Entscheidungsdatum
10.05.2024Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W208 2274572-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von Hussein XXXX (alias XXXX ) geb. XXXX , StA. SYRIEN, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.05.2023, Zl. 1318498600-222456792, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von Hussein römisch XXXX (alias römisch XXXX ) geb. römisch XXXX , StA. SYRIEN, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.05.2023, Zl. 1318498600-222456792, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids wird stattgegeben und Hussein XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins des angefochtenen Bescheids wird stattgegeben und Hussein römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass Hussein XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass Hussein römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführende Partei (bP), ein syrischer Staatsbürger, Araber und Sunnit, stellte nach illegaler Einreise am 07.08.2022 gemeinsam mit drei Geschwistern den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge der am 08.08.2022 durchgeführten Erstbefragung in der Muttersprache „Arabisch“ gab die bP zu den Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass sie das Heimatland im Jahr 2013 wegen des Bürgerkriegs und weil es dort keine Sicherheit und Zukunft gebe, verlassen habe (AS 8).
Die korrekte Rückübersetzung und die Verständlichkeit wurden bestätigt (AS 9).
2. Am 04.04.2023 erfolgte die niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in arabischer Sprache (AS 25).
Dabei gab sie zusammengefasst an, sie sei in SYRIEN mit sechs Jahren begonnen habe in die Schule zu gehen aber nur drei Jahre gegangen sei, dann sei der Krieg ausgeborchen und der Vater habe, sie glaube 2013, entschieden mit der gesamten Familie in die TÜRKEI auszureisen. Wobei sie davor ein Monat in der Stadt ALEPPO und dann ein weiteres Monat in einem Dorf an der türkischen Grenze gelebt hätten. Eine Tante in SCHWEDEN und andere Verwandte aus der TÜRKEI hätten ihnen Geld geliehen (AS 32). Der Ehemann der Schwester habe nicht mit ihnen kommen können, weil es ihm an Geld gefehlt habe. Sie könne nicht zurück weil sie dann zum Wehrdienst müsste (AS 33). Sie habe Angst um ihr Leben und ihre Freiheit, weil sie sofort in den Krieg geschickt würde (AS 34).
Die Übersetzung wurde laut der Niederschrift einwandfrei verstanden und gab es keine Einwendungen gegen die Rückübersetzung (AS 37).
3. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA (AS 53), zugestellt am 09.05.2022, wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs 1 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Begründung für die Abweisung war im Wesentlichen, dass die bP nach fast einem Jahrzehnt des Aufenthaltes in der TÜRKEI, weder dort noch in SYRIEN eine Einberufung zu fürchten habe, weil sie sich davon durch Entrichtung einer Befreiungsgebühr vom Regime befreien lassen könne sowie auch keine Gefahr eines Militärdienstes bei den kurdischen Milizen bestehe. Es bestehe auch nicht die Gefahr der Unterstellung einer oppositionellen politischen Gesinnung, trotz einer kritischen Einstellung gegenüber dem syrischen Regime, weil sie diese nicht so zum Ausdruck gebracht habe, dass sie ins Visier des Regimes gekommen wäre (AS 68).3. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA (AS 53), zugestellt am 09.05.2022, wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Begründung für die Abweisung war im Wesentlichen, dass die bP nach fast einem Jahrzehnt des Aufenthaltes in der TÜRKEI, weder dort noch in SYRIEN eine Einberufung zu fürchten habe, weil sie sich davon durch Entrichtung einer Befreiungsgebühr vom Regime befreien lassen könne sowie auch keine Gefahr eines Militärdienstes bei den kurdischen Milizen bestehe. Es bestehe auch nicht die Gefahr der Unterstellung einer oppositionellen politischen Gesinnung, trotz einer kritischen Einstellung gegenüber dem syrischen Regime, weil sie diese nicht so zum Ausdruck gebracht habe, dass sie ins Visier des Regimes gekommen wäre (AS 68).
