer Weigerung auf Regierungsseite und auf Seite der Kurden den Wehrdienst zu leisten, einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt gewesen sei, noch im Falle einer Rückkehr ausgesetzt sein würde. Auch andere Gründe für das Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgung würden nicht vorliegen. Es stehe fest, dass der BF bis dato seinen Wehrdienst nicht abgeleistet habe. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass er von einer der in Syrien bestehenden militärischen Kräfte oder einer sonstigen Behörde gesucht worden sei oder gesucht werde. Eine individuell konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungsmotivation habe der BF letztlich nicht glaubhaft machen können. Begründend führte das BFA zu Spruchpunkt römisch eins. im Wesentlichen aus, dass der BF nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in seinem Herkunftsstaat als Wehrpflichtiger aufgrund einer Weigerung auf Regierungsseite und auf Seite der Kurden den Wehrdienst zu leisten, einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt gewesen sei, noch im Falle einer Rückkehr ausgesetzt sein würde. Auch andere Gründe für das Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgung würden nicht vorliegen. Es stehe fest, dass der BF bis dato seinen Wehrdienst nicht abgeleistet habe. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass er von einer der in Syrien bestehenden militärischen Kräfte oder einer sonstigen Behörde gesucht worden sei oder gesucht werde. Eine individuell konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungsmotivation habe der BF letztlich nicht glaubhaft machen können.

10. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der BF, nunmehr vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, fristgerecht Beschwerde wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften und unrichtiger rechtlicher Beurteilung, erstatte ein ergänzendes Vorbringen und legte neue Beweismittel vor. 10. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der BF, nunmehr vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, fristgerecht Beschwerde wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften und unrichtiger rechtlicher Beurteilung, erstatte ein ergänzendes Vorbringen und legte neue Beweismittel vor.

So habe der BF, der bereits in Syrien an mehreren gegen das syrische Regime gerichteten Demonstrationen teilgenommen habe, auch in Österreich an zwei gegen das dortige Regime gerichtete Demonstrationen teilgenommen. Zum Beweise dafür legte der BF entsprechende Fotos vor. Dieses neue Vorbringen widerspreche nicht dem Neuerungsverbot, da der BF im gegenständlichen Fall nicht in der Lage gewesen sei das entsprechende Vorbringen früher zu erstatten. Dies deshalb, als er sich der Bedeutung über die Teilnahme an regierungskritischen Demonstrationen in Österreich nicht bewusst gewesen sei und habe die belangte Behörde es auch unterlassen hierzu Fragen zu stellen. Die belangte Behörde habe es des Weiteren unterlassen ihrer Entscheidung die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Berichte zugrunde zu legen und drohe dem BF aufgrund seines Alters eine Zwangsrekrutierung durch die kurdischen Milizen.

Auch von Seiten der syrischen Armee drohe dem BF aufgrund des anhaltend hohen Personalbedarfs infolge von Verlusten, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen eine Rekrutierung und schütze auch die Bezahlung der Befreiungsgebühr nicht absolut vor einer solchen. Auch habe der BF an regimekritischen Demonstrationen in seinem Herkunftsland und folglich auch in Österreich teilgenommen. Ausweislich des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 17.07.2023, Version 9, ergebe sich, dass in Syrien keine freie Meinungsäußerung möglich, sondern vielmehr verboten sei und auch im Ausland eine Überwachung politischer Aktivitäten von im Ausland lebenden Syrern stattfinde. Auch sei auch keine legale Einreise nach Syrien möglich. Letztlich wird in der Beschwerde darauf verwiesen, dass der BF sein Vorbringen – entgegen der Bewertung durch das BFA – sehr detailliert und lebensnah gestaltet habe. Bei entsprechender Würdigung hätte dieses zum Schluss kommen müssen, dass die vom BF geschilderte Fluchtgefahr objektiv nachvollziehbar sei. Abschließend beantragte der BF eine mündliche Beschwerdeverhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes.

