Entscheidungsdatum
28.05.2024Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W102 2287913-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 05.02.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.04.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch XXXX , geb. römisch XXXX , StA. Syrien, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 05.02.2024, Zl. römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.04.2024 zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.A) Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Araber, stellte am 18.08.2022 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung am 19.08.2022 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, er habe sein Land wegen des Bürgerkrieges verlassen und er hätte zum Militär müssen. Er wolle nicht kämpfen.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.01.2024 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er habe sein Studium nicht weitermachen können, weil er den Militärdienst habe ableisten müssen. Er habe nicht kämpfen gewollt und wolle niemanden töten. In Ar Raqqa habe es auch zwischen den Clans Kämpfe gegeben, sein Onkel sei getötet worden. Er wolle sich auch nicht freikaufen, weil er das Regime nicht unterstützen wolle. Ihr Haus in Ar Raqqa sei auch bombardiert worden. Die Sicherheit sei allgemein schlecht. Er müsse mit den Kurden kämpfen.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 05.02.2024, zugestellt am 07.02.2024, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 für ein Jahr (Spruchpunkt III.). Begründend führte die belangte Behörde hinsichtlich Spruchpunkt I. aus, der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit gehabt, sich vom Wehrdienst freizukaufen. Offensichtlich habe er jedoch bislang nicht versucht, eine der Befreiungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Einer Ablehnung der Zahlung der Befreiungsgebühr aus moralischen oder politischen Gründen könne keine asylrelevante Bedeutung zukommen. Der Beschwerdeführer habe bereits eine Strafe wegen des Nichtantritts bezahlt. Die bloße Ableistung des syrischen Wehrdienstes könne keinen individuellen und asylrelevanten Fluchtgrund darstellen. Nicht jeder Wehrpflichtige werde tatsächlich in Kampfhandlungen verwickelt. Dem Beschwerdeführer drohe mit hoher Wahrscheinlichkeit keine staatliche Verfolgung wegen unterstellter politischer Gesinnung, weil der Rekrutenbedarf nach wie vor hoch sei und er daher den Wehrdienst anzutreten hätte und nicht einer Haftstrafe zugeführt werde. Er werde im Fall einer Rückkehr nicht als politisch missliebige Person angesehen, es sei kein Grund ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Vergleich zu anderen syrischen Männern nachteilig behandelt werde. Der Beschwerdeführer habe Aufschübe bis 2021 erhalten und bis 2022 ohne Probleme im Herkunftsland leben können. Es seien keine Hinweise auf ein politisch motiviertes regimekritisches Verhalten des Beschwerdeführers erkennbar, das ihn in den Fokus des Regimes habe bringen können. Eine persönliche Bedrohung sei nicht glaubhaft.2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 05.02.2024, zugestellt am 07.02.2024, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.). Begründend führte die belangte Behörde hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. aus, der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit gehabt, sich vom Wehrdienst freizukaufen. Offensichtlich habe er jedoch bislang nicht versucht, eine der Befreiungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Einer Ablehnung der Zahlung der Befreiungsgebühr aus moralischen oder politischen Gründen könne keine asylrelevante Bedeutung zukommen. Der Beschwerdeführer habe bereits eine Strafe wegen des Nichtantritts bezahlt. Die bloße Ableistung des syrischen Wehrdienstes könne keinen individuellen und asylrelevanten Fluchtgrund darstellen. Nicht jeder Wehrpflichtige werde tatsächlich in Kampfhandlungen verwickelt. Dem Beschwerdeführer drohe mit hoher Wahrscheinlichkeit keine staatliche Verfolgung wegen unterstellter politischer Gesinnung, weil der Rekrutenbedarf nach wie vor hoch sei und er daher den Wehrdienst anzutreten hätte und nicht einer Haftstrafe zugeführt werde. Er werde im Fall einer Rückkehr nicht als politisch missliebige Person angesehen, es sei kein Grund ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Vergleich zu anderen syrischen Männern nachteilig behandelt werde. Der Beschwerdeführer habe Aufschübe bis 2021 erhalten und bis 2022 ohne Probleme im Herkunftsland leben können. Es seien keine Hinweise auf ein politisch motiviertes regimekritisches Verhalten des Beschwerdeführers erkennbar, das ihn in den Fokus des Regimes habe bringen können. Eine persönliche Bedrohung sei nicht glaubhaft.