4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde mit Schriftsatz vom 25.05.2023 Beschwerde (AS 229) erhoben. Auch die mit ihr gleichzeitig eingereiste Schwester (samt der beiden minderjährigen Kindern) und drei ihrer Brüder – die alle ebenfalls subsidiären Schutz erhalten haben – haben Beschwerden eingelegt. 4. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides wurde mit Schriftsatz vom 25.05.2023 Beschwerde (AS 229) erhoben. Auch die mit ihr gleichzeitig eingereiste Schwester (samt der beiden minderjährigen Kindern) und drei ihrer Brüder – die alle ebenfalls subsidiären Schutz erhalten haben – haben Beschwerden eingelegt.
Die Beschwerden wurden dem BVwG vorgelegt und unter folgenden GZ registriert und der Gerichtsabteilung W208 zugewiesen:
Jamal Aldin, geb 1999, GZ 2273567-1
Hameda, GZ 2274437-1 (deren beide Kinder geb 2018 und 2017: GZ 224435-1 und 2274434)
Abdalkadir, geb 2006, GZ 2274436-1 (vertreten durch die Schwester Hameda)
bP Hussein, geb 2001, GZ 2274572-1
Hasan, geb 2003, GZ 2287558-1 (dieser kam nach und stellte erst am 17.03.2023 seinen Antrag).
5. Das BVwG führte am 11.03.2024 und am 26.04.2024 (Hassan) mündliche Verhandlungen mit allen bP durch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der bP
Die bP ist ein körperlich und geistig gesunder, 23 Jahre alter Mann, Staatsangehörige SYRIENS und gehört der Volksgruppe der Araber an. Sie ist Sunnit. Ihr Familienname lautet: XXXX Die bP ist ein körperlich und geistig gesunder, 23 Jahre alter Mann, Staatsangehörige SYRIENS und gehört der Volksgruppe der Araber an. Sie ist Sunnit. Ihr Familienname lautet: römisch XXXX
Die bP stammt aus XXXX , östlich von ALEPPO-Stadt im Registeramt XXXX in der Provinz ALEPPO. Die bP stammt aus römisch XXXX , östlich von ALEPPO-Stadt im Registeramt römisch XXXX in der Provinz ALEPPO.
Ihr Vater (Mustafa) war bis kurz vor Ausbruch des Bürgerkrieges Dorfvorsteher mehrerer Dörfer für das Regime ( XXXX ).Ihr Vater (Mustafa) war bis kurz vor Ausbruch des Bürgerkrieges Dorfvorsteher mehrerer Dörfer für das Regime ( römisch XXXX ).
Sie ist gemeinsam mit ihren Eltern und ihren acht Geschwistern sowie der in der Zwischenzeit bereits verstorbenen Großmutter väterlicherseits (vs) spätestens im Herbst 2013 in die TÜRKEI ausgereist und hat dort bis zu ihrer Ausreise nach Europa im Sommer 2022 (zuletzt in XXXX ) gelebt. Der Vater hat dort als Lehrer, Taxifahrer und in einer Saftfabrik sein Geld verdient. Er befindet sich derzeit in GRIECHENLAND. Zwei Brüder ( XXXX ) befinden sich mit deren Familien nach wie vor in der TÜRKEI in XXXX . Sie ist gemeinsam mit ihren Eltern und ihren acht Geschwistern sowie der in der Zwischenzeit bereits verstorbenen Großmutter väterlicherseits (vs) spätestens im Herbst 2013 in die TÜRKEI ausgereist und hat dort bis zu ihrer Ausreise nach Europa im Sommer 2022 (zuletzt in römisch XXXX ) gelebt. Der Vater hat dort als Lehrer, Taxifahrer und in einer Saftfabrik sein Geld verdient. Er befindet sich derzeit in GRIECHENLAND. Zwei Brüder ( römisch XXXX ) befinden sich mit deren Familien nach wie vor in der TÜRKEI in römisch XXXX .
Die bP verfügt über Verwandte in der TÜRKEI, in SYRIEN, DEUTSCHLAND, SCHWEDEN und DÄNEMARK. Diese haben zum Teil die Familie bei der Aufbringung der Schlepperkosten unterstützt.