11. Am XXXX 09.2023 langte beim BVwG die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein. 11. Am römisch XXXX 09.2023 langte beim BVwG die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

12. Das BVwG führte am XXXX 06.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch durch, an der der BF und seine Vertreterin teilnahmen; die belangte Behörde nahm nicht an der Verhandlung teil. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde der BF ausführlich zu seinen Fluchtgründen, seiner Identität, seiner Herkunft und den persönlichen Lebensumständen befragt. 12. Das BVwG führte am römisch XXXX 06.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch durch, an der der BF und seine Vertreterin teilnahmen; die belangte Behörde nahm nicht an der Verhandlung teil. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde der BF ausführlich zu seinen Fluchtgründen, seiner Identität, seiner Herkunft und den persönlichen Lebensumständen befragt.

II.            Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II.            Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

1.1.1. Der BF führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX 1998 alias XXXX 1998, er ist somit 26 Jahre alt. Seine Identität steht nicht fest. Er ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Seine Muttersprache ist Arabisch. 1.1.1. Der BF führt den Namen römisch XXXX und das Geburtsdatum römisch XXXX 1998 alias römisch XXXX 1998, er ist somit 26 Jahre alt. Seine Identität steht nicht fest. Er ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Seine Muttersprache ist Arabisch.

1.1.2. Der BF wurde im Ort XXXX , nach anderer Schreibweise auch XXXX oder XXXX , der ca. XXXX km südöstlich der Stadt Deir Ez-Zor auf der orographisch gesehen linken Seite des Euphrat gelegen ist, geboren und lebte dort bis zu seiner Ausreise aus Syrien im August 2021. Der Heimatort des BF wurde im Zeitraum zwischen Juni 2014 und Oktober 2017 vom IS kontrolliert. Seither steht der Ort durchgehend unter der Kontrolle der kurdischen Kräfte.1.1.2. Der BF wurde im Ort römisch XXXX , nach anderer Schreibweise auch römisch XXXX oder römisch XXXX , der ca. römisch XXXX km südöstlich der Stadt Deir Ez-Zor auf der orographisch gesehen linken Seite des Euphrat gelegen ist, geboren und lebte dort bis zu seiner Ausreise aus Syrien im August 2021. Der Heimatort des BF wurde im Zeitraum zwischen Juni 2014 und Oktober 2017 vom IS kontrolliert. Seither steht der Ort durchgehend unter der Kontrolle der kurdischen Kräfte.

1.1.3. Der BF ist verheiratet und hat drei Töchter sowie einen Sohn. Diese leben in seinem Herkunftsort in einem eigenen Haus, welches neben dem Haus seiner Eltern liegt, welche auch für den Lebensunterhalt derselben aufkommen.

Neben den Eltern des BF leben auch vier Brüder und drei Schwestern im Herkunftsort. Die Familie des BF verfügt ebendort über mehrere Häuser, ein XXXX , eine XXXX und XXXX , eine XXXX sowie mehrere landwirtschaftliche Flächen, die über mehrere Orte verteilt sind mit Nutztieren. Ein Bruder des BF ist in Deutschland aufhältig, ein Cousin väterlicherseits lebt in Linz. Neben den Eltern des BF leben auch vier Brüder und drei Schwestern im Herkunftsort. Die Familie des BF verfügt ebendort über mehrere Häuser, ein römisch XXXX , eine römisch XXXX und römisch XXXX , eine römisch XXXX sowie mehrere landwirtschaftliche Flächen, die über mehrere Orte verteilt sind mit Nutztieren. Ein Bruder des BF ist in Deutschland aufhältig, ein Cousin väterlicherseits lebt in Linz.

