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37 Geld-, Währungs-und KreditrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des Kreditwesengesetzes betreffend die Liquiditätsreserve in einer dem Rechtsbestand nicht mehr angehörenden Fassung; kein Eingriff in die Rechtssphäre; Unzulässigkeit des Austausches des AnfechtungsgegenstandesSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Mit ihrem Antrag vom 3. Dezember 1992 begehrt die Antragstellerin unter Berufung auf Art140 Abs1, letzter Satz, B-VG, der Verfassungsgerichtshof möge "§14 Abs11 KWG, der den oben dargestellten Wortlaut hat", zur Gänze als verfassungswidrig aufheben. Hilfsweise wird bloß die Aufhebung des ersten Satzes dieser Gesetzesbestimmung, in eventu bloß der Wortfolge " ... bei ihrem Zentralinstitut ..." beantragt. Der Antrag bezeichnet zwar nicht die Fundstellen des Kreditwesengesetzes und seiner Novellen, doch gibt er den Inhalt der angefochtenen Norm wie folgt wieder:
"Banken, die einem Zentralinstitut angeschlossen sind, haben bei ihrem Zentralinstitut eine Liquiditätsreserve im Ausmaß von 10 vH der Spareinlagen und 20 vH der sonstigen Schilling-Einlagen, höchstens jedoch 14 vH der gesamten Schilling-Einlagen zu halten. Ihr Ausmaß ist jeweils zum Ende der Monate März, Juni, September und Dezember nach dem Stand der Einlagen zu ermitteln und für das jeweils folgende Vierteljahr anzupassen. Sinken die Einlagen um mehr als 20 vH unter den Stand der letzten maßgeblichen Berechnungsgrundlage, so kann die Bank eine Anpassung zum nächstfolgenden Monatsletzten verlangen. Diese Liquiditätsreserve zählt zu den flüssigen Mitteln ersten Grades. Sonstige Einlagen sind täglich fällige Gelder des Zahlungsverkehrs (Sichteinlagen), alle Kündigungs- und Festgelder sowie die Einlagen gegen Ausgabe von Kassenscheinen. Die Bestimmungen dieses Absatzes finden auf eine Bank, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes eine Bilanzsumme von mindestens 40 vH der Bilanzsumme des Zentralinstitutes (ohne das Bausparkassengeschäft) aufweist, keine Anwendung, wenn sie diesem erklärt, daß sie nach Ablauf von drei Jahren, gerechnet vom Zeitpunkt der Erklärung, den Anschluß an das Zentralinstitut lösen wird."
1.2. Zur Antragslegitimation bringt die Antragstellerin vor, sie sei als dem Zentralinstitut Österreichische Volksbanken AG angeschlossene Bank auf Grund des §14 Abs11 KWG unmittelbar verpflichtet, die vorgeschriebene Liquiditätsreserve bei ihrem Zentralinstitut zu halten. Die angeführte Gesetzesbestimmung normiere einen Kontrahierungszwang, ohne jedoch die Bedingungen hiefür festzulegen. Dies habe dazu geführt, daß die Österreichische Volksbanken AG in Ausnutzung ihres durch die angefochtene Gesetzesbestimmung normierten Monopols die von ihr gehaltene Liquiditätsreserve nicht (mehr) verzinse. Dies bringe gegenüber einer marktüblichen Verzinsung einen wesentlichen Nachteil für die Antragstellerin. Dadurch sei sie in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung sowie in ihren Rechten wegen Anwendung einer dem Art18 Abs1 B-VG widersprechenden generellen Norm verletzt.
2. Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 1992 gab die Beschwerdeführerin ergänzend bekannt, daß sie
"die Aufhebung des §14 Abs11 KWG in der letztgültigen Fassung, also in der durch BG BGBl 18/1992 geänderten Fassung beantrage(n). Bekanntlich wurden in dieser Novelle folgende Sätze angefügt:
'Ab dem Tage des Einlangens der schriftlichen Erklärung, mit der eine solche Bank den Anschluß an das Zentralinstitut löst, erlischt die gesetzliche Verpflichtung dieser Bank, das Ausmaß der Liquiditätsreserve quartalsweise anzupassen. Ab diesem Zeitpunkt kann die Liquiditätsreserve stufenweise vermindert werden. Nach Ablauf der Dreijahresfrist kann der Anschluß an das Zentralinstitut aufrecht erhalten werden, indem bis zur Höhe der zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden Liquiditätsreserve beim Zentralinstitut weiterhin Liquiditätsreserve gehalten werden kann, deren jeweiliges Ausmaß der Oesterreichischen Nationalbank vom Zentralinstitut monatlich zu melden ist.'
Wir beantragen ausdrücklich auch die Aufhebung dieser drei durch die Novelle angefügten Sätze.
Ergänzend geben wir bekannt, daß unsere Bilanzsumme bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes weniger als 40 % der Bilanzsumme unseres Zentralinstitutes betragen hat und auch heute noch beträgt."
3. Der Antrag ist nicht zulässig.
Aus dem Wortlaut des Art140 Abs1, letzter Satz, B-VG (arg. "verletzt zu sein behauptet" und nicht etwa "verletzt worden zu sein behauptet") ergibt sich, daß die bekämpfte Gesetzesstelle zumindest zum Zeitpunkt der Antragstellung (noch) eine behauptete und tatsächlich vorliegende (nachteilige) rechtliche Wirkung für den Antragsteller haben muß, mag auch das Gesetz inzwischen außer Kraft getreten sein (Art140 Abs4 B-VG).
Auch eine am Sinn dieser Verfassungsbestimmung orientierte Auslegung führt zum selben Ergebnis: Der Zweck des Individualantrages besteht darin, daß die behauptete Rechtsverletzung durch Aufhebung der bekämpften Gesetzesstelle beseitigt wird. Würde sich also trotz Aufhebung der angefochtenen Gesetzesbestimmung für die Rechtsposition des Antragstellers nichts ändern, kommt ihm die Antragstellung nicht zu (vgl. VfGH 24.2.1992, G13/92).
Wie bereits dargelegt, wurde die bekämpfte Gesetzesstelle mit BG BGBl. 18/1992 (in Kraft getreten gemäß Art49 Abs1 B-VG mit Ablauf des 10. Jänner 1992) ergänzt und dadurch in ihrem Sinngehalt verändert, sodaß sie seither in der bekämpften Fassung dem Rechtsbestand nicht mehr angehört (so auch schon VfGH 7.10.1992, G130/92 und G178/92).
Die von der Antragstellerin behaupteten Eingriffe in ihre Rechtssphäre durch §14 Abs11 KWG idF vor der Novelle BG BGBl. 18/1992 lagen daher schon zum Zeitpunkt der Antragstellung (3. Dezember 1992) nicht (mehr) vor.
Daran vermag der mit Schriftsatz vom 21. Dezember 1992 gestellte Antrag auf Aufhebung auch der dem §14 Abs11 KWG mit der erwähnten Novelle angefügten Sätze nichts zu ändern. Denn dies läuft auf den Austausch des Anfechtungsgegenstandes des Individualantrages gemäß Art140 Abs1 B-VG iVm. §62 VerfGG hinaus, was aber offenkundig unzulässig ist (vgl. zum - nicht verbesserungsfähigen - Anfechtungsumfang
Schlagworte
VfGH / Antrag, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Individualantrag Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Geld-, Kredit-, Börse-, Bankwesen / KreditwesenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:G237.1992Dokumentnummer
JFT_10069678_92G00237_00