Die wirtschaftliche Situation der Familie war gut. Sie bewirtschaftete mehrere Grundstücke mit einem Arbeiter und betrieb Landwirtschaft. Der Vater hat neben seiner Tätigkeit als Landwirt und Dorfvorsteher Recht studiert und wollte dann Anwalt werden. Er konnte diese Tätigkeit aber aufgrund des Ausbruchs der Konflikte nicht mehr ausüben. Das Elternhaus im Heimatdorf wurde nach der Ausreise durch einen Bomben- oder Granattreffer zumindest teilweise zerstört und als Militärstützpunkt verwendet. Sofern die Grundstücke nicht schon zur Finanzierung der Flucht der nunmehr insgesamt 12-köpfigen Familie aus der TÜRKEI verwendet wurden, hat der Vater der bP keinen Zugriff mehr darauf, was sich darin zeigt, dass er sich schon Geld ausborgen musste, um die Ausreisen zu finanzieren.
Die bP ist am 07.08.2022 gemeinsam mit ihrer Schwester (Hameda), deren zwei minderjährigen Kindern und zwei ihrer Brüder (Abdalkadir und Jamal Aldin) illegal nach Österreich gereist, wobei sie für die Schleppung 5.000 oder 6000 Euro für jeden der Brüder und für die Schwester und ihre beiden Kinder 10.000 Euro bezahlt haben. In der Zwischenzeit sind ein weiterer Bruder (Hasan), der Mann der Schwester (Ali XXXX ), ihre Mutter und zwei weiter Brüder (Abdelgafour und Mohammad) illegal in Österreich eingereist. Die bP ist am 07.08.2022 gemeinsam mit ihrer Schwester (Hameda), deren zwei minderjährigen Kindern und zwei ihrer Brüder (Abdalkadir und Jamal Aldin) illegal nach Österreich gereist, wobei sie für die Schleppung 5.000 oder 6000 Euro für jeden der Brüder und für die Schwester und ihre beiden Kinder 10.000 Euro bezahlt haben. In der Zwischenzeit sind ein weiterer Bruder (Hasan), der Mann der Schwester (Ali römisch XXXX ), ihre Mutter und zwei weiter Brüder (Abdelgafour und Mohammad) illegal in Österreich eingereist.
Sie in Österreich subsidiär schutzberechtigt und strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen
Die asylrechtliche Heimatregion der bP liegt in XXXX in der Provinz ALEPPO, diese wurde nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges (März 2011) bis April 2015 von der FSA und dem IS kontrolliert, danach von Mai bis Oktober 2015 wieder vom Regime und dann wieder vom IS. Der IS wurde im März 2016 vom Regime besiegt und vertrieben. Seitdem kontrolliert das Regime das Dorf und die Region. Die asylrechtliche Heimatregion der bP liegt in römisch XXXX in der Provinz ALEPPO, diese wurde nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges (März 2011) bis April 2015 von der FSA und dem IS kontrolliert, danach von Mai bis Oktober 2015 wieder vom Regime und dann wieder vom IS. Der IS wurde im März 2016 vom Regime besiegt und vertrieben. Seitdem kontrolliert das Regime das Dorf und die Region.
Die bP verließ im Alter von 9 oder 10 Jahren gemeinsam mit ihrer Familie das Heimatdorf (2012/2013), weil dort die FSA die Kontrolle übernommen hatte, der Vater zuvor als Dorfvorsteher für das Regime tätig war und es Kampfhandlungen gab. Eine konkrete Verfolgung durch die FSA, den IS oder das Regime wurde nicht behauptet. Sie lebte sodann ca ein Monat in ALEPPO bei Verwandten und ging dann mit ihrer gesamten Familie in die TÜRKEI.
Die bP hat den Wehrdienst bei der syrischen Armee nicht abgeleistet. Sie wurde noch keiner medizinischen Untersuchung (Musterung) unterzogen und erhielt auch kein Militär- bzw. Wehrdienstbuch, weil sie sich in der TÜRKEI aufhielt.