1.1.4. Der BF besuchte im Herkunftsort neun Jahre die Schule, verfügt jedoch über keinen Abschluss. Danach arbeitete er in den familieneigenen Betrieben, sohin in der XXXX , in der XXXX und als Fahrer. Der Lebensunterhalt der gesamten Familie, sohin auch der des BF, wurde von den Einkünften aus diesen Betrieben bestritten.1.1.4. Der BF besuchte im Herkunftsort neun Jahre die Schule, verfügt jedoch über keinen Abschluss. Danach arbeitete er in den familieneigenen Betrieben, sohin in der römisch XXXX , in der römisch XXXX und als Fahrer. Der Lebensunterhalt der gesamten Familie, sohin auch der des BF, wurde von den Einkünften aus diesen Betrieben bestritten.

1.1.5. Der BF ist gesund, arbeitsfähig und arbeitswillig und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF

1.2.1. Der BF reiste im August 2021 schlepperunterstützt gegen die Bezahlung eines Betrages von ca. EUR 10.500 aus seinem Herkunftsstaat aus und gelangte - nach einer zweimonatigen Reise über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn - nach Österreich, wo er am XXXX 10.2021 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.1.2.1. Der BF reiste im August 2021 schlepperunterstützt gegen die Bezahlung eines Betrages von ca. EUR 10.500 aus seinem Herkunftsstaat aus und gelangte - nach einer zweimonatigen Reise über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn - nach Österreich, wo er am römisch XXXX 10.2021 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2.2. Er hat seinen Herkunftsstaat nicht aufgrund einer gegen ihn persönlich gerichteten Verfolgung – insbesondre nicht wegen einer ihm widerfahrenen Zwangsrekrutierung durch die kurdischen Streitkräfte - sondern wegen des dort herrschenden Krieges und dessen Auswirkungen und der allgemeinen schlechten Sicherheitslage verlassen. Der Heimatort des BF wurde im Zeitraum zwischen Juni 2014 und Oktober 2017 vom IS kontrolliert. Seither steht der Ort durchgehend unter der Kontrolle der kurdischen Kräfte.

1.2.3. Für den unter kurdischer Selbstverwaltung stehenden Teil Nord- und Ostsyrien (AANES) gilt gemäß dem im Juni 2019 verabschiedeten Gesetz zur „Selbstverteidigungspflicht“ ein verpflichtender Wehrdienst. In diesem Kontrollbereich müssen Männer ab 18. Jahren – unabhängig ob es sich um Kurden, Araber, Christen oder andere Volksgruppen handelt - den verpflichtenden Wehrdienst leisten. Die Dienstzeit beträgt 12 Monate. Gemäß Dekret Nr. 3 vom 4. September 2021 ist die Selbstverteidigungspflicht nur für Männer zwischen 18 und 24 Jahren (geboren 1998 und später) obligatorisch, was in allen Gebieten gleich ist. Dennoch gibt es Gebiete, in denen Proteste zu einer vorübergehenden Aussetzung der Pflicht geführt haben. Dies geschah z.B. in Deir Ez-Zor und Manbidsch im Juni 2021. Vor dem Erlass des Dekrets variierte der Altersrahmen je nach Gebiet, und umfasste 18 bis 40-jährige. Dieses Dekret Nr. 3 vom 4. September 2021 ist weiterhin in Kraft.

1.2.4. Bei einer theoretischen Rückkehr in seine Herkunftsregion wäre eine etwaige Einberufung des BF zum Selbstverteidigungsdienst mit keiner asylrelevanten Verfolgung verbunden, da eine Entziehung vom Selbstverteidigungsdienst von den kurdischen Autonomiebehörden nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung gesehen wird und würde der BF von diesen sohin nicht als der Opposition zugehörig betrachtet.

Zudem besteht für den BF die Möglichkeit sich – als ein im Ausland Lebender – durch die Zahlung einer Gebühr von USD 6000 von der Verpflichtung zur Ableistung des Wehrdienstes bei den Selbstverteidigungseinheiten gänzlich befreien zu können.