3. Gegen Spruchpunkt I. des oben dargestellten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.02.2024 richtet sich die am 01.03.2024 bei der belangten Behörde eingelangte Beschwerde. Es wird ausgeführt, der Beschwerdeführer sei im wehrfähigen Alter und habe den verpflichtenden Wehrdienst bis dato nicht abgeleistet. Ihm drohe, zum Militär eingezogen zu werden bzw. ein Einsatz an der Front und damit zusammenhängend eine erhebliche Gefahr für sein Leben und der Zwang, sich an schweren Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen beteiligen zu müssen. Er verweigere dies aus politischen und Gewissensgründen. Das syrische Regime sei in der Heimatregion präsent, welche grundsätzlich von den kurdischen Kräften beherrscht werde. Eine Rückkehr sei sicher und legal nur über vom syrischen Regime kontrolliertes Gebiet möglich. Dem Beschwerdeführer drohe auch die Rekrutierung durch kurdische Truppen. Er werde, weil er Syrien illegal verlassen habe, auch von den kurdischen Truppen als Verräter angesehen, weswegen die Altersgrenze für den Beschwerdeführer im Einzelfall irrelevant sei. Durch die Verweigerung des Militärdienstes in Zusammenschau mit der illegalen Ausreise sowie der Asylantragstellung im Ausland werde dem Beschwerdeführer eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt und er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrechtlich relevant verfolgt. Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft. Das syrische Regime habe trotz kurdischer Kontrolle grundsätzlich Zugriff auf Raqqa. Das Gebiet rund um Raqqa sei geteiltes Gebiet zwischen Regimekräften und kurdischen Milizen. Es bestehe die immerwährende Gefahr, dass die Herkunftsregion in die Hände der syrischen Regierung falle. Feststellungen und Beweiswürdigung seien mangelhaft.3. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des oben dargestellten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.02.2024 richtet sich die am 01.03.2024 bei der belangten Behörde eingelangte Beschwerde. Es wird ausgeführt, der Beschwerdeführer sei im wehrfähigen Alter und habe den verpflichtenden Wehrdienst bis dato nicht abgeleistet. Ihm drohe, zum Militär eingezogen zu werden bzw. ein Einsatz an der Front und damit zusammenhängend eine erhebliche Gefahr für sein Leben und der Zwang, sich an schweren Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen beteiligen zu müssen. Er verweigere dies aus politischen und Gewissensgründen. Das syrische Regime sei in der Heimatregion präsent, welche grundsätzlich von den kurdischen Kräften beherrscht werde. Eine Rückkehr sei sicher und legal nur über vom syrischen Regime kontrolliertes Gebiet möglich. Dem Beschwerdeführer drohe auch die Rekrutierung durch kurdische Truppen. Er werde, weil er Syrien illegal verlassen habe, auch von den kurdischen Truppen als Verräter angesehen, weswegen die Altersgrenze für den Beschwerdeführer im Einzelfall irrelevant sei. Durch die Verweigerung des Militärdienstes in Zusammenschau mit der illegalen Ausreise sowie der Asylantragstellung im Ausland werde dem Beschwerdeführer eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt und er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrechtlich relevant verfolgt. Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft. Das syrische Regime habe trotz kurdischer Kontrolle grundsätzlich Zugriff auf Raqqa. Das Gebiet rund um Raqqa sei geteiltes Gebiet zwischen Regimekräften und kurdischen Milizen. Es bestehe die immerwährende Gefahr, dass die Herkunftsregion in die Hände der syrischen Regierung falle. Feststellungen und Beweiswürdigung seien mangelhaft.
Mit Ladung vom 19.03.2024 brachte das Bundesverwaltungsgericht folgende Länderberichte in das Verfahren ein
? Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Syrien, Version 10, Stand 14.03.2024
? Themenbericht der Staatendokumentation: Syrien – Grenzübergänge, Version 1, Stand 25.10.2023
? ACCORD, Themendossier: Wehrdienst Syrien vom 16.01.2024 (2105521)
? EUAA, Country Guidance: Syria von Februar 2023
? UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. aktualisierte Fassung von März 2021 (in der Folge UNHCR-Richtlinien)
? EUAA COI Report: Syria – Security situation von Oktober 2023
? EUAA COI Report: Syria – Country Focus von Oktober 2023
? EUAA COI Report: Syria. Targeting of Individuals von September 2022
? EUAA COI Report: Syria. Security situation von September 2022
? EASO COI Report: Syria. Security situation von Juli 2021
? EASO COI Report: Syrien. Lage der Rückkehrer aus dem Ausland von Juni 2021
? EASO COI Report: Syrie. Military service von April 2021
? Liveuamap LLC: Syria Live Map
? Karte: Exploring Historical Control in Syria
und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Mit Schreiben vom 03.04.2024 brachte das Bundesverwaltungsgericht das aktuelle
? Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, Version 11, Stand 27.03.2024 (in der Folge Länderinformationsblatt)
in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 09.04.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigter Rechtsvertreter und ein Dolmetscher für die Sprache Arabisch teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, ihm drohe die Rekrutierung durch das syrische Regime und die Kurden im Wesentlichen aufrecht. Zudem legte er eine Stellungnahme zu den eingebrachten Länderberichten vor.