Der bP droht bei einer Rückkehr in ihre Heimatregion die reale Gefahr die Einziehung zum Militärdienst bei der syrischen Armee – was sie ablehnt – und damit iZ (der Begehung) erheblicher Menschenrechtsverletzungen und besteht die Gefahr, dass der bP durch das syrische Regime wegen ihrer Militärdienstverweigerung und ihrer gegenüber dem syrischen Regime eingenommene kritischen Haltung eine oppositionsnahe Einstellung bzw politische Gesinnung unterstellt wird, weil sie sich als Sohn eines Dorfvorstehers des Regimes im Alter von 17 Jahren nicht bei der syrischen Botschaft in der TÜRKEI gemeldet und das Militärbuch abgeholt oder um Befreiung angesucht hat und die Familie nach der Rückeroberung des Rebellengebietes 2016 durch das Regime nicht zurückgekehrt ist. Die Weigerung würde zumindest mit einer Gefängnisstrafe bestraft werden, die mit der Anwendung von Folter verbunden wäre.
Es besteht das reale Risiko, dass die bP an einem vom Regime kontrollierten Grenzübergang bzw am Flughafen von DAMASKUS verhaftet und dem Dienst bei der syrischen Armee zugeführt wird. Die Militärpolizei verhaftet in Gebieten unter der Kontrolle der Regierung junge Männer, die für den Wehrdienst gesucht werden. Rekrutierungen finden ua auch an Checkpoints statt.
Ein Freikauf ist ihm nicht verlässlich möglich.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in SYRIEN und der Heimatregion der BF - ALEPPO
1.3.1. Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation SYRIEN, (COI-CMS) https://staatendokumentation.at bzw https://ecoi.net, ergibt sich wie folgt (Auszug – abgefragt am 29.04.2024):
DIE SYRISCHEN STREITKRÄFTE - WEHR- UND RESERVEDIENST
Letzte Änderung 2024-03-11 06:50
Rechtliche Bestimmungen
Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben (PAR 1.6.2011). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt (AA 2.2.2024). In der Vergangenheit wurde es auch akzeptiert, sich, statt den Militärdienst in der syrischen Armee zu leisten, einer der bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppierung anzuschließen. Diese werden inzwischen teilweise in die Armee eingegliedert, jedoch ohne weitere organisatorische Integrationsmaßnahmen zu setzen oder die Kämpfer auszubilden (ÖB Damaskus 12.2022). Wehrpflichtige und Reservisten können im Zuge ihres Wehrdienstes bei der Syrischen Arabischen Armee (SAA) auch den Spezialeinheiten (Special Forces), der Republikanischen Garde oder der Vierten Division zugeteilt werden, wobei die Rekruten den Dienst in diesen Einheiten bei Zuteilung nicht verweigern können (DIS 4.2023). Um dem verpflichtenden Wehrdienst zu entgehen, melden sich manche Wehrpflichtige allerdings aufgrund der höheren Bezahlung auch freiwillig zur Vierten Division, die durch die von ihr kontrollierten Checkpoints Einnahmen generiert (EB 17.1.2023). Die 25. (Special Tasks) Division (bis 2019: Tiger Forces) rekrutiert sich dagegen ausschließlich aus Freiwilligen (DIS 4.2023).Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Artikel 4, Litera b, gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben (PAR 1.6.2011). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt (AA 2.2.2024). In der Vergangenheit wurde es auch akzeptiert, sich, statt den Militärdienst in der syrischen Armee zu leisten, einer der bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppierung anzuschließen. Diese werden inzwischen teilweise in die Armee eingegliedert, jedoch ohne weitere organisatorische Integrationsmaßnahmen zu setzen oder die Kämpfer auszubilden (ÖB Damaskus 12.2022). Wehrpflichtige und Reservisten können im Zuge ihres Wehrdienstes bei der Syrischen Arabischen Armee (SAA) auch den Spezialeinheiten (Special Forces), der Republikanischen Garde oder der Vierten Division zugeteilt werden, wobei die Rekruten den Dienst in diesen Einheiten bei Zuteilung nicht verweigern können (DIS 4.2023). Um dem verpflichtenden Wehrdienst zu entgehen, melden sich manche Wehrpflichtige allerdings aufgrund der höheren Bezahlung auch freiwillig zur Vierten Division, die durch die von ihr kontrollierten Checkpoints Einnahmen generiert (EB 17.1.2023). Die 25. (Special Tasks) Division (bis 2019: Tiger Forces) rekrutiert sich dagegen ausschließlich aus Freiwilligen (DIS 4.2023).
