TE Bvwg Erkenntnis 2024/6/28 W146 2278266-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.06.2024
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Entscheidungsdatum

28.06.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W146 2278266-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen Spruchpunkt l. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2023, 1328122701/230472870 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch XXXX , geb. römisch XXXX , StA. Syrien, gegen Spruchpunkt l. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2023, 1328122701/230472870 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang römisch eins. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer stellte am 03.03.2023 den dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich der Erstbefragung des Beschwerdeführers am 03.03.2023 gab er an, Syrien aufgrund des Krieges verlassen zu haben. Er habe alles verloren und sei zum Militär einberufen worden. Er wolle nicht kämpfen und sterben, deshalb sei er geflohen.

Am 27.07.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab er an, dass er sich den Personenregisterausdruck, die Geburtsurkunde und den Familienregisterauszug, ausgestellt in den Jahren 2022 und 2023, über einen Anwalt in Syrien besorgt habe. Die Originale seien in Deutschland. Er habe 6 Jahre in Bursa in der Türkei gelebt und gearbeitet. Er habe auch einen Kimlik gehabt. In der Türkei herrsche Rassismus, dort zu leben habe keinen Sinn mehr. Die Reise nach Österreich habe er durch seine Arbeit in der Türkei finanziert; diese habe ca. 4500 bis 5000 Euro gekostet. Vor der Ausreise habe er im familieneigenen Haus mit den Eltern und Geschwistern gewohnt. Sie seien nicht reich, aber auch nicht arm gewesen. Der Bruder in der Türkei finanziere die Eltern und seine jüngeren Brüder würden arbeiten gehen. Sie wüssten seit Jahren nicht, was mit ihrem Haus sei, sie hätten keinen Zugang mehr, weil es unter der Macht der syrischen Regierung, der Russen und der Kurden sei. Befragt nach den Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass es in Syrien keine Arbeit und keine Zukunft gebe. Er müsste auch zum Militär. Sein Vater, der Offizier gewesen sei, habe nicht mehr dem syrischen Militär dienen wollen. Seine Brüder im wehrdienstfähigen Alter seien alle außerhalb Syriens. Die ganze Familie würde wegen der Verweigerung des Vaters bestraft werden. Der Beschwerdeführer habe bis zum Alter von 20 Jahren unbehelligt im Herkunftsort leben können, da es dort keine syrische Macht gegeben habe. Anfang 2016 habe dann das Regime dort die Macht übernommen. Der Vater des Beschwerdeführers sei als Offizier für die Einteilung der Sicherheit des Präsidenten verantwortlich gewesen. Seine Familie würde seit 12 Jahren in einem Flüchtlingscamp leben. Bei einer Rückkehr würde er getötet, geköpft werden, ginge ins Gefängnis, er würde es nicht überleben. Der Beschwerdeführer sei nie persönlich bedroht oder verfolgt worden, es bestehe kein Haftbefehl gegen ihn, er befürchte im Heimatland keine Verfolgung aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen. Weitere Asylgründe habe der Beschwerdeführer nicht.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (III.).Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (römisch III.).

Begründend wurde ausgeführt, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe. Er sei syrischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Araber an und sei muslimisch. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Kinder. Er habe nie einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung angehört.

Festgestellt werde, dass der Beschwerdeführer weder aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, noch Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt werde.

Gegen Spruchpunkt I. dieses am 22.08.2023 rechtswirksam zugestellten Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, welche am 15.09.2023 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. Darin wurde ausgeführt, dass der Vater des Beschwerdeführers im Jahr 2012 vom Dienst beim syrischen Regime desertiert sei. Im Sommer 2012 seien auch die beiden Brüder des Beschwerdeführers von ihrem Militärdienst desertiert und hätten in weiterer Folge aufgrund ihrer oppositionellen Gesinnung an mehreren Demonstrationen teilgenommen. Der Beschwerdeführer fürchte Verfolgungshandlungen durch das syrische Regime aufgrund einer ihm unterstellten oppositionellen Gesinnung wegen der Desertion seines Vaters sowie seiner Brüder. Dieses neu erstattete Vorbringen der Desertion der Brüder sowie deren Teilnahme an Demonstrationen stehe das in § 20 BFA-VG normierte Neuerungsverbot nicht entgegen. Es sei nicht rechtsmissbräuchlich gestellt worden. Der Beschwerdeführer sei vollkommen rechtsunkundig und er habe im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme, welche sich nur auf eine halbe Stunde beschränkt habe, nicht die Chance gehabt auf die Desertion der Brüder einzugehen. Dem Beschwerdeführer drohe aufgrund der willkürlichen Rekrutierungspraxis und des unverändert hohen Personalbedarfs der Einzug in die syrische Armee. Dem Beschwerdeführer würde daher aufgrund seiner Verweigerung des Wehrdienstes als Reservist eine oppositionelle politische Gesinnung zugeschrieben. Im Falle der Weigerung würde sich der Beschwerdeführer als oppositionell bekennen. Diese Gesinnung würde ihm auch aufgrund seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung im Ausland unterstellt werden. Die belangte Behörde beschränke ihre Feststellungen für das Verlassen des Beschwerdeführers seines Herkunftsortes auf einen sehr allgemein gehaltenen Satz, wonach nicht festgestellt habe werden können, dass der Beschwerdeführer eine gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten habe. Es sei auch nicht ausreichend ermittelt worden, wie die hypothetische Rückkehr des Beschwerdeführers nach Syrien erfolgen bzw ob der Beschwerdeführer auch ohne Kontakt mit den syrischen Behörden in seinen Herkunftsort zurückreisen könne.Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses am 22.08.2023 rechtswirksam zugestellten Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, welche am 15.09.2023 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. Darin wurde ausgeführt, dass der Vater des Beschwerdeführers im Jahr 2012 vom Dienst beim syrischen Regime desertiert sei. Im Sommer 2012 seien auch die beiden Brüder des Beschwerdeführers von ihrem Militärdienst desertiert und hätten in weiterer Folge aufgrund ihrer oppositionellen Gesinnung an mehreren Demonstrationen teilgenommen. Der Beschwerdeführer fürchte Verfolgungshandlungen durch das syrische Regime aufgrund einer ihm unterstellten oppositionellen Gesinnung wegen der Desertion seines Vaters sowie seiner Brüder. Dieses neu erstattete Vorbringen der Desertion der Brüder sowie deren Teilnahme an Demonstrationen stehe das in Paragraph 20, BFA-VG normierte Neuerungsverbot nicht entgegen. Es sei nicht rechtsmissbräuchlich gestellt worden. Der Beschwerdeführer sei vollkommen rechtsunkundig und er habe im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme, welche sich nur auf eine halbe Stunde beschränkt habe, nicht die Chance gehabt auf die Desertion der Brüder einzugehen. Dem Beschwerdeführer drohe aufgrund der willkürlichen Rekrutierungspraxis und des unverändert hohen Personalbedarfs der Einzug in die syrische Armee. Dem Beschwerdeführer würde daher aufgrund seiner Verweigerung des Wehrdienstes als Reservist eine oppositionelle politische Gesinnung zugeschrieben. Im Falle der Weigerung würde sich der Beschwerdeführer als oppositionell bekennen. Diese Gesinnung würde ihm auch aufgrund seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung im Ausland unterstellt werden. Die belangte Behörde beschränke ihre Feststellungen für das Verlassen des Beschwerdeführers seines Herkunftsortes auf einen sehr allgemein gehaltenen Satz, wonach nicht festgestellt habe werden können, dass der Beschwerdeführer eine gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten habe. Es sei auch nicht ausreichend ermittelt worden, wie die hypothetische Rückkehr des Beschwerdeführers nach Syrien erfolgen bzw ob der Beschwerdeführer auch ohne Kontakt mit den syrischen Behörden in seinen Herkunftsort zurückreisen könne.