Mit Schreiben vom 18.04.2024 brachte das Bundesverwaltungsgericht die
? EUAA, Country Guidance: Syria von April 2024 (in der Folge EUAA Country Guidance)
in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Am 02.05.2024 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, dem Beschwerdeführer drohe die Zwangsrekrutierung durch kurdische Milizen sowie die Einziehung zum syrischen Militär. Der Beschwerdeführer erfülle die Voraussetzungen für den Freikauf nicht. Der Verfassungsgerichtshof verlange, dass die Freikaufoption nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch bestehe. Der Beschwerdeführer lehne es ab, das syrische Regime durch die Zahlung einer Befreiungsgebühr zu unterstützen und sich dadurch mittelbar an Kriegsverbreche zu beteiligen. Außerdem gehe es seiner Familie wirtschaftlich nur mittelmäßig. Er könne die finanziellen Mittel nicht aufbringen. Dem Beschwerdeführer sei eine Einreise ohne Kontakt zum Regime nicht möglich.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
? Syrischer Reisepass
? Syrischer Personalausweis
? Militärbuch
? Quittung über eine Geldstrafe
? Deutschkursbestätigungen
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren am XXXX und ist Staatsangehöriger der Arabischen Republik Syrien, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Arabisch.Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren am römisch XXXX und ist Staatsangehöriger der Arabischen Republik Syrien, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Arabisch.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer wurde in Ar Raqqa geboren, wo er bis zur zehnten Klasse die Schule besucht hat. Nach deren Abschluss zog der Beschwerdeführer 2013 mit seinem Bruder nach Latakia um, wo er die Schule weiterbesucht und 2020 mit der Reifeprüfung abgeschlossen hat. Neben der Schule war der Beschwerdeführer als Verkäufer tätig. Anschließend hat der Beschwerdeführer in Latakia Industrietechnik studiert, ist jedoch im ersten Jahr durchgefallen, hat sein Studium abgebrochen, kehrte 2021 nach Ar Raqqa zurück und reiste schließlich aus Syrien aus.
Die Eltern des Beschwerdeführers, drei jüngere Brüder und eine Schwester leben nach wie vor in Syrien. Kontakt besteht. Sie leben von der Pension des Vaters sowie vom Einkommen eines der Brüder. Dieser geht außerdem einem Studium nach. Die Familie besitzt zwei Häuser.
Der ältere Bruder des Beschwerdeführers reiste gemeinsam mit dem Beschwerdeführer ein und ist in Österreich aufhältig.
Der Beschwerdeführer lebt in Österreich von der Grundversorgung und besucht täglich einen Deutschkurs.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer zog 2013 nach Abschluss der zehnten Klasse mit seinem Bruder nach Latakia um, um dort den Schulbesuch fortzusetzen, nachdem Ar Raqqa von Aufständischen eingenommen worden war.
Im Dezember 2013 wurde Ar Raqqa vom IS übernommen und im Jahr 2017 von der SDF eingenommen. Seither steht die Stadt unter der Kontrolle der kurdischen Selbstverwaltung.
Der Beschwerdeführer hat sein Militärbuch 2018 abgeholt und zunächst für den Schulbesuch Aufschübe erhalten. Nach der Reifeprüfung im Jahr 2020 hat der Beschwerdeführer für sein anschließendes Studium nochmals einen Aufschub bis 2021 erhalten. Der Beschwerdeführer ist jedoch im ersten Studienjahr in mehreren Fächern durchgefallen und konnte daher den Nachweis für einen weiteren Aufschub wegen des Studiums nicht erbringen. Daher hat er das Studium abgebrochen und ist nach Ar Raqqa ins Kurdengebiet zurückgekehrt, um sich dem Militärdienst in der syrischen Armee zu entziehen.