Ausnahmen von der Wehrpflicht bestehen für Studenten, Staatsangestellte, aus medizinischen Gründen und für Männer, die die einzigen Söhne einer Familie sind. Insbesondere die Ausnahmen für Studenten können immer schwieriger in Anspruch genommen werden. Fallweise wurden auch Studenten eingezogen. In letzter Zeit mehren sich auch Berichte über die Einziehung von Männern, die die einzigen Söhne einer Familie sind (ÖB Damaskus 12.2022). Einer vertraulichen Quelle des niederländischen Außenministeriums zufolge sollen Männer auch unabhängig ihres Gesundheitszustandes eingezogen und in der Verwaltung eingesetzt worden sein (NMFA 8.2023).
Die im März 2020, Mai 2021 und Jänner 2022 vom Präsidenten erlassenen Generalamnestien umfassten auch einen Straferlass für Vergehen gegen das Militärstrafgesetz, darunter Fahnenflucht. Die Verpflichtung zum Wehrdienst bleibt davon unberührt (ÖB Damaskus 12.2022).
Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018). Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehren, müssen mit Zwangsrekrutierung rechnen (AA 2.2.2024). Laut Berichten und Studien verschiedener Menschenrechtsorganisationen ist für zahlreiche Geflüchtete die Gefahr der Zwangsrekrutierung neben anderen Faktoren eines der wesentlichen Rückkehrhindernisse (AA 2.2.2024; vgl. ICWA 24.5.2022).Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018). Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehren, müssen mit Zwangsrekrutierung rechnen (AA 2.2.2024). Laut Berichten und Studien verschiedener Menschenrechtsorganisationen ist für zahlreiche Geflüchtete die Gefahr der Zwangsrekrutierung neben anderen Faktoren eines der wesentlichen Rückkehrhindernisse (AA 2.2.2024; vergleiche ICWA 24.5.2022).
Männliche Nachkommen palästinensischer Flüchtlinge, die zwischen 1948 und 1956 nach Syrien kamen und als solche bei der General Administration for Palestinian Arab Refugees (GAPAR) registriert sind (NMFA 5.2022), bzw. palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht (AA 13.11.2018; vgl. Action PAL 3.1.2023, ACCORD 21.9.2022). Ihren Wehrdienst leisten sie für gewöhnlich in einer Unterabteilung der syrischen Armee, die den Namen Palästinensische Befreiungsarmee trägt: Palestinian Liberation Army (PLA) (BAMF 2.2023, (AA 13.11.2018; vgl. ACCORD 21.9.2022). Es konnten keine Quellen gefunden werden, die angeben, dass Palästinenser vom Reservedienst ausgeschlossen seien (ACCORD 21.9.2022; vgl. BAMF 2.2023).Männliche Nachkommen palästinensischer Flüchtlinge, die zwischen 1948 und 1956 nach Syrien kamen und als solche bei der General Administration for Palestinian Arab Refugees (GAPAR) registriert sind (NMFA 5.2022), bzw. palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht (AA 13.11.2018; vergleiche Action PAL 3.1.2023, ACCORD 21.9.2022). Ihren Wehrdienst leisten sie für gewöhnlich in einer Unterabteilung der syrischen Armee, die den Namen Palästinensische Befreiungsarmee trägt: Palestinian Liberation Army (PLA) (BAMF 2.2023, (AA 13.11.2018; vergleiche ACCORD 21.9.2022). Es konnten keine Quellen gefunden werden, die angeben, dass Palästinenser vom Reservedienst ausgeschlossen seien (ACCORD 21.9.2022; vergleiche BAMF 2.2023).