1.2.5. Selbst bei einer hypothetischen Wahrunterstellung der vom BF vorgebrachten Zwangsrekrutierung durch die Selbstverteidigungskräfte wäre es dem BF zumutbar gewesen den Wehrdienst abzuleisten. Der BF weist keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen den Dienst an der Waffe an sich oder aus Gewissensgründen auf. Zudem handelt es sich bei den Selbstverteidigungseinheiten lediglich um Hilfseinheiten der Syrian Democratic Forces (SDF) und erfolgt der Einsatz der Rekruten im Rahmen der „Selbstverteidigungspflicht“ normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz.

1.2.6. Ebenfalls unter der rein theoretischen Wahrunterstellung der vom BF vorgebrachten Rekrutierung durch die kurdischen Kräfte und einer nachfolgenden Desertion droht dem BF keine unverhältnismäßige Bestrafung.

1.2.7. Die Herkunftsregion des BF steht nicht unter der Kontrolle des syrischen Regimes und können die Streitkräfte der Syrischen Arabischen Armee (SAA) in diesem Gebiet weder Einberufungen zum Wehrdienst noch Zwangsrekrutierungen durchführen. Der BF kann über den nicht vom syrischen Regime kontrollierten Grenzübergang Fishkhabour / Semalka nach Syrien ein- und in seine Herkunftsregion weiterreisen. Der Herkunftsort des BF ist ohne Kontakt mit dem syrischen Regime erreichbar.

Der BF hat in Syrien weder ein Wehrdienstbuch noch einen Einberufungsbefehl zu den Streitkräften des syrischen Regimes erhalten. Zudem hätte der BF als ein im Ausland lebender grundsätzlich wehrpflichtiger Syrer, der noch keinen Einberufungsbefehl erhalten hat, die Möglichkeit sich durch die Zahlung einer Befreiungsgebühr von der Verpflichtung zur Ableistung des Wehrdienstes befreien zu lassen.

1.2.8. Ihm droht in Syrien keine Verfolgung aufgrund der vorgebrachten Teilnahme an Demonstrationen im Jahr 2012 und ist der BF auch nicht durch die Teilnahme an Kundgebungen in XXXX in den Fokus des syrischen Regimes geraten. 1.2.8. Ihm droht in Syrien keine Verfolgung aufgrund der vorgebrachten Teilnahme an Demonstrationen im Jahr 2012 und ist der BF auch nicht durch die Teilnahme an Kundgebungen in römisch XXXX in den Fokus des syrischen Regimes geraten.

1.2.9. Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass ihm in seinem Herkunftsstaat aktuell Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, Staatsangehörigkeit oder politischen Gesinnung droht.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

1.3.1. Die Feststellung der maßgeblichen Situation in Syrien basiert auf den vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS, Version 11 vom 27.03.2024 und den diesen zugrundeliegenden Quellen, dem Themenbericht von ACCORD zum Thema „Wehrdienst in Syrien“ vom 16.01.2024, der ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien zum Thema: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern, Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188] vom 18.06.2023, dem Themenbericht der Staatendokumentaion, Syrien – Grenzübergänge, Version 1, (25.10.2023).

1.3.2. Auszug aus den Länderinformationen der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11

Politische Lage Syrische

Arabische Republik

Letzte Änderung 2024-03-08 11:06

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).

Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).

Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).

Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.2.2024): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: Ende Oktober 2023), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nodes/29884854, Zugriff 15.2.2024

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.3.2023): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/document/2089904.html, Zugriff 23.6.2023

?        BBC - BBC News (2.5.2023): Why is there a war in Syria?, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-35806229, Zugriff 23.6.2023

?        BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Syria, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_SYR.pdf Zugriff 23.6.2023

?        Enab - Enab Baladi (23.1.2023): Following 'Captagon Act', Will Washington put al-Assad on Noriega’s track, https://english.enabbaladi.net/archives/2023/01/following-captagon-act-will-washington-put-al-assad-on-noriegas-track/, Zugriff 23.6.2023

?        FH - Freedom House (9.3.2023): Freedom in the World 2022 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2088564.html, Zugriff 23.6.2023

?        MEI - Middle East Institute (24.7.2020): Syria’s 2020 parliamentary elections: The worst joke yet, https://www.mei.edu/publications/syrias-2020-parliamentary-elections-worst-joke-yet, Zugriff 23.6.2023

?        Reuters (28.5.2021): Syria’s Assad wins 4th term with 95% of vote, in election the West calls fraudulent, https://www.reuters.com/world/middle-east/syrias-president-bashar-al-assad-wins-fourth-term-office-with-951-votes-live-2021-05-27/, Zugriff 23.6.2023

?        SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 23.6.2023

?        Spiegel, Der (17.6.2022): "Sie selbst sind das Kartell", https://www.spiegel.de/ausland/syrien-drogenhandel-des-regimes-von-baschar-al-assad-sie-selbst-sind-das-kartell-a-869b875b-5edd-46c5-b2c7-f3074ca91791, Zugriff 23.6.2023

?        Standard - Standard, der (28.5.2021): Syriens Machthaber Assad erhält bei 'Präsidentenwahl' 95 Prozent, https://www.derstandard.at/story/2000126983065/syriens-machthaber-assad-erhaelt-bei-praesidentenwahl-95-prozent, Zugriff 23.6.2023

?        USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2021): United States Commission on International Religious Freedom 2021 Annual Report; USCIRF - Recommended for Countries of Particular Concern (CPC): Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052987/Syria+Chapter+AR2021.pdf, Zugriff 23.6.2023

?        USDOS – United States Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2091896.html, Zugriff 23.6.2023

?        USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2089061.html, Zugriff 23.6.2023

?        WP - Washington Post, The (22.7.2020): Syria’s elections have always been fixed. This time, even candidates are complaining., https://www.washingtonpost.com/world/middle_east/syrias-elections-have-always-been-fixed-this-time-even-candidates-are-complaining/2020/07/22/76e0bb12-cb5f-11ea-99b0-8426e26d203b_story.html, Zugriff 23.6.2023

Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien

Letzte Änderung 2024-03-08 11:12

2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine 'zweite Front' in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba'ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, 'Ain al-'Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017).

Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für "Westen" (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) (SWP 7.2018). Die von den USA unterstützten SDF (TWI 18.7.2022) sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen (USDOS 20.3.2023), in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist (KAS 4.12.2018). Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des "Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien" (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben (SWP 7.2018). Im März 2018 (KAS 4.12.2018) übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022). Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa (K24 6.9.2018) sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (SO 27.6.2022).

Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet 'belohnt' zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an (USDOS 20.3.2023). Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen (ICG 18.11.2021). Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren (ÖB Damaskus 1.10.2021). Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung (Alaraby 31.5.2023). Unter anderem wird über die Verteilung von Öl und Weizen verhandelt, wobei ein großer Teil der syrischen Öl- und Weizenvorkommen auf dem Gebiet der AANES liegen (K24 22.1.2023). Normalisierungsversuche der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und der syrischen Regierung wurden in den AANES im Juni 2023 mit Sorge betrachtet (AAA 24.6.2023). Anders als die EU und USA betrachtet die Türkei sowohl die Streitkräfte der YPG als auch die Partei PYD als identisch mit der von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und daher als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 2.2.2024).

Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).

Zwischen den rivalisierenden Gruppierungen unter den Kurden gibt es einerseits Annäherungsbemühungen, andererseits kommt es im Nordosten aus politischen Gründen und wegen der schlechten Versorgungslage zunehmend auch zu innerkurdischen Spannungen zwischen dem sogenannten Kurdish National Council, der Masoud Barzanis KDP [Anm.: Kurdistan Democratic Party - Irak] nahesteht und dem ein Naheverhältnis zur Türkei nachgesagt wird, und der PYD, welche die treibende Kraft hinter der kurdischen Selbstverwaltung ist, und die aus Sicht des Kurdish National Council der PKK zu nahe steht (ÖB 1.10.2021).

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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