In Ar Raqqa blieb der Beschwerdeführer nicht, weil er nicht von den Kurden zur Selbstverteidigungspflicht eingezogen werden wollte.
Der Beschwerdeführer möchte nicht für die syrische Regierung kämpfen, weil diese seine Landsleute und das syrische Volk tötet. Die kurdischen Streitkräfte machen nach Ansicht des Beschwerdeführers dasselbe und töten ebenso Zivilisten.
Der Beschwerdeführer hat in Syrien aus Angst vor Repressionen nicht an Demonstrationen gegen die Regierung teilgenommen.
Aktuell steht Ar Raqqa unter der Kontrolle der SDF, Latakia wird von der syrischen Regierung kontrolliert.
1.2.1. Wehrdienst
Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter von 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend. Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben. Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt. Ausnahmen von der Wehrpflicht bestehen für Studenten, Staatsangestellte, aus medizinischen Gründen und für Männer, die die einzigen Söhne einer Familie sind. Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehren, müssen mit Zwangsrekrutierung rechnen.
Die Umsetzung
Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Obwohl die offizielle Wehrdienstzeit etwa zwei Jahre beträgt, werden Wehrpflichtige in der Praxis auf unbestimmte Zeit eingezogen.
Seit März 2020 hat es in Syrien keine größeren militärischen Offensiven an den offiziellen Frontlinien mehr gegeben. Scharmützel, Granatenbeschuss und Luftangriffe gingen weiter, aber die Frontlinien waren im Grunde genommen eingefroren. Nach dem Ausbruch von COVID-19 und der Einstellung größerer Militäroperationen in Syrien Anfang 2020 verlangsamten sich Berichten zufolge die militärischen Rekrutierungsmaßnahmen der SAA. Die SAA berief jedoch regelmäßig neue Wehrpflichtige und Reservisten ein.
Rekrutierungspraxis
Es gibt zahlreiche glaubhafte Berichte, laut denen wehrpflichtige Männer, die auf den Einberufungsbescheid nicht reagieren, von Mitarbeitern der Geheimdienste abgeholt und zwangsrekrutiert werden. Junge Männer werden an Kontrollstellen (Checkpoints) sowie unmittelbar an Grenzübergängen festgenommen und zwangsrekrutiert, wobei es in den Gebieten unter Regierungskontrolle zahlreiche Checkpoints gibt. Es gibt Zwangsrekrutierungen junger Männer durch syrische Streitkräfte auch unmittelbar im Kampfgebiet. Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben.
Da die Zusammensetzung der syrisch-arabischen Armee ein Spiegelbild der syrischen Bevölkerung ist, sind ihre Wehrpflichtigen mehrheitlich sunnitische Araber, die vom Regime laut einer Quelle als „Kanonenfutter“ im Krieg eingesetzt wurden. Die sunnitisch arabischen Soldaten waren (ebenso wie die alawitischen Soldaten und andere) gezwungen, den größeren Teil der revoltierenden sunnitisch-arabischen Bevölkerung zu unterdrücken.
Wehrdienstverweigerung
In Syrien besteht keine Möglichkeit der legalen Wehrdienstverweigerung. Auch die Möglichkeit eines (zivilen) Ersatzdienstes gibt es nicht. Es gibt in Syrien keine reguläre oder gefahrlose Möglichkeit, sich dem Militärdienst durch Wegzug in andere Landesteile zu entziehen. Beim Versuch, sich dem Militärdienst durch Flucht in andere Landesteile, die nicht unter Kontrolle des Regimes stehen, zu entziehen, müssten Wehrpflichtige zahlreiche militärische und paramilitärische Kontrollstellen passieren, mit dem Risiko einer zwangsweisen Einziehung, entweder durch die syrischen Streitkräfte, Geheimdienste oder regimetreue Milizen.
Manche Experten gehen davon aus, dass Wehrdienstverweigerung vom Regime als Nähe zur Opposition gesehen wird. Bereits vor 2011 war es ein Verbrechen, den Wehrdienst zu verweigern. Nachdem sich im Zuge des Konflikts der Bedarf an Soldaten erhöht hat, wird Wehrdienstverweigerung im besten Fall als Feigheit betrachtet und im schlimmsten im Rahmen des Militärverratsgesetzes (qanun al-khianaal-wataniya) behandelt. In letzterem Fall kann es zur Verurteilung vor einem Feldgericht und Exekution kommen oder zur Inhaftierung in einem Militärgefängnis. Loyalität ist hier ein entscheidender Faktor: Wer sich dem Wehrdienst entzogen hat, hat sich als illoyal erwiesen. Rechtsexperten der Free Syrian Lawyers Association (FSLA) mit Sitz in der Türkei beurteilen, dass das syrische Regime die Verweigerung des Militärdienstes als schweres Verbrechen betrachtet und die Verweigerer als Gegner des Staates und der Nation behandelt. Dies spiegelt die Sichtweise des Regimes auf die Opposition wie auch jede Person wider, die versucht, sich seiner Politik zu widersetzen oder ihr zu entkommen. Der Syrien-Experte Fabrice Balanche sieht die Haltung des Regimes Wehrdienstverweigerern gegenüber als zweischneidig, weil es einerseits mit potenziell illoyalen Soldaten, die die Armee schwächen, nichts anfangen kann, und sie daher besser außer Landes sehen will, andererseits werden sie inoffiziell als Verräter gesehen, da sie sich ins Ausland gerettet haben, statt „ihr Land zu verteidigen“. Wehrdienstverweigerung wird aber nicht unbedingt als oppositionsnahe gesehen. Das syrische Regime ist sich der Tatsache bewusst, dass viele junge Männer nach dem Studium das Land verlassen haben, einfach um nicht zu sterben. Daher wurde die Möglichkeit geschaffen, sich frei zu kaufen, damit die Regierung zumindest Geld in dieser Situation einnehmen kann. Hinzu kommen Ressentiments der in Syrien verbliebenen Bevölkerung gegenüber Wehrdienstverweigerern, die das Land verlassen haben und sich damit „gerettet“ haben, während die verbliebenen jungen Männer im Krieg ihr Leben riskiert bzw. verloren haben. Ein für eine internationale Forschungsorganisation mit Schwerpunkt auf den Nahen Osten tätiger Syrienexperte, der allerdings angibt, dazu nicht eigens Forschungen durchgeführt zu haben, geht davon aus, dass das syrische Regime möglicherweise am Anfang des Konflikts, zwischen 2012 und 2014, Wehrdienstverweigerer durchwegs als oppositionell einstufte, inzwischen allerdings nicht mehr jeden Wehrdienstverweigerer als oppositionell ansieht. Gemäß Auswärtigem Amt legen einige Berichte nahe, dass Familienangehörige von Deserteuren und Wehrdienstverweigerern ebenfalls Verhören und Repressionen der Geheimdienste ausgesetzt sein könnten.
Wehrdienstentzug wird gemäß dem Militärstrafgesetzbuch bestraft. In Art. 98-99 ist festgehalten, dass mit einer Haftstrafe von einem bis sechs Monaten in Friedenszeiten und bis zu fünf Jahren in Kriegszeiten bestraft wird, wer sich der Einberufung entzieht.Wehrdienstentzug wird gemäß dem Militärstrafgesetzbuch bestraft. In Artikel 98 -, 99, ist festgehalten, dass mit einer Haftstrafe von einem bis sechs Monaten in Friedenszeiten und bis zu fünf Jahren in Kriegszeiten bestraft wird, wer sich der Einberufung entzieht.
Die Gesetzesbestimmungen werden nicht konsistent umgesetzt, und die Informationslage bezüglich konkreter Fälle von Bestrafung von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren ist eingeschränkt, da die syrischen Behörden hierzu keine Informationen veröffentlichen. Manche Quellen geben an, dass Betroffene sofort oder nach einer kurzen Haftstrafe (einige Tage bis Wochen) eingezogen werden, sofern sie in keinerlei Oppositionsaktivitäten involviert waren. Andere geben an, dass Wehrdienstverweigerer von einem der Nachrichtendienste aufgegriffen und gefoltert oder „verschwindengelassen“ werden können. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab.
Es gibt verschiedene Meinungen darüber, ob Wehrdienstpflichtige zurzeit sofort eingezogen, oder zuerst inhaftiert und dann eingezogen werden: Laut Balanche ist der Bedarf an Soldaten weiterhin hoch genug, dass man wahrscheinlich nicht inhaftiert, sondern mit mangelhafter oder ohne Ausbildung direkt an die Front geschickt wird. Die Strafe für Wehrdienstentzug ist oft Haft und im Zuge dessen auch Folter. Während vor ein paar Jahren Wehrdienstverweigerer bei Checkpoints meist vor Ort verhaftet und zur Bestrafung direkt an die Front geschickt wurden (als „Kanonenfutter“), werden Wehrdienstverweigerer derzeit laut U?ur wahrscheinlich zuer