Frauen können als Berufssoldatinnen dem syrischen Militär beitreten. Dies kommt in der Praxis tatsächlich vor, doch stoßen die Familien oft auf kulturelle Hindernisse, wenn sie ihren weiblichen Verwandten erlauben, in einem so männlichen Umfeld zu arbeiten. Dem Vernehmen nach ist es in der Praxis häufiger, dass Frauen in niedrigeren Büropositionen arbeiten als in bewaffneten oder leitenden Funktionen. Eine Quelle erklärt dies damit, dass Syrien eine männlich geprägte Gesellschaft ist, in der Männer nicht gerne Befehle von Frauen befolgen (NMFA 5.2022).
Mit Stand Mai 2023 werden die regulären syrischen Streitkräfte immer noch von zahlreichen regierungsfreundlichen Milizen unterstützt (CIA 9.5.2023). Frauen sind auch regierungsfreundlichen Milizen beigetreten. In den Reihen der National Defence Forces (NDF) dienen ca. 1.000 bis 1.500 Frauen, eine vergleichsweise geringe Anzahl. Die Frauen sind an bestimmten Kontrollpunkten der Regierung präsent, insbesondere in konservativen Gebieten, um Durchsuchungen von Frauen durchzuführen (FIS 14.12.2018).
Die Umsetzung
Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet (DIS 5.2020). Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten (STDOK 8.2017; vgl. DIS 7.2023). Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (STDOK 8.2017).Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet (DIS 5.2020). Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten (STDOK 8.2017; vergleiche DIS 7.2023). Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (STDOK 8.2017).
Obwohl die offizielle Wehrdienstzeit etwa zwei Jahre beträgt, werden Wehrpflichtige in der Praxis auf unbestimmte Zeit eingezogen (NMFA 5.2022; vgl. AA 29.3.2022), wobei zuletzt von einer "Verkürzung" des Wehrdienstes auf 7,5 Jahre berichtet wurde. Die tatsächliche Dauer richtet sich laut UNHCR Syrien jedoch nach Rang und Funktion der Betreffenden (ÖB Damaskus 12.2022). Personen, die aufgrund ihrer besonderen Fachkenntnisse von großem Wert für die Armee und nur schwer zu ersetzen sind, können daher über Jahre hinweg im Militärdienst gehalten werden. Personen, deren Beruf oder Fachwissen in der Gesellschaft sehr gefragt ist, wie z.B. Ärzte, dürfen eher nach Ablauf der offiziellen Militärdienstzeit ausscheiden (NMFA 5.2022).Obwohl die offizielle Wehrdienstzeit etwa zwei Jahre beträgt, werden Wehrpflichtige in der Praxis auf unbestimmte Zeit eingezogen (NMFA 5.2022; vergleiche AA 29.3.2022), wobei zuletzt von einer "Verkürzung" des Wehrdienstes auf 7,5 Jahre berichtet wurde. Die tatsächliche Dauer richtet sich laut UNHCR Syrien jedoch nach Rang und Funktion der Betreffenden (ÖB Damaskus 12.2022). Personen, die aufgrund ihrer besonderen Fachkenntnisse von großem Wert für die Armee und nur schwer zu ersetzen sind, können daher über Jahre hinweg im Militärdienst gehalten werden. Personen, deren Beruf oder Fachwissen in der Gesellschaft sehr gefragt ist, wie z.B. Ärzte, dürfen eher nach Ablauf der offiziellen Militärdienstzeit ausscheiden (NMFA 5.2022).
Seit März 2020 hat es in Syrien keine größeren militärischen Offensiven an den offiziellen Frontlinien mehr gegeben. Scharmützel, Granatenbeschuss und Luftangriffe gingen weiter, aber die Frontlinien waren im Grunde genommen eingefroren. Nach dem Ausbruch von COVID-19 und der Einstellung größerer Militäroperationen in Syrien Anfang 2020 verlangsamten sich Berichten zufolge die militärischen Rekrutierungsmaßnahmen der SAA. Die SAA berief jedoch regelmäßig neue Wehrpflichtige und Reservisten ein. Im Oktober 2021 wurde ein Rundschreiben herausgegeben, in de