Am 09.04.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht in der gegenständlichen Rechtssache im Beisein des Beschwerdeführers und seiner Vertretung eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil. Anlässlich der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass sich seine Familie seit 2014 in der Türkei aufhalte. Ein älterer Bruder sei in Deutschland. 3 Brüder seien älter und eine Schwester und 2 Brüder seien jünger als der Beschwerdeführer. Seine Familie befinde sich an der syrisch-türkischen Grenze. Dort wo sie leben würden, sei der Staat Syrien, aber das Gebiet werde von Türken kontrolliert und regiert. Bei einer Rückkehr sei sein Leben in Gefahr, weil sein Vater ein Hilfspolizist und sein Bruder ein Offizier gewesen sei und beide weggelaufen bzw. desertiert seien. Auf Vorhalt, laut seinen Aussagen sei der Vater Offizier gewesen, gab der Beschwerdeführer an, vielleicht sei das ein Missverständnis oder ein Übersetzungsfehler gewesen. Sein Vater sei Anfang 2014 desertiert. Auf Vorhalt, früher habe der Beschwerdeführer 2012 angegeben, meinte er: "Ah okay. 2012 hat er mit der Arbeit aufgehört und 2014 ist er desertiert bzw. geflüchtet." Auf Vorhalt, wenn jemand 2012 den Dienst verlasse, könne er nicht 2014 vom Dienst desertieren, gab der Beschwerdeführer an, die Anwesenden würden sich mit den Gesetzen nicht auskennen, in Syrien gebe es andere Gesetze als in den anderen Ländern der Welt. Das Original des Dienstausweises des Vaters befinde sich in Syrien, er habe beim BFA nur eine Kopie vorgelegt (diese konnte großteils von der Dolmetscherin in der Verhandlung wegen Unleserlichkeit nicht übersetzt werden).

Der Beschwerdeführer sei in XXXX aufgewachsen. Ende 2014 sei er mit seiner Familie in die Türkei ausgereist. Seine Eltern sind nach einer Weile wieder nach Syrien in das Grenzgebiet zur Türkei zurück, er sei alleine in der Türkei verblieben und habe dort gearbeitet. Aus Syrien sei der Beschwerdeführer wegen des Krieges und weil die Lage in Syrien nicht sicher gewesen sei, ausgereist. Zum Zeitpunkt seiner Ausreise sei sein Heimatort unter Kontrolle der FSA gestanden, nun würden dort die Kurden und das syrische Regime herrschen.Der Beschwerdeführer sei in römisch XXXX aufgewachsen. Ende 2014 sei er mit seiner Familie in die Türkei ausgereist. Seine Eltern sind nach einer Weile wieder nach Syrien in das Grenzgebiet zur Türkei zurück, er sei alleine in der Türkei verblieben und habe dort gearbeitet. Aus Syrien sei der Beschwerdeführer wegen des Krieges und weil die Lage in Syrien nicht sicher gewesen sei, ausgereist. Zum Zeitpunkt seiner Ausreise sei sein Heimatort unter Kontrolle der FSA gestanden, nun würden dort die Kurden und das syrische Regime herrschen.

Befragt nach seinen Befürchtungen bei einer Rückkehr meinte der Beschwerdeführer, dort gebe es kein normales Leben, man könne dort nicht leben. Es gebe dort keine Arbeit und kein Geld. Sein Bruder in Deutschland, sein Bruder in der Türkei und der Beschwerdeführer würden der Familie Geld schicken, um diese zu ernähren. Wenn er zurückkehre, müsste er sich einer Gruppe anschließen wie z.B. der FSA, Al Nusra Front und das möchte er nicht. Die Familie lebe dort, wo Türken und die FSA herrschen würden, deswegen habe sie keine Probleme.

Als aktuellen Fluchtgrund nannte der Beschwerdeführer den Wehrdienst; er möchte sich niemanden anschließen und möchte für niemanden kämpfen. Es gebe keinen Einberufungsbefehl, kein Militärbuch oder syrischen Personalausweis. Auch eine Musterung habe der Beschwerdeführer nicht absolviert.

Die Frage seines Rechtsvertreters, ob der Beschwerdeführer genügend Vermögen habe, um sich vom Militärdienst freizukaufen, verneinte er. Abschließend gab der Beschwerdeführer an, dass er die Beschwerde eingereicht habe, weil er einen besseren Status haben möchte. Er möchte sich hier eine Zukunft aufbauen und arbeiten gehen, möchte sich selbstständig machen. Psychisch würde es ihm besser gehen, wenn er den Asylstatus habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien sowie Angehöriger der arabischen Volksgruppe mit moslemischem Religionsbekenntnis (Sunnit) und führt den im Spruch genannten Namen. Er ist ledig und kinderlos. Der Beschwerdeführer hat 3 ältere Brüder und eine ältere Schwester sowie 2 jüngere Brüder. Ein Bruder lebt in Deutschland, einer in der Türkei, die Eltern und die restlichen Geschwister leben in XXXX , im türkisch kontrollierten Gebiet Syriens. Die Familie in Syrien wird vom Beschwerdeführer, dem Bruder in der Türkei und in Deutschland finanziell unterstützt.Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien sowie Angehöriger der arabischen Volksgruppe mit moslemischem Religionsbekenntnis (Sunnit) und führt den im Spruch genannten Namen. Er ist ledig und kinderlos. Der Beschwerdeführer hat 3 ältere Brüder und eine ältere Schwester sowie 2 jüngere Brüder. Ein Bruder lebt in Deutschland, einer in der Türkei, die Eltern und die restlichen Geschwister leben in römisch XXXX , im türkisch kontrollierten Gebiet Syriens. Die Familie in Syrien wird vom Beschwerdeführer, dem Bruder in der Türkei und in Deutschland finanziell unterstützt.

Der Herkunftsort des Beschwerdeführers ist XXXX , das in einem von Kurden und dem syrischen Regime beherrschten Gebiet liegt. Der Herkunftsort des Beschwerdeführers ist römisch XXXX , das in einem von Kurden und dem syrischen Regime beherrschten Gebiet liegt.

Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsstaat sechs Jahre die Schule besucht und in der Türkei in Bursa mindestens sechs Jahre als Tischler gearbeitet. Er war auch im Besitz türkischer Kimlik. Der Beschwerdeführer finanzierte seine Reise nach Österreich in der Höhe von 4500 bis 5000 Euro mit seinen Einkünften seiner Arbeit. Der Beschwerdeführer hätte sich vom Militärdienst in Syrien freikaufen können. Die Voraussetzungen dafür lagen durch den mindestens sechsjährigen legalen Aufenthalt in der Türkei vor. Es war ihm aufgrund seiner finanziellen Möglichkeiten auch zumutbar, sich vom Militärdienst freizukaufen. Der Beschwerdeführer hat sich stattdessen dafür entschieden das vorhandene Geld dafür zu nützen, schlepperunterstützt die Türkei zu verlassen und nach Österreich zu immigrieren, mit dem Ziel sich hier eine Existenz aufzubauen. Die Entscheidung zur Reise nach Österreich erfolgte nicht aus asylrelevanten Gründen, nicht aufgrund einer ihn unmittelbar persönlich konkreten betreffenden verfahrensrelevanten Bedrohung maßgeblicher Intensität.

Der Beschwerdeführer verließ die Türkei im September 2022 und reiste über Österreich nach Deutschland, wo er sich 6 Monate aufhielt. Im Februar 2023 wurde er nach Österreich überstellt.

Der Beschwerdeführer hatte im Vorfeld seiner Ausreise aus Syrien keine Kontakte zum syrischen Regime.

Die behauptete Desertion des Vaters und zwei der Brüder des Beschwerdeführers konnte nicht festgestellt werden. Ebenso wenig die behaupteten Demonstrationsteilnahmen dieser Brüder.

Dem Beschwerdeführer war es möglich einen Personenstandsregisterauszug, ausgestellt am 21.06.2023, Innenministerium für Zivilangelegenheiten in Aleppo, seine Geburtsurkunde, ausgestellt am 12.10.2022, Innenministerium für Zivilangelegenheiten in Damaskus und einen Familienregisterauszug, ausgestellt am 17.10.2022, Innenministerium für Zivilangelegenheiten in Aleppo, von den syrischen Behörden zu bekommen.

Der Beschwerdeführer hat den Grundwehrdienst in der syrischen Armee nicht abgeleistet. Es liegt keine aktuelle Einberufung des Beschwerdeführers zu den syrischen Streitkräften vor. Der Beschwerdeführer war bei keiner Stellung und hat kein Wehrbuch. Der Beschwerdeführer hat nicht behauptet, dass er den syrischen Militärdienst oder den Wehrdienst für die Kurden im AANES-Gebiet verweigern würde. Der Beschwerdeführer weist keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen die syrische Regierung oder gegen den Dienst an der Waffe an sich auf.

Ihm droht bei einer Rückkehr insbesondere keine Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund einer Desertation bzw. Wehrdienstverweigerung oder einer (ihm seitens des syrischen Regimes unterstellten) oppositionellen Gesinnung. Im Fall seiner Rückkehr nach Syrien ist der Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt, aus den genannten Gründen von der syrischen Regierung mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

In der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“, in der sich der Herkunftsort des Beschwerdeführers befindet, sind Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren (geboren 1998 oder später) zum „Wehrdienst“ verpflichtet. Der 28-jährige Beschwerdeführer hat das diesbezügliche Wehrdienstalter bereits überschritten. Darüber hinaus würden ihm im Falle einer Einziehung zum „Wehrdienst“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ bei einer Weigerung, der „Wehrpflicht“ nachzukommen, keine unverhältnismäßigen Sanktionen drohen und wäre der Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zur Beteiligung an Kampfhandlungen verpflichtet. Er wäre nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verlegung an die Front ausgesetzt und müsste sich nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit an der Begehung von Menschenrechtsverletzungen beteiligen. Die kurdischen Autonomiebehörden würden dem Beschwerdeführer im Falle einer Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungseinheiten keine oppositionelle oder politische Gesinnung unterstellen. Darüber hinaus wäre eine Weigerung des Beschwerdeführers, den „Wehrdienst“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ abzuleisten, auch nicht Ausdruck einer politischen oder oppositionellen Gesinnung.

Der Beschwerdeführer war in Syrien nicht politisch tätig, ist nicht Mitglied einer oppositionellen Gruppierung und auch sonst nicht in das Blickfeld der syrischen Regierung geraten. Er hat in Syrien keine Straftaten begangen und wurde nie verhaftet.

Auch aufgrund seiner Ausreise und seiner Asylantragstellung in Österreich droht dem Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Inhaftierung und Folter aufgrund der Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung.

Auch sonst ist der Beschwerdeführer nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden. Dem Beschwerdeführer droht auch nicht aufgrund der Verwandtschaft zu seinem Vater und seine älteren Brüder die Gefahr seitens des syrischen Regimes verfolgt zu werden.

Der Beschwerdeführer ist 28 Jahre alt und hat den Wehrdienst für das syrische Regime noch nicht abgeleistet. Die Wehrdienstverweigerung stellt nicht das einzige Mittel dar, mit dem der Beschwerdeführer einer Ableistung des Wehrdienstes und der damit allenfalls verbundenen Beteiligung an Kriegsverbrechen entgehen kann.

Das syrische Gesetz sieht für männliche syrische Staatsbürger, die – wie der Beschwerdeführer – im Ausland niedergelassen sind, die Möglichkeit vor, sich durch die Zahlung einer Gebühr dauerhaft von der Wehrpflicht zu befreien.

Der Beschwerdeführer besitzt ausreichende finanzielle Mittel, um die Wehrersatzgebühr zu leisten. Ihm steht die Möglichkeit offen, das diesbezügliche Verfahren entweder selbst über eine syrische Botschaft in Europa abzuwickeln, oder im Wege eines Stellvertreters in Syrien erledigen zu lassen. Es war ihm möglich persönliche Dokumente in den Jahren 2022 und 2023 von den syrischen Behörden zu bekommen. Ihm ist es möglich, über eine syrische Vertretungsbehörde einen syrischen Reisepass zu erlangen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die syrischen Behörden Personen, die sich vom Wehrdienst freigekauft haben (selbst wenn dies nicht zeitnah nach Erreichen des wehrpflichtigen Alters erfolgte), eine oppositionelle Gesinnung unterstellen oder diese trotz der entrichteten Wehrersatzgebühr systematisch bzw. mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit dennoch zum Wehrdienst einziehen. Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass dies im Fall des Beschwerdeführers erfolgen würde.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

Auszug aus den Länderinformationen der Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS, Version 11, 27.03.2024:

Politische Lage

Letzte Änderung: 2024-03-08

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).

Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).

Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).

Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).

Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).

Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).

Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien

Letzte Änderung 2024-03-08 11:12

2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine 'zweite Front' in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba'ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, 'Ain al-'Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017).

Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für "Westen" (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) (SWP 7.2018). Die von den USA unterstützten SDF (TWI 18.7.2022) sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen (USDOS 20.3.2023), in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist (KAS 4.12.2018). Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des "Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien" (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben (SWP 7.2018). Im März 2018 (KAS 4.12.2018) übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022). Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa (K24 6.9.2018) sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (SO 27.6.2022).

Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet 'belohnt' zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an (USDOS 20.3.2023). Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen (ICG 18.11.2021). Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren (ÖB Damaskus 1.10.2021). Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung (Alaraby 31.5.2023). Unter anderem wird über die Verteilung von Öl und Weizen verhandelt, wobei ein großer Teil der syrischen Öl- und Weizenvorkommen auf dem Gebiet der AANES liegen (K24 22.1.2023). Normalisierungsversuche der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und der syrischen Regierung wurden in den AANES im Juni 2023 mit Sorge betrachtet (AAA 24.6.2023). Anders als die EU und USA betrachtet die Türkei sowohl die Streitkräfte der YPG als auch die Partei PYD als identisch mit der von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und daher als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 2.2.2024).

Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).

Zwischen den rivalisierenden Gruppierungen unter den Kurden gibt es einerseits Annäherungsbemühungen, andererseits kommt es im Nordosten aus politischen Gründen und wegen der schlechten Versorgungslage zunehmend auch zu innerkurdischen Spannungen zwischen dem sogenannten Kurdish National Council, der Masoud Barzanis KDP [Anm.: Kurdistan Democratic Party - Irak] nahesteht und dem ein Naheverhältnis zur Türkei nachgesagt wird, und der PYD, welche die treibende Kraft hinter der kurdischen Selbstverwaltung ist, und die aus Sicht des Kurdish National Council der PKK zu nahe steht (ÖB 1.10.2021).

Seitdem der Islamische Staat (IS) 2019 die Kontrolle über sein letztes Bevölkerungszentrum verloren hat, greift er mit Guerilla- und Terrortaktiken Sicherheitskräfte und lokale zivile Führungskräfte an (FH 9.3.2023). Hauptziele sind Einrichtungen und Kader der SDF sowie der syrischen Armee (ÖB 1.10.2021).

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 2024-03-08

Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).

Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse

Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).

Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten

Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Nor

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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