RS Vfgh 2023/12/6 V73/2023 ua (V73-75/2023-16)

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 06.12.2023
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Index

L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art139 Abs1 Z2
StGG Art2
Örtlicher Entwicklungskonzeptteil Nr 1 Änderung Nr 1.20 des Gemeinderats der Gemeinde Hinterstoder vom 27.11.2019
Flächenwidmungsteil Nr 5 Änderung Nr 5.65 des Gemeinderats der Gemeinde Hinterstoder vom 27.11.2019
Bebauungsplan Nr 24 "Peham Villa" des Gemeinderats der Gemeinde Hinterstoder vom 04.05.2021
Oö BauO 1994 §31
Oö RaumOG 1994 §2, §18, §21, §23, §31, §33, §36
Oö GemeindeO 1990 §54
ZPO §272, §292
VfGG §7 Abs1, §35
  1. B-VG Art. 7 heute
  2. B-VG Art. 7 gültig ab 01.08.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.2004 bis 31.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 7 gültig von 16.05.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/1998
  5. B-VG Art. 7 gültig von 14.08.1997 bis 15.05.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  6. B-VG Art. 7 gültig von 01.07.1988 bis 13.08.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  7. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.1975 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  8. B-VG Art. 7 gültig von 19.12.1945 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  9. B-VG Art. 7 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 139 heute
  2. B-VG Art. 139 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 139 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 139 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  5. B-VG Art. 139 gültig von 30.11.1996 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 659/1996
  6. B-VG Art. 139 gültig von 01.01.1991 bis 29.11.1996 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  7. B-VG Art. 139 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  8. B-VG Art. 139 gültig von 21.07.1962 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 205/1962
  9. B-VG Art. 139 gültig von 19.12.1945 bis 20.07.1962 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  10. B-VG Art. 139 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Aufhebung der Änderungen eines Örtlichen Entwicklungskonzeptteils und eines Flächenwidmungsteils der Gemeinde Hinterstoder mangels Grundlagenforschung und Interessenabwägung im Zeitpunkt der Beschlussfassung; kein Vorliegen aller erforderlichen Unterlagen im Entscheidungszeitpunkt und keine Auseinandersetzung mit den dem Projekt entgegenlaufenden Interessen; gänzliche Aufhebung des Bebauungsplans "Peham Villa" (planerische Einheit) wegen Wegfalls der Grundlagen

Rechtssatz

Gesetzwidrigkeit des Örtlichen Entwicklungskonzeptteils Nr 1 Änderung Nr 1.20 und des Flächenwidmungsteils Nr 5 Änderung Nr 5.65 des Gemeinderats der Gemeinde Hinterstoder vom 27.11.2019, sowie des Bebauungsplans Nr 24 "Peham Villa" vom 04.05.2021.

Bestehen eines Gemeinderatsbeschlusses zum Örtlichen Entwicklungskonzeptteil Nr 1 Änderung Nr 1.20:

Aufgrund der vom Gemeinderat der Gemeinde Hinterstoder vorgelegten eidesstattlichen Erklärungen des Amtsleiters als Protokollführer und des Bürgermeisters steht für den VfGH fest, dass die Beschlussfassung des Gemeinderates der Gemeinde Hinterstoder vom 27.11.2019 im Tagesordnungspunkt 3 lite "Flächenwidmungsplanänderung Nr 5.65 und Änderung ÖEK Nr 1.20 - Pehman Villa" unrichtig beurkundet wurde und der Gemeinderat auch die Änderung Nr 1.20 des Örtlichen Entwicklungskonzeptteiles Nr 1 einstimmig beschlossen hat.

Zum Hinweis auf die Möglichkeit zur Einbringung von Anregungen oder Einwendungen in der öffentlichen Kundmachung zur Planauflage:

Aus den vorgelegten Unterlagen sowie den im Verordnungsakt erliegenden Zustellnachweisen ergibt sich, dass der Gemeinderat der Gemeinde Hinterstoder alle von der Planänderung Betroffenen vor der Beschlussfassung nachweislich verständigt hat, weshalb eine Veröffentlichung des Planes gemäß §33 Abs3 Oö ROG 1994 nicht erforderlich war. Auch dieses Bedenken trifft daher nicht zu.

Unzureichende Begründung sowie Fehlen der erforderlichen Grundlagenforschung und Interessenabwägung gem §36 Abs6 Oö ROG 1994 betreffend die Änderung Nr 1.20 des Örtlichen Entwicklungskonzeptteiles Nr 1 sowie die Änderung Nr 5.65 des Flächenwidmungsteiles Nr 5:

Der Gemeinderat schaffte erst nach Beschlussfassung ein touristisches Konzept für die Nutzung der umzuwidmenden Fläche sowie darauf aufbauend ein ergänzendes Gutachten des Ortsplaners bei. Der Grund dafür war eine Stellungnahme des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung (Oö LReg) vom 30.10.2019, aus der hervorging, dass eine raumordnungs- sowie naturschutzfachliche Beurteilung des Vorhabens erst nach Vorlage eines Konzeptes über die geplante Verbauung bzw die touristische Nutzung möglich sei. Das Fehlen der diesbezüglichen Stellungnahme wird sowohl in der Verhandlungsschrift über die Sitzung des Ausschusses für Bau- und Straßenbauangelegenheiten vom 11.11.2019 als auch in der Verhandlungsschrift über die Sitzung des Ausschusses für örtliche und regionale Raumplanung, Naturraumentwicklung und Integrationsangelegenheiten vom 25.11.2019 festgehalten. Der letztgenannte Ausschuss empfahl dem Gemeinderat deshalb zwar, "den entsprechenden Beschluss zu fassen"; allerdings sollten der Oö LReg die beabsichtigten Änderungen sowie das Konzept über die touristische Nutzung erst vorgelegt werden, "[s]obald das Projekt konkreter geworden ist". Im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Gemeinderat lagen daher auch aus Sicht des die Beschlussfassung vorbereitenden Gemeinderatsausschusses noch nicht alle erforderlichen Unterlagen vor. Der gesetzlichen Vorgabe des §36 Abs6 Oö ROG 1994 ist allerdings nur dann entsprochen, wenn die für die Änderung des Flächenwidmungsplanes erforderlichen Erhebungen vor dem Beschluss des Gemeinderates erfolgt sind, diesem also vorausgegangen sind, sodass der Gemeinderat über die für seine Entscheidung nötigen Informationen verfügt.

Auch die ergänzend vorgelegten Unterlagen vermögen am Bedenken, dass den Planungsunterlagen keine Interessenabwägung zu entnehmen sei, nichts zu ändern, denn an keiner Stelle lässt sich den vorliegenden Unterlagen eine Auseinandersetzung mit jenen Interessen entnehmen, die dem Projekt - allenfalls auch nur vermeintlich - entgegenlaufen. Soweit der Gemeinderat in seiner Äußerung darzutun versucht, dass die vom VfGH beispielhaft angeführten Interessen vom Projekt nicht berührt würden, geht er lediglich auf die Bedenken zur sachlichen Rechtfertigung der Widmung ein. Die im Gesetz geforderte Interessenabwägung muss sich aber gemäß §36 Abs6 Oö ROG 1994 aus der Begründung des Gemeinderates zur Änderung des Flächenwidmungsplanes oder den Planungsunterlagen ergeben und daher ebenso wie die erforderliche Grundlagenforschung bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegen. Die den Planungsunterlagen an zahlreichen Stellen zu entnehmende Hervorhebung der touristischen Bedeutung des Projektes ist keine Abwägung gegenläufiger Interessen, zumal eine Abwägung voraussetzt, dass die betroffenen Interessen überhaupt als solche identifiziert und benannt werden, wofür hier aber jeder Anhaltspunkt fehlt.

Nicht mehr zu beurteilen ist, ob die Erweiterung der Widmung "Sondergebiet des Baulandes - Tourismusgebiet" sachlich gerechtfertigt war, insbesondere angesichts des Umstandes, dass es sich bei der Villa Peham um einen rund 200 Meter von der nächsten Bebauung entfernten Siedlungssplitter handelt und der Vermeidung von Zersiedelung im Raumordnungsrecht erhebliche Bedeutung zukommt, was sich auch in anderen Raumordnungszielen (zB Schutz der Umwelt) widerspiegelt. Auch im Örtlichen Entwicklungskonzept Nr 1 der Gemeinde ist im Abschnitt 10 "Probleme - Ziele - Maßnahmen" unter dem Punkt "Raumordnungs-Naturraum" als Ziel festgelegt, keine neuen Siedlungssplitter zu genehmigen, aber Widmungen zu arrondieren und den Naturraum sowie Frei- und Erholungsflächen zu sichern, wobei dazu als Maßnahme die Freihaltung bestimmter Gebiete von Bebauung - insbesondere die gänzliche Freihaltung der Landschaft links der Steyr von neuer Bebauung, beginnend nach der Bebauung im Ortskern bis Talschluss - vorgesehen ist.

Vor diesem Hintergrund haben sich auch die gegen den Bebauungsplan Nr 24 "Peham Villa" vorgebrachten Bedenken als zutreffend erwiesen, zumal der Bebauungsplan angesichts der Aufhebung der Änderungen Nr 1.20 des Örtlichen Entwicklungskonzeptteiles Nr 1 sowie Nr 5.65 des Flächenwidmungsteiles Nr 5 keine Stütze findet.

Da der Bebauungsplan eine planerische Einheit darstellt, ist er zur Gänze aufzuheben, und zwar auch hinsichtlich jenes Teiles, der nach wie vor als "Sondergebiet des Baulandes - Tourismusgebiet" gewidmet ist.

(Anlassfall E3500/2022, E v 06.12.2023, Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Raumordnung, Verordnungserlassung, Grundlagenforschung, VfGH / Bedenken, VfGH / Verwerfungsumfang, Widmung, Verordnung Kundmachung, Umweltschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2023:V73.2023

Zuletzt aktualisiert am

17.07.2